Die Krise der Volksparteien scheint ein fester Bestandteil des bundesdeutschen Parteienwettbewerbs geworden zu sein. Union und SPD verlieren in der Gesamtschau schon seit Jahren immer mehr Mitglieder und Wählerstimmen. Dagegen werden die kleinen Parteien FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke immer stärker. Die Letzteren scheinen das verlorengehende Vertrauen in die ehemals großen Volksparteien aufzunehmen. Doch die Bundestagswahl 2009 und besonders die Zeit danach haben die weiterführenden Auswirkungen dieses Prozesses sichtbar gemacht. Denn das entgegengebrachte Vertrauen der Wähler in die FDP, das bei der Bundestagswahl 2009 mit 14,6 Prozent der Zweitstimmen ungewöhnlich hoch war, und damit das schon bekannte Phänomen der Wanderung des Vertrauens von den Volksparteien zu den „Kleinen“ deutlich wie nie zuvor zu bestätigen vermochte, hat sich in der kurzen Zeit danach bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2010 und darüber hinaus extrem verflüchtigt. Allein von einer Krise der Volksparteien zu sprechen reicht deshalb wohl endgültig nicht mehr aus.
Die Wirkung einer Krise der politischen Repräsentation auf das gesamte Parteienspektrum scheint nun empirisch nachweisbar zu sein. Denn nicht nur die etablierten Parteien sind betroffen. Mit dem Aufkommen einer neuen politischen Bewegung – der Piratenpartei – kommt auch bei der Mobilisierung einer vermeintlich schwierig zu repräsentierenden Wählergruppe, nämlich den Erstwählern und sehr jungen Wahlberechtigten, ein neuer Aspekt ans Licht. Mit einem spezifischen Thema – dem Internet –, das von den etablierten Parteien weitgehend nicht auf die politische Agenda gesetzt wird oder dort nur unter völlig anderen Vorzeichen bearbeitet wird, wurde in kurzer Zeit eine beachtliche Mobilisierung erreicht. Es gibt also unter den kleinen Parteien neue Potentiale für eine weitere Ausdifferenzierung unseres bundesdeutschen Parteiensystems.
Nun wurden und werden in der Wissenschaft viele Modelle diskutiert, die die Veränderungen im politischen Feld erklären sollen. Sie reichen von der Theorie einer völligen Bindungslosigkeit und Unabhängigkeit der Wähler über einen Wandel eben jener Bedingungen der Gebundenheit bis zum Festhalten an statischen Konfliktlienen und Zugehörigkeiten. Ich möchte auf einige dieser Theorien näher eingehen, um in diesem Kontext die beiden aktuellen Phänomene der FDP und der Piratenpartei näher zu betrachten.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Die Krise der politischen Repräsentation
- 2.1 Erosion oder Wandel von sozialstrukturellen Bindungen
- 2.2 Der Wahlakt als Marktakt oder die Bedeutung von Weltanschauungen und sozialem Kapital
- 2.3 Die Auswirkungen auf das deutsche Parteiensystem
- 3 Die FDP - Aufstieg seit 2001, Gewinn 2009 und Verlust 2010
- 3.1 Die Neuausrichtung der Partei ab 2001
- 3.2 Die starke Mobilisierung von Wählern vor und während der Bundestagswahl 2009
- 3.3 Von der Bundestagswahl zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2010 – Wo sind die Mobilisierten hin?
- 4 Die Piratenpartei – Eine neue Anti-Parteien-Partei?
- 4.1 Von der Gründung 2006 bis zur Bundestagswahl 2009 – Entdeckung eines neuen Wählerpotentials im Internet?
- 4.1.1 Sympathisanten, Wähler und Aktive
- 4.1.2 Inhalte und Kommunikation über das Internet
- 4.2 In die Parlamente oder APO 2.0? - Richtungsentscheidungen nach der Bundestagswahl 2009
- 5 Zusammenfassung und Ergebnisse - Was sagen uns die Phänomene?
- 5.1 Die Wähler als Akteure im Mittelpunkt: Parallelen zwischen den Phänomenen
- 5.2 Krisenphänomene oder Wandel der politischen Kultur?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit untersucht die Krise der politischen Repräsentation am Beispiel der FDP und der Piratenpartei. Ziel ist es, die Veränderungen im deutschen Parteiensystem und die sich verändernden Wahlverhalten zu analysieren.
- Erosion von sozialstrukturellen Bindungen und der Wandel von Wahlverhalten
- Die Rolle des Internets und der digitalen Kommunikation in der politischen Mobilisierung
- Die Bedeutung von Weltanschauungen und sozialem Kapital für das Wahlverhalten
- Die Auswirkungen der Krise der Volksparteien auf das gesamte Parteienspektrum
- Die Entstehung neuer politischer Bewegungen und deren Einfluss auf das deutsche Parteiensystem
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Kontext der Krise der Volksparteien und das Aufkommen neuer politischer Bewegungen wie der Piratenpartei einführt. Das zweite Kapitel analysiert die Krise der politischen Repräsentation, indem es auf verschiedene Theorien und Modelle eingeht, die die Veränderungen im politischen Feld erklären. Kapitel drei untersucht den Aufstieg und Fall der FDP im Zeitraum von 2001 bis 2010, während Kapitel vier die Entstehung und Entwicklung der Piratenpartei beleuchtet. Das fünfte Kapitel fasst die Ergebnisse zusammen und analysiert die Parallelen zwischen den beiden Beispielen im Zusammenhang mit dem Wählerverhalten und der Krise der politischen Repräsentation.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die zentralen Themen des deutschen Parteiensystems, der Krise der politischen Repräsentation, der Veränderung des Wahlverhaltens, der Mobilisierung im Internet, der Piratenpartei, der FDP und der Rolle von Weltanschauungen und sozialem Kapital in der politischen Kultur.
- Quote paper
- M.A. Sebastian Krätzig (Author), 2010, Wandel des Wahlverhaltens. Das deutsche Parteiensystem und die Krise der politischen Repräsentation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162125