Bereits am Abend seiner Wahl im Mai 2007 konstatierte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy die „Rückkehr Frankreichs nach Europa“ verbunden mit der Hoffnung, „sich in der Union erneut zu einer zentralen Geltungsmacht zu entwickeln“. In der Tat schwand der französische Einfluss auf Europa unter seinen Vorgängern immer mehr. Dieser Prozess fand seinen Höhepunkt in der Ablehnung des Vertrages über eine Verfassung für Europa (VVE) am 29. Mai 2005. Die Folgen waren schwerwiegend. Ausgerechnet Frankreich als Gründungsstaat und Teils des „Motors der Integration“ war verantwortlich für eine große Verfassungskrise. In den folgenden zwei Jahren war „Frankreichs Stimme in Europa kaum mehr wahrnehmbar“.
Frankreich sieht sich historisch und politisch legitimiert, „in Teilbereichen wichtige Akzente zu setzen und der Europäischen Union neuen Schwung zu verleihen“. Eben diese Legitimität hat unter dem negativen Referendum im Mai 2005 deutlich gelitten. Sarkozys Aufgabe war es nun, den französischen Führungsanspruch wieder glaubwürdig zu untermauern und sein Land in eine starke Machtposition zurück zu führen und Einfluss auf den weiteren Gang der europäischen Integration zu nehmen.
Die EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008 war für Paris daher eine willkommene Gelegenheit, eigene Führungsqualitäten unter Beweis zu stellen und die Geschicke der Europäischen Union entscheidend zu beeinflussen. Dazu erarbeite die französische Administration ein umfangreiches und ehrgeiziges Programm. Es waren aber vor allem die Herausforderungen wie die Ablehnung des Vertrages von Lissabon durch die Iren, der georgisch-russische Krieg und die Finanz- und Wirtschaftskrise, welche die Handlungs- und Führungsfähigkeit Frankreichs erforderten.
In der folgenden Analyse sollen nun die Herausforderungen und Ziele der französischen EU-Ratspräsidentschaft 2008 genauer betrachtet und der Frage nachgegangen werden, ob Frankreich seinem Führungsanspruch gerecht werden konnte. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf die Umsetzung der französischen Interessen in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) gelegt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Vorbereitungsphase der Präsidentschaft
- Die französische EU-Ratspräsidentschaft 2008
- Programmatische Ausgestaltung
- Das Krisenmanagement der französischen Regierung
- Bilanz und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Analyse untersucht die französische EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008. Ziel ist es, die Herausforderungen und Ziele dieser Präsidentschaft zu beleuchten und zu analysieren, inwieweit Frankreich seinem Führungsanspruch gerecht werden konnte. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Umsetzung französischer Interessen in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP).
- Wiederherstellung des französischen Einflusses in der EU
- Umsetzung französischer Interessen in der ESVP
- Krisenmanagement während der Präsidentschaft (Lissabon-Vertrag, Georgien-Krieg, Finanzkrise)
- Analyse der Vorbereitungsphase und ihrer Auswirkungen
- Bewertung der französischen Führungsrolle in der EU
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung beschreibt den Hintergrund der französischen EU-Ratspräsidentschaft 2008. Nach dem Scheitern des EU-Verfassungsvertrages 2005 und dem dadurch geschwächten französischen Einfluss in Europa, sah Präsident Sarkozy in der Präsidentschaft die Gelegenheit, Frankreichs Führungsrolle wieder zu bekräftigen und seine Interessen durchzusetzen. Die Analyse soll die Herausforderungen, Ziele und Ergebnisse der Präsidentschaft untersuchen, insbesondere im Hinblick auf die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP).
Die Vorbereitungsphase der Präsidentschaft: Dieses Kapitel analysiert die Vorbereitungen Frankreichs auf die Ratspräsidentschaft. Trotz anfänglicher europapolitischer Schwierigkeiten und Skepsis in der Bevölkerung, gelang es Sarkozy, durch die Idee eines "vereinfachten Vertrags" den Weg zum Lissabon-Vertrag zu ebnen. Die Vorbereitungen waren gründlicher als bei der Präsidentschaft 2000, mit dem Ziel breiter Konsultationen und Annäherung an kleinere Mitgliedsstaaten. Allerdings sorgten einige Initiativen Sarkozys, wie die Kritik an der EZB und die Forcierung der EUFOR-Mission im Tschad, für Irritationen bei den Partnerländern und wurden als national-egoistisch interpretiert. Die Ablehnung des Lissabon-Vertrages durch Irland stellte bereits vor Beginn der Präsidentschaft eine erhebliche Herausforderung dar.
