Wie nehmen Beratende die Einbindung von KI in ihre Arbeit wahr und wie reagieren sie darauf?
Die vorliegende Seminararbeit untersucht, wie Mitarbeitende in beratenden Berufen der IT- und Versicherungsbranche in Deutschland die Integration von KI-Technologien in ihre Arbeitsprozesse erleben.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden sieben halb-standardisierte Interviews geführt.
Die Auswertung zeigt, dass die persönliche Einstellung zu KI von der individuellen Anpassungsbereitschaft, dem Wunsch nach Kontrolle und der Relevanz zwischenmenschlicher Interaktionen abhängt.
Aus den Ergebnissen lassen sich praktische Implikationen für Unternehmen ableiten, um eine erfolgreiche KI-Integration zu gestalten.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Bedeutung von Dienstleistungen in Deutschland im Jahr 2024
2.2 Beratende Berufe im Dienstleistungssektor
2.3 Wandel des Dienstleistungssektor: Techchange
2.4 Überblick über moderne KI-Technologien im Jahr 2024
2.5 Chancen und Risiken von modernen KI-Technologien
2.6 Einsatz moderner KI-Technologien im Dienstleistungssektor
2.7 Implementierung von KI-Systemen in Hinblick auf das Erleben der Mitarbeitenden von beratenden Berufen
3 Empirische Forschung
3.1 Forschungsfrage
3.2 Qualitativer Stichprobenplan
3.3 Auswahl des Instruments zur Datenerhebung
3.4 Methode der Datenauswertung
4 Ergebnisse
4.1 Auswertung der Einzelinterviews
4.1.1 Interview 1: Björn
4.1.2 Interview 2: Matthias
4.1.3 Interview 3: Alexander
4.1.4 Interview 4: Malte
4.1.5 Interview 5: Svenja
4.1.6 Interview 6: Linda
4.1.7 Interview 7: Sven
4.2 Gesamtergebnis
5 Diskussion und kritische Würdigung
5.1. Interpretation der Ergebnisse
5.2. Praktische Implikationen
5.3. Reflexion der Güterkriterien nach Mayring
5.4. Limitationen
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Abstract
Die vorliegende Seminararbeit untersucht die Frage, wie Mitarbeitende in beratenden Berufen aus der IT- und Versicherungsbranche in Deutschland die Integration von Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) in die eigenen Arbeitsprozesse erleben und damit umgehen.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde ein qualitativer Ansatz gewählt und 7 halbstandardisierte Interviews mit Personen aus unterschiedlichen beratenden Berufen innerhalb der IT- und Versicherungsbranche in Deutschland geführt. Für die Datenauswertung wurde eine qualitative Inhaltsanalyse in Anlehnung an Mayring (Mayring, 2022) durchgeführt, um die emotionalen und verhaltensbezogenen Reaktionen der Mitarbeitenden systematisch erfassen zu können.
Die Interpretation der Ergebnisse zeigt unter anderem, dass die persönliche Einstellung gegenüber KI-Technologien von der individuellen Anpassungsbereitschaft, dem Wunsch nach Kontrolle über KI-Technologien und der Relevanz von zwischenmenschlichen Interaktionen abhängig ist.
Aus der Ergebnisinterpretation lassen sich einige praktische Implikationen für Unternehmen wie umfangreichen Unterstützungsmaßnahmen oder eine partizipative Gestaltung des Integrationsprozesses für eine erfolgreiche KI-Integration ableiten.
Die Autoren der Seminararbeit betonen, dass es für ein umfassendes Verständnis einer erfolgreichen Integration von KI-Technologien in vorhandene Arbeitsprozesse weiterer Forschung mit Fokus auf der Ebene der Mitarbeitenden bedarf.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Induktive Kategorienbildung. Eigene Darstellung 14
Abbildung 2: Auszug aus dem Kategoriensystem 15
Abbildung 3: Häufigkeitstabelle der Kodierregeln 21
Abbildung 4: Zentrale Erkenntnisse der qualitativen Befragung 22
Abbildung 5: Anpassungsbereitschaft gegenüber technologischen Veränderungen 23
Abbildung 6: Praktische Implikationen für Unternehmen 25
1 Einleitung
Die Digitalisierung hat tiefgreifende Auswirkungen auf sämtliche Sektoren der Gesellschaft und Wirtschaft. Persönliche Sphären werden durchdrungen und Lebensarten und Wertevorstellungen verändert (Arnold. et al., 2017, 459 ff.). Alexa (Amazon) schlägt Bücher vor, der Sprachassistent Siri (Apple) sagt das Wetter an und Fahrzeuge parken autonom (Schreiber et. Al., 2020, S.164). Künstliche Intelligenz (KI) stellt ein Teilgebiet der Digitalisierung dar (Kietzmann, 2022, S.66). Durch künstliche Intelligenz sollen Kommunikationsstrukturen und routinierte Prozesse, unter anderem durch Automatisierung, nachhaltig verändern werden (Kietzmann, 2022, S.66). KI verfolgt dabei das Ziel, die autonome, natürliche Entscheidungsintelligenz des menschlichen Gehirns mithilfe umfangreichen Datenmaterials und Algorithmen nachzubilden (Schreiber et. al., 2020).
Aufgrund möglicher Wettbewerbsvorteile für Unternehmen wird künstliche Intelligenz voraussichtlich eine zentrale Rolle im Wandel des Dienstleistungssektors spielen (Sto- wasser et. al., 2020, S.5). Die Strategie, die dabei verfolgt wird, lautet, dass Geschäftsprozesse nach einer KI-Integration effizienter durchgeführt werden können (Rammer et. al., 2020, S.15). Mögliche Einsatzgebiete von KI-Technologien können Unternehmensbereiche in der Versicherungs- und IT-Branche sein (Schreiber et. al., 2020, S.164).
Bislang lag der Fokus bei einer Integration von KI-Technologien in Unternehmensprozessen auf der organisatorischen und technologischen Implementierungsebene (Jung et. al., 2021, S.37). Die Perspektive der Mitarbeitenden findet sowohl auf der kommunikativen als auch auf der integrativen Ebene bislang oftmals eine unzureichende Beachtung (Jung et. al., 2021, S.37). In Zuge dessen können bei den Mitarbeitenden auf der Verhaltensebene Widerstandstendenzen gegenüber der Nutzung von KI-Technologien entstehen (Diekhöner, 2018, S. 12). Auf der affektiven Ebene können Befürchtungen und Ängste in Hinblick auf die langfristige Arbeitsplatzsicherheit entstehen (Diekhöner, 2018, S. 12). Die geschilderte einseitige Betrachtung hat zur Folge, dass eine Neubewertung hinsichtlich der Akzeptanz, Adoption und Anwendung von KI-Technologien erfolgen muss (Diekhöner, 2018, S. 12 ff.).
Die Akzeptanz und das Vertrauen der Mitarbeitenden in KI-Technologien können signifikant dazu beitragen, dass der Nutzen erkannt wird und den Eingang in die betriebliche Praxis findet (Diekhöner, 2018, S. 12 ff.).
