Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Historie und Entwicklung des katholischen Fundamentalismus
2.1. Marcel Lefebvres Traditionalismus
2.2. Das moderne Bild des katholischen Fundamentalismus
3. Gruppierungen und Ausprägungen des katholischen Fundamentalismus
3.1. Priesterbruderschaft St. Pius X
3.2. Opus Die
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
6. Schlusserklärung
1. Einleitung
„Wir leben in einer Welt der Kriege, der Gewalt, der Lügen, der persönlichen und sexuellen Unverantwortlichkeit. Es ist eine Welt, in der sich Menschen vor der Atombombe und dem Wahnsinn des Wettrüstens fürchten, und in der die einzigen Nachrichten schlechte Nachrichten zu sein scheinen.“[1] Allein der katholische Fundamentalismus scheint auf solche komplexen Fragen einfache Antworten zu liefern und sieht sich als „letzten Hort des wahren Glaubens im Kampf gegen eine sündhafte (moderne) Welt“[2] Seines Erachtens führt er einen kosmischen Kampf gegen das Böse – die Moderne.
In der vorliegenden Hausarbeit soll der katholische Fundamentalismus eine eingehende Betrachtung und Untersuchung erfahren. Dies hinsichtlich seiner Entwicklung und Merkmale und ausgehend von seinen historischen Wurzeln bis in das 21. Jahrhundert hinein. Des Weiteren soll seine Leitfigur Marcel Lefebvre in Anbetracht seines begründeten Traditionalismus und seiner Einflüsse vorgestellt werden. Neben Lebebvres Berufung auf die Tradition als solche, entwickelte er eine Erkenntnistheorie, welche die menschliche Vernunft rapide herabsetzt.
Es gibt einige Fragen, welche sich hinsichtlich dieser fundamentalistischen Strömung stellen, wie zum Beispiel: Worin liegt der Ursprung des katholischen Traditionalismus[3] ? Welche Ziele verfolgen die katholischen Fundamentalisten im Einzelnen? Existieren in der heutigen Zeit noch solche Fundamentalisten und welchen Einfluss haben sie? Wie viele Untergruppen haben sich herausgebildet? All diese Fragestellungen sollen in der folgenden Arbeit eine Antwort erfahren und eine umfassende Darstellung des katholischen Fundamentalismus komplettieren.
Die Ausprägungen des katholischen Fundamentalismus in verschiedene Gruppierungen werden überblicksweise in einer kurzen Form dargestellt. Eine eingehende Betrachtung erfährt die sogenannte Piusbruderschaft sowie das Opus Dei.
2. Die Historie und Entwicklung des katholischen Fundamentalismus
Als Reaktion auf die Aufklärung und die Französische Revolution entstand die Katholische Restauration. Sie stellte den Versuch dar, die vorrevolutionären Anschauungen und Werte wenigstens in der Kirche wieder voll zur Geltung zu bringen oder gar noch radikalisierter durchzusetzen. Allen voran gehörte zu diesen vorrevolutionären Anschauungen das hierarchisch-monarchische Denken, welches im 1. Vatikanischen Konzil (1869/70) in der Proklamation des päpstlichen Unfehlbarkeitsdogmas formuliert worden ist.[4] Die Katholische Restauration zielte auf einen religiösen Totalitarismus ab, „der aus dem Glauben (allein) die Antwort auf alle Fragen des privaten und öffentlichen Lebens entnehmen wollte.“[5] Hieran ist ersichtlich, dass die Wurzeln des katholischen Traditionalismus bereits im 19. Jahrhundert liegen.
1907 erschien das Sanctum Officium Lamentabili, in dem die sogenannten modernistischen Irrtümer aufgezählt und verurteilt wurden. Die fundamentalistische Strömung bekundet darin ihre Trauer und Klage über den Zustand der Welt und der religiösen Gemeinschaft. 1910 folgte daraufhin der von den Klerikern abverlangte Anti-Modernisten-Eid Papst Pius‘ X.[6]
Die Kirche stellte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Folge der Katholischen Restauration einen homogenen Block dar, in dem die Fundamente des Glaubens – Bibel und Tradition – nun nicht mehr gefährdet waren oder in Frage gestellt wurden. Diese emotionale Sicherheit wurde insbesondere durch die lateinische Messe, welche in der tridentinischen Form Pius‘ V. stattfand, gestützt. An ihr nahmen weltweit Millionen von Katholiken teil. Die tridentinische Messe wurde überall in der gleichen Form und in lateinischer Sprache gefeiert und spendete damit den katholischen Christen das Gefühl einer weltumspannenden Zusammengehörigkeit und Verbundenheit.[7]
Die katholische Kirche besaß eine offenkundig streng hierarchisch-autoritäre Führung und verfügte mit Rom über ein heiliges Zentrum. Doch der Bevölkerungszuwachs ließ die zahlenmäßige Übermacht der Katholiken immer weiter schwinden. Der Islam wurde zunehmend zur dominierenden Kraft. Eine wachsende Zahl von Christen stellte sich gegen die herrschende Klasse und verlangte ein soziales Christentum. Die Theologie der Befreiung geriet in Konflikt mit der kirchlichen Hierarchie und viele Menschen wandten sich von der Kirche ab und suchten ihr Heil auf östlichen Meditationswegen.[8]
