Schon öfter wurde darüber spekuliert oder debattiert, ob man Marie von Ebner-Eschenbach nicht als Vertreterin der Frauenliteratur zählen kann. Doch wurde dies immer wieder abgestritten. Ricarda Huch begründet das mit der Aussage: „Die Musen gehören zu den himmlischen Gestalten, die Mann und Weib nicht kennen; der einzige Maßstab für einen Künstler ist die Kunst.“1
Marie von Ebner-Eschenbach kategorisierte die Kunst nicht in Mann und Frau ein, darum zählte sie ihre Werke auch nie zur Frauenliteratur. Trotz alldem steht meistens eine Frau im Mittelpunkt des Geschehens. Egal aus welcher Schicht, ob aus einer Adelsfamilie, aus einer bürgerlichen oder einer Arbeiterschicht. Marie von Ebner-Eschenbach macht keine Unterschiede, zu mindestens keine moralischen.
Das kommt daher, dass für Ebner-Eschenbach der moralische Aufstieg viel bedeutender als der materielle Aufstieg ist. Anders ausgedrückt, materieller Aufstieg führt sehr oft zu einem moralischen Abstieg. Auf diesen Aspekt weist Ebner-Eschenbach sehr deutlich in „Die Unverstandene auf dem Dorfe“ hin. Die Erzählung, um die es in dieser Arbeit geht, gewährt uns einen Einblick in die Gesellschaft der Bauern- und Arbeiterschicht, zu einer Zeit, die man als höchst zerrissen und noch tief in Konventionen verhaftet sehen kann. Es wird auf die altmodische Denkweise und auf das daraus entstehende Verhalten jedes einzelnen Menschen, aber ganz besonders auf das der Marie Lakomy, hingewiesen. Ebner-Eschenbach hat einmal gesagt, dass sie die Erzählungen an die Personen anpassen würde und daher stehen nur außergewöhnliche Menschen im Mittelpunkt ihrer Werke. Marie kann man als eine dieser vielen außergewöhnlichen Persönlichkeiten und Charaktere dieser Erzählung sehen. Es ist ein aufbäumen gegen die Zeit, die Ansichten und Verhaltensweisen der Menschen, die ohne zu hinterfragen das Leben so hinnehmen, wie es ihnen vorgeschrieben oder vorgelebt wird. Neid und Stolz sind große Komponenten, die immer wieder auftreten und das Leben erschweren, einem meistens innerlich zerreißen. Doch ist es v.a. der Stolz, der es ermöglicht, das Leben zu ertragen. Man wird an die Entwicklung - der moralische Aufstieg - der Protagonisten herangeführt, der sich oft schwerer als erwartet herausstellt.
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1 Ebner-Eschenbach, Marie von: Frauenbilder: sechs Erzählungen / Marie von Ebner-Eschenbach. Hrsg. von Fritz Böttger . - 1. Aufl. . - Wien : Globus-Verl. , 1982 . S. 6
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Zur Autorin Marie von Ebner- Eschenbach
- Die Probleme und Zerrissenheit während ihrer Schaffenszeit
- Die Unverstandene auf dem Dorfe
- Grundstruktur der Erzählung
- Bedeutung der Moral bei Ebner- Eschenbach
- Inhaltliche Aspekte, Stolz als Überlebensform, Kastendenken, Interpretation
- Der religiöse Aspekt
- Vergleich: Die Unverstandene auf dem Dorfe und Romeo und Julia auf dem Dorfe
- Die Novelle
- Die Unverstandene auf dem Dorfe- eine Novelle?
- Hervorstechende Aspekte in „Die Unverstandene auf dem Dorfe“
- Vergleich Marie Lakomy mit anderen Figuren aus Werken Ebner- Eschenbachs
- Nachwort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert Marie von Ebner-Eschenbachs Erzählung "Die Unverstandene auf dem Dorfe" und beleuchtet die Lebensumstände und die gesellschaftlichen Verhältnisse im 19. Jahrhundert, die die Protagonistin Marie Lakomy prägen. Die Analyse fokussiert auf die gesellschaftliche Einengung und die Herausforderungen, die Frauen in dieser Zeit zu bewältigen hatten.
- Die Darstellung von sozialer Ungleichheit und deren Einfluss auf das Individuum
- Die Rolle des Stolzes als Überlebensstrategie und dessen Auswirkungen auf Mariens Leben
- Die Kritik an gesellschaftlichen Normen und Konventionen, die Frauen einschränken
- Die Bedeutung des moralischen Aufstiegs als Gegenentwurf zum materiellen Erfolg
- Die Rolle der Religion und der Kirche in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts
Zusammenfassung der Kapitel
Das Vorwort gibt einen kurzen Überblick über den Inhalt des Textes und stellt die Bedeutung von "Die Unverstandene auf dem Dorfe" für das Verständnis von Ebner-Eschenbachs Werk in den Vordergrund. In Kapitel 2 wird die Autorin Marie von Ebner-Eschenbach vorgestellt, ihr Leben und ihre literarische Entwicklung dargestellt. Kapitel 3 beleuchtet den historischen und gesellschaftlichen Kontext von Ebner-Eschenbachs Schaffen und den Einfluss der Zeit auf ihre Werke. Das Kapitel "Die Unverstandene auf dem Dorfe" ist in vier Unterkapitel gegliedert: In 4.1 wird die Grundstruktur der Erzählung beschrieben, 4.2 behandelt den Aspekt der Moral in Ebner-Eschenbachs Werk, 4.3 geht auf die inhaltlichen Aspekte der Erzählung, den Stolz als Überlebensstrategie und das Kastensystem ein, und 4.4 befasst sich mit dem religiösen Aspekt in "Die Unverstandene auf dem Dorfe". In Kapitel 5 wird ein Vergleich zwischen "Die Unverstandene auf dem Dorfe" und Gottfried Kellers "Romeo und Julia auf dem Dorfe" gezogen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Novellen zu verdeutlichen. In Kapitel 6 wird die literarische Gattung der Novelle vorgestellt und die Frage gestellt, ob "Die Unverstandene auf dem Dorfe" als Novelle kategorisiert werden kann. Kapitel 7 widmet sich den hervorstechenden Aspekten von "Die Unverstandene auf dem Dorfe", wie z.B. der Mutter-Tochter-Beziehung, der Frage, ob Marie als emanzipierte Frau dargestellt werden kann, und autobiografischen Bezügen. Im Kapitel 8 wird Marie Lakomy mit Figuren aus anderen Werken von Ebner-Eschenbach verglichen, um ihre Besonderheiten hervorzuheben. Abschließend fasst das Nachwort die wichtigsten Erkenntnisse des Textes zusammen und unterstreicht Ebner-Eschenbachs fortschrittliche Denkweise und ihre Kritik an gesellschaftlichen Normen.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter des Textes sind Marie von Ebner-Eschenbach, "Die Unverstandene auf dem Dorfe", gesellschaftliche Normen, soziale Ungleichheit, Stolz, Moral, Emanzipation, Frauenliteratur, 19. Jahrhundert, Österreich, Kastendenken, Religion, Novelle.
- Arbeit zitieren
- Valentina Kasmader (Autor:in), 2009, Ebner-Eschenbach - Ihr Leben und ihre Werke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162493