Austins Sprechakttheorie als Weiterentwicklung zu Wittgensteins Sprachspieltheorie


Hausarbeit, 2008

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1. Wittgensteins Position
2.1.1. Einleitung in die Philosophie Wittgensteins
2.1.2. Wittgensteins Sprachspieltheorie
2.1.3. Das Sprachspiel als Lebensform und der Begriff der Familienähnlichkeiten
2.2. Austins Position
2.2.1. Einleitung in Austins Grundposition von Sprache
2.2.2. konstative und performative Äußerungen
2.2.3. lokutionärer, illokutionärer, perlokutionärer Akt
2.3.1. Ein Vergleich der Theorien Wittgensteins und Austins
2.3.2. Austins Sprechakte auf die Sprachspieltheorie angewendet
2.3.3. Stellt die Sprechakttheorie eine Weiterentwicklung der Sprachspieltheorie dar?

3. Schluss

4. Literaturverzeichnis
4.1. Primärliteratur
4.2. Sekundärliteratur
4.3. Nachschlagewerke

1. Einleitung

Diese Arbeit behandelt die Frage, ob Austins Sprechakttheorie eine Weiterentwicklung zu Wittgensteins Sprachspieltheorie darstellt.[1] Zunächst wird allgemein Wittgensteins Sprachspieltheorie erörtert, die mit einigen Verweisen auf seine frühere Theorie der Sprache angereichert ist, welche den Sinn von Äußerungen auf den deskriptiven Teil beschränkt ließ. Danach wird insbesondere das Sprachspiel als Lebensform beleuchtet. Es wird ersichtlich, dass Wittgenstein[2] die Sprache als lebendig erachtet, weshalb eine gründliche Analyse der Bedeutung nach ihm unmöglich ist. Des Weiteren wird der Begriff der Familienähnlichkeiten geklärt, welcher eng mit der Unschärfe von Sprache verwoben ist. Im zweiten Teil wird Austins Position dargelegt. Während Kapitel 2.2.1. eine kurze Einleitung darstellt, widmet sich das nächste Kapitel Austins Erarbeitung der konstativen wie performativen Äußerungen. Da er diese Aufteilung jedoch für problematisch hält, entwickelt er die Sprechakttheorie, in der er die Sprache in lokutionäre, illokutionäre und perlokutionäre Akte[3] aufteilt. Eine Erklärung dieser Akte wird in Kapitel 2.2.4. erörtert. Im dritten Teil werden beide Positionen miteinander verglichen. So wird zunächst angeführt, dass beide Wissenschaftler ein anderes Ziel mit ihren Theorien verfolgen. Während Wittgenstein den autonomen und unzerlegbaren Charakter der Sprache betont, versucht Austin durch Sprachanalysen eine Ordnung in die Bedeutung der Sprache heranzutragen. Dennoch lassen sich bereits bei Wittgenstein Anzeichen für alle drei Sprachakte in der Sprachspieltheorie finden. Dies wird in Kapitel 2.3.2. belegt, indem zu jedem Sprachakt ein passendes Zitat von Wittgenstein angeführt wird. Im letzten Kapitel wird schließlich die Hauptfrage beantwortet, ob die Sprechakttheorie die Sprachspieltheorie weiterentwickelt.

2. Hauptteil

2.1. Wittgensteins Position

2.1.1. Einleitung in die Philosophie Wittgensteins

In der Philosophie Wittgensteins geht es um die Beziehung von Sprache zur Welt. Dabei vertritt er in seinem ersten Werk Tractatus logico-philosophicus (1921) eine besonders exakte Sprachauffassung, die man später den ‚ logischen Atomismus‘ getauft hat. Dabei lässt Wittgenstein nur diejenigen Sätze als sinnvoll gelten, die eine Tatsache oder einen Sachverhalt in der Welt beschreiben. „Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“[4] Mit seinen folgenden Werken jedoch wendet er sich immer weiter von seiner zuvor idealisierten Sprachauffassung und der wirklichkeitsabbildeten Funktion der Sprache ab, so dass er E nde der 60er Jahre mit dem posthum veröffentlichten Werk Philosophischen Untersuchungen (1953) die pragmatische Wende in der Sprachphilosophie einleitet und den Fokus auf die Alltagssprache verlegt. Sein letztes Werk Über Gewißheit (1969) komplettiert daraufhin seine neue Sprachauffassung. Diese besagt, dass die Bedeutung eines Wortes nicht (wie im Tractatus angenommen) seinem Gegenstand entspricht, sondern seiner vielfältigen und oft undurchschaubaren Verwendung. Um daher die Bedeutung eines Wortes zu bestimmen, bedarf es einer Analyse von alltäglichen Situationen, in denen jene Ausdrücke gebraucht werden. Das heißt letztlich, dass der Sinn eines Wortes durch linguistische, soziale und kulturelle Bedingungen bestimmt wird.

