Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung
Hauptteil
Der Dadaismus
Der Primitivismus im Dadaismus
DerSurrealismus
Der Primitivismus im Surrealismus
Schlusswort
Literatur
EINLEITUNG
Im Rahmen des Seminars ,Kunst und Ethnologie' soll das Thema ,Künstler entdecken die Ethnologie' anhand des Dada- und Surrealismus dargestellt werden.
Durch Freuds Psychoanalyse etablierte sich in der westlichen Welt der Begriff des Unterbewussten. Von nun an gab es nicht nur das Rationale auf das unsere Handlungen zurück zu führen war, sondern auch das Unterbewusste spielte dabei eine relevante Rolle. Diese Wandlung des Menschenbildes veränderte natürlich auch die Kunst. Während die Dadaisten sich vom Rationellen abwandten und jegliche Konvention über den Haufen warfen, waren die Surrealisten eher daran interessiert, das Unterbewusste zu erfassen und in ein neues Weltbild zu integrieren.
Die vorliegende Arbeit möchte diese beiden Kunstrichtungen kurz vorstellen und den Einfluss primitiver Kunst darauf näher bringen. Dabei geht es vorrangig um die Fragen, was genau sich Künstler von den Fremden abgeschaut haben und inwiefern es in ihre eigene Kunst mit eingeflossen ist. Den Ausdruck ,primitiv' habe ich von der genutzten Literatur übernommen.
Die vorliegende Arbeit erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.
HAUPTTEIL
DER DADAISMUS
Als Gegenbewegung zum 1. Weltkrieg entwickelte sich gegen 1915 der Dadaismus als neue Kunstrichtung heraus. Zu dieser Zeit trafen sich in der neutralen Schweiz freigeistige und pazifistische Dichter, Maler und Theaterleute „um der bürgerlichen Vernunft ein Spottlied zu singen"1. Denn wenn man die Rationalität dazu benutzen konnte, Tod und Verstümmelung von Millionen Menschen zu rechtfertigen, dann war die logische Konsequenz daraus, sich davon abzuwenden. An ihre Stelle trat die Sinnlosigkeit und Naivität.2 Man wollte sich an keine Regeln und Traditionen halten um sich so vor allem von ästhetischen Zwängen zu befreien. Diese Radikalität war in der bisherigen Kunstgeschichte absolut neu.
Am 5. Februar 1916 eröffnete in Zürich das Cabaret Voltaire, dass für diese Bewegung ein bedeutendes Zentrum werden sollte. Denn hier fanden sich die Künstler zusammen, aßen und tranken, diskutierten und organisierten dort Veranstaltungen. „Während in der Ferne der Donner der Geschütze grollte, sangen, klebten und dichteten wir aus Leibeskräften. Wir suchten eine elementare Kunst, die den Menschen vom Wahnsinn der Zeit heilen, und eine neue Ordnung [...] herstellen sollte."3 Dazu gab es viele Lesungen, in der die Künstler Gedichte vortrugen, und Wortspielereien erfanden. Auch die Musik war mit ihren futuristischen Lärmklängen und afrikanischen Trommeln ein fester Bestandteil und wurde meist von grotesken Tänzen begleitet.
In der Galerie Dada, dem zweiten Standbein des Dadaismus, gab es ebenfalls Ausstellungen, Lesungen und Diskussionen. Alles in absolut freier und formloser Art, denn „das Programm des Dadas bestand darin keines zu haben".4 Man tat das, was einem gerade in den Sinn kam. Für sie war die traditionelle Kunst tot, nur das Leben an sich war Kunst.
