Transnationale Finanzströme. Cross-border Capital Flows und das Lucas Paradox


Seminararbeit, 2010

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die neoklassische Wachstumstheorie
2.1. Die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion
2.2. Beispiel: Länderpaar USA-Indien

3. Das Lucas Paradoxon
3.1. Unterschiede des Humankapitals
3.2. Positive externe Effekte
3.3. Kapitalmarktunvollkommenheit

4. Weitere empirische Untersuchungen
4.1. Beispiele anderer Länder
4.2. Erklärungswert von Lucas‘ Determinanten für andere Länder

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Bilaterale Kapitalbilanz USA-Indien aus Sicht der USA in Mio. USD

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Arbeits- und Kapitalanteil an der Produktion in Indien und den USA

Tabelle 2: Erreichbares Pro-Kopf-Einkommen je indischem Beschäftigtem

Tabelle 3: Beschränkung ausländischer Direktinvestitionen in Indien

Tabelle 4: Weltweite jährliche Kapitalzuflüsse nach Ländergruppen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Folgt man den Annahmen der neoklassischen Theorie und auch der Aussage zahlreicher „westlicher“ Politiker, so fließt Kapital ausschließlich von Industrienationen in Schwellen- und Entwicklungsländer und nicht umgekehrt. Dies entspricht aber nicht den empirisch beobachtbaren Kapitalflüssen.[1] Eine zentrale Veröffentlichung hierzu ist der Artikel „Why Doesn’t Capital Flow from Rich to Poor Countries?“ von Robert Lucas aus dem Jahr 1990, der dieses Phänomen aufgreift und ausgehend von der neoklassischen Theorie erklärt.

Basierend auf dieser Veröffentlichung untersucht diese Seminararbeit die Gründe für den Kapitalfluss von Entwicklungs- und Schwellenländern in Industrienationen – sowohl in Form von Eigen- als auch Fremdkapital, sowohl in Form von Portfolio- als auch Direktinvestitionen. Denn die Kapitalflussrichtung entspricht nicht – wie bereits eingangs genannt – der Aussage der neoklassischen Wachstumstheorie, was im Detail im zweiten Kapitel dieser Arbeit erläutert wird. Zusätzlich werden im zweiten Kapitel wesentliche Grundannahmen der genannten neoklassischen Wachstumstheorie dargestellt, um sie anschließend im dritten Kapital anhand des Lucas Paradoxons teilweise aufzulösen, um die Aussage der neoklassischen Theorie entgegen der empirischen Evidenz zu erklären. Hierzu wird das Lucas Paradoxon beispielhaft anhand des Länderpaars Indien-USA erklärt, in welchem Indien stellvertretend für Schwellen- und Entwicklungsländer und die USA für Industrienationen stehen. Im vierten Kapitel wird untersucht, inwieweit empirische Evidenz für das Lucas Paradoxon in anderen Ländern vorliegt und die von Lucas identifizierten Determinanten bzw. die aufgelösten Annahmen der neoklassischen Theorie auch weltweit – also über das Beispiel Indien-USA hinaus – Erklärungswert haben.

2. Die neoklassische Wachstumstheorie

Die neoklassische Wachstumstheorie wird von Lucas als Grundmodell für seinen Erklärungsansatz verwandt. Als Referenzmodell wählt Lucas (1988, S. 13ff.) das Solow-Swan-Wachstumsmodell. Entsprechend sind die zentralen Annahmen dieses volkswirtschaftlichen Modells in der Anwendung von Lucas darzustellen.

So werden lediglich die Kapitalflüsse zwischen zwei Ländern betrachtet. Zusätzlich wird davon ausgegangen, dass beide Länder das gleiche Gut herstellen. Dies geschieht ausschließlich mit den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital. Der Einsatz von Boden bleibt in der Anwendung des Modells durch Lucas unberücksichtigt. Bei der Produktion wird angenommen, dass in beiden Ländern die gleichen Produktionsbedingungen herrschen, also der technologische Fortschritt gleichermaßen vorangeschritten ist. Deshalb wird wiederum davon ausgegangen, dass bei gleichem Input – also dem Einsatz von Arbeit und Kapital – der gleiche Output zu erzielen ist. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei zunehmendem Einsatz des jeweiligen Produktionsfaktors der Grenznutzen – also der Output je zusätzlicher Einheit Input – abnimmt.

