Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Sachanalyse
3. „Klarheiten“
4. Didaktische Konzeption
4.1 Vorüberlegungen
4.2 Stundenverlauf
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur
Anhang
Das Heinz-Dilemma
Handout zum Lehrervortrag:
Textauszüge aus Kants Metaphysik der Sitten:
Arbeitsblätter für die Anwendung des kategorischen Imperativs:
1. Einleitung
Gemäß Kant ist allein ein guter Wille als Handlungsabsicht moralisch gut. Doch welches Gesetz bestimmt den Willen, damit er einschränkungslos gut ist? Woraus ergibt sich die allgemeine Gesetzmäßigkeit der Handlung?
Thema dieser Hausarbeit soll es sein, eine fiktive Doppelstunde zu Kants kategorischem Imperativ darzustellen, zu begründen und ausreichend zu erläutern. Die geplanten Ethikstunden sind für Klassenstufe 10 des Gymnasiums konzipiert.
Die Schüler[1] sollen Kants Grundposition zu moralisch richtigem Handeln kennenlernen. Dazu gehört die Universalisierungsformel des kategorischen Imperativs, die Definition des guten Willens sowie weiterer philosophischer Begrifflichkeiten, wie zum Beispiel Maxime oder Autonomie. Es soll weiterhin Kants Pflichtbegriff geklärt werden, wobei die Schüler zwischen pflichtgemäßen Handeln und Handeln aus Pflicht unterscheiden sollen. Des Weiteren soll die Anwendbarkeit des kategorischen Imperativs in der eigenen Lebenswirklichkeit der Schüler, anhand von beispielhaften Handlungssituationen, angewandt und überprüft werden.
Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ soll in kleinen Auszügen gelesen werden, somit können die Schüler sich darin versuchen Argumentationsstrukturen bereits am Originaltext aufzuschlüsseln und nachzuvollziehen.
Es handelt sich hierbei um ein sehr abstraktes Stundenthema. Daher soll der Unterrichtsverlauf zwar exemplarisch und verständlich gekennzeichnet sein, damit die Schüler, wie bereits erwähnt, Bezug auf ihre Erfahrungs- und Lebenswelt nehmen können, aber trotz dessen sollte er nicht zu einfach konzipiert sein und die Schüler geistig unterfordern oder langweilen.
Die Schüler sollen ein Gefühl für die Bedeutung philosophischer Ethik erhalten und verstehen, dass es wichtig ist, eigenes Handeln in moralischer Hinsicht zu überprüfen und Urteile angemessen begründen und vertreten zu können.
Dass Kants kategorischer Imperativ Schwächen aufweist, beispielsweise bei einer Normen- und Wertekollision, soll innerhalb dieser einführenden Doppelstunde nicht thematisiert werden. Sein Wesen lässt sich nicht erfassen und schätzen, wenn die Beschäftigung mit ihm sogleich dadurch entwertet wird, dass er ja letztlich auch nicht helfe moralisch richtig zu handeln.
2. Sachanalyse
Neben Kants Ethik finden sich zwar weitere philosophische Positionen ethischen Handelns, wie die utilitaristische, die konsequentialistische oder die hedonistische, jedoch sollen diese bei der geplanten Doppelstunde vollkommen außer Acht gelassen werden, um das Thema nicht unnötig auszuweiten. Das Konzept des kategorischen Imperativs eignet sich meines Erachtens besonders gut, um einen ersten Zugang zur philosophischen Begründung moralischen Handelns zu erlangen. Man könnte den kategorischen Imperativ durchaus isoliert betrachten, doch ich halte es für entschieden relevant Kants Pflichtlehre und sein Konzept des guten Willens kurz zu thematisieren, um den Schülern das Gesamtverständnis seiner moralphilosophischen Grundposition zu erleichtern.