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Bedeutung von Dienstleistungen in Deutschland im Jahr 2024
Die Definition von Dienstleistungen wird im wissenschaftlichen Kontext stark diskutiert. Die Schwierigkeit der Definition besteht aufgrund der Heterogenität des Dienstleistungssektors, dessen Diversität eine präzise Abgrenzung zwischen materiellen Gütern und Dienstleistungen erschwert (Haller et. al., 2020, S.11). Während physische Produkte wie Tische materiellen Gütern und die Rechtsberatung Dienstleistungen zuzuordnen sind, entziehen sich bestimmte Angebote einer konkreten Katalogisierung (Haller et. al., 2020, S.11). Ein typisches Beispiel hierfür stellt die Einordnung von Elektrizität dar, da hierbei die Grenzen zwischen Produkt und Dienstleistung verschwimmen. Diese Ambiguität zeigt das Problem der Abgrenzung zwischen materiellen Gütern und Dienstleistungen (Haller et. al., 2020, S.11).
Die Interaktion mit Kundschaft stellt das bedeutendste Merkmal einer Dienstleitung dar (Haller et. al., 2020, S.11 ff.). Diese Interaktion findet nach dem Uno-actu-Prinzip statt, welches besagt, dass eine Dienstleistung im gleichen Moment produziert und konsumiert wird (Haller et. al., 2020, S.11 ff.). Weitere Merkmale stellen die Potenzialorientierung, die Prozessorientierung und die Ergebnisorientierung dar (Haller et. al., 2020, S.11 ff.).
Im Verlauf der letzten Jahrzehnte stieg die Relevanz von Dienstleistung signifikant an (Haller et. al., 2020, S.1). Im Jahr 2024 nimmt der Dienstleistungssektor in Deutschland mit einem Anteil von 75% der Gesamtarbeitsplätze eine zentrale Rolle ein (Statista, 2024). Im gleichen Jahr tragen Dienstleistungen etwa zu 70% der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung in Deutschland bei (Statista, 2024).
Zukünftig sollen Dienstleistungen noch stärker in die digitale Wertschöpfungskette eingegliedert und nachhaltig verändert werden. Dienstleistungsprozesse sollen dabei digital transformiert werden (BMWK, 2015). Eine Möglichkeit zur digitalen Transformierung der Dienstleistungsprozesse stellt die Implementierung von KI basierten Systemen oder KI basierten Prozessen dar (Jung et. al., 2021, S.37). Deren Einsatz verfolgt dabei das Ziel, in unterschiedlichen Unternehmensbereichen Dienstleistungsaktivitäten sowie Geschäftsprozesse effizienter zu gestalten (Jung et. al., 2021, S.37).
2.2 Beratende Berufe im Dienstleistungssektor
Beratende Berufe werden durch eine Interaktion mit der Kundschaft definiert (Loebbert, 2021, S.1). Die dadurch entstehende Austauschbeziehung wird als professionelle Dienstleistung bezeichnet. Beratende Berufe stehen im direkten oder indirekten Kontakt mit der Kundschaft und bilden das Bindeglied zwischen dem Dienstleistungsunternehmen und der Kundschaft (Loebbert, 2021, S.1). Die Leistung der Beratungsperson stellt den Beitrag zum Erfolg der Kundin oder Kunden dar (Loebbert, 2021, S.1). Als Teil des Marketingmix eines Dienstleistungsunternehmens sind sie der Distributions- sowie Kommunikationspolitik zuzuordnen (Hiemaier et. al., 2020, S.14).
Beratende Berufe üben verschiedene Tätigkeiten aus, die sich vom Supportbereich bis hin zum Vertrieb erstrecken (Hiemaier et al., 2020, S.14). Typische Formen von beratenden Berufen sind unter anderem Key-Account-Managerinnen und Manager, Kundenberaterinnen und Kundenberater und Dienstleistungsmanagerinnen und Dienstleistungsmanager (Hiemaier et al., 2020, S.28). Der Aufgabenbereich umfasst bei den genannten Berufen unter anderem die Kundenplanung, die Beratung, die Angebotserstellung sowie das After Sales in Form von Support oder ähnlichem (Hiemaier et al., 2020, S. 29).
2.3 Wandel des Dienstleistungssektor: Techchange
Dienstleistungsunternehmen erkennen zunehmend die Dringlichkeit, vorhandene analoge Strukturen und Prozesse zu überdenken (Mahei et. al., 2021, S.206). Dieser Trend zeichnet die Abkehr von isolierten bürokratischen Strukturen hin zu einem neuen System der Selbstorganisation sowie einer ausgeprägten Kundenfokussierung im Rahmen agiler Organisations- und Arbeitsprozesse aus (Mahei et. al., 2021, S.206). Der sogenannte “Techchange” oder auch Digitalisierung steht für Transformationsprozesse, deren Voranschreiten durch den Einsatz von moderner Technologie angetrieben wird (Mahei et. al., 2021, S.206). Mit Digitalisierung ist dabei nicht nur die Umwandlung von Daten aus analogen in digitale Formate gemeint, sondern vielmehr die allgegenwärtige Integration von intelligenter Technologie, wie moderne Formen von künstlicher Intelligenz in die Arbeitswelt (Hadwich et. al., 2020, S.7).
Künstliche Intelligenz beruht auf der Analyse und Auswertung umfangreicher Datensätze und hat die Eigenschaft, erhalten Daten selbstständig zu erfassen, zu speichern und zu verarbeiten (Gentsch, 2018, S.13). Weitere Eigenschaften dieser Systeme sind unter anderem ihre fortschrittliche Datenverarbeitungskapazität, die tiefgreifende und kontinuierliche Interaktionen mit ihrer Umwelt ermöglichen (Gentsch, 2018, S.18). Die digitale Transformation in Unternehmen gilt als Treiber umfangreicher Veränderungsprozesse (Hermann, 2022, S.9), der zukünftig noch massiver ausfallen soll (Gentsch, 2018, S.1ff.). Dabei sollen sich die Einsatzgebiete der KI von den Bereichen der Administration, Disposition bis zu planerischen Aspekten in den Bereichen Marketing, Verkauf und Unternehmensführung erstecken (Gentsch, 2018, S.1ff.).
2.4 Überblick über moderne KI-Technologien im Jahr 2024
Die Grundlage für moderne KI-Technologien im Jahr 2024 bildet Big-Data. Big-Data steht dabei für Datensammlungen, deren Umfang jenseits der Fähigkeiten typischer Datenbanksoftware liegt (Gentsch, 2018, S.16). Mithilfe von Algorithmen werden Daten ausgewertet und mittels Trainingsmethoden, dem sogenannten Deep Learning, der künstlichen Intelligenz zugeführt (Gentsch, 2018, S.11).
Die bedeutendsten KI-Technologien im Jahr 2024 sind ChatGPT von der Firma OpenAI, Gato von der Firma DeepMind und Gemini von der Firma Google. Bei ChatGPT handelt es sich um einen Browser-basierten Chatbot (Krettek, 2023). ChatGPT kann beispielsweise auf Anfrage kontextbasierte Briefe und E-Mails, Gliederungen, Zusammenfassungen und Übersetzungen erstellen (Krettek, 2023). In Zukunft soll ChatGPT vermehrt in arbeitsrelevanten Bereichen, insbesondere in beratenden Tätigkeiten, eine Rolle spielen (Krettek, 2023).