Die französische EU-Ratspräsidentschaft 2008: Dieses Kapitel behandelt die französische Ratspräsidentschaft selbst. Frankreich verfolgte das Ziel, seine führende Rolle in der EU zu unterstreichen und seine Präferenzen durchzusetzen. Die Präsidentschaft war jedoch von mehreren Krisen geprägt: der Ablehnung des Lissabon-Vertrages, dem Georgien-Russland-Krieg und der beginnenden Finanz- und Wirtschaftskrise. Diese Ereignisse stellten Frankreichs Handlungs- und Führungsfähigkeit auf die Probe und beeinflussten die Umsetzung des ehrgeizigen Programms der französischen Regierung erheblich.
Schlüsselwörter
Französische EU-Ratspräsidentschaft 2008, Nicolas Sarkozy, Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP), Vertrag von Lissabon, Krisenmanagement, Führungsanspruch Frankreichs, Europäische Integration, nationalstaatliche Interessen, "patriotisme économique".
Häufig gestellte Fragen zur französischen EU-Ratspräsidentschaft 2008
Was ist der Gegenstand dieser Analyse?
Diese Analyse untersucht die französische EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008. Sie beleuchtet die Herausforderungen und Ziele dieser Präsidentschaft und analysiert, inwieweit Frankreich seinem Führungsanspruch gerecht werden konnte. Besonderes Augenmerk liegt auf der Umsetzung französischer Interessen in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP).
Welche Themen werden behandelt?
Die Analyse behandelt die Vorbereitungsphase der Präsidentschaft, die programmatische Ausgestaltung der Präsidentschaft selbst, das Krisenmanagement der französischen Regierung während dieser Zeit (einschließlich des Lissabon-Vertrags, des Georgien-Kriegs und der beginnenden Finanzkrise), sowie eine Bilanz und einen Ausblick. Es werden die Wiederherstellung des französischen Einflusses in der EU, die Umsetzung französischer Interessen in der ESVP und die Bewertung der französischen Führungsrolle in der EU untersucht.
Welche Ziele verfolgte Frankreich während der Ratspräsidentschaft?
Frankreichs Hauptziel war die Wiederherstellung und Stärkung seiner führenden Rolle in der EU. Dies umfasste die Durchsetzung französischer Interessen, insbesondere in der ESVP. Die Präsidentschaft sollte Frankreichs Einfluss und seine Position in Europa bekräftigen.
Welche Krisen prägten die französische Ratspräsidentschaft 2008?
Die Präsidentschaft war von mehreren bedeutenden Krisen geprägt: der Ablehnung des Lissabon-Vertrags durch Irland, dem Georgien-Russland-Krieg und dem Beginn der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Diese Ereignisse stellten Frankreichs Handlungsfähigkeit und Führungsrolle auf eine harte Probe.
Wie verlief die Vorbereitungsphase der Präsidentschaft?
Die Vorbereitungsphase war gründlicher als bei der Präsidentschaft 2000 und beinhaltete breite Konsultationen und die Annäherung an kleinere Mitgliedsstaaten. Trotzdem sorgten einige Initiativen Sarkozys für Irritationen bei Partnerländern und wurden als national-egoistisch interpretiert. Die Ablehnung des Lissabon-Vertrages durch Irland stellte bereits vor Beginn der Präsidentschaft eine erhebliche Herausforderung dar.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Analyse?
Schlüsselwörter sind: Französische EU-Ratspräsidentschaft 2008, Nicolas Sarkozy, Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP), Vertrag von Lissabon, Krisenmanagement, Führungsanspruch Frankreichs, Europäische Integration, nationalstaatliche Interessen, "patriotisme économique".
Wie ist die Analyse strukturiert?
Die Analyse ist in Kapitel gegliedert, die jeweils eine Einleitung, die Vorbereitungsphase, die Ratspräsidentschaft selbst (mit Unterkapiteln zur programmatischen Ausgestaltung und zum Krisenmanagement) und eine Bilanz mit Ausblick enthalten. Zusätzlich werden Zielsetzung und Themenschwerpunkte sowie eine Zusammenfassung der Kapitel und Schlüsselwörter aufgeführt.
- Arbeit zitieren
- Benedikt Kellerer (Autor:in), 2010, Die Französische Ratspräsidentschaft 2008, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/161440