2.1.2. Wittgensteins Sprachspieltheorie

Wittgenstein beschreibt die natürliche Sprache mittels einer Theorie - der ‚Sprachspiele‘. Diese Theorie besagt, dass Sprechen nur als Teil einer Tätigkeit oder einer Lebensform im sozialen Umfeld aufgefasst werden kann. Fragen nach Bedeutungen von Worten sind nur unter Einbeziehung eines konventionellen Regelsystems sinnvoll, welches nicht auf streng logischen und einheitlichen Prinzipien gründet.

„Einer Regel folgen, eine Mitteilung machen, einen Befehl geben, eine Schachpartie spielen, sind Gepflogenheiten (Gebräuche, Institutionen). Einen Satz verstehen, heißt, eine Sprache verstehen. Eine Sprache verstehen, heißt, eine Technik beherrschen.“[5]

Damit legt Wittgenstein die Basis für eine neue Dimension der Sprache, die Pragmatik im Allgemeinen und die Sprechakttheorie im Speziellen. Daher wird er als „Vater der Pragmatik“[6] angeführt, indem er indirekt Ferdinand de Saussures Strukturalismus als unzureichend erklärt, weil dieser die Bedeutung von Zeichen auf der Ebene der Semantik erschöpft sieht. Für Wittgenstein ist jede sprachliche Äußerung in einer menschlichen Praxis eingebettet und ist daher von den mit ihr verbundenen praktischen Tätigkeiten nicht zu trennen. Einen Schritt weiter geht er mit der Hypothese, dass Sprechen selbst eine Form des Handelns darstellt. „Worte sind auch Taten.“[7] Eine Präzisierung dieses Gedankens nimmt Wilhelm Beermann vor: „Sprachspiele sind komplizierte Gebilde von Sprechen einbettenden Tätigkeiten (Lebens – bzw. Handlungszusammenhängen), auf die wir Bezug nehmen, wenn wir erklären wollen, wie die Zeichen verwendet werden.“[8] Um den Begriff des Sprachspieles näher zu beleuchten, greift Wittgenstein das Beispiel des Schachspiels auf: „Wir reden von [der Sprache] so, wie von den Figuren des Schachspiels, indem wir Spielregeln für sie angeben, nicht ihre physikalischen Eigenschaften beschreiben.“[9] Sprachspiele sind demnach Spiele, die durch den Gebrauch der Worte gekennzeichnet sind. Lediglich unter Berücksichtigung der Pragmatik und Soziolinguistik[10] kann ein Satz analysiert werden, weil dieser normalerweise einen Zug im Sprachspiel darstellt.[11]

Weiter merkt Wittgenstein an, dass keine universelle Relation von Begriffen zu Objekten existiert. Die Bedeutung, also der „Inhalt, der etwas bezeichnet, benennt, einen Sinn hat“[12], hängt stets vom Kontext ab und kann sich nur in einem Sprachspiel manifestieren. Ob ein Satz wahr oder falsch ist oder ob er überhaupt in diesen Kategorien zu beurteilen ist, hängt vom verwendeten Sprachspiel ab. Um den Sinn eines sprachlichen Ausdrucks festzustellen, muss dieser zuerst als ein Zug im Sprachspiel identifiziert werden. Diese Identifizierung erfolgt über ein Merkmal, welches jeder Zug aufweist, den Witz. Der Zug „muß […] in diesem Sprachspiel einen Witz haben.“[13] Der ‚Witz‘ fungiert bei Wittgenstein als der Zweck oder Nutzen des Spielzuges. Er kann aber auch die bloße Freude zum Ausdruck bringen, das Spiel zu spielen. „Es soll hier also eine mehr oder weniger spezifische Erklärung gegeben werden“[14], warum man einen bestimmten Zug vornimmt. Diese Unschärfe resultiert nicht aus einer mangelnden Analyse des Zuges, sondern ergibt sich aus der Tatsache, dass das gesamte Sprachspiel ‚lebendig‘ ist und daher an vielen Stellen undurchschaubar und ungenau ist. Jeder Zug enthält stets seinen eigenen illokutiven Charakter, über welchen er sich kategorisieren lässt. Die Sprache im Moment des Sprechens bzw. als Realisation der Sprache verändert durch ihre Illokution die Welt.[15]

2.1.3. Das Sprachspiel als Lebensform und der Begriff der Familienähnlichkeiten

Mit dem Begriff des Sprachspiels verliert ebenfalls die Kategorisierung von Sätzen in Behauptung, Frage, Befehl, usw. ihren Sinn, weil es

unzählige solcher Arten [gibt]: unzählige verschiedene Arten der Verwendung alles dessen, was wir ‚Zeichen‘, ‚Worte‘, ‚Sätze‘ nennen. Und diese Mannigfaltigkeit ist nichts Festes, ein für allemal Gegebenes; sondern neue Typen der Sprache, neue Sprachspiele, wie wir sagen können entstehen und andre veralten und werden vergessen. […] Das Wort ‚Sprach spiel‘ soll hier hervorheben, daß das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform.“[16]