2.5 Chancen und Risiken von modernen KI-Technologien
Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz wird sich die Arbeitswelt zwangsläufig ändern (Schreiber et. al., 2020, S.174). Im betrieblichen Kontext wird sie Teil eines soziotechnischen Systems (Schreiber et. al., 2020, S.174). Daraus können sich für die Mitarbeitenden Chancen wie eine Effizienzsteigerung oder Arbeitserleichterungen durch die Anpassung von standardisierten Arbeitsprozessen ergeben. Die gewonnene Zeit kann dann für andere, nicht durch KI-Technologie ersetzbare Tätigkeiten wie zwischenmenschlicher Kommunikation, verwendet werden (Schreiber et. al., 2020, S.174).
Potenzielle Risiken stellen unter anderem der mögliche Missbrauch des Persönlichkeitsschutzes sowie die Entgrenzung der Arbeit dar, die negativ oder als Bedrohung durch Arbeitnehmer angesehen werden können (Schreiber et. al., 2020, S.174).
2.6 Einsatz moderner KI-Technologien im Dienstleistungssektor
Künstliche Intelligenz kann Dienstleistungsunternehmen dabei unterstützen, aus gesammelten Daten Erkenntnisse zu ziehen, um so Erfolgspotenziale zu identifizieren (Hadwich et. al., 2020, S.7). Potenzielle Einsatzfelder können unter anderem die Segmentierung der Kundschaft, die Erstellung gezielter Kampagnen oder die Personalisierung von Services sein (Hadwich et. al., 2021, S.16).
Obwohl der Dienstleistungssektor wie bereits erwähnt in Deutschland im Jahr 2024 eine bedeutende Rolle spielt und durch den Einsatz von modernen Technologien nachhaltig verändert werden soll, setzen laut einer Studie zum Stand der KI-Nutzung im Jahr 2019 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie aus dem Jahr 2020 nur wenige Unternehmen bereits KI-Technologien ein. Lediglich 17,8 % des IT- Dienstleistungssektors, sowie 12,2 % des Finanzdienstleistungssektors wenden nach der Studie KI-Technologien an (Rammer et. al., 2020).
Bei den Unternehmen, wo bereits eine KI-Integration stattgefunden hat, wurden KI-Tech- nologien hauptsächlich in Form von Chatbots als erweiterte Supportfunktion eingesetzt (Rammer et. al., 2020). Basierend auf den Anfragen der Nutzerin oder des Nutzers erstellt der KI-basierte Chatbot möglichst genaue Antworten (Mahei et. al., 2020, S.241). Eine weitere KI-Technologie, die von den Unternehmen eingesetzt wurde, stellt der Crowdsupport dar (Rammer et. al., 2020). Hierdurch sollen die Mitarbeitenden unternehmensweit durch den Austausch von Informationen vernetzt werden (Mahei et. al., 2020, S.240). Einige Unternehmen setzten sogenannte hybride Intelligenz ein (Rammer et. al., 2020). Dabei handelt es sich um eine Kombination aus künstlicher und menschlicher Intelligenz, um komplexe Probleme lösen zu können (Mahei et. al., 2020, S.241). Das Ziel stellt dabei die gegenseitige Bereicherung der unterschiedlichen Intelligenzen dar, um so ein sozio-technisches System zu schaffen, das die Gesamtleistung verbessert (Mahei et. al., 2020, S.241).
2.7 Implementierung von KI-Systemen in Hinblick auf das Erleben der Mitarbeitenden von beratenden Berufen
Wie bereits erwähnt kann die Implementierung von KI-Technologien vorhandene Arbeitsprozesse verändern. Die Veränderung der Arbeitsprozesse kann wiederum Einfluss auf die betreffenden Mitarbeitenden haben (Jung et. al., 2021, S.37). Der bisherige Fokus der Forschung lag bislang hauptsächlich auf dem technologischen Teil der Implementierung (Jung et. al., 2021, S.37).
Eine Betrachtung der Mitarbeitenden mit Fokus auf nutzungsfreundliche Implementierung sowie der mitarbeiterfreundliche Betrieb der KI fanden kaum Beachtung (Jung et. al., 2021, S.37). Mitarbeiterfreundlicher Betrieb heißt hierbei, die Miteinbeziehung der Mitarbeitenden in den Implementierungs- und Arbeitsprozess sowie die transparente Kommunikation hinsichtlich des Einsatzes der KI-Technologie (Jung et. al., 2021, S.37ff.). Damit KI-Technologie optimal von den Mitarbeitenden angenommen und eingesetzt werden kann, sollte der Fokus der Forschung verstärkt auf die Ebene der Mitarbeitenden gelegt werden (Schreiber et al., 2020, S.164).
Die aktuelle Forschung auf diesem Gebiet verfolgt hauptsächlich theoretische Ansätze mithilfe von verschiedenen Modellen (Scheurer, 2020, S.25). Zu den bekanntesten Standard-Modellen gehören die Innovation Diffusion Theory (IDT) nach Rogers 1983, das Technologieakzeptanz Modell (TAM) (1985) nach Davies sowie dessen Weiterentwicklungen TAM2 (2000) und TAM3 (2008) (Jung et. Al 2021, S.37). Während sich das Modell von Rogers mit dem Entscheidungsprozess zur Nutzung auseinandersetzt, betrachtet das TAM-Modell die subjektive abhängige Variable Akzeptanz welches von den externen Akzeptanzvariablen Risiko (TAM), Nützlichkeit (TAM), Gebrauchstauglichkeit (TAM), soziale Einflussprozesse (TAM2) wie Norm (TAM2), Freiwilligkeit (TAM2) sowie Erfahrung (TAM3) und kognitive Prozesse wie Arbeitsplatzrelevanz (TAM3) beeinflusst wird (Moring, 2021, S.47 ff.). Trotz ihres Alters werden diese Modelle heute noch angewendet, da sie sich über den gesamten Zeitraum sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis bewährt haben (Moring, 2021, S.8).
Dabei werden sämtliche Technologien eingeschlossen, unabhängig davon, ob diese bereits in die Arbeitsprozesse integriert, etabliert oder noch gar nicht auf dem Markt verfügbar sind (Scheuer, 2020, S.25). Das Ziel der mitarbeiterzentrierten Forschung ist es, das Verhalten, das Erleben und die Akzeptanz der Mitarbeitenden anhand von
Wirkungsketten und Handlungsmustern zu untersuchen und so die Nutzungsabsicht oder Nutzungsablehnung beschreiben zu können (Scheuer, 2020, S.25).
Bisherige Erkenntnisse der Forschung haben ergeben, dass das Erleben von drei Faktoren abhängig ist (Scheuer, 2020, S.25):
• Kognitive Ebene: der Nutzen muss erkannt sein
• Normative Ebene: positive Einstellung gegenüber Technologien
• Konative Ebene: Verhaltensänderung zur Nutzung einer Technologie
Dabei stellen Vertrauen und Akzeptanz gegenüber einer neuen Technologie Schlüsselindikatoren für eine erfolgreichen Integration der Technologie, sowie deren aktive und freiwillige Nutzung dar (Schreiber et. al., 2020, S.164).
3 Empirische Forschung
3.1 Forschungsfrage
Die Integration von modernen KI-Technologien wie ChatGPT der Firma OpenAI (O- penAI, 2024) oder Gemini von Google (Google, 2024) in den Arbeitsalltag, wird, wie im theoretischen Teil dieser Arbeit erläutert, voraussichtlich mit erheblichen Strukturveränderungen innerhalb von Unternehmen einhergehen. Diese Strukturveränderungen können sich von der Etablierung neuer Arbeitsprozesse über Arbeitsprozessveränderungen bis hin zur Eliminierung bestehender Arbeitsprozesse oder ganzer Personalstellen erstrecken (Schreiber et. al., 2020, S.163 ff.). Solche Veränderungsprozesse werden vermutlich einen starken Einfluss auf die kognitive, affektive und konative Ebene der Mitarbeitenden haben. Weiter wird davon ausgegangen, dass das vorhandene Wissen über eine zukünftige Integration von KI-Technologien in der eigenen beruflichen Tätigkeit ebenfalls einen Einfluss auf die Mitarbeitenden hat.
