Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Medientheoretischer Rahmen
2.1 Medienbegriff
2.2 Medienkompetenz
3 Lerntheoretischer Rahmen
3.1 Konnektivismus - Abgrenzung zu bisherigen Ansätzen
3.2 Grundprinzipen des Konnektivismus
4 Web 2.0
4.1 Was ist Web 2.0?
4.2 Veränderung durch Web 2.0
5 E-Learning 2.0
5.1 Begriffserklärung
5.2 Einsatz von Web 2.0-Anwendungen im Lernprozess
5.2.1 Online Communicating
5.2.2 Social Networking
5.2.3 Social Collaborating
5.2.4 Social Publishing
5.2.5 Hybrids
6 Verändertes Lernen durch Web 2.0
6.1 Personal Learning Environment (PLE)
6.3 Gestaltung eines eigenen PLE
6.3.1 Inhaltliche Kriterien
6.3.2 Umsetzung
6.4 Medienkompetenz 2.0?
7 Fazit
8 Literatur
1 Einleitung
Mit Nutzerzahlen von weltweit mehreren hundert Millionen täglich hat das Web 2.0 das Internet endgültig zum „Medium der Massen“ werden lassen. Und es beginnt, die Welt außerhalb des Netzes nachhaltig zu beeinflussen, ja zu verändern. Die technologischen Entwicklungen haben zu einem gesellschaftlichen Wandel geführt und das allgemeine Lernverhalten verändert. In heutiger Zeit rückt das Lernen ins Zentrum des menschlichen Lebens und beschränkt sich nicht mehr auf wenige Jahre in der Schule oder Ausbildung, sondern wird zu einem lebenslangen Prozess.
Ein Teil dieses Wandels lässt sich mit Hilfe des Buzzwortes „Web 2.0“ erklären. Die damit verbundenen Veränderungen der Internet-Nutzungsgewohnheiten und die Anwendung dieser auf den Bildungsbereich machten E-Learning zu E-Learning 2.0. Intention dieser Arbeit ist es diese Entwicklung, wie Web 2.0 das Lernen in der heutigen Gesellschaft verändert hat, anhand dem Beispiel des Personal Learning Environment darzustellen und zu erläutern. Die ersten zwei Kapitel dieser wissenschaftlichen Arbeit setzen sich mit den theoretischen Rahmenbedingungen auseinander. Zuerst erfolgt ein kurzer Überblick über den medientheoretischen Rahmen, indem auf den Medienbegriff an sich und das Modell der Medienkompetenz eingegangen wird. Im zweiten Teil werden die unterschiedlichen lerntheoretischen Ansätze verglichen und untereinander abgegrenzt. Der Fokus liegt hierbei auf dem Konnektivismus, der neuste Ansatz, der für das „Lernen im digitalen Zeitalter“ steht. Im Anschluss wird das Phänomen Web 2.0 näher betrachtet um davon ausgehend die verschiedenen Änderung der Internet- Nutzungsweisen und Gewohnheiten exemplarisch zu erklären. Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Thematik E-Learning 2.0 und zählt nach einer kurzen Begriffserklärung die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten von E-Learning
2.0 im Lernalltag. Dabei werden die Anwendung in fünf Kategorien eingeteilt: Online Communicating, Social Networking, Social Collaborating, Social Publishing und Hybrids. Der Hauptteil beschäftigt sich mit den Veränderungen des Lernverhaltens durch Web 2.0. Hier wird vor allem das Konzept des Personal Learning Environment betrachtet. Ein Schwerpunkt liegt auf der Analyse der inhaltlichen Merkmale, die dieses persönlich konfigurierbare Lernumgebung ausmachen. Im nächsten Schritt wird versucht die Theorie praktisch umzusetzen, um zu zeigen, wie eine denkbare virtuelle Lernumgebung aussehen könnte. Zuletzt soll in einer abschließenden Diskussion kurz die Möglichkeit geprüft werden, ob die beschriebenen Veränderungen nach einer Medienkompetenz 2.0 verlangen. Am Ende werde ich die erarbeiteten Aspekte in einem Fazit zusammenfassen und bewerten.