Wird zusätzlich von unbeschränktem, völlig freiem Kapitalverkehr und vollkommenen Kapitalmärkten in beiden Ländern und der Immobilität des Produktionsfaktors Arbeit ausgegangen, so ist anzunehmen, dass Investitionen ausschließlich in dem Land mit dem geringeren Kapitalstock im Verhältnis zum verfügbaren Volumen des Produktionsfaktors Arbeit – also dem höheren Grenznutzen je zusätzlicher Einheit Kapital – getätigt werden. Übertragen auf das Verhältnis von Industrie- und Entwicklungsländern ist davon auszugehen, dass aufgrund des geringeren Kapitalstocks im Verhältnis zum Produktionsfaktor Arbeit in Entwicklungsländern gegenüber Industrienationen Kapital ausschließlich von Industrieländern in Entwicklungs- und auch in Schwellenländer, aber nicht umgekehrt fließt. So wird nach Solow (1956, S. 77) der höhere Grenznutzen für den Einsatz des Produktionsfaktors Kapital in Entwicklungs- und Schwellenländern durch die kapitalreichen Industrieländer ausgenutzt. Das Zins-Lohn-Verhältnis zwischen beiden Ländergruppen gleicht sich somit an, da der Grenznutzen von Kapital – also die Rendite bzw. der Zins – mit zunehmendem Kapitaleinsatz abnimmt.

2.1. Die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion

Als Basisproduktionsfunktion wird in der neoklassischen Wachstumstheorie von Solow (1956, S. 76f.) – entsprechend auch von Lucas – die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion verwendet. Anhand dieser wird die Auflösung bzw. Modifikation einzelner Modellannahmen des neoklassischen Modells zur Erklärung des Lucas Paradoxons vorgenommen. Hierbei wird von der üblichen Darstellung von Cobb/Douglas (1928, S. 151f.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten,

abgewichen. Lucas modifiziert diese Darstellung dahingehend, dass er die Funktion je Beschäftigtem normiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Somit ist y das Einkommen je Beschäftigtem – entsprechend von Lucas wie ursprünglich durch Solow (1956, S. 77) mit dem Pro-Kopf-Einkommen approximiert – und entsprechend x die Investitionsquote je Beschäftigtem mit der Produktionselastizität des Kapitals β. Zum Erhalt des Grenzproduktes des Faktors Kapital ist die Formel nach x abzuleiten. Somit ist das Grenzprodukt (3) [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] abhängig von der Investitionsquote je Beschäftigtem. Durch Substitution von x durch Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[2] erhält man

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

also das Grenzprodukt des Kapitals in Abhängigkeit vom Einkommen je Beschäftigtem. Diese Substitution dient dazu anstelle der Investitionsquote je Beschäftigtem das Pro-Kopf-Einkommen (BIP pro Kopf) für die empirische Überprüfung zu verwenden. Hieran ist kritisch zu sehen, dass Lucas die Ursache-Wirkungsbeziehung so darstellt, als ob die Investitionsquote je Beschäftigtem vom Pro-Kopf-Einkommen abhängig ist, aber Solow (1956, S. 66) im zugrundeliegenden Wachstumsmodell von der umgekehrten, üblichen Input-Output-Relation der Cobb-Douglas-Produktionsfunktion ausgeht.