Ziel der Seminararbeit ist es zu untersuchen, wie Mitarbeitende in beratenden Berufen in den Dienstleistungssektoren der IT- und Versicherungsbranche in Deutschland die Integration von modernen KI-Technologien erleben und wie sie persönlich damit umgehen. Dabei sollen die emotionalen und verhaltensbezogenen Reaktionen der Mitarbeitenden systematisch analysiert werden. Weiter soll erforscht werden, ob eine KI-Integration durch den Arbeitgeber bislang erfolgt oder geplant ist.
Für die Umsetzung der Forschungsfrage wurde ein qualitativer Ansatz gewählt und 7 Leitfragen-Interviews durchgeführt. Die Datenauswertung erfolgt durch eine qualitative Inhaltsanalyse in Anlehnung an Philipp Mayring (Mayring, 2022).
3.2 Qualitativer Stichprobenplan
Die Selektion der 7 Probanden erfolgte durch ein theoriegesteuertes Verfahren, welches sich auf Vorwissen der Autoren stützt. Im Anschluss wurde ein qualitativer Stichprobenplan mit absichtsvoller Stichprobenziehung erstellt, welcher in Tabelle 1 abgebildet ist (Schreier, 2011, S. 245, 249). Um ein großes Spektrum der Forschungsfrage durch eine heterogene Stichprobe abbilden zu können, wurde ein Top-down-Verfahren gewählt, bei dem die Kriterien zur Zusammensetzung der Stichprobe bereits vor der eigentlichen Untersuchung festgelegt wurden (Hussy et. al., 2013, S.196f.).
Bei den festgelegten Kriterien handelt es sich um:
• Hoher Grad (IT-Branche) und niedriger Grad (Versicherung) an Digitalisierung
• Unterschiedliche beratende Tätigkeiten
• Direkte oder hybride (digital/direkt) Kundeninteraktion
Es wird davon ausgegangen, dass der Grad der Digitalisierung in der IT und Versicherungsbranche einen Einfluss auf die Integration von modernen KI-Technologien haben kann. Weiter wird davon ausgegangen, dass die Art der Kundeninteraktion einen Einfluss auf die affektive und konative Ebene der Mitarbeitenden in Bezug auf den Einzug von KI am Arbeitsplatz haben wird. Darüber hinaus könnte die berufliche Tätigkeit einen Einfluss auf den Umgang mit KI-Technologien haben.
Tabelle 1: Qualitativer Stichprobenplan
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
3.3 Auswahl des Instruments zur Datenerhebung
Für die Datenerhebung wurden 7 halbstandardisierte Einzelinterviews durchgeführt. Halbstandardisierte Interviews zeichnen sich dadurch aus, dass die Fragenformulierung und deren Reihenfolge an das jeweilige Interview angepasst werden können (Hussy et. al., 2013, S. 224). Ein Leitfadeninterview zeichnet sich dadurch aus, dass die Interviewfragen in einem Fragekatalog festgehalten werden, um eine Vergleichbarkeit der einzelnen Interviews bei der Auswertungsphase gewährleisten zu können (Hussy et. al., 2013, S.225). Der zugrundeliegende Fragebogen umfasst eine Einstiegsfrage, 7 Leitfaden-Fragen und zwei Ad hoc Fragen (Zusatzfragen), die bei Bedarf in die Interviews eingestreut werden können. Darüber hinaus unterscheiden sich zwei Leitfaden-Fragen (Frage 3 und Frage 4) inhaltlich, je nachdem ob eine Integration von KI-Technologie in der eigenen beruflichen Tätigkeit bereits stattgefunden hat. Sämtliche Fragen sind offen formuliert. Folgende Themengebiete werden behandelt:
• Wahrnehmung/Umgang mit bisherigen technologischen Veränderungen
• Kenntnisstand zum Thema künstliche Intelligenz
• Persönliche Einstellung zum Thema KI
• Aktueller Grad der Integration von KI in der eigenen beruflichen Tätigkeit
• Kognitive und affektive Auswirkungen der Integration von KI
• Wahrgenommene persönliche Verhaltensveränderungen in der beruflichen Tätigkeit durch die KI
• Langfristige Auswirkungen der KI-Integration auf den Mitarbeitenden
• Erwartung von Unterstützungsmaßnahmen durch den Arbeitgeber
Die Interviews wurden als Einzelinterviews und auf verschiedene Kanäle durchgeführt: Arbeitsplatz oder Wohnung der Probanden (4 Interviews), Webkonferenz (2 Interviews), Telefon (1 Interview). Hintergrund für die verschiedenen Kanäle waren geografische Gegebenheiten.
Die Länge der Interviews variierte zwischen 20 und 35 Minuten. Vor den Interviews erfolgte eine mündliche Erläuterung des Interviewablaufes, sowie die Zusicherung von Anonymität. Die Aufzeichnung der Einzelinterviews erfolgte nach mündlicher Einwilligung der interviewten Personen mittels Diktierfunktion eines Smartphones.
3.4 Methode der Datenauswertung
Für die Datenauswertung wurde ein vollständiges Transkriptionsverfahren durchgeführt. Hierbei wurden die 7 Einzelinterviews vollständig verschriftlicht (Hussey et. al., 2013, S.246). Es ist anzumerken, dass der Inhalt der Einzelinterviews transkribiert wurde, die Äußerungsform (Art und Weise des Sprechens) hingegen nicht.
Als Auswahlmethode für die Einzelinterviews wurde eine qualitative Inhaltsanalyse in Anlehnung an Philipp Mayring gewählt (Mayring, 2022). Dabei erfolgte eine induktive Kategorienanwendung des Ausgangsmaterials (Mayring, 2022, S. 84f.). Dieses Vorgehen ermöglicht es, die Kategorien direkt aus den vollständig transkribierten Einzelinterviews herauszubilden (Mayring, 2022, S.84). Die induktive Kategorienbildung wurde gewählt, um eine möglichst am Material orientierte, objektive Analyse durchführen zu können. Die abgeleiteten Kategorien weisen dabei einen Nominalcharakter auf. Das bedeutet, dass diese als gleichwertig angesehen werden können (Mayring, 2022, S. 97).
Für die Erstellung des Kategoriensystems und Kodierleitfaden wurde die Software: „f4analyse“ der Firma: „dr. dresing & pehl GmbH“ verwendet (Dresing & Pehl, 2024). Die Kategorien wurden im Auswertungsprozess weiter ausdifferenziert, was zu einer finalen Auswertung von 7 Hauptkategorien und 22 Unterkategorien führte. Abbildung 2 stellt die herausgearbeiteten Haupt- und Unterkategorien grafisch dar.
