Hitlerjugend. Anspruch und Wirklichkeit einer nationalsozialistischen Organisation


Seminararbeit, 1999

16 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zum strukturellen Aufbau der Hitlerjugend

3. Formen und Inhalte des HJ-Dienstes
3.1 Körperliche Ertüchtigung und Leibeserziehung
3.2 Weltanschauliche Schulung

4. Worin lag die Attraktivität der HJ für die damaligen Jugendlichen?
4.1 HJ-Erziehung
4.2 Zur sozialen Funktion der Hitlerjugend

5. HJ-Sozialisation - Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit
5.1 Entwicklungen innerhalb des HJ-Systems
5.2 Organisatorische Fehlleistungen der HJ
5.3 Verhältnis von Familie und HJ

6. Resümee`

7.Literaturangaben

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Jugendorganisation der Nationalsozialisten, genauer, der Hitlerjugend. Ziel jener parteikonformen Einrichtung war eine totale Erfassung der Jugend und ihre Gefügigmachung im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie. Während des Dritten Reiches sollte kein junger Mensch der Formationserziehung der NSDAP entgehen, denn gerade die Heranwachsenden waren aus Sicht des Hitler-Regimes die Hauptgaranten für den Aufbau respektive die Erhaltung des nationalsozialistischen Staates. Nicht umsonst verstand Adolf Hitler die absolute Vereinnahmung der Jugend als erste sowie wichtigste Bedingung einer faschistischen Zukunft, und er verkündete: „Aber meine herrliche Jugend! Gibt es eine schönere in der ganzen Welt? Daraus kann ich eine neue Welt formen.“[1] Im Zentrum der folgenden Ausführungen steht die Frage, ob die Hitlerjugend den uneingeschränkten Anspruch bezüglich ihrer Klientel tatsächlich realisieren konnte, oder ob nicht in Wirklichkeit die Sozialisation der heranwachsenden Menschen in dieser Organisation zum Teil beträchtliche Lücken aufwies, welche letztlich die Absicht der Hitlerjugend (HJ) illusorisch machten. Es zeigt sich, daß die HJ-Sozialisation ihre Grenzen besaß, beziehungsweise Anspruch und Wirklichkeit erhebliche Unterschiede offenbarten. Vor allem als die HJ zur Staatsjugend und somit verpflichtend wurde, wies sie keineswegs die von der Parteiführung angestrebte Effektivität sowie Sozialísationsdichte auf. In den Kriegsjahren setzte sich schließlich jener Prozeß verstärkt fort. Die Arbeit beginnt mit einer Erläuterung des strukturellen Aufbaus der HJ. Neben einer kurzen Beschreibung der Formen und Inhalte des HJ-Dienstes wird darüber hinaus dargestellt, welche jugendlichen Interessen, aber auch Motive und Gefühlsrichtungen durch die HJ angesprochen, gleichsam vordergründig befriedigt wurden.

