Geomorphologisch-geoarchäologische Untersuchungen zur holozänen Boden- und Reliefentwicklung im Umfeld des archäologischen Fundplatzes Zauschwitz (Landkreis Leipziger Land)


Bachelorarbeit, 2010

101 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


Danksagung
Für die Unterstützung vieler Personen beim Zustandekommen der Arbeit, sowie bei deren Or-
ganisation, Durchführung, Auswertung und Gestaltung möchte ich an dieser Stelle meine
Dankbarkeit ausdrücken. Zuvorderst sei Dr. Christian Tinapp gedankt für die Betreuung meines
Praktikums im September letzten Jahres und die Möglichkeit, in dessen Rahmen an der Gra-
bung in Zauschwitz teilzunehmen. Auch sein stets offenes Ohr für Probleme und die Teilhabe
an seinem Erfahrungsschatz weiß ich sehr zu schätzen. Auch an meine beiden Betreuer Prof.
Dr. Jürgen Heinrich und Prof. Dr. Hans-Rudolf Bork möchte ich meinen aufrichtigen Dank rich-
ten. Prof. Heinrich hat es nicht nur verstanden, mich mit seiner unnachahmlichen Art initial für
die Physische Geographie zu begeistern, er hat meinem Interesse in den vergangenen vier
Jahren auch beständig neue Nahrung gegeben und mich auf unerdenklich viele Arten geför-
dert. Vielen Dank dafür. Prof. Bork habe ich auf der Grabung in Zauschwitz kennen und von
Stund an schätzen gelernt. Neben seinen immensen fachlichen Qualitäten hat mir vor allem
seine humorvolle Unbeschwertheit in den gemeinsamen Gesprächen sehr geholfen.
Für die tatkräftige Unterstützung bei der aufwendigen Geländearbeit und für viele wertvolle
strukturierende Gespräche stehe ich bei folgenden Personen in tiefer Schuld:
Dr. Ralf Gründling, Dipl. Geograph Ronny Schmidt, den Kommilitonen Johannes Schmidt, Mar-
co Holzheu, Michael Seidel, Phillipp Schleusner, sowie meinem Mitbewohner und großartigen
Musiker Thomas Becker. Ihm gilt zudem mein Dank für das Redigieren des Manuskriptes.
M. A. Stefanie Bergemann danke ich für die Vermittlung wertvoller grabungstechnischer Fertig-
keiten bei meinem Einsatz auf ihrer Grabung und besonders für die spätere freundschaftliche
Kooperation, ohne die die vorliegende Arbeit nicht in dieser Form zustandegekommen wäre.
Ihr wünsche ich auch aus tiefstem Herzen ein gutes Gelingen ihrer enorm ambitionierten Dis-
sertation.
Bei der graphischen Auswertung der Arbeit haben mir die Kommilitonen Thomas Schumann
und Paul Grunert mit ihren profunden GIS-Kenntnissen sehr geholfen, wofür ich unheimlich
dankbar bin.

Meinen Mitbewohnern und vielen weiteren Freunden möchte ich für die unersetzlichen Stunden
der zwischenzeitlichen Zerstreuung danken, die mich mutmaßlich vor der Einbuße meiner geis-
tigen Gesundheit bewahrt haben.
Eine besonders innige Dankbarkeit empfinde ich für meine Familie, meine Freundin Marika und
den weltbesten Sohn Mikosch. Ihre Liebe und ihr schier unerschöpfliches Verständnis und Ver-
trauen haben mir in den vergangenen Monaten sehr viel Kraft gegeben.

I Inhaltsverzeichnis
I Inhaltsverzeichnis...I
II.Abbildungsverzeichnis...II
III Tabellenverzeichnis...III
1.
Einleitung ... 1
1.1.
Motivation der Arbeit ... 1
1.2.
Zielstellung ... 1
2.
Stand der Forschung ... 3
2.1.
Bodenerosion in Lössgebieten ... 3
2