Um eine Textstelle einer Haupt- und Unterkategorie zuordnen zu können, wurde für jede Unterkategorie zunächst eine Definition formuliert und mit einem passenden Ankerbeispiel ausgestattet. Im Anschluss erfolgte die Erstellung der Kodierregel, um eine Zuordnung der einzelnen Aussage aus dem Ausgangsmaterial ermöglichen zu können. Abbildung 2 zeigt einen Auszug aus dem Kategoriensystem. Das vollständige Kategoriensystem ist im Anhang (Anhang 3) hinterlegt.
4 Ergebnisse
4.1 Auswertung der Einzelinterviews
Die Ergebnisse der 7 durchgeführten teilstandardisierten Leitfadeninterviews werden im Folgenden geschildert. Als Grundlage für die Datenauswertung dient das induktiv ausgearbeitete Kategoriensystem. Um eine Anonymität der interviewten Personen zu gewährleisten, wurden manche der Namen vertauscht oder durch Pseudonyme ersetzt.
Moderne KI-Technologien waren zum Zeitpunkt der Einzelinterviews nur bei einer Person (Svenja) in die eigenen Arbeitsprozesse integriert. Eine Person (Alexander) nannte eine minimale Einbindung. Vier Personen (Linda, Sven, Malte und Matthias) berichteten, dass KI-Technologien in anderen Geschäftsbereichen ihrer Unternehmen verwendet werden und eine KI-Integration in die eigenen Arbeitsprozesse zukünftig erfolgen soll. Eine Person (Björn) erklärte, dass bislang gar keine KI-Integration stattgefunden hat.
Dieses Integrationsverhältnis (1:6) deckt sich im Wesentlichen mit den Ergebnissen (17,8% im IT- und 12,2% im Finanzdienstleistungssektor) der Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie aus dem Jahr 2020 zum Einsatz von künstlicher Intelligenz in der deutschen Wirtschaft für das Jahr 2019 (Rammer et. al., 2020).
4.1.1 Interview 1: Björn
Björn (Vertriebstrainer und Kundenberater, Versicherungsbranche) bezeichnet sich selbst als einen Menschen, der generell Veränderungen nicht mag und bisherigen technologischen Veränderungen meistens kritisch gegenüberstand (4 Nennungen). Er geht davon aus, dass die KI-Technologie im Arbeitsalltag Einzug erhalten und seine berufliche Tätigkeit zukünftig beeinflussen wird (Unausweichlichkeit von KI: 9 Nennungen). Eine Beschäftigung mit KI-Technologien kommt für ihn nur dann in Frage, wenn diese eine Er- gänzung/Unterstützung für die tägliche Arbeit darstellen würde (KI als Ergänzung: 4 Nennungen). Er sieht in KI-Technologien eine Konkurrenz, gegen die man Widerstand in Form von ständiger Kontrolle oder Manipulationsversuchen („dann füttern wir eben die KI mit lauter Scheissdreck“ - Absatz 48) leisten muss (Widerstand und Maßnahmen gegen KI: 11 Nennungen). Zwischenmenschliche Interaktionen (z.B. persönliche Gespräche) die für beratende Berufe von zentraler Bedeutung sind, können seiner Meinung nach durch KI nicht ersetzt werden (Wichtigkeit von Persönlichkeit im Berufsbild: 7 Nennungen. Bedenken um Darstellung menschlicher Qualitäten: 4 Nennungen).
4.1.2 Interview 2: Matthias
Matthias (Vertriebskoordinator und Kundenberater, Versicherungsbranche) hat bisher jede technologische Neuerung im Unternehmen für sich positiv nutzen können (Akzeptanz von technologischen Veränderungen: 6 Nennungen). Er weiß, dass die Nutzung von KI in seinen Arbeitsabläufen große Veränderungen mit sich bringen wird, denen er aber optimistisch entgegensieht (Wahrnehmung der Bedeutung von KI im Unternehmen: 4 Nennungen). Für ihn ist die KI-Technologie ein technischer Sprung wie die Erfindung des Autos oder des Internets (Absatz 43 - 45). Er glaubt jedoch nicht, dass die KI in naher Zukunft eine menschliche Persönlichkeit nachahmen kann (Soziale Wahrnehmung: 3 Nennungen). Berührungspunkte mit KI-Technologien hatte er vor allem im Familien- und Bekanntenkreis. Er vermutet, dass sein Unternehmen in vielen Abteilungen bereits KI- Technologien einsetzt, ohne dass es die Mitarbeitenden bewusst mitbekommen. Den Einsatz von KI-Technologien versteht er eher als Ergänzung für den Arbeitsalltag. Er ist der Auffassung, dass KI in seiner zukünftigen beruflichen Tätigkeit Routineaufgaben erledigen wird, sodass mehr Zeit für zwischenmenschliche Aufgaben bleibt (Umstrukturierung von Arbeitsprozessen: 5 Nennungen). Er will sich selbst mit KI auseinandersetzen und braucht keine Unterstützungsangebote seines Arbeitgebers (Schulungs- und Unterstützungsmaßnahmen: 4 Nennungen). Er hält es für wichtig, dass klar kommuniziert wird, welche Aufgaben durch die KI übernommen werden.
4.1.3 Interview 3: Alexander
Alexander (IT-Support, IT-Branche) mag in seinem Leben grundsätzlich Veränderungen, denen er immer etwas positives abgewinnen kann. Er sieht in KI-Technologien eine erhebliche Erleichterung der eigenen Arbeit und Effizienzsteigerung (Zukünftiges Berufsbild durch Integration von KI: 5 Nennungen). Gleichzeitig befürchtet er, dass Menschen durch die KI weniger arbeiten wollen bzw. „fauler“ werden (Reduzierung der Arbeitsleistung: 3 Nennungen). Er selbst nutzt KI-Technologien bereits im privaten Umfeld und pocht auf die Einführung im Arbeitsalltag (Vorerfahrung, Eigeninitiative und Selbstlernen: 2 Nennungen). Dennoch existieren bei ihm auch Bedenken. Allen voran das Thema Datenschutz und der Abbau von Personalstellen aufgrund zu hoher Personalkosten (Ökonomische Implikationen durch KI-Technologien: 7 Nennungen/ Wunsch nach Kontrolle über KI: 5 Nennungen). Er stellt sich die Frage, ob bei einer „perfekten“ KI nicht der Mensch selbst die einzige Fehlerquelle bei der Durchführung von Arbeitsprozessen darstellt und sich daraus ableitet, den Mensch aus den Arbeitsprozessen zu verdrängen.
4.1.4 Interview 4: Malte
Als Kundenberater in der Versicherungsbranche betrachtet Malte seinen Beruf als eine soziale Tätigkeit, die von individuellen Beratungen geprägt ist (Soziale Wahrnehmung: 3 Nennungen). Er glaubt nicht, dass KI-Technologien die sozialen Aspekte seiner Tätigkeit ersetzen können, da das Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Maschine schwächer ist als zwischen Menschen. Er meint, dass die Entwicklung von KI-Technologien noch am Anfang steht (Unausweichlichkeit der KI: 2 Nennungen). Er ist offen für die Integration von KI als Unterstützung für einfache Aufgaben in seinem Arbeitsalltag, da er gegenüber technologischen Neuerungen aufgeschlossen ist. Er nutzt KI-Technologien schon im privaten Bereich und teilweise inoffiziell für seine Beratungstätigkeit und möchte deren Einsatz auch nicht mehr missen. Er ist der Ansicht, dass KI zu einer stärker standardisierten Arbeit führen wird (Zukünftiges Berufsbild durch die Integration von KI: 6 Nennungen). Er erwartet, dass sich seine Arbeit zukünftig mehr auf die zwischenmenschlichen Aspekte fokussieren wird. Für eine erfolgreiche Integration von KI-Tech- nologien wünscht er sich ein von seinem Arbeitgeber organisiertes, Einführungsprogramm und Schulungen (Schulungs- und Unterstützungsmaßnahmen: 3 Nennungen).