2 Medientheoretischer Rahmen
Medien sind in der heutigen Zeit omnipräsent und greifen in nahezu alle Lebensbereiche ein. Medien bestimmen gleichermaßen Freizeit, Ausbildung und Beruf und sind sowohl wirtschaftlich, politisch als auch kulturell bedeutsam. Sie dienen nicht nur der Information und Kommunikation, sondern gelten neben Familie, Schule und der sogenannten Peergroup1, als vierte Sozialisationsinstanz.2 Unsere Erfahrungen im Alltag werden durch Sprache, Bücher, Funk, Fernsehen und vermehrt durch das Internet geprägt und beeinflusst. Aber Medien sind nicht mehr nur Mittel, sondern zunehmend auch Gegenstand der Bildung, denn parallel zur steigenden Mediatisierung des Alltags nimmt auch die Notwendigkeit zu, mit Medien und Medieninhalten kompetent umgehen zu können. Auf diese Medienkompetenz soll nach einem kurzen Auszug über den Medienbegriff im nächsten Abschnitt genauer eingegangen werden.
2.1 Medienbegriff
In der heutigen Zeit wird der Begriff Medien vor allem als Synonym für elektronische Massenmedien und Printerzeugnisse, wie Fernsehen, Radio oder Zeitung verwendet. In der Medientheorie jedoch werden Medien grundsätzlich als Träger von Botschaften bzw. Informationen verstanden. Dabei lassen sich Medien in vier Vermittlungsinstanzen unterscheiden: Primärmedien lassen sich ohne technischen Einsatz vermitteln ( z.B. Sprache, Theater), Sekundärmedien sind schriftliche oder symbolische Erzeugnisse mit technischen Einsatz auf der Produktionsseite ( z.B. Zeitung, Buch), Tertiärmedien sind Sender- und Empfängergeräte, die sowohl auf Produktions- und Rezeptionsseite technischen Einsatz benötigen ( z.B. Telefon, Fernsehen), und Quartärmedien, die jüngsten Vertreter, womit digitale bzw. Online-Medien gemeint sind, welche die klassische Sender- Empfänger- Beziehung auflösen ( z.B. Website, Blog).3 Des Weiteren wird in der Medienwissenschaft zwischen Medien erster und zweiter Ordnung unterschieden. Medien erster Ordnung sind „Kommunikationskanäle, die bestimmte Zeichensysteme transportieren bzw. vermitteln“4, womit kommunikative Übertragungstechniken gemeint sind. Medien zweiter Ordnung sind komplexe soziale Systeme und Organisationen, die eine bedeutungsvolle Funktion für die Gesellschaft erbringen. Die genannten Unterscheidungen zeigen die Komplexität des Medienbegriffs und lassen viel Spielraum für verschiedene Definitionsansätze. Dies ist einer der Gründe, weshalb es keine allgemeingültige Definition für Medien gibt. Im medienpädagogischen Bereich dagegen wird häufig ein breites Verständnis von Medien vertreten. Hier umfasst der Medienbegriff, Medien als Geräte und Techniken von Kommunikation, sowie als System von Zeichen und Symbolen.5
2.2 Medienkompetenz
Medienkompetenz ist eines jener Schlagwörter die uns im Alltag begleiten. Die Kompetenz mit Medien gewissenhaft umzugehen, zählt in der heutigen Gesellschaft nicht nur zu den wichtigsten Schlüsselkompetenzen, sondern gehört zu der modernen Allgemeinbildung.6 Ähnlich wie beim Medienbegriff, gibt es auch für Medienkompetenz eine Vielzahl von unterschiedlichen Definitionsansätzen. In dieser Arbeit soll das Bielefelder Kompetenzmodell von Baacke als Erklärungsgrundlage dienen. Baacke beginnt damit, dass er Medienkompetenzen als die moderne Erweiterung der kommunikativen Kompetenzen bezeichnet.7 Dabei bezieht er sich auf die Begriffsbestimmung von Jürgen Habermas. Demnach sind diese kommunikativen Kompetenzen die Fähigkeiten des Menschen, sich über Äußerungen gegenüber anderen Menschen verständlich auszudrücken und im Gegenzug den Sinn von Äußerungen entsprechend zu verstehen. Mit Hilfe dieser Fähigkeit wird die Teilnahme am gesellschaftlichen Kommunikationsprozess überhaupt erst ermöglicht.8 Somit begreift Baacke die eigene Medienkompetenz als ein Teil der kommunikativen Kompetenz. In seinem Medienkompetenzmodell nennt er drei Ausgangspunkte:9
1. Medienkompetenz umfasst alle Medien.
2. Medienkompetenz ist ein Lern- und Erfahrungsgegenstand, der durch den täglichen Umgang des Individuums mit Medien erworben wird.