Kant hält den Willen für uneingeschränkt gut, er ist für ihn nicht missbrauchbar, wie es beispielsweise Tugenden sind und hinreichend für das Glück. „Es ist überall nichts in der Welt, […], was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille, [so scheint] der gute Wille die unerläßliche Bedingung selbst der Würdigkeit glücklich zu sein auszumachen“.[2] Der Wille ist an sich gut und nicht an einen bestimmten Zweck gebunden. Das heißt, der Wert einer Handlung bemisst sich nicht an einer Zwecksetzung, sondern lediglich in der guten Absicht des Willens. Doch der gute Wille darf kein bloßer Wunsch bleiben, es muss durchaus eine Anstrengung zur Realisation unternommen werden.
Wichtig ist hierbei der Begriff der Vernunft, denn erst die praktische Vernunft ermöglicht den guten Willen. Sie erfüllt keine instrumentelle Funktion, sondern erkennt, was ein guter Wille ist. „So muß die wahre Bestimmung [der Vernunft] sein, einen nicht etwa in anderer Absicht als Mittel, sondern an sich selbst guten Willen hervorzubringen“.[3] Der Wille soll sich an der Vernunft orientieren, um somit moralisches Handeln zu gewährleisten.
Für Kant spielt besonders die Motivation, die hinter einer Handlung steht, eine Rolle. Es lassen sich drei Handlungstypen differenzieren: die pflichtwidrige, die pflichtgemäße und das Handeln aus Pflicht. Die pflichtwidrige Handlung verläuft wider der Vernunft, beispielsweise durch Mord oder Betrug. Die Unterscheidung von pflichtgemäßem Handeln und Handeln aus Pflicht fällt oftmals schwer, da Handlungsmotivationen sowohl für den dritt- als auch für den erstpersönlichen Beobachter nicht immer einsehbar sind.
Kant definiert seinen Pflichtbegriff folgendermaßen: „Pflicht ist die Notwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz.“[4] Erst die Vernunft ermöglicht uns das sittliche Gesetz zu erkennen. Demnach ist ein vernunftbegabtes Wesen in der Lage moralisch richtig zu handeln und zwar aus Achtung vor dem erkannten Sittengesetz. Eine Handlung aus Pflicht geschieht somit allein aus Achtung vor dem Gesetz und hat keinerlei Neigungen zur Motivation, wie Freude, Annehmlichkeit oder Ähnliches, sondern nur die Pflicht selbst. Der pflichtmäßigen Handlung hingegen fehlt der sittliche Gehalt, da sie meist aus einer selbstsüchtigen Absicht heraus geschieht. Die pflichtgemäße Handlung erwirkt zwar meist das gleiche Ergebnis wie die Handlung aus Pflicht, erfolgt aber aus den falschen Motiven, da sie neigungsabhängig ist.
Das heißt eine Handlung aus Pflicht ist eine objektiv moralisch richtige Handlung, da sie gewählt wurde, weil sie ethisch richtig ist.
Die Moral muss auf Normen strikter allgemeiner Notwendigkeit gegründet sein und nicht auf Neigungen. An dieser Stelle kommt der Begriff der Maxime ins Spiel, denn man handelt nur dann aus Pflicht, wenn man nach Maximen handelt. Diese dürfen sich jedoch nicht nach inhaltlichen, sondern ausschließlich nach rein formalen Kriterien ausrichten. Erst dann ist der Wert der Handlung sittlich gut. Eine Handlung aus Pflicht muss alle Neigungen ausgrenzen, sodass der Wille von der reinen Achtung vor dem Gesetz bestimmt wird, „mithin die Maxime, einem solchen Gesetze selbst mit Abbruch aller […] Neigungen Folge zu leisten.“[5] Kant definiert seinen Maximbegriff als subjektives Prinzip des Wollens, das heißt eine Maxime ist eine persönlich gesetzte Handlungsregel, an welche man sich tatsächlich hält.