4.1.5 Interview 5: Svenja
Svenja (Kundenberaterin, Versicherungsbranche) hat bereits Erfahrungen mit KI-Tech- nologie in der eignen beruflichen Tätigkeit gemacht. Einige der Arbeitsprozesse, die sie früher erledigt hat, wurden durch KI ersetzt, was unter anderem bei ihr ein Gefühl von Furcht in Hinblick auf den zukünftigen Erhalt der eigenen Berufsstelle ausgelöst hat (Negative Emotionen zu KI-Technologien im Berufskontext: 3 Nennungen). Ihr ist bewusst, dass der Einsatz von KI-Technologien im unternehmerischen Kontext dazu führen kann, dass Personalkosten reduziert werden. Trotzdem findet sie KI-Technologie spannend, weil diese viele Möglichkeiten bieten, den Berufsalltag zu unterstützen (Positive Emotionen zu KI-Technologien im Berufskontext: 4 Nennungen). Durch den Einsatz von KI am Arbeitsplatz kann sie sich mehr auf soziale Arbeitsaufgaben konzentrieren. Svenja findet merkt positiv an, dass ihr Unternehmen Schulungen und Auffrischungskurse („Refresher“) zu der KI-Software anbietet, die sie auch regelmäßig nutzt.
4.1.6 Interview 6: Linda
Linda (Key Account Managerin, Versicherungsbranche) legt bei technologischen Veränderungen Wert darauf, dass sie einen Nutzen (z.B. Zeitgewinn) bringen. Dies gilt auch für die Einführung von KI-Technologien in ihren Arbeitsabläufen. Bislang hat sie noch nicht mit KI gearbeitet. Sie erwartet, dass die KI-Technologie einfache Aufgaben übernimmt, die früher manuell ausgeführt werden mussten. Sie glaubt, dass dadurch viele Menschen mit automatisierbaren Arbeitsaufgaben ihre berufliche Tätigkeit verlieren werden. Ihrer Meinung nach sollen KI-Technologien daher gezielt eingesetzt werden und den Mitarbeitenden als Unterstützung dienen (KI als Ergänzung/Unterstützung: 5 Nennungen). Linda ist der Ansicht, dass KI keine sozialen Interaktionen zwischen Menschen (z.B. bei einer Kundenberatung) ersetzen kann. Sie befürchtet, dass ihre Arbeitsqualität durch die KI abnehmen wird, weil sie ihre Arbeit als weniger fordernd empfinden könnte (Reduzierung der Arbeitsleistung: 3 Nennungen). Außerdem besteht bei ihr die Befürchtung, dass Menschen von der KI abhängig gemacht werden könnten. Mit dem Einzug von KI im Arbeitsalltag möchte Linda ihr Verhalten mehr auf zwischenmenschliche Interaktionen richten.
4.1.7 Interview 7: Sven
Sven (Product-Owner, IT-Branche) ist es wichtig, dass jede technologische Veränderung Zeitersparnisse bringt (Akzeptanz von technologischen Veränderungen: 3 Nennungen). Bei einer Implementierung von KI-Technologie in die eignen Arbeitsabläufe erwartet er sich ebenfalls eine Zeitersparnis, da er sich selbst als „teilweisen faulen Menschen“ (Absatz 11) bezeichnet (Umstrukturierung von Arbeitsprozessen: 4 Nennungen/ Reduzierung der Arbeitsleistung: 1 Nennung). Bislang arbeitet Sven noch nicht mit KI-Technologien. Er selbst steht diesen Technologien aufgrund mangelnder Kontrollmechanismen, insbesondere im Bereich des Datenschutzes und Sicherheit, kritisch gegenüber. Seiner Meinung geschieht die Etablierung von KI-Technologien in der Gesellschaft zu schnell und ungeprüft. Um das Misstrauen gegen KI zu verringern, möchte er von seinem Arbeitgeber vollen Zugriff auf die Systeme erhalten, damit er sich selbst ein umfangreiches Bild über die Technologie machen kann (Wunsch nach Kontrolle über KI: 4 Nennungen).
4.2 Gesamtergebnis
Auf Grundlage der Ergebnisse der Einzelinterviews konnte eine Vergleichstabelle (Tabelle 2) über positive und negative Auswirkungen einer KI-Integration in die eigenen Arbeitsprozesse erstellt werden. Hierbei wurden die kognitive, affektive und konative Ebene berücksichtigt, wobei anzumerken ist, dass viele der Interviewaussagen auf Annahmen und Einschätzungen beruhen, da lediglich bei einer von sieben interviewten Personen bereits eine Integration von KI-Technologie stattgefunden hat.
Tabelle 2: Vergleichstabelle der Erkenntnisse aus den Hauptkategorien
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Durch die Anfertigung einer Häufigkeitstabelle der Kodierregeln, visualisiert in Abbildung 3, konnten vier zentrale Erkenntnisse, jeweils ergänzt durch zwei spezifische Subkategorien, formuliert werden, die von allen befragten Personen angeführt und als die am häufigsten genannte Aspekte identifiziert wurden. Diese zentralen Erkenntnisse werden in Abbildung 4 grafisch dargestellt.
Abbildung 3: Häufigkeitstabelle der Kodierregeln
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Bei den zentralen Erkenntnissen handelt es sich um den Wunsch nach Kontrolle über KI- Technologien (22 Nennungen), da der Technologie derzeit noch wenig Vertrauen (6 Nennungen) entgegengebracht und oft als Konkurrenz angesehen wird. Eine weitere Erkenntnis stellt die Unvermeidbarkeit des Vormarsches von KI als bahnbrechende und hochspannende Technologie dar (19 Nennungen), die in Unternehmen und der Gesellschaft zukünftig immer mehr Einzug erhalten wird. Die dritte Erkenntnis lautet, dass die KI- Integration wesentliche Veränderungen in den beruflichen Alltag mit sich bringen wird (18 Nennungen). Dabei wird KI häufig als unterstützendes Element wahrgenommen, dass einfache Aufgaben abnehmen wird (13 Nennungen). Zwischenmenschliche Interaktionen und die menschliche Persönlichkeit können dabei nicht von KI-Technologien ersetzt werden (6 Nennungen und 13 Nennungen). Die vierte wesentliche Erkenntnis stellt die
Hoffnung nach der zukünftigen Arbeitsplatzsicherheit dar (8 Nennungen). Diese wird als potenziell vulnerabel gegenüber den Risiken zu hohen Personalkosten (4 Nennungen) oder der Maximierung von ökonomischer Effektivität (5 Nennungen) wahrgenommen.
5 Diskussion und kritische Würdigung
5.1 Interpretation der Ergebnisse
Die Anpassungsbereitschaft gegenüber technologischen Veränderungen variiert zwischen den befragten Personen. In Abbildung 5 wird diese Varianz der Anpassungsbereitschaft durch eine grafische Rangfolge auf Basis von Nennungen dargestellt.
