Die Hausarbeit untersucht die Raumdarstellungen in Friedrich Müllers („Maler Müller“, 1749–1825) Pfälzer Idyllen "Die Schaaf-Schur" (1775) und "Das Nuß-Kernen" (1775). Ausgangspunkt ist die Abgrenzung zu den idyllischen Landschaftsdichtungen Salomon Gessners, die zwar ästhetisch wirkungsvoll, aber gesellschaftlich entrückt waren. Müller hingegen bricht mit der Tradition der bukolischen und anakreontischen Schäferpoesie, indem er die Idylle in das reale bäuerliche Leben der Pfalz versetzt.
Im Theorieteil werden Konzepte des spatial turn, die Raumtypologien nach Caroline Frank und Franziska Hammer sowie Pierre Bourdieus Theorie des sozialen Raums erläutert. Dadurch wird deutlich, dass Räume nicht nur topographisch, sondern auch sozial konstruiert sind.
Die Analyse zeigt, dass Müller geographisch-topographische Räume realistisch verortet (z. B. in der fiktiven Ortschaft Lämmerbach, umgeben von tatsächlich existierenden Orten der Pfalz). Besonders wichtig ist jedoch der architektonische Raum der Stube des Schulzen, der sowohl öffentlicher als auch intimer Kommunikationsraum ist. Hier entfalten sich Gespräche über Liebe, Moral, Gerechtigkeit und soziale Missstände.
Im sozialen Raum werden die Figuren als Teil des bäuerlichen Kleinbürgertums dargestellt, wobei Unterschiede im kulturellen und sozialen Kapital hervortreten (z. B. zwischen dem gebildeten Schulmeister und den Bauern). Die Idyllen thematisieren neben alltäglichem Dorfleben auch gesellschaftskritische Fragen wie Kindsmord, Standeskonflikte und feudale Abhängigkeiten. Damit greift Müller zentrale Motive des Sturm und Drang auf, den Konflikt zwischen Natur und Gesellschaft sowie individuellem Gefühl und ständischer Moral.
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- Anonym (Autor:in), 2023, Von der ländlichen Idylle zur bürgerlichen Unnatur. Analyse und Darstellung der Räume in Maler Müllers Idyllen "Die Schaaf-Schur" (1775) und "Das Nuß-Kernen" (1775), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1622551