2.2. Beispiel: Länderpaar USA-Indien

Zur empirischen Anwendung auf das Länderpaar USA-Indien werden zum einen das BIP pro Kopf und zum anderen der Durchschnitt der indischen und US-amerikanischen Produktionselastizität des Kapitals benötigt. Lucas nutzt nährungsweise für die Produktionselastizität den Kapitalanteil an der Produktion in beiden Ländern. Da nur die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital von Cobb/Douglas (1928, S. 151) eingesetzt werden, entspricht der nach Ermittlung des Arbeitsanteils verbleibende Anteil dem Kapitalanteil.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Arbeits- und Kapitalanteil an der Produktion in Indien und den USA[3]

Anhand der Tabelle wird deutlich, dass die durchschnittliche Kapitalelastizität von Indien und den USA 0,568 ist. Laut der United Nations Statistics Division (2009) beträgt das BIP pro Kopf in Indien 713 USD (2005) und in den USA 41.366 USD (2005), also in den USA das 58-fache des indischen Wertes. Zur Ermittlung der Differenz des Grenzproduktes des Kapitals in Indien und den USA wird für y das Verhältnis des indischen BIP pro Kopf gegenüber dem US-amerikanischen und für β die durchschnittliche Kapitalelastizität eingesetzt und zugleich angenommen, dass der technologische Entwicklungsstand A in beiden Ländern das gleiche Niveau erreicht und somit unberücksichtigt bleiben kann. So wird deutlich, dass das Grenzprodukt des Kapitals das Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten-fache in Indien im Vergleich zu USA beträgt. Folglich sollten aufgrund der deutlich höheren Rentabilität alle Investitionen in Indien und keine in den USA getätigt werden. Abweichend von diesen Modellaussagen zeigt sich in der Realität ein anderes Bild, was anhand folgender Abbildung deutlich wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Bilaterale Kapitalbilanz USA-Indien aus Sicht der USA in Mio. USD[4]

Die Abbildung zeigt, dass der über den Betrachtungszeitraum kumulierte Netto-Kapitalfluss rund 11 Mrd. USD zugunsten der USA beträgt, was absolut der Aussage der neoklassischen Theorie widerspricht- Somit ist diese mit ihren Grundannahmen zu hinterfragen. Zur Erklärung dieses Sachverhaltes am Beispiel USA-Indien hat Lucas drei Modellannahmen der neoklassischen Wachstumstheorie aufgelöst, was im Folgenden dargestellt wird.

3. Das Lucas Paradoxon

So ist Lucas‘ Aussage, dass die Kapitalflüsse nicht den Voraussagen der neoklassischen Theorie folgen – also ausschließlich von Industrieländern in Schwellen- und Entwicklungsländer und nicht entgegengesetzt fließen –, weil die Annahme der Gleichwertigkeit des Humankapitals zwischen den genannten Ländergruppen nicht der Realität entspricht. Zusätzlich berücksichtigt die neoklassische Theorie nicht das Auftreten positiver externer Effekte auf das Humankapital. Neben dieser ersten zweigeteilten Haupthypothese mit Fokus auf Humankapital wird als zweite die Unvollkommenheit der Kapitalmärkte angeführt, wie sie insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern auftreten.[5] Im Folgenden werden die drei genannten Kritikpunkte an der neoklassischen Theorie im Detail betrachtet.

3.1. Unterschiede des Humankapitals

Lucas löst die Annahme gleichwertigen Humankapitals je Beschäftigtem in beiden Ländern –also hier den USA und Indien – auf. Denn er geht nicht davon aus, dass die Qualität des Produktionsfaktors Arbeit gleichverteilt ist, sondern ein indischer Beschäftigter weniger produktiv als ein US-amerikanischer ist. Begründet wird dies durch Unterschiede in der Altersstruktur, der Ausbildung und der sektoralen Verteilung der Beschäftigten sowie dem Zusammenwirken aller drei Faktoren zwischen beiden Ländern. Hierzu bezieht er sich auf eine Studie von Krueger (1968). Diese untersucht den Einfluss der genannten Faktoren auf das Pro-Kopf-Einkommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Erreichbares Pro-Kopf-Einkommen je indischem Beschäftigtem