DER PRIMITIVISMUS IM DADAISMUS
Da man sich als Dadaist gegen jegliche bürgerliche Konventionen auflehnte, war die primitive Kunst ganz besonders interessant für sie. So glaubte man, dass diese Kunstform den unverdorbenen Ursprung des Menschen darstellte und frei vonjeglichen Einflüssen der westlichen Kultur war.5 Das einzig existierende Bild das eine der vielen Soireen der Dadaisten dokumentiert ist Cabaret Voltaire (1916). Dort gibt es den ersten kleinen Hinweis darauf, dass der Primitivismus im Kabarett eine präsente Rolle hatte. Denn an einer Wand sind eindeutig wilde Gesichtsmasken zu erkennen.6 Diese wurden von Marcel Janco für Aufführungen angefertigt. Obwohl es keine Originale waren, hatte man sich doch etwas von den Primitiven abgeguckt. Die Masken waren nämlich mit bis dahin unüblichen Materialien angefertigt worden. Benutzte man bis dahin nur edle und erlesene Produkte für ein Kunstwerk, so bediente sich Janco und Co. an Kartons, Papier, Pferdehaar und Draht. Es waren also Stoffe, die wertlos und leicht verderblich waren. Jean Arp, der ebenfalls solche Materialien nutzte, kommentierte es mit folgenden Worten: „Anstatt das Papier zu zerschneiden, zerriss ich es mit meinen Händen, ich gebrauchte Gegenstände, die ich am Strand fand, und ich stellte natürliche Collagen und Relifs zusammen. Ich arbeitete so wie die Ozeanier, die sich nie um die Dauer ihrer Materialien kümmern, wenn sie Masken anfertigen, und die verderbliche Materialien wie Muscheln, Blut und Federn verwenden."7
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 1: ,Maske' von Marcel Janeo (1919)
Mit Jancos Masken, die man afrikanische Neger-Masken nannte, verbanden die Dadaisten „die angeborene geistige Kraft der primitiven Kunst"8. Die selbst hergestellten Masken waren zum Tragen bestimmt. Man nutzte sie dazu, wie auch die Primitiven, um während eines Rituals oder Feier ein anderes Wesen darzustellen.9 Der Gründer des Cabarets Voltaires Hugo Ball erklärte es folgendermaßen: „Oie Maske verlangte nicht nur sofort nach einem Kostüm, sie diktierte auch einen ganz bestimmten pathetischen, ja an Irrsinn streifenden Gestus [...] Die Masken verlangten einfach, dass ihre Träger sich zu einem tragisch-absurden Tanz in Bewegung setzten."10
Darüber hinaus waren die Dadaisten ganz besonders davon fasziniert, wie frei und unbefangen die Ureinwohner mit Formen und Techniken umgingen.11 Denn sie scheuten sich nicht Dinge in ihrer simpelsten Gestalt darzustellen. Ein Künstler der dies umsetzte war Man Ray mit der Skulptur Sculture by Itself (1918). Auffallend ist hier die einfache, minimalistische Figur, die lediglich aus zwei Rechtecken besteht. Wobei die Oberfläche unbearbeitet geblieben ist. Für uns westlichen Menschen wirkt diese Figur auf den ersten Blick sehr plump und nicht wirklich ästhetisch.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tristan Tzara, der sich unter den Dada - Persönlichkeiten am stärksten für afrikanische und ozeanische Kunst interessierte, war vor allem von deren Plastiken begeistert. Zu diesem Thema schrieb er für die französische Kunstzeitschrift SIC im Jahre 1917 einen Aufsatz, indem er noch mal das Bedürfnis nach einer neuen Art von Darstellung von Gegenständen unterstrich und man sich von den traditionellen Definitionen und Assoziationen befreien sollte. Auch er bewunderte den freien und unbefangenen Umgang der Primitiven mit Formen.
Tzara war nicht nur aus formalen Gründen von der primitiven Kunst angezogen, sondern sah sie auch als Ausdruck für eine Lebensauffassung. Er war wie viele zu der Zeit, der Meinung, dass die Kunst solcher Stammeskulturen den Ursprung menschlicher Kreativität bildet und seine reinste Form darstellt.12 Darüber hinaus war die Kunst stets ein wichtiger Bestandteil ihres sozialen und religiösen Alltags und ein Ausdruck ihres Lebens. Genau das entsprach auch der dadaistischen Kunstauffassung: man wollte weg von Kunst, die bloß Ausdruck von Intelligenz und Willen war, und
[...]
1 dtv-Atlas Lexikon der Kunst, Band 2, München 1996, p. 332
2 Regel, Günther: Moderne Kunst. Zugänge zu ihrem Verständnis. Klett Leipniz, 1994, p. 119
3 dtv - Lexikon der Kunst, Band 2, München 1996, p. 332
4 Maurer, Evan: Dada und Surrealismus. In: Primitivismus in der Kunstdes 20. Jahrhunderts. Rubin, William (Hrsg.), Prestel-Verlag - New York 1984, p. 547
5 Maurer, Evan: Dada und Surrealismus. In: Primitivismus in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Rubin, William (Hrsg.), Prestel-Verlag - New York 1984, p. 548
6 Maurer, Evan: Dada und Surrealismus. In: Primitivismus in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Rubin, William (Hrsg.), Prestel-Verlag - New York 1984, p. 548
7 Maurer, Evan: Dada und Surrealismus. In: Primitivismus in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Rubin, William (Hrsg.), Prestel-Verlag - New York 1984, p. 548
8 Maurer, Evan: Dada und Surrealismus. In: Primitivismus in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Rubin, William (Hrsg.), Prestel-Verlag - New York 1984, p. 548
9 diesen Aspekt greifen die Surrealisten später wieder auf p.12
10 Maurer, Evan: Dada und Surrealismus. In: Primitivismus in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Rubin, William (Hrsg.), Prestel-Verlag - New York 1984, p. 550
11 auch das griffen die Surrealisten wieder auf p. 19
12 Maurer, Evan: Dada und Surrealismus. In: Primitivismus in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Rubin, William (Hrsg.), Prestel-Verlag - New York 1984, p. 552