Kant formuliert den kategorischen Imperativ folgendermaßen: „handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.“[6] Er bringt das Gesetz formal und absolut zur Geltung, da er keine konkreten Bedingungen voraussetzt. Der Begriff kategorischer Imperativ lässt sich für die Schüler auch vereinfacht als ausnahmslos gültige Handlungsanweisung formulieren. Für Kant bietet der kategorische Imperativ die Grundlage zur Gewinnung ethisch richtiger Handlungsmaxime. Das Besondere an ihm ist, dass er anwendbar ist und verschiedene Handlungssituationen mit ihm überprüfbar sind, inwiefern sie moralisch richtig oder falsch sind. Erst eine Handlung, die sich auf den kategorischen Imperativ stützen lässt, ist eine moralisch richtige und sittlich gute Handlung. Somit können die Schüler hierbei ein Gefühl für die Bedeutung von philosophischer Ethik erlangen und versuchen ihre Leistungsfähigkeit aus eigener Anschauung zu beurteilen.
Die Vernunft unterstellt sich ihrer eigenen Gesetzgebung. Sie setzt sich selbst Gesetze wie: Ich darf nicht lügen. Daher ist sie autonom, was in diesem Fall so viel wie selbst-gesetzgebend bedeutet. Kant spricht hierbei von der Autonomie des Willens als oberstes Prinzip der Sittlichkeit. „Das Prinzip der Autonomie ist also: nicht anders zu wählen als so, daß die Maximen seiner Wahl in demselben Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit begriffen seien.“[7]
Demnach ist der kategorische Imperativ das Prinzip der Autonomie des Willens und beinhaltet, dass ein vernunftbegabtes Wesen durch seine Pflicht an ein ihn moralisch nötigendes Gesetz gebunden ist. Es ist gleichzeitig eine eigene und doch eine allgemeingültige Gesetzgebung. Kants Autonomie-Lehre richtet sich gegen eine Fremdgesetzlichkeit, dies soll jedoch im Unterricht nicht tiefgehender thematisiert werden, um den Unterrichtsgegenstand nicht unnötig zu verkomplizieren.
Wie bereits erwähnt sollen die Schüler den kategorischen Imperativ als Handlungsprüfungsverfahren kennenlernen und anwenden. Die Anwendung des Imperativs erfolgt durch Abstraktion der konkreten Handlungssituation in eine allgemeine Regel. Anschließend muss beurteilt werden, ob man die Anwendung dieser Regel selbst wollen kann. Unmoralische Handlungen erkennt man demnach an einer widersprüchlichen Form.
Der kategorische Imperativ ist laut Kant a priori bestimmt, das heißt er ist nicht erfahrungsabhängig. Er gilt absolut und universell, demnach ist jeder vernünftige Mensch in der Lage ihn anzuwenden.
Die Schwäche, dass der kategorische Imperativ bei einer Werte- oder Normenkollision nicht greift, soll in der geplanten Doppelstunde nicht thematisiert werden, um bei den Schülern eine Demotivation zu vermeiden, in dem ein anwendbares moralisches Prüfverfahren, welches sie gerade erst kennengelernt haben, seinen Sinn gleich wieder verlieren soll.
Im Gegensatz zum Utilitarismus, der die Handlung nur nach ihrem Nutzen bewertet, dem Konsequentialismus, der die Handlung nur nach ihren Folgen und dem Hedonismus, der die Handlung nur nach ihrer Lust bewertet, ist der kategorische Imperativ deontologisch ausgerichtet. Nicht die Wirkung der Handlung wird bewertet, sondern ihr intrinsischer Wert, folglich die Beschaffenheit der Absicht. Wenn der Wille gut ist, ist die Handlung moralisch gerechtfertigt.
Eine Abgrenzung zu den anderen genannten ethischen Grundpositionen halte ich in den folgenden Unterrichtsstunden für angebracht, um den Schülern einen Gesamtüberblick über ethische Strömungen zu verschaffen und Unterschiede deutlich markieren zu können.
[...]
[1] In weiteren Ausführungen wird nicht zwischen Schülerinnen und Schülern unterschieden. Die Pluralform nmeint beide Geschlechter.
[2] Immanuel Kant. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Hrsg. von Theodor Valentiner. Stuttgart: Reclam d2008. S. 15.
[3] Ebd. S. 19.
[4] Ebd. S. 25.
[5] Ebd.
[6] Ebd. S. 53.
[7] Ebd. S. 80.