2. Zum strukturellen Aufbau der Hitlerjugend

Die Hitlerjugend richtete sich an Jugendliche zwischen zehn und 18, vielmehr 21 Jahren. Es gab eine separate Jungen- und Mädchenabteilung. „Deutsches Jungvolk“ wurden die zehn- bis 14jährigen männlichen Jugendlichen genannt, welche daraufhin bis zu ihrem einschließlich achtzehnten Lebensjahr zur sogenannten „Hitler-Jugend“ gehörten. Entsprechend dieser Unterteilung hießen die zehn- bis 14jährigen Mädchen „Deutsche Jungmädel“, während für die 14 bis 21jährigen der „Bund deutscher Mädel“ (BDM) existierte. Hierbei muß ergänzt werden, daß die Mädchen im Alter zwischen 17 und 21 Jahren parallel dazu im Werk „Glaube und Schönheit“ erfaßt wurden, welches dem BDM angegliedert war.[2] Die jungen Männer wurden nach Vollendung des HJ-Dienstes in die Partei sowie ihre Gliederungen überwiesen. Damit kommt die eigentliche Bedeutung der HJ als Nachwuchsorganisation der NSDAP zum Ausdruck. Unbedingte Einheitlichkeit und Zentralisierung kennzeichneten die Organisationsstruktur der Hitlerjugend. So waren die vier Abteilungen der HJ (Deutsches Jungvolk, Hitlerjugend, Deutsche Jungmädel und Bund Deutscher Mädel), die sich wiederum regional in einzelne Subeinheiten, namentlich Gebiet, Bann, Stamm und Gefolgschaft, aufspalteten, von einer zentralen Führungsstelle abhängig und wurden auch in den mittleren Führungsebenen bereits einheitlich geführt. Oberste Entscheidungsbefugnis für den gesamten Verband der HJ hatte der Reichsjugendführer, zunächst Baldur von Schirach. Führerauslese, Disziplinarwesen sowie die Überwachungsarbeit in Verbindung mit Polizei und Sicherheitspolizei, also die wichtigsten Funktionen zur Erhaltung des HJ-Systems, oblagen dem Reichsjugendführer bzw. der Reichsjugendführung (RJF).[3] Somit charakterisierte eine völlige Hierarchisierung den Führungsaufbau der HJ. Nach einem para-militärischen Vorbild waren die Befehlsbereiche, Dienstwege und Kompetenzen bis ins letzte geregelt. Beförderungen mußten von der jeweils höheren Führungsinstanz genehmigt werden, sprich die jeweils vorgesetzte Dienststelle betraute einen Führer mit einer Einheit. Jungen und Mädchen eines Jahrgangs wurden ohne jede eigene Wahlmöglichkeit von oben her zu Einheiten zusammengestellt, jahrgangsweise geschult und bis zum Ausscheiden aus der HJ in dieser Zusammensetzung weitergeführt. Jede spontane Gruppenbildung war ausgeschlossen, selbst die geringfügigsten Tätigkeiten mußten zentral diktierten Dienstplänen gleichsam festgelegten Verhaltensmustern entsprechen. Es blieb kein Raum für eigene Entscheidungen und Initiativen, zumal diese eine Genehmigungspflicht verlangten. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die Struktur der HJ außerordentlich unbeweglich, hierarchisch sowie bis ins letzte reglementiert war. Wie die weiteren Ausführungen zeigen, war diese völlige Reglementierung mit ein Grund, warum die HJ-Sozialisation nicht funktionierte respektive die Hitlerjugend ihren Anspruch einer allumfassenden Inbesitznahme der jungen Menschen nicht verwirklichen konnte.

3. Formen und Inhalte des HJ-Dienstes

Neben Familie und Schule stellte die Hitlerjugend im NS-Staat die entscheidende Sozialisationsinstanz überhaupt dar. Sie entsprach aus Sicht der einzelnen Jugendlichen einer umfassenden Fürsorge-Institution. Jugendvertretung im Betrieb und in der Schule, Berufsberatung, Berufsförderung, Jugendberatung, Jugendschutz usw. gehörten zu ihren Arbeitsgebieten. Die Hitlerjugend verschaffte sich Einfluß und Mitsprache in allen Lebensbereichen, die für die jugendliche Existenz von Bedeutung waren.[4] Zentraler Bestandteil der HJ-Arbeit waren zu zwei Drittel körperliche Betätigung sowie Leibeserziehung und zu einem Drittel weltanschauliche Schulung. Zwischen dem zehnten und 18. Lebensjahr erfaßte „ein Plan wohldurchdachter Schulung und Ertüchtigung die Jugendlichen.“[5] Wichtige Aktivitäten der HJ waren Sportwettkämpfe, Lager, Fahrten, Heimabende; kulturelle Betätigungen wie Chöre, Musikzüge und Spielscharen; Sammlungen, Ernte-, Sozial-, später Kriegseinsätze sowie Teilnahme an Kundgebungen, Feiern, Festen, Eltern- und Werbeabenden. Die in der HJ organisierten Jugendlichen hatten feste „Dienst“-Zeiten, die einen erheblichen Teil ihrer Freizeit beanspruchten, in der Regel Mittwochnachmittag (für die Jüngeren) und Mittwochabend (für die Älteren), Sonnabendnachmittag und jeden zweiten Sonntagvormittag.[6]