Diese Tabelle mit den Ergebnissen von Krueger (1968, S. 653) zeigt, dass aufgrund der Unterschiede in allen drei Faktoren sowie dem Zusammenwirken aller das Humankapital eines durchschnittlichen indischen Beschäftigten rund 38,2 Prozent des Wertes eines US-amerikanischen – gemessen in BIP pro Kopf – hat. Das heißt, dass ein durchschnittlicher indischer Beschäftigter bei ansonsten gleichen Bedingungen wie in den USA 38,2 Prozent des Pro-Kopf-Einkommens eines US-Amerikaners erzielen würde – also rund 38,2 Prozent der Arbeitsproduktivität eines US-Amerikaners aufweist. Besonderes Augenmerk ist hierbei auf die Bildung der indischen Beschäftigten zu legen, welche für mehr als 50 Prozent des niedrigeren indischen Pro-Kopf-Einkommens verantwortlich ist.

Wird dieser Produktivitätsunterschied der Beschäftigten bei der Berechnung des Grenzproduktes des Kapitals im Vergleich zwischen Indien und den USA anhand der Cobb-Douglas-Produktionsfunktion berücksichtigt, so ist zu bedenken, dass dies sich ausschließlich auf den Anteil des Faktors Arbeit an der Produktion– wie in Tabelle 1 gezeigt – von durchschnittlich 43,2 Prozent auswirkt. Somit ergibt sich, dass ein indischer Beschäftigter nur einen Anteil von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] des Einkommens eines US-Amerikaners unter ansonsten gleichen Bedingungen – insbesondere bei gleicher Kapitalausstattung – erzielen kann.[6]

Durch Einsetzen des ermittelten Produktivitätsverhältnisses in (4) ergibt sich, dass das indische Grenzprodukt des Kapitals nur noch das [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]-fache des US-amerikanischen beträgt. Ökonomisch bedeutet dies, dass das höhere Grenzprodukt des Kapitals, welches sich aus der geringeren Investitionsquote je Beschäftigtem in Indien ergibt, durch die niedrigere Arbeitsproduktivität teilweise aufgezehrt wird.

3.2. Positive externe Effekte

Nach der Relativierung des Gefälles der Grenzproduktivität des Kapitals zwischen Indien und den USA durch die Unterschiede des Humankapitals ist zu berücksichtigen, dass die bestehende Differenz nach den Voraussagen der neoklassischen Wachstumstheorie dennoch ausschließlich Kapitalströme zugunsten Indiens herbeiführen müsste.

Aber das verbleibende Gefälle wird durch die Berücksichtigung auftretender positiver externer Effekte auf das Humankapital weiter relativiert.[7] So nimmt Lucas an, dass sich eine durchschnittliche Verbesserung der Ausbildung eines Teils der Beschäftigten auch positiv auf das Humankapital – und damit verbunden auch die Produktivität – eines Kollegen dieser Beschäftigten auswirkt, obwohl dieser keine Ausbildungsmaßnahme genossen hat.