Wittgenstein assoziiert die Sprache mit einer Lebensform, um ihren „Unzerlegbaren, Spezifischen [und] Undefinierbaren“[17] Charakter zu unterstreichen. „ Jedes Zeichen scheint allein tot. Was gibt ihm Leben?Im Gebrauch lebt es.“[18] Die Bedeutung, die sich durch den auf Konventionen basierenden Gebrauch manifestiert, verleiht einer bestimmten Lautkette bzw. gewissen Strichen auf dem Papier Leben. Unter ‚Lebensform‘ versteht Wittgenstein die Gesamtheit der Praktiken oder Handlungsweisen, die von einer Gemeinschaft ausgeübt werden.[19] Die unzähligen Verwendungsweisen ein und desselben Ausdrucks generieren eine Vielzahl von unterschiedlichen Wortbedeutungen, so dass Wittgenstein diese Variabilität von Sprache mithilfe des Begriffs ‚Familienähnlichkeiten‘ ausdrückt. „Anstelle eines Wesensbegriffs, der definitorisch starr festlegt, was Sprache in all ihren Erscheinungsformen und Funktionen charakterisieren soll, operiert der Begriff der Familienähnlichkeit nur mit Verwandtschaftsverhältnissen.“[20] Denn Sprachspiele sind grundsätzlich offene Systeme, die sich nicht klar definieren lassen.

[...]


[1] Aufgrund des Ausmaßes wird eine Gegenüberstellung der Sprechaktregeln und den konventionalen Regeln der Sprachspieltheorie ausgelassen.

[2] Alle Erwähnungen Wittgensteins beziehen sich im Folgenden auf den späten Wittgenstein, sofern nichts anderes vermerkt ist.

[3] Austin gebraucht die Ausdrücke, die im Folgenden mit einem Bindestrich verbunden sind, synonym: lokutiv - lokutionär, illokutiv - illokutionär, perlokutiv - perlokutionär

[4] Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus, hrsg. von Wilhelm Vossenkuhl, Berlin 2001, §7

[5] Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen, in: Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen, Bd. 1, Frankfurt a.M. 2000, § 199

[6] Greiner, Norbert: Übersetzung und Literaturwissenschaft, in: Grundlagen der Übersetzungsforschung, Tübingen 2004, S.124

[7] Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen, §546

[8] Beermann, Wilhelm: Die Radikalisierung der Sprachspiel-Philosophie. Wittgensteins These in 'Über Gewissheit' und ihre aktuelle Bedeutung, S.58

[9] Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen, §108

[10] Die Soziolinguistik ist eine der Pragmatik entlehnte linguistische Disziplin, die Sprache als soziales Phänomen untersucht.

[11] Ausnahmen bilden sie sog. ‚Mooreschen Sätze‘, die nach dem Philosophen George Edward Moore bekannt geworden sind, wie z.B.: „Ich weiß, daß hier eine Hand ist.“ (Zitiert nach G.E. Moore von Wittgenstein u.a. in: Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen, §142). Aufgrund der sehr hohen Gewissheit des im Satz beschriebenen Sachverhaltes möchte er das Vorhandensein jenes Sachverhaltes postulieren.

[12] Brockhaus Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden, 19. völlig neu bearbeitete Auflage, hrsg. von F. A. Brockhaus AG, Mannheim 1986-1996

[13] Schulte, Joachim: Wittgenstein. Eine Einführung, S.167

[14] ebd., S.154

[15] Dennoch gibt es Situationen, in denen dies nicht der Fall ist, wie zum Beispiel bei einem Selbstgespräch oder einem Ausdruck, welcher durch einen erlittenen Schmerz hervorgerufen ist, wie »Aua!« oder »Zum Teufel nochmal!«. Leider gibt Wittgenstein über diese Art des Sprechens keine Auskunft.

[16] Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen, §23

[17] Wittgenstein, Ludwig: Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie, in: Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie. Letzte Schriften über die Philosophie der Psychologie, Bd. 7, hrsg. von Gertrude E. M. Anscombe, Georg Henrik von Wright, Heikki Nyman, Frankfurt a.M. 1984, §630

[18] Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen, §432

[19] vgl. Schulte, Joachim: Wittgenstein. Eine Einführung, S.146

[20] Neuenfeld, Jörg: Alles ist Spiel. Zur Geschichte der Auseinandersetzung mit einer Utopie der Moderne, 1.Aufl., Würzburg 2005, S.118f

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Austins Sprechakttheorie als Weiterentwicklung zu Wittgensteins Sprachspieltheorie
Hochschule
Universitat de Barcelona
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V162634
ISBN (eBook)
9783640763214
ISBN (Buch)
9783640763573
Dateigröße
596 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sprachphilosophie, Pragmatik, Austin, Wittgenstein
Arbeit zitieren
Markus Garth (Autor:in), 2008, Austins Sprechakttheorie als Weiterentwicklung zu Wittgensteins Sprachspieltheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162634

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