3. Medienkompetenz ist eine Aufgabe lebenslangen Lernens.
Im nächsten Schritt wird Medienkompetenz in vier Dimensionen segmentiert: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung. Die Medienkritik beinhaltet analytische, reflexive und ethische Aspekte. Die analytische Medienkritik meint die Fähigkeit, mit Hilfe eines bestimmten Hintergrundwissens, Medien und deren Entwicklung angemessen zu erfassen und ihnen kritisch zu begegnen. Reflexive Medienkritik bedeutet, dass dieses analytische Wissen auch auf sich selbst bezogen und angewendet werden können muss. Der ethische Aspekt ermöglicht sozialverantwortliches Handeln sowohl beim analytischen
Denken als auch beim reflexiven Rückbezug. Medienkunde umfasst einmal die informative Dimension, welche die klassischen Wissensbestände einschließt und zum anderen die instrumentell-qualifikatorische Dimension. Damit ist die Fähigkeit gemeint, Medien entsprechend bedienen zu können. Die Mediennutzung kann rezeptiv-anwendend oder interaktiv erfolgen. Die erste Variante bezeichnet die einfach Rezeption der Medien und deren Verarbeitung. Bei der interaktiven Mediennutzung ist der Nutzer selbst tätig. Die letzte Dimension, die Mediengestaltung, meint einmal die kreative Eigengestaltung von Medien oder aber die innovative Weiterentwicklung von Mediensystemen.10
Baackes Konzept von Medienkompetenz ist zur Grundlage von vielen weiteren Überlegungen geworden. Abschließend lässt sich feststellen, dass Baacke eine hohe Anforderung an einen medienkompetenten Nutzer stellt, da die Medienkritik, sowie auch die informative Dimension der Medienkunde einen ausgeprägten Medienkompetenzcharakter betonen.
3 Lerntheoretischer Rahmen
Es ist deutlich zu erkennen, dass in allen Bereichen des Lernens, angefangen mit der Schule, über Hochschule bis zur betrieblichen Weiterbildung sowie der Erwachsenbildung, das Erlernen von Medienkompetenzen einen zentralen Stellenwert einnimmt. Der Umgang mit Neuen Medien und webbasierten Anwendungen ist auch im lerntheoretischen Rahmen nicht mehr wegzudenken. Deshalb erfordern Lernkonzepte wie E-Learning 2.0 ganz neuartige didaktische und lerntheoretische Ansätze, damit Lernen in einer neuen Umgebung überhaupt sinnvoll erscheint. Im Gegensatz zu älteren, behavioristischen Theorien, die auf dem stimulus- response-Modell aufbauen, setzen solche auf Interaktivität und Kommunikation beim Lernen. Der Konnektivismus ist eine solche Theorie und befasst sich mit dem „Lernen im digitalen Zeitalter“. Nach einer kurzen Abgrenzung zu bisherigen Modellen soll im zweiten Abschnitt genauer auf die Prinzipien des Konnektivismus eingegangen werden.
3.1 Konnektivismus - Abgrenzung zu bisherigen Ansätzen
Bevor das digitale Zeitalter zunehmend an Bedeutung gewann, galten der Behaviorismus, der Kognitivismus sowie der Konstruktivismus als lerntheoretische Grundmodelle. Dabei wurde Lernen als ein abgegrenztes Ereignis wahrgenommen, welches das Ziel hatte einen bestimmten Grad an Wissen zu erlangen. Der von George Siemens 2004 entwickelte Konnektivismus geht weiter und berücksichtigt die zunehmende Tendenz des Lernens hin zu
informellem, vernetztem und elektronisch gestütztem Lernen. Dabei wird Lernen als ein Prozess verstanden und Wissen als ein sich ständig veränderbares Gut.11 In der nachfolgenden Tabelle wird ein kurzer Überblick über die Abgrenzung des Konnektivismus zu den vorangegangenen Theorien gegeben:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Positionierung von Lerntheorien12
Im Behaviorismus wird der Verstand als eine „Blackbox“ verstanden, die keinen Einblick in die Gedankenwelt des Lernenden zulässt. Gelernt wird durch das Beobachten des Gegenübers, der mit seinem Verhalten Rückschlüsse auf seine Gedanken bzw. Wissen erlaubt. Der Kognitivismus vergleicht den Verstand mit einem Computer. Gelerntes (Input) wird aufgenommen und über das Kurzzeitgedächtnis im Langzeitgedächtnis gespeichert. Mit dem Ziel am Ende aus diesen verarbeiteten Gedanken, Wissen (Output) zu generieren. Nach konstruktivistischen Vorstellungen erfolgt die Konstruktion von Realität durch den Verstand. Dabei dienen die Ideen und Ressourcen des Alltags, als wichtige Quelle für die Konstruktion der eigenen Realität.13
Doch in der heutigen Gesellschaft wird mehr verlangt. Neue Technologien und schnelle Wissensentwicklungen erwarten neue Ansätze. Im Konnektivismus liegt der Fokus auf den Verknüpfungen. Es wird nicht beobachtet, generiert oder konstruiert, sondern vielmehr verbunden. Es entsteht eine eigenständige Lernökonomie, die aus einem Netzwerk besteht und sich stetig an ihre Umgebung anpassen kann.