Zur Erklärung der positiven externen Effekte wird die neoklassische Produktionsfunktion um das Humankapital je Beschäftigtem [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] erweitert. Hierbei interpretiert Lucas (1988, S. 15) die Veränderung des Humankapitals – die Verbesserung der Ausbildung ausgedrückt durch einen Anstieg von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] – wie eine Veränderung der technologischen Entwicklungsstandes A und dessen Auswirkungen auf den Output y.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Entsprechend drückt der Term [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] aus, inwieweit das Humankapital je Beschäftigtem durch positive externe Effekte zunimmt. Für das Humankapital je Beschäftigtem wird das Verhältnis des Humankapitals eines indischen Beschäftigtem gegenüber einem US-amerikanischem von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] – wie im Abschnitt 3.1. Unterschiede des Humankapitals ermittelt – verwendet. Die Wachstumsrate des Humankapitals durch positive externe Effekte [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] wird von Lucas (1988, S. 23ff.) hingegen nicht direkt, sondern als Residualgröße bestimmt. Hierbei bezieht er sich auf eine Studie von Denison, welche die Produktivitätsveränderung der US-amerikanischen Volkswirtschaft von 1909 bis 1958 vergleicht. Im Rahmen dieser Studie wurde festgestellt, dass der Output je Arbeitsstunde um ein Prozent stärker als der Kapitaleinsatz je Arbeitsstunde zugenommen hat. Diese Differenz ordnet er dem Wachstum des Humankapitals zu, welches zu 90 Prozent der Zunahme schulischer Ausbildung – also 0,9 Prozentpunkte von einem Prozentpunkt – in diesem Zeitraum zugeschrieben werden kann. Entsprechend wird davon ausgegangen, dass die verbleibenden 0,1 Prozentpunkte positiven externen Effekten zugeschrieben werden. Da es sich um zusätzliches Wachstum von einem Prozent durch den Anstieg des Humankapitals handelt und positive externe Effekte ausschließlich auf den Arbeitsanteil an der Produktion wirken, ist der Multiplikator um den Kapitalanteil der Produktion Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, welcher im Betrachtungszeitraum 25 Prozent betrug, zu reduzieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Somit ergibt sich durch einsetzen des Kapitalanteils [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] von 25 Prozent ein Wert von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] , was bedeutet, dass bei einem Anstieg des Humankapitals im Arbeitsumfeld eines Beschäftigten von 10 Prozent, die Produktivität des Beschäftigten ohne eigene Veränderungen oder Bildungsmaßnahmen um 3,6 Prozent ansteigt. Zur Berücksichtigung des Einflusses positiver externer Effekte auf die Grenzproduktivität des Kapitals wird (5) abgeleitet und es ergibt sich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Durch Einsetzen in (7) ergibt sich, dass das indische Grenzprodukt des Kapitals auf das [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]-fache des US-amerikanischen zu reduzieren ist, was Investitionen in Indien noch immer attraktiver als in den USA darstellt. In Lucas‘ Beispiel beträgt das indische Grenzprodukt des Kapitals nur das 1,04-fache des US-amerikanischen, so dass Investitionen in Indien und den USA als nahezu gleichwertig angesehen werden können, aber noch nicht erklärt wird, warum die Kapitalströme zugunsten der USA höher sind. Allerdings führt Lucas als weitere Hypothese, wenn auch nicht als Haupthypothese, die Unvollkommenheit der Kapitalmärkte in Entwicklungs- und Schwellenländern an, so dass das höhere Grenzprodukt des Kapitals in Indien weiter an Attraktivität gegenüber den USA verliert, was im folgenden erläutert wird.

3.3. Kapitalmarktunvollkommenheit

Die Unvollkommenheit der Kapitalmärkte wird von Lucas nicht quantitativ in der Cobb-Douglas-Produktionsfunktion berücksichtigt, aber als weitere Erläuterung angeführt. Er nennt hierbei drei Ausprägungsformen. So werden Investitionsrisiken[8], Kapitalverkehrsbeschränkungen und das Nachfragemonopol ausländischer Investoren in Bezug auf Arbeitskräfte bzw. Angebotsmonopol in Bezug auf Kapital angeführt.

Investitionsrisiken werden von Lucas insbesondere als politische[9] konkretisiert. Hierunter versteht Lucas insbesondere die Durchsetzung und den Schutz der Gläubiger von Kreditverträgen. Hierzu wird beispielsweise von der OECD (2009) auf Länderebene ermittelt, wie wahrscheinlich es ist, dass Kreditnehmer des jeweiligen Landes ihren Auslandsverbindlichkeiten nachkommen. Dies wird zum einen quantitativ anhand der Zahlungserfahrung sowie der finanziellen und wirtschaftlichen Situation der Schuldner bemessen. Zum anderen wird qualitativ durch eine Expertenschätzung Vorhandensein und Höhe politischer und anderer, nicht näher definierter Investitionsrisiken vorgenommen, welche quantitativ nicht erfasst werden. Die Bewertung erfolgt auf einer achtstufigen Skala, wobei null die geringste und sieben die höchste Ausfallwahrscheinlichkeit bedeuten. In diesem Rating werden die USA mit null und Indien mit drei von der OECD (Hrsg.) (2009) bewertet, so dass deutlich wird, dass in Indien grundsätzlich ein höheres Investitionsrisiken herrscht, was dementsprechend das höhere Grenzprodukt des Kapitals in Indien weniger attraktiv macht.

