Der französische Philosoph und Historiker Michel Foucault (1926-1984) hat sich in seinem Werk wie in seinen Vorlesungen, die er zwischen 1971 und 1984 am Collège de France hielt, vielfach mit verschiedenen Erscheinungsformen des Anormalen, des Monströsen beschäftigt und ihre Geschichte untersucht. In seiner 1975 gehaltenen Vorlesung mit dem Titel Die Anormalen stellt Foucault gesellschaftlich stigmatisierte Personengruppen in der Zeit des Mittelalters bis zum 20. Jahrhundert vor. Dabei führt er detaillierte Herleitungen ihrer Formierung durch und liefert Hintergründe zu der Frage, warum diese Personen gesellschaftlich ausgestoßen waren und als Monster, bzw. später als Anormale, betrachtet wurden. Dieser Aspekt steht häufig in unmittelbarem Zusammenhang mit der Justiz und dem Strafsystem. Gleichzeitig ist die genannte Vorlesung thematisch eng mit Foucaults im selben Jahr erschienenen und somit in der Zeit vorher entstandenen Buch Überwachen und Strafen verknüpft. Es ist daher sinnvoll, beides parallel zu betrachten, da viele Gedanken, die Foucault in der Vorlesung anspricht, erst durch die zusätzliche Lektüre von Überwachen und Strafen ganz begreifbar werden oder sich gegenseitig ergänzen. Weiterhin wird ein Punkt der Vorlesung, in dem es um das zu bessernde Individuum geht, aus Zeitmangel nur oberflächlich behandelt. In Überwachen und Strafen findet sich diese Figur des Unverbesserlichen wieder und wird vor dem Hintergrund neuer Disziplinierungstechniken im 17. und 18. Jahrhundert genauer untersucht.
Foucault verwendet immer wieder die Begriffe ‚Theater‘ und ‚Schauspiel‘, wenn er über das Monströse und dessen Bestrafung oder Behandlung spricht. Monstrosität und die Sanktionierung dieser beinhalten nicht selten ein theatrales Moment, was sich nicht nur auf die öffentlichen Hinrichtungen bezieht, die bis ins 18. Jahrhundert hinein stattfanden. Auch die Gerichtsverhandlung beschreibt Foucault als theatralische Szene. Mit diesen Aspekten, sowie mit den von Foucault genannten Maßnahmen zur Normalisierung sollen sich die folgenden Ausführungen beschäftigen. Dabei geht es zunächst allgemein um den Begriff der Norm, weiterhin um Veränderungen im Strafsystem von der Marter zur Gefängnisstrafe, sowie den damit verbundenen Wandel vom Monster, vom monströsen Kriminellen, zum Anormalen des 19. Jahrhunderts vor dem Hintergrund des Aufkommens von Normalisierungstechniken.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Normung, Normierung, Normalisierung - Begrifflichkeiten
- 2. Das psychiatrische Gutachten in Straftatbeständen
- 3. Veränderungen im Strafsystem: Das Ende der Martern
- 4. Der Übergang vom Monster zum Anormalen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit setzt sich mit Foucaults Analyse von Devianz und Normalisierung auseinander. Dabei werden verschiedene Erscheinungsformen des Anormalen, insbesondere das Monster und das Anormale, im Kontext der Geschichte der Strafjustiz beleuchtet.
- Die Entwicklung von Normierungstechniken und -konzepten
- Die Rolle des psychiatrischen Gutachtens in der Strafjustiz
- Der Wandel von der Marter zur Gefängnisstrafe
- Die Bedeutung der Normalisierungstechniken im 19. Jahrhundert
- Die Verwendung theatraler Elemente in der Behandlung von Devianz
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die zentrale These der Arbeit dar, die sich mit Foucaults Untersuchungen zum Anormalen und Monströsen sowie deren historischen Entwicklung beschäftigt. Dabei wird die Bedeutung von Foucaults Vorlesung "Die Anormalen" und seinem Buch "Überwachen und Strafen" hervorgehoben, die sich gegenseitig ergänzen und als Schlüsseltexte zur Analyse des Themas dienen.
1. Normung, Normierung, Normalisierung - Begrifflichkeiten
In diesem Kapitel werden die zentralen Begriffe "Normung", "Normierung" und "Normalisierung" erläutert. Dabei wird Foucaults Verwendung des Begriffs "Normalisation" mit den Definitionen von Bettina Wahrig-Schmidt verglichen, die unterschiedliche Ausprägungen dieser Prozesse in technischen und gesellschaftlichen Bereichen beleuchtet. Die Bedeutung von Normalisierungstechniken und Disziplinierungsverfahren wird anhand von Beispielen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, wie z.B. Gefängnissen, Schulen und Militär, dargestellt.
2. Das psychiatrische Gutachten in Straftatbeständen
Das Kapitel fokussiert auf die Rolle des psychiatrischen Gutachtens in der Strafjustiz. Foucaults Analyse des 19. und 20. Jahrhunderts beleuchtet die Bedeutung der Dichotomie von Normalität und Pathologie in psychiatrischen Gutachten und deren Auswirkungen auf die Strafjustiz. Der Vergleich von Normalität und Pathologie wird zudem mit der Psychoanalyse in Verbindung gebracht.
3. Veränderungen im Strafsystem: Das Ende der Martern
Dieses Kapitel untersucht den Wandel im Strafsystem vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Dabei werden die Veränderungen von der Marter zur Gefängnisstrafe und die damit verbundenen gesellschaftlichen Normen und Disziplinierungsmechanismen analysiert. Die Arbeit beleuchtet die Entstehung des "Anormalen" als Nachfolger des "Monströsen" im Kontext der sich entwickelnden Normalisierungstechniken.
4. Der Übergang vom Monster zum Anormalen
Dieses Kapitel konzentriert sich auf den Übergang vom "Monster" zum "Anormalen" im 19. Jahrhundert. Die Arbeit zeigt, wie sich die Vorstellung von Devianz und die damit verbundenen Bestrafungspraktiken im Laufe der Zeit veränderten. Die Entstehung des "Anormalen" wird vor dem Hintergrund der neuen Disziplinierungstechniken und Normalisierungsprozesse im 19. Jahrhundert analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Devianz, Normalisierung, Monstrosität, Anormalität, Disziplinierungstechniken, psychiatrisches Gutachten, Strafjustiz und Normalisierungsprozesse. Der Fokus liegt auf Foucaults Analyse der historischen Entwicklung des Anormalen und dessen Verbindung mit gesellschaftlichen Normierungsprozessen und dem Strafsystem.
- Quote paper
- Lisette Vieweger (Author), 2009, Erscheinungsformen von Devianz und Techniken der Normalisierung bei Foucault, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/161759