Die Argentinienkrise


Seminararbeit, 2003

15 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Die Argentinien-Krise

Einleitung

Dezember 2001: Straßenschlachten, Brände, geplünderte Einkaufszentren. Die Wirtschaftskrise in Argentinien fordert mindestens 28 Todesopfer, mehr als 200 Verletzte. Kurz zuvor beteiligten sich mehrere hunderttausend Arbeiter an dem Streik gegen die Regierung von Präsident Fernando De la Rua, gegen die Sperrung der Bankkonten, gegen die Armut.

Um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, richten wir den Blick in die Vergangenheit.

Ab dem Jahr 1976 erhielt die damalige Militärdiktatur Geld von internationalen Banken in Form von Krediten mit niedrigen Marktzinsen. Die aus volkswirtschaftlicher Sicht überflüssige Auslandsverschuldung erhöhte sich zwischen 1976 und 1983 von 7,8 auf 45,1 Mrd. US-Dollar. Argentinien hätte mit seinen Exporteinnahmen sowohl Importe als auch den Schuldendienst finanzieren können, stattdessen wurden Kredite aufgenommen, um sie für die Bekämpfung der Kapitalflucht (44 Prozent der Kredite), für Schuldendienst (33 Prozent) und Rüstungsimporte (23 Prozent) einzusetzen. Doch auch der private Sektor verschuldete sich lieber im billigen Ausland. Als 1982 die Schuldenkrise offen ausbrach, empfahl der IWF die private Verschuldung mit Hilfe von Wechselkursgarantien zu verstaatlichen.[1]

Zwischen April 1981 und April 1991 versuchten fünf Präsidenten und nicht weniger als zehn Wirtschaftsminister, die durch eine exorbitant hohe Inflation in Verbindung mit hoher Arbeitslosigkeit gekennzeichnete ökonomische Krise in den Griff zu bekommen. Die nicht koordinierten Wirtschaftspolitiken verfehlten jedoch nicht nur ihre Ziele, sondern führten zu einem tiefen Einbruch der Investitionsquote von 20 Prozent in den 70er Jahren auf annähernd zehn Prozent und einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) pro Kopf um 23,5 Prozent im Verlauf der 80er Jahre.

Schließlich bildete sich Ende der achtziger Jahre ein neuer wirtschaftspolitischer Konsens heraus: Ziel sei die Integration in die Weltwirtschaft, strittig blieb die Strategie zur Erreichung dieser ambitionierten Vorstellung. Die Regierung Menem orientierte sich seit Anfang der neunziger Jahre am Neoliberalismus, die „Schatten der Vergangenheit“, wie beispielsweise das BIP pro Kopf 1995, das 12,7 Prozent unter dem Niveau von 1974 lag, der um über 50 Prozent gesunkene durchschnittliche Reallohn und die von 3,4 auf 17,4 Prozent gestiegene Arbeitslosenquote boten hierzu reichlich ungünstigen Boden. Hinzu kam die jahrzehntelange Abschottung der Industrien vor der internationalen Konkurrenz mittels exzessiv hoher Zölle, die zu Konzentrationsprozessen, abnehmendem Wettbewerb und niedriger Innovationsdynamik führte.[2]

Messner (1997) führt acht Problemfelder an, unter denen die ökonomische Neuorientierung umgesetzt werden sollte:

1) Es wären enorme Produktivitätssprünge notwendig gewesen, da die technologisch-organisatorische Kompetenz der Unternehmen im Vergleich zu den weltwirtschaftlichen Niveaus weiter gesunken war.
2) Die Investitionsquoten schwankten in Argentinien in Folge des veralteten Produktionsapparates zwischen 1982 und 1989 zwischen 9,9 und 15 Prozent, wohingegen sie in Südkorea und Taiwan bei über 30 Prozent lagen. Der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) am Bruttosozialprodukt (BSP) lag in Argentinien seit Anfang der 80er Jahre bei circa 0,4 Prozent, in Taiwan und Südkorea hingegen bei etwa 3 Prozent.
3) Im Hinblick auf die beachtlich diversifizierten, ineffizienten Industriestrukturen stelle sich die Frage, ob eine ausreichende Beschäftigung generiert werden könne.
4) Der Anteil technologieintensiver Exportprodukte war gering, das Exportpaket bestand vornehmlich aus Agrargüter, Rohstoffen und Produkten mit geringer Wertschöpfung.
5) Die anstatt in Unternehmensnetzwerken eher vertikal integrierten, isoliert agierenden argentinischen Unternehmen, deren Betriebsgrößen gemessen am Umsatz nur ungefähr ein Zehntel der international üblichen Niveaus betrugen, waren im globalen Vergleich zu klein, um massiv in F&E zu investieren.
6) Argentinien war ein überzogen interventionistischer, bürokratischer, zentralistisch organisierter, allgegenwärtiger, überforderter und leistungsschwacher Entwicklungsstaat, der tiefgreifender Verwaltungsreformen bedurfte.
7) Hohe Produktivitätszuwächse als Bedingung zum Aufbau von Wettbewerbsfähigkeit produzieren zugleich Beschäftigungsabbau, wodurch sich die sozialen Probleme verschärfen und es notwendig wäre, die Sozialpolitiken und die Umverteilung an den Ärmsten zu orientieren. Dies sei jedoch weniger ein ökonomisches, als vielmehr ein politisches Problem.
8) Ressourcen- und energieintensive Produktionsanlagen, Umweltprobleme durch Armut und der Exportzwang hervorgerufen durch die Verschuldungslasten, der zur Übernutzung von Ressourcen und niedrigen Umweltstandards führt, beherrschen das ökologische Bild Argentiniens.[3]

Das Konvertibilitätsgesetz 1991

Vor diesem Hintergrund wurde im März 1991 das Konvertibilitätsgesetz zur Stabilisierung der Hyperinflation verabschiedet[4]. Demzufolge wird der argentinische Peso fest im Verhältnis 1:1 an den US-Dollar gebunden, die Zentralbank verpflichtet sich, die monetäre Basis durch Devisenreserven und Goldbestände zu decken. Preisstabilität sollte gleichsam „importiert“ werden. „Die Finanzierung der öffentlichen Defizite durch die Notenpresse – für viele Beobachter die Hauptursache der vorangegangenen Hyperinflation“[5] – war nun nicht mehr möglich. “Darüber hinaus wurden alle Kapitalverkehrskontrollen abgeschafft und die Indexierung von Löhnen gesetzlich untersagt.

[...]


[1] Vgl. Morazán, Pedro, „Argentinien: Krise ohne Ende?“, http://www.attac.de/aktuell/020123_argattac.pdf, abgerufen am 19.04.03

[2] Vgl. Messner, Dirk, „Wirtschaft und Entwicklung in Argentinien in den neunziger Jahren: ein schwieriger Neuanfang“, in: Sevilla, Rafael/Zimmerling, Ruth (Hrsg.), „Argentinien: Land der Peripherie?“, Verlag Horlemann, Bad Honnef, 1997, Seite 207-210

[3] Vgl. Messner, Dirk, „Wirtschaft und Entwicklung in Argentinien in den neunziger Jahren: ein schwieriger Neuanfang“, in: Sevilla, Rafael/Zimmerling, Ruth (Hrsg.), „Argentinien: Land der Peripherie?“, Verlag Horlemann, Bad Honnef, 1997, Seite 210-214

[4] 1989 wurde der Peronist Carlos Menem zum Präsidenten gewählt. Sein neoliberaler Kurs wird oft als Ursache der Argentinien-Krise herangezogen. Martin Feldstein schreibt hierzu: „Although the Menem reforms are not responsible for Argentina`s current problems, they are a politically convenient scapegoat. Blaming them provides a nationale für renationalizing Argentine firms, erecting barriers to imports and foreign investment, and increasing government spending.“, Feldstein, Martin, „Lessons from Argentina“, http://www.nber.org/~confer/2002/argentina02/feldstein.pdf, abgerufen am 19.04.03

[5] Vgl. DIW-Wochenbericht 12/02, „Argentinien in der Krise“ http://www.diw.de/deutsch/publikationen/wochenberichte/docs/02-12-1.html, abgerufen am 21.04.03

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Argentinienkrise
Hochschule
Wirtschaftsuniversität Wien  (Wirtschaftsgeschichte)
Note
1,5
Autor
Jahr
2003
Seiten
15
Katalognummer
V16222
ISBN (eBook)
9783638211314
ISBN (Buch)
9783638771429
Dateigröße
1764 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Vollständige Zitierung innerhalb der Fußnoten, daher kein extra ausgewiesenes Literaturverzeichnis.
Schlagworte
Argentinienkrise, Wirtschaftskrise, Argentinien
Arbeit zitieren
Diana Klein (Autor:in), 2003, Die Argentinienkrise, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16222

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