Zusätzlich sind die internationalen Kapitalverkehrsbeschränkungen Indiens zu berücksichtigen. So wird die Beschränkung internationaler Kapitalströme von Balin (2008, S. 3ff.) – nach der Phase vergleichsweise freien Kapitalverkehrs von 1991-2007 – derart charakterisiert, dass grundsätzlich internationale Kapitaltransaktionen verboten, aber in kategorisierten Ausnahmen zugelassen sind. So sind ausländische Direktinvestitionen in Abhängigkeit von der Branche möglich. Allerdings ist nur in wenigen Branchen – wie die folgende Tabelle zeigt – die komplette Übernahme eines Investitionsobjektes durch ausländische Investoren – angezeigt durch Beteiligungsquoten von 100 Prozent – möglich. Die Zulassung erfolgt für jeden Einzelfall durch India’s Securities and Exchange Board.

[...]


[1] Studien der Weltbank (2007, S. XI) bestätigen, dass die G8-Staaten und weitere Geberländer ihre Zahlungen im Rahmen der Entwicklungshilfe signifikant erhöhen müssten, um die zugesagten Volumina – insbesondere für die afrikanischen Staaten südlicher der Sahara – zu erreichen.

[2] Dies wurde durch Umstellen der Produktionsfunktion (2) nach x ermittelt.

[3] Eigene Berechnungen auf Basis von United Nations Statistics Division (2009a) und (2009c).

[4] Eigene Berechnungen auf Basis von Bureau of Economic Analysis (2009).

[5] Dies bestätigen Clemens (2002, S. 25f.) und Gertler/Rogoff (1990, S. 258f.) auch empirisch.

[6] Hieran ist kritisch zu sehen, dass dies impliziert, dass ein durchschnittlicher Inder in den USA auch nur 38,2 Prozent des Pro-Kopf-Einkommens eines US-Amerikaners erzielen würde.

[7] Um externe Effekten wie Wissensspillover nach Baumol/Oates (1988, S. 17f.) handelt es sich, wenn die Produktions- oder Nutzenbeziehung von Individuen mit Dritten auch reale, also nicht-monetäre Variablen, deren Ausprägung von Dritten ohne Berücksichtigung des Nutzens – positive externe Effekte – oder Schadens – negative externe Effekte – für die Individuen bestimmt wird. Es erfolgt weder ein monetärer Ausgleich, wenn die Individuen profitieren, noch, wenn sie geschädigt werden.

[8] Für Reinhart/Rogoff (2004, S. 56ff.) sind anders als für Lucas die politischen Investitionsrisiken die wesentlichen Determinanten für das Lucas Paradoxon. Sie sehen hingegen Unterschiede des Humankapitals als nachgeordnete Determinanten, welche nur von Bedeutung sind, wenn keine Unterschiede aus politischen Investitionsrisiken herrühren.

[9] Allgemein werden von Kobrin (1979, S. 67) politische Risiken als Einflussnahme des Staates auf die Geschäftstätigkeit definiert. Im Detail versteht Kobrin (1979, S. 77) hierunter die Gefahr der Enteignung ausländischer Investoren sowie Rückführungsbeschränkungen für Kapitalerträge.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Transnationale Finanzströme. Cross-border Capital Flows und das Lucas Paradox
Hochschule
Frankfurt School of Finance & Management
Veranstaltung
Internationale Finanzmärkte
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
26
Katalognummer
V162088
ISBN (eBook)
9783640773411
ISBN (Buch)
9783640773527
Dateigröße
757 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lucas Paradox, International capital flows
Arbeit zitieren
Markus Meyer (Autor:in), 2010, Transnationale Finanzströme. Cross-border Capital Flows und das Lucas Paradox, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162088

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