Abbildung 5: Anpassungsbereitschaft gegenüber technologischen Veränderungen
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Die durchgeführte Analyse zeigt, dass die Personen der Stichprobe aus der Versicherungsbranche (Björn, Matthias, Malte und Svenja) unterschiedliche Einstellungen zu KI- Technologien haben, von hoher Zustimmung (Matthias) bis zu starker Ablehnung (Björn). Dies deutet auf eine Diversität innerhalb der Branche hin, was die Annahme und Einbindung von KI-Technologie angeht. Traditionell wird die Versicherungsbranche eher als konservativ angesehen, die erst im Zuge der Digitalisierung technologisch aufgerüstet haben (Thiefes, 2022, S.7). Dieser Umstand könnte ein Erklärungsansatz für die festgestellte Diversität liefern. Die IT-Branche, stellvertretend durch Alexander, Sven und Linda könnte aufgrund ihrer technologischen Nähe eine positivere Einstellung zur KI- Technologien haben. Dies zeigt sich in der ausgeglichenen Anzahl von Akzeptanz- und der geringen Anzahl von Widerstandsäußerungen.
Offenbar hängt die Bereitschaft, KI-Technologien in die eigenen Arbeitsprozesse einzubinden aber nicht nur von der Branche der Beschäftigung, sondern auch stark von der individuellen Anpassungsbereitschaft gegenüber technologischen Veränderungen ab. Während Björn (meiste Nennungen für Widerstand) ablehnend auf technologische Veränderungen reagiert und auch einer KI-Integration in seine Arbeitsabläufe sehr skeptisch gegenübersteht, akzeptiert Matthias (meiste Nennungen für Akzeptanz) technologische Veränderungen und sieht in der KI-Integration am Arbeitsplatz eine Chance, seine Arbeit zu erleichtern. Die anderen befragten Personen, Alexander, Sven, Svenja und Linda, sind prinzipiell offen für technologische Veränderungen und auch für eine KI-Integration am Arbeitsplatz. Diese Beobachtung deckt sich mit der Annahme von Scheurer, dass eine positive oder negative Einstellung gegenüber Technologien die Nutzungsabsicht begünstigt oder erschwert (Scheurer, 2020, S. 25). Um eine erfolgreiche Integration von KI gewährleisten zu können, sollte deshalb die Perspektive des individuellen Erlebens von technologischen Veränderungen in das Zentrum gerückt werden.
Die Einstellung gegenüber KI-Technologien wird zusätzlich durch die Relevanz von zwischenmenschlichen Interaktionen in der eigenen beruflichen Tätigkeit beeinflusst. So gaben alle 7 Personen aus der Stichgruppe an, dass, unabhängig von der Branche, zwischenmenschliche Interaktionen wie persönliche Beratungsgespräche das zentrale Merkmal ihrer Beschäftigung darstellen. Dieses Merkmal sei nur schwer bis gar nicht durch KI-Tech- nologie ersetzbar. Zwar wird KI-Technologien zugetraut, bestimmte Routineaufgaben zukünftig zu übernehmen. Auch werden diese Technologien als eine Unterstützungsmaßnahme wahrgenommen. Allerdings scheitern sie bei den emotionalen und sozialen Komponenten, die einen wesentlichen Beitrag für eine qualitativ hochwertige Dienstleistung beitragen. KI-Technologien wird bislang nicht zugetraut, dass sie solche Komponenten ersetzen können. Dies spiegelt sich in Aussagen wie „Aber ich glaube, also gerade bei uns, wird immer wieder Wert daraufgelegt, den persönlichen Kontakt einzugehen.“ (Svenja) oder „Ich glaube, dass eine Beratungstätigkeit sehr von individueller Beratung durchzogen ist“ (Malte) wieder. Dieser wahrgenommene Vorteil von sozialen Fähigkeiten gegenüber KI-Technologien führt dazu, dass aufkommende Befürchtungen oder Ängste bezüglich eines zukünftigen, eventuellen Arbeitsplatzverlustes von beratenden Berufen durch KI-Technologie eingedämmt werden können.
Schließlich kann aus den Ergebnissen der Analyse geschlossen werden, dass das Bedürfnis nach Kontrolle über KI-Technologien von zentraler Wichtigkeit ist. 6 von 7 befragten Personen äußerten den Wunsch, KI-Technologien verstehen, lenken und kontrollieren zu wollen. Die betroffenen Personen gaben an, dass sie bei wichtigen Entscheidungen, 24 welche die eigene Arbeit oder die Kundschaft betreffen, das letzte Wort haben möchten. Es lässt sich daraus schließen, dass sie ihre berufliche Kompetenz oder Autorität durch KI nicht untergraben oder ersetzt sehen wollen. Für eine effiziente KI-Integration in Arbeitsprozesse ist es daher zwingend notwendig, dass KI als Unterstützung und nicht als Konkurrenz wahrgenommen wird (Scheuer, 2020, S.36).
Dieser Umstand kann in Zusammenhang mit dem Konzept des Vertrauens gesehen werden, welches besagt, dass Vertrauen eine bedeutende Rolle bei der Akzeptanz von KI- Technologie spielt (Scheuer, 2020, S. 34 ff.). Vertrauen kann unter anderem dadurch aufgebaut werden, dass die Erwartungen an KI-Technologien durch die Unternehmen transparent kommuniziert werden, sodass deren Einsatz in verschiedene Aufgabengebiete eingeschätzt werden kann. Damit der Nutzen der KI-Integration in die eigenen Arbeitsprozesse von den Mitarbeitenden verstanden werden kann, sollte zusätzlich sichergestellt werden, dass Informationen zur Funktionsweise, Datennutzung und Entscheidungsfindung der KI-Technologien durch Schulungsmaßnahmen bereitgestellt werden (Diekhö- ner, 2019, S. 43; Jung et. al., 2021, S. 37ff.).
5.2. Praktische Implikationen
Um eine effiziente Integration von KI-Technologien in die eigenen Arbeitsprozesse der Mitarbeitenden mit hoher Akzeptanz und Nutzungsabsicht gewährleisten zu können, sollten Unternehmen einige praktische Implikationen berücksichtigen, die sich aus den Forschungsergebnissen ableiten lassen und in Abbildung 6 grafisch dargestellt werden.
Für Unternehmen ist es ratsam, die Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeitenden gegenüber KI-Technologien zu erfassen, eine klare Strategie zur Einführung solcher Technologien zu erstellen und betroffene Anwendungsgebiete zu nennen. Darüber hinaus sollten Unterstützungsmaßnahmen wie Schulungen angeboten und die Mitarbeitenden zur kritischen Kompetenzbildung gegenüber KI-Technologien ermutigt werden. Als Orientierungshilfe zur praktischen Umsetzung können die in Abschnitt 2.7. angesprochenen Modelle wie die Innovation Diffusion Theory (IDT) nach Rogers (1983) oder das Technologieakzeptanzmodell (TAM) nach Davies (1989) oder deren Weiterentwicklungen (TAM 2 und TAM3) dienen.
5.3. Reflexion der Güterkriterien nach Mayring
Um eine kritische Würdigung der durchgeführten Analyse formulieren zu können, werden im Folgenden die 6 Güterkriterien qualitativer Forschung nach Mayring herangezogen (Mayring, 2023, S. 122 - 125).