3.1 Körperliche Ertüchtigung und Leibeserziehung

Innerhalb des Jugenddienstes nahm die körperliche Ertüchtigung den ersten Platz ein. Gemäß der nationalsozialistischen Ideologie wollte man der Jugend den Rassesinn sowie das Rassegefühl instinkt- und verstandesmäßig in Herz und Gehirn hineinbauen. In diesem Sinne hatte das „Heranzüchten kerngesunder Körper“ primäre Bedeutung, erst danach folgte die Ausbildung geistiger Fähigkeiten. Es existierte eine völkisch begründete „Körperertüchtigungspflicht“, nach dem Motto: „Dein Körper gehört der Nation“. Demzufolge beinhaltete der HJ-Dienst eine Fülle von Sportwettkämpfen wie Bann- und Gebietssportwettkämpfe, Frühjahrsgeländelauf, Reichssportwettkampf der HJ, und so weiter. Die Sportarbeit der Hitlerjugend erreichte eine ungeheure Breitenwirkung. Neben der körperlichen Ertüchtigung wurden militärische Ordnungsübungen bzw. wehrsportliche Ausbildungselemente bevorzugt. Sie dienten der Durchsetzung einer militärischen Formaldisziplin und wurden in straff organisierten Lagern mit Dienstcharakter durchgeführt. Gerade die Sondereinheiten der HJ (Marine-, Flieger- und Motor-HJ) garantierten eine Verbindung spezieller Sportarten mit wehrsportlicher Ausbildung. In dieser Militarisierung der Jugend kommt noch einmal die Bedeutung der Hitlerjugend als Nachwuchsorganisation der Partei zum Ausdruck. Im Falle eines Krieges sollte die Jugend die Herrschaft des nationalsozialistischen Staates im Kampf verteidigen, notfalls an vorderster Front. Und tatsächlich trat im Krieg die gelände- und wehrsportliche Ausbildung, also Wehrertüchtigung, vollends in den Vordergrund.

[...]


[1] Zitiert aus Steinhaus, Hubert: „Hitlers Pädagogische Maximen. (Studien zur Pädagogik der Schule, Band 3), S.102f.;

Frankfurt/Bern 1981

[2] Siehe Klönne, Arno: „Jugend im Dritten Reich - Die Hitler-Jugend und ihre Gegner“, S.42f.; Düsseldorf/Köln 1982

[3] Siehe Klönne, Arno: „Jugend im Dritten Reich - Die Hitler-Jugend und ihre Gegner“, S.44; Düsseldorf/Köln 1982

[4] Vgl.: Herrmann, Ulrich (Hg.): „Die Formung des Volksgenossen“, darin: Giesecke, Hermann: „Die Hitlerjugend“, S.179;

Weinheim/Basel 1985

[5] Vgl.: Klönne, Arno: „Jugend im Dritten Reich - Die Hitler-Jugend und ihre Gegner“, S. 55ff.

[6] Vgl.: Keim, Wolfgang: „Erziehung unter der Nazi-Diktatur - Band 2. Kriegsvorbereitung, Krieg und Holocaust“, S.60;

Darmstadt 1997

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Hitlerjugend. Anspruch und Wirklichkeit einer nationalsozialistischen Organisation
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Fachbereich Pädagogik)
Veranstaltung
Seminar: Zu Problemen bei der Auseinandersetzung mit dem Erziehungs- und Bildungssystem des ´Dritten Reichs´
Autor
Jahr
1999
Seiten
16
Katalognummer
V1614
ISBN (eBook)
9783638110020
ISBN (Buch)
9783656661276
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hitlerjugend, Anspruch, Wirklichkeit, Organisation, Seminar, Problemen, Auseinandersetzung, Erziehungs-, Bildungssystem, Reichs´
Arbeit zitieren
Timo Grund (Autor:in), 1999, Hitlerjugend. Anspruch und Wirklichkeit einer nationalsozialistischen Organisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1614

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