Wer an das Mediensystem in Russland denkt, der hat meist schnell ein ganz bestimmtes Bild vor Augen. Das Bild von staatlich gegängelten und kontrollierten Medien, von staatlicher Zensur oder der Selbstzensur eingeschüchterter Journalisten, oder gar das Bild von ermordeten Journalisten, wie 2006 der spektakuläre Fall der Anna Politkowskaja. Ganz anders sieht es beim Gedanken an die Medien in Tschechien aus. Wenn überhaupt, so fallen einigen höchstens ein paar deutsche Verlage ein, die sich in den tschechischen Medienmarkt eingekauft haben, aber ansonsten scheint mit den Medien in Tschechien alles in Ordnung zu sein, kein großer Unterschied zu Deutschland. Zwischen den Mediensystemen in Russland und in Tschechien scheinen Welten zu liegen.
Dies ist eine Beobachtung, die eigentlich erstaunen müsste. Denn noch vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten waren die Mediensysteme Russlands (bzw. damals noch der Sowjetunion) und Tschechiens (bzw. der Tschechoslowakei) beinahe identisch. Die Medien waren vollständig in der Hand des Staates und der jeweiligen kommunistischen Parteien, freie Medien existierten lediglich im Untergrund. Das Mediensystem war Bestandteil des politischen Systems. Doch offensichtlich haben sich die Mediensysteme der ehemals kommunistischen Staaten Mittel- und Osteuropas nach den politischen Wendejahren 1989-1991 in völlig unterschiedliche Richtungen entwickelt. In einigen Staaten haben sich freie, demokratische und funktionierende Mediensysteme etabliert, in anderen Staaten blieben die Mediensysteme unterentwickelt, wurden zum Spielball autoritärer Machthaber und die Meinungs- und Pressefreiheit existiert höchstens auf dem Papier. Warum haben sich die Mediensysteme in diesen Ländern trotz vergleichbarer Voraussetzungen in zwei Jahrzehnten derart unterschiedlich entwickelt? Welche Erklärungsansätze gibt es dafür?
Um diese Leitfrage beantworten zu können, soll eine vergleichende Analyse der Entwicklung der Mediensysteme in drei ausgesuchten Ländern Mittel- und Osteuropas durchgeführt werden. Neben Tschechien und Russland dient Bulgarien als drittes Beispielland. Der Untersuchungszeitraum reicht dabei bis zum Jahr 2009. Am Ende dieses Vergleiches sollen Aussagen getroffen werden über den Zusammenhang zwischen der Ausgestaltung der im Theorieteil entwickelten Kriterien und der Entwicklung der Mediensysteme in Transformationsstaaten.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Theoretische Überlegungen zur Systemtransformation und Mediensystemen
- 2.1. Systemtransformation in Mittel- und Osteuropa
- 2.2. Typen und Entwicklungen von Mediensystemen
- 2.3. Medien im Kontext von Politik, Gesellschaft und Systemtransformation
- 2.4. Zusammenfassung des Theorieteils
- 3. Methode
- 3.1. Warum eine vergleichende Länderstudie?
- 3.2. Auswahl der Beispielländer
- 3.3. Quellenlage
- 4. Die Entwicklung der Mediensysteme in Tschechien, Bulgarien und Russland
- 4.1. Tschechien
- 4.2. Bulgarien
- 4.3. Russland
- 5. Vergleich der Mediensysteme und Darstellung der Ergebnisse
- 6. Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Entwicklung der Mediensysteme in Tschechien, Bulgarien und Russland im Kontext der postkommunistischen Systemtransformation. Sie zielt darauf ab, die unterschiedlichen Entwicklungspfade der Mediensysteme in diesen Ländern zu erklären und die Rolle der Medien im Prozess der gesellschaftlichen und politischen Transformation zu untersuchen.
- Der Einfluss der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Entwicklung von Mediensystemen.
- Die Bedeutung von Medienfreiheit und -pluralismus für demokratische Prozesse.
- Die Herausforderungen für die Medien in Transformationsgesellschaften.
- Der Vergleich der Mediensysteme in Tschechien, Bulgarien und Russland.
- Die Rolle der Medien in der Bewältigung von gesellschaftlichen Herausforderungen.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung bietet einen Überblick über die Thematik und stellt die Leitfrage der Arbeit vor. Der theoretische Teil beleuchtet die postkommunistische Systemtransformation und die verschiedenen Typen von Mediensystemen. Die Methode beschreibt die Auswahl der Länder und die Quellenlage für die Analyse. Das Kapitel über die Entwicklung der Mediensysteme in Tschechien, Bulgarien und Russland analysiert die jeweiligen Mediensysteme in ihrem historischen Kontext.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter der Arbeit sind: Mediensysteme, Systemtransformation, Postkommunismus, Tschechien, Bulgarien, Russland, Vergleichende Analyse, Medienfreiheit, Medienpluralismus, politische Transformation, Gesellschaftlicher Wandel.
- Quote paper
- Michael Bartmann (Author), 2010, Mediensysteme im Kontext der postkommunistischen Systemtransformation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162025