In diese Situation hinein wurde von Papst Johannes XXIII. 1959 das 2. Vatikanische Konzil einberufen, welches von Oktober 1962 bis Dezember 1965 dauerte. Gemäß der Pläne der vorbereitenden Kommission hätte die opulente Kirchenversammlung eigentlich nur eine grandiose Schau katholischen Glaubens werden sollen, jedoch verlief der Fortgang des Konzils anders. Die brisanten Dokumente des 2. Vatikanischen Konzils betrafen zum einen die innerkirchliche Demokratisierung, das heißt statt Mutter Kirche hieß es nun ein Volk Gottes und es herrschte Kollegialität unter den Bischöfen. Des Weiteren enthielten die Dokumente den Ökumenismus, welcher für die Dialogbereitschaft mit nicht-katholischen Christen und mit nicht-christlichen Religionen unter Verzicht auf den alleinigen Heilsweg steht. Zum anderen die Religionsfreiheit als Respekt für andersartige religiöse und weltanschauliche Überzeugungen und Verzicht, eigene Überzeugungen mit Druck- oder Machtmitteln Andersdenkenden aufzudrängen. Und zuletzt die Liturgie, welche insbesondere die Erneuerung der Messe umfasst, das heißt der Gottesdienst zum Ausdruck des Glaubens wurde nun Menschen jeden Standes verständlich gemacht, denn die Liturgie sollte der Notwendigkeit der Zeit angepasst werden.[9]
Das 2. Vatikanische Konzil rief durch seine Beschlüsse zunehmend fundamentalistische Gruppierungen auf den Plan, welche besonders an der Religionsfreiheit, dem Ökumenismus und der Toleranz Anstoß nahmen. Aufgrund der neuen Freiheiten im kirchlichen Raum befürchteten sie einen Ausverkauf der Kirche und einen damit verbundenen Verlust des Glaubenslebens und der Liturgie.[10]
„Ein gemeinsames Kriterium fundamentalistischer und traditionalistischer Gruppierungen scheint die Notwendigkeit von Leitfiguren zu sein, die Berufung auf ein Amt (etwa den Papst) oder auf einen Sachzusammenhang (etwa auf eine gewisse Traditionsauffassung). Dieser dient als Fundament für einen unumstößlichen Glauben.“[11] Ziel der katholischen Fundamentalisten ist es sich auf diese Fundamente zurückzubesinnen, jedoch bedeutet dies nicht die Rückkehr zu jener Form des Glaubens und religiösen Lebens, die als Verkörperung der ursprünglichen Intention des Religionsgründers betrachtet wird, sondern insbesondere eine Rückkehr zur unmittelbar vorhergehenden Epoche, welche zum mythischen Anfang ausgelegt wird. Somit ist hierbei eine Rückkehr ins 19. Jahrhundert gemeint. Der Fundamentalismus fußt ausgesprochen stark auf der Unfehlbarkeit der Bibel und zeichnet sich demnach weiterhin durch das Moment des Kreationismus[12] aus.
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[1] Remele, Kurt: Katholischer Fundamentalismus. Unterscheidungen – Erklärungen – Anfragen. In: Religiöser Fundamentalismus. Vom Kolonialismus zur Globalisierung. Hrsg. von Clemens Six [u.a.]. 2. Auflage.
Innsbruck [u.a.]: Studien-Verl. 2005. S. 56f.
[2] Schifferle, Alois: Katholischer Traditionalismus und Fundamentalismus. In: Fundamentalismus in der verweltlichten Kultur. Hrsg. von Hansjörg Hemminger. Stuttgart: Quell-Verl. 1991. S. 67.
[3] „Im Bereich der katholischen Kirche werden die Anhänger und Anhängerinnen solcher engen Auspärgungen des Religiösen manchmal als „Fundamentalisten“ bezeichnet, häufiger als „Traditionalisten“. (Quelle: Remele, Kurt: Katholischer Fundamentalismus. Unterscheidungen – Erklärungen – Anfragen. In: Religiöser Fundamentalismus. Vom Kolonialismus zur Globalisierung. Hrsg.
von Clemens Six [u.a.]. 2. Auflage. Innsbruck [u.a.]: Studien-Verl. 2005. S. 54.
[4] Vgl. Odermatt, Martin: Der Fundamentalismus. Ein Gott – eine Wahrheit – eine Moral? Psychologische Reflexionen. Zürich: Benziger 1991. S. 17.
[5] Ebd.
[6] Vgl. Ebd. S. 16f.
[7] Vgl. Ebd. S. 18.
[8] Vgl. Ebd. S. 18f.
[9] Vgl. Ebd. S. 19f.
[10] Vgl. Schifferle, Alois: Katholischer Traditionalismus und Fundamentalismus. In: Fundamentalismus in der
verweltlichten Kultur. Hrsg. von Hansjörg Hemminger. Stuttgart: Quell-Verl. 1991. S. 68-70.
[11] Ebd. S. 70.
[12] Der Kreationismus beinhaltet die Auffassung, dass die Evolutionstheorie unvereinbar mit der Schöpfungstheorie ist. Das heißt es wird an einer wortwörtlichen Auslegung der Bibel festgehalten, was einen starken Kontrast zu grundlegenden Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaft bildet.