Die Beschwerdeführer können sich auf die Grundrechte des Grundgesetzes jedoch insoweit berufen, als der Gesetzgeber bei der Umsetzung von Unionsrecht Gestaltungsfreiheit hat, das heißt durch das Unionsrecht nicht determiniert ist. Darüber hinaus sind Verfassungsbeschwerden auch insoweit zulässig, als angegriffene Vorschriften auf Richtlinienbestimmungen beruhen, die einen zwingenden Inhalt haben. Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Dienstanbieter, wie sie die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 vorsieht, ist mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar; auf einen etwaigen Vorrang dieser Richtlinie kommt es daher nicht an. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die gesetzliche Ausgestaltung einer solchen Datenspeicherung dem besonderen Gewicht des mit der Speicherung verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen Rechnung trägt. Erforderlich sind hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes. Die Gewährleistung der Datensicherheit sowie die normenklare Begrenzung der Zwecke der möglichen Datenverwendung obliegen als untrennbare Bestandteile der Anordnung der Speicherungsverpflichtung dem Bundesgesetzgeber gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG. Demgegenüber richtet sich die Zuständigkeit für die Schaffung der Abrufregelungen selbst sowie für die Ausgestaltung der Transparenz- und Rechtsschutzbestimmungen nach den jeweiligen Sachkompetenzen.
Das BVerfG sah in der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung einen Verstoß gegen das Telekommunikationsgeheimnis. Es erklärte dieses für verfassungswidrig, die Regelungen sind damit nichtig. Eine Rekordzahl von 35.000 Bürgern hatte vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Speicherung der Telefon- und Internetdaten für sechs Monate geklagt. Damit müssen bisher gespeicherte Daten gelöscht werden. Mit Hilfe der über die gesamte Bevölkerung gespeicherten Daten könnten soziale und kommunikative Bewegungsprofile erstellt, geschäftliche Kontakte rekonstruiert sowie soziale Kontakte identifiziert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Dienstanbieter
- Die Beschwerdeführer können sich auf die Grundrechte des Grundgesetzes jedoch insoweit berufen, als der Gesetzgeber bei der Umsetzung von Unionsrecht Gestaltungsfreiheit hat
- Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die gesetzliche Ausgestaltung einer solchen Datenspeicherung dem besonderen Gewicht des mit der Speicherung verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen Rechnung trägt
- Die Gewährleistung der Datensicherheit sowie die normenklare Begrenzung der Zwecke der möglichen Datenverwendung obliegen als untrennbare Bestandteile der Anordnung der Speicherungsverpflichtung dem Bundesgesetzgeber gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG
- Hinsichtlich der Datensicherheit bedarf es Regelungen, die einen besonders hohen Sicherheitsstandard normenklar und verbindlich vorgeben
- Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten sind nur verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des Rechtsgüterschutzes dienen
- Alle Verfassungsbeschwerden richten sich unmittelbar gegen die §§ 113a und 113b TKG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert die Rechtswidrigkeit der Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten im Lichte des Grundgesetzes und anderer Rechtsgrundlagen. Er untersucht die Verhältnismäßigkeit der Speicherung von Daten im Verhältnis zum Schutz der Grundrechte, insbesondere des Telekommunikationsgeheimnisses und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.
- Verfassungsmässigkeit der Vorratsdatenspeicherung
- Eingriff in die Grundrechte durch Vorratsdatenspeicherung
- Schutz der Privatsphäre und des Telekommunikationsgeheimnisses
- Verhältnismäßigkeitsprüfung der Vorratsdatenspeicherung
- EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung
Zusammenfassung der Kapitel
Der Text beginnt mit einer Darstellung des Grundrechtsschutzes in Bezug auf das Bürgerverhalten und stellt heraus, dass staatliche Eingriffe in dieses Verhalten besonders strengen Anforderungen unterliegen müssen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Verhältnismäßigkeitsprüfung, die die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten in Frage stellt.
Die zweite Hälfte des Textes behandelt die Rechtslage in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung im deutschen Recht und im EU-Recht. Sie untersucht, ob die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006, die die sechsmonatige Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten vorsieht, mit Art. 10 GG vereinbar ist. Der Text argumentiert, dass die Vorratsdatenspeicherung in ihrer aktuellen Form mit den Grundrechten des Grundgesetzes nicht vereinbar ist, da sie einen unverhältnismässigen Eingriff in die Privatsphäre darstellt und das Risiko von Missbrauch birgt.
Der Text beleuchtet ausserdem die Bedeutung der Datensicherheit, der Zweckbindung der Datenverwendung und der Transparenz der Datenspeicherung. Er betont die Notwendigkeit von strengen rechtlichen Vorgaben zur Regelung dieser Aspekte.
Schlüsselwörter
Vorratsdatenspeicherung, Telekommunikationsgeheimnis, Grundrechte, Verhältnismässigkeit, Datenschutz, EU-Richtlinie, Rechtsschutz, Datensicherheit, Transparenz, Überwachung, Privatsphäre, Grundgesetz, Bundesverfassungsgericht
- Arbeit zitieren
- Prof. Dr. Dr. Assessor jur., Mag. rer. publ. Siegfried Schwab (Autor:in), 2010, Vorratsdatenspeicherung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/161090