Verfahrensdokumentation
Um die Nachvollziehbarkeit der Vorgehensweise der qualitativen Analyse gewährleisten zu können, wurden die theoretischen Grundlagen zur Forschungsfrage in Kapitel 2 festgehalten. Die Zusammensetzung der Stichprobe (Qualitativer Stichprobenplan), Auswahl der Instrumente zur Datenerhebung (halbstandardisierte Leitfadeninterviews) und die Datenauswertung (qualitative Inhaltsanalyse in Anlehnung an Mayring (Mayring, 2022) wurden in Kapitel 3 behandelt.
Argumentative Interpretationsabsicherung
Die in Kapitel 5.1 dargelegten Interpretation der Einzelergebnisse wurde mithilfe der theoretischen Grundlagen aus Kapitel 2, dem ausgearbeiteten Kategoriensystem (Anhang 3), aussagekräftigen Textstellen der Einzelinterviews und der Häufigkeitstabelle der Kodierregeln (Abbildung 3) erstellt. Alternativdeutungen wurden nicht erstellt oder widerlegt.
Nähe zum Gegenstand
Die befragten Personen kennen die Autoren aus dem privaten oder beruflichen Umfeld. 6 der befragten Personen und beide Autoren haben im beruflichen Umfeld schon Erfahrungen mit der KI-Integration in ihre Arbeitsprozesse gemacht oder ihre Unternehmen haben eine solche Integration für die Zukunft angekündigt. Aufgrund geografischer Gegebenheiten konnte nicht gewährleistet werden, dass sämtliche Einzelinterviews in einem persönlichen Gespräch vor Ort durchgeführt werden konnte. Daher musste teilweise auf andere Kanäle wie Web-Konferenzen oder Telefonate zurückgegriffen werden.
Regelgeleitetheit
Eine Regelgeleitetheit nach Mayring (2023) wurde bei der Arbeit durchgeführt, indem
a) Ein im Voraus formulierter Fragebogen mit Einstiegs-, Leit- und Ad hoc-Fragen erstellt wurde
b) Die Auswertung der Einzelergebnisse auf einer induktiven Kategorienanwendung in Anlehnung an Mayring (Mayring, 2022) und theoretischen Grundlagen erfolgte
c) Kodierregeln mit Bezug zu Textstellen aus den Einzelinterviews erstellt und in einer Häufigkeitstabelle festgehalten wurden
Somit kann festgehalten werden, dass ein transparentes Verfahren zur Anwendung gekommen ist.
Kommunikative Validierung
Eine kommunikative Validierung fand mit keinem der befragten Personen statt.
Triangulation
Eine Überprüfung der Ergebnisse und Interpretationen aus unterschiedlichen Perspektiven konnte aufgrund zeitlicher und inhaltlicher Limitationen nicht durchgeführt werden.
Da zwei Gütekriterien (kommunikative Validierung und Triangulation) nicht erfüllt werden konnten und auch keine Alternativdeutungen erstellt wurden, muss festgehalten werden, dass die Vertrauenswürdigkeit der Forschungsergebnisse als eingeschränkt betrachtet werden müssen.
5.4. Limitationen
Aufgrund der Stichprobengröße (7 Personen) kann keine allgemeine Aussage über die Akzeptanz von KI-Technologien bei beratenden Berufen innerhalb der Versicherungsund IT-Branche formuliert werden.
Eine weitere signifikante Limitation ergibt sich aus der kaum vorhandenen Integration von KI-Technologien in den eigenen Arbeitsprozessen innerhalb der untersuchten Stichprobe (2 von 7 Personen). Die Validität und Reliabilität der Forschungsergebnisse in Hinblick auf die Verhaltensebene sind gefährdet, da der Großteil der Interviewaussagen auf hypothetischen Überlegungen und nicht auf Erfahrungen im Umgang mit KI beruht. Dementsprechend sollten diese Forschungsergebnisse besonders kritisch hinterfragt werden.
Aufgrund der persönlichen Beziehungen besteht ebenfalls die Gefahr der Verzerrung durch Interviewer-Effekte und sozialer Erwünschtheit. Die verzerrten Antworten könnten die Forschungsergebnisse beeinflusst haben. Darüber hinaus birgt die persönliche Nähe das Risiko einer subjektiven Verzerrung in der Dateninterpretation. Vorwissen und persönliche Beziehungen können Einfluss auf die Entwicklung des Kategoriensystems und den Kodierungsregeln genommen haben.
Darüber hinaus wurde nicht das gesamte Spektrum vorhandener KI-Technologien berücksichtigt. Somit erfolgte keine Fokussierung auf spezifische KI-Anwendungen wie einer KI-unterstützen-Beratungssoftware. Dies führt zu einer eingeschränkten Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse auf konkrete KI-Technologien und Kontexte.
6 Fazit
Der Einsatz von modernen KI-Technologien im Dienstleistungssektor findet in Deutschland noch nicht großflächig statt (Rammer et. al., 2020). Diese Erkenntnis deckt sich mit den Ergebnissen der durchgeführten qualitativen Analyse, welche zeigen, dass die Mitarbeitenden in beratenden Berufen bislang nur wenig Erfahrungen mit KI-Technologien in ihre Arbeitsprozesse vorweisen können. Gleichzeitig herrscht bei den Mitarbeitenden ein starkes Interesse aber auch Befürchtungen in Hinblick einer KI-Integration und damit einhergehender Umstrukturierung der beruflichen Tätigkeit vor. Aspekte wie fehlende Arbeitsplatzsicherheit, Wahrnehmung der KI als Konkurrenz oder Nutzungsabsichten, die sich sowohl auf die kognitive, affektive und konative Ebene der einzelnen Mitarbeitenden auswirken können, sollten daher während des gesamten Integrationsprozesses ernst genommen werden.
Dies gilt insbesondere für beratende Berufe, da diese besonders stark von zwischenmenschlichen Interaktionen und einem hohen Vertrauensverhältnis zwischen der berufsausübenden Person und der Kundschaft geprägt sind und sich die ausübenden Personen in hohem Maße mit diesen berufscharakteristischen Attributen identifizieren.
Damit eine erfolgreiche KI-Integration gelingen kann, bedarf es einer partizipativen Gestaltung des Integrationsprozesses, einer umfangreichen Qualifizierung der Mitarbeitenden und einer transparenten unternehmensinternen Kommunikation.
Abschließend ist festzuhalten, dass sich die aktuelle Forschung hauptsächlich mit der technologischen Seite der KI-Integration beschäftigt hat und die Gefühls- und Verhaltensebene der Mitarbeitenden bislang weitgehend unberücksichtigt blieb (Jung et. al., 2021, S.37). Eine Einbeziehung der Mitarbeitenden in den Integrationsprozess sollte ebenfalls stattfinden, da deren Nutzungsbereitschaft wesentlich zur erfolgreichen KI-In- tegration beiträgt. Die vorliegende Seminararbeit wollte durch die abgeleiteten Forschungsergebnisse einen Beitrag zur Analyse des Erlebens und Verhaltens der Mitarbeitenden in beratenden Berufen gegenüber einer Integration von KI-Technologien leisten.
Aufgrund vorhandener Limitationen ist es notwendig, dass weitere Forschungsmaßnahmen mit Fokus auf Personenebene durchgeführt werden, damit ein umfassendes Verständnis für eine erfolgreiche Integration von künstlicher Intelligenz in vorhandene Arbeitsprozesse erlangt werden kann.
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- Philip Ilgen (Author), 2024, Wie nehmen Beratende die Einbindung von KI in ihre Arbeit wahr und wie reagieren sie darauf?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1618303