Bereits der Satz des deutschen Reichsaußenministers Walther Rathenau, „verschmilzt die Wirtschaft Europas zur Gemeinschaft, und das wird früher geschehen, als wir denken, so verschmilzt auch die Politik“ , sah voraus, dass sich eine grundlegend neue Gemeinschaft in Europa entwickeln sollte, eine Gemeinschaft, die sich über die wirtschaftliche Integration von der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) hin zu einer mehr und mehr politischen Union entwickelte, bis hin zu dem Konstrukt sui generis, welches wir heute die Europäische Union (EU) nennen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass sich die beiden Staaten Deutschland und Frankreich im 2. Weltkrieg, dem blutigsten Krieg der Ge-schichte, bekämpfen sollten und gerade diese Erzfeindschaft Ausgangsposition war für eine Völkerversöhnung ohnegleichen und die Entwicklung einer neuen Gemeinschaft in Europa, deren vermutlich stärkster Motor die deutsch-französische Zusammenarbeit werden sollte. Wie schon von Rathenau vorhergesehen, basierte diese neue Gemeinschaft auf einer ökono-mischen Grundlage. In dieser Arbeit soll nun die Bedeutung der französischen Staats-präsidenten Charles de Gaulles und Francois Mitterrands im Hinblick auf die europäische Integration unter Zuhilfenahme der Theorie des Liberalen Intergouvernementalismus herausgearbeitet werden. De Gaulle sowie Mitterrand stellen die vermutlich bedeutendsten Präsidenten der V. Französischen Republik dar, ersterer sozusagen als Gründungspräsident, der Frankreich aus den Wirren des Algerienkrieges und des wirtschaftlichen Zusam-menbruchs herausführte und zweiterer als sozialistischer Präsident, unter dessen Ägide der Vertrag von Maastricht ausgehandelt wurde. Die Integration soll hier verstanden werden als „Zusammenschluss einzelner Teile zu einer übergeordneten Einheit, in der die Teile ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten besser ausnutzen können.“ Der Liberale Intergouvernementalismus, welcher eine Theorie der europäischen Integration darstellt und diese durch nationalstaatliche Präferenzen moti-viert sieht, soll hierbei ein Hilfsmittel zur Analyse sein, da er insbesondere die Bedeutung der Staatsmänner hervorhebt. Daraus ergibt sich letztlich die Fragestellung, ob die europä-ische Integration unter den unterschiedlichen Staatspräsidenten de Gaulle und Mitterrand als fortgeschritten zu betrachten ist.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Hauptteil
- 1. Liberaler Intergouvernementalismus nach Moravcsik
- 1.1 Grobüberblick über die Theorien der Integration
- 1.2 Prämissen des Liberalen Intergouvernementalismus
- 1.3 Dreistufiges Modell des Integrationsprozesses
- 1.3.1 Set of national preferences
- 1.3.2 Interstate bargaining
- 1.3.3 Institutional Choice
- 1.4 Kritik am Liberalen Intergouvernementalismus
- 2. Die Ära de Gaulles als französischer Staatspräsident
- 2.1 Veto gegen den Beitritt Großbritanniens zur EWG
- 2.2.1 Die Politik des leeren Stuhls
- 2.2.2 Luxemburger Kompromiss
- 3. Die Ära Mitterrands
- 3.1 Der Vertrag von Maastricht
- 1. Liberaler Intergouvernementalismus nach Moravcsik
- III. Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Bedeutung der französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulles und François Mitterrands im Hinblick auf die europäische Integration. Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse der französischen Positionen und ihrer Bedeutung im europäischen Integrationsprozess, und zwar mithilfe des Liberalen Intergouvernementalismus (LI) als analytischem Rahmen. Das Ziel ist es, die Bedeutung dieser beiden Präsidenten für die Entwicklung der europäischen Integration aufzuzeigen und zu erforschen, wie ihre Politik, geprägt durch unterschiedliche parteipolitische Orientierungen, die europäische Integration beeinflusst hat.
- Die Rolle von französischen Staatspräsidenten in der europäischen Integration
- Der Liberale Intergouvernementalismus als analytisches Werkzeug
- Die nationalen Präferenzen Frankreichs und ihre Auswirkungen auf den europäischen Integrationsprozess
- Die Bedeutung der französischen Politik während der Ära de Gaulles und Mitterrands
- Der Einfluss des LI auf die Interpretation der europäischen Integration
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel I: Einleitung: Diese Einleitung führt den Leser in die Thematik der Arbeit ein. Sie beleuchtet den historischen Kontext der europäischen Integration und stellt die Bedeutung der französischen Staatspräsidenten de Gaulles und Mitterrands für den Prozess heraus. Die Arbeit stellt außerdem die Theorie des Liberalen Intergouvernementalismus als analytischen Rahmen vor und formuliert die Forschungsfrage, ob die europäische Integration unter den beiden Präsidenten als fortgeschritten anzusehen ist.
- Kapitel II: Hauptteil: Der Hauptteil ist in drei Unterkapitel unterteilt.
- Kapitel 2.1: Liberaler Intergouvernementalismus nach Moravcsik: Dieses Kapitel liefert einen Überblick über die Theorien der europäischen Integration, insbesondere den Neofunktionalismus und den Intergouvernementalismus. Es stellt dann die Prämissen des Liberalen Intergouvernementalismus (LI) nach Moravcsik vor und erläutert sein dreistufiges Modell des Integrationsprozesses, welches die Präferenzbildung, die zwischenstaatlichen Verhandlungen und die institutionelle Delegation umfasst.
- Kapitel 2.2: Die Ära de Gaulles als französischer Staatspräsident: Dieser Abschnitt untersucht die Politik von Charles de Gaulle und seine Rolle im europäischen Integrationsprozess. Es beleuchtet insbesondere seine Opposition gegen den Beitritt Großbritanniens zur EWG, die „Politik des leeren Stuhls“ sowie den „Luxemburger Kompromiss“ als Schlüsselmomente der französischen Einflussnahme.
- Kapitel 2.3: Die Ära Mitterrands: Dieses Kapitel analysiert die Politik von François Mitterrand und seine Bedeutung für die europäische Integration. Es konzentriert sich auf den Vertrag von Maastricht als ein zentrales Element der französischen Integrationspolitk unter Mitterrands Präsidentschaft.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt die folgenden Schlüsselbegriffe und Themen: Liberaler Intergouvernementalismus, europäische Integration, nationale Präferenzen, Frankreich, Charles de Gaulle, François Mitterrand, Staatspräsidenten, Veto, „Politik des leeren Stuhls“, Luxemburger Kompromiss, Vertrag von Maastricht, Integrationstheorie, Integrationsfortschritt, politische Union, wirtschaftliche Integration, deutsch-französische Zusammenarbeit.
- Arbeit zitieren
- Matthias Billen (Autor:in), 2006, Die Europapolitik Charles de Gaulles und Francois Mitterrands aus Sicht des Liberalen Intergouvernementalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162175