3.2 Grundprinzipen des Konnektivismus
Das Kernprinzip des Konnektivismus basiert auf der Bildung von Verknüpfungen, sogenannten Konnektionen. Sie sind Voraussetzung dafür, dass Netzwerke gebildet und erweitert werden können. Neben diesem Kernprinzip gibt es eine Handvoll von Grundsätzen, die das Wesen des Konnektivismus beschreiben.14
Konnektivismus beschreibt Lernen als einen Netzwerkbildungsprozess, welcher durch den Lernenden selber bestimmt und nicht von einem Lehrer vorgebeben wird, dabei erfolgt das Lernen über verschiedene Lernkanäle. Der Lernprozess ist nicht länger nur auf „klassische“ Lehrveranstaltungen beschränkt, sondern wird durch Blogs, Surfen, „Social Networking“ und Kommunikation mit anderen Usern erweitert. Aber es geht nicht nur darum Wissen zu konsumieren. Übergeordnetes Ziel ist es, dass persönliche Wissen in das Netzwerk zu integrieren. Auf diese Weise wird ein großer Wissensbestand gewonnen und im Web gesammelt (Stichwort: Kollektive Intelligenz15 ), der für Andere als Lernquelle dienen kann und soll.
Siemens betont immer wieder, dass Lernen als ein Prozess zu verstehen ist, der nicht nur die Beschaffung von Information erleichtert bzw. beschleunigt, sondern zusätzlich die Fähigkeit schult, Verbindungen zwischen verschiedenen Wissensthemen und Konzepten zu erkennen und in das eigenen Lernen zu integrieren. Das Treffen der Entscheidung, welche Information für das Lernen relevant ist und welche nicht, ist ein weiterer Lerneffekt, der durch eine Änderung in der Informationsaufnahme verändert und nachhaltig beeinflusst wird. Immer wichtiger wird auch der Fundort des Wissens, da es aufgrund des Massenangebots zunehmend schwieriger wird Informationen mit hoher Qualität von niedriger zu unterscheiden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Lernende seine eigene Lernökonomie kreiert, die nach außen als eine dynamische, dezentralisierte und oftmals unorganisierte Umgebung bezeichnet werden kann und gezielt systematische Strukturen aufbricht.16 Gleichzeitig passt sich das Modell dem veränderten Lernen der Gesellschaft an, indem es auf Kommunikation, Kooperation und Konnektion aufbaut.
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1 Gruppe von Gleichaltrigen bzw. Gleichgestellten
2 vgl. Vollbrecht (2003): S. 13
3 vgl. Faulstich (2004): S. 13
4 Burkart (2002): S. 42
5 vgl. Baacke (1998)
6 vgl. Spanhel (2002): S. 52
7 vgl. Baacke (1999): S. 19
8 vgl. Sutter (2010): S. 45 und Vorlesungsmaterial „Grundkurs Medien“
9 vgl. Baacke (1998)
10 vgl. Baacke (1998)
11 vgl. Siemens (A2006) und Siemens (B2006): Folie 2
12 vgl. Siemens (C2006): Folie 14 und Mankel (2008): S. 18
13 vgl. Bernhardt/ Kirchner (2007): S. 41
14 nachzulesen in Siemens (A2006)
15 Weisheit der Vielen
16 vgl. Siemens (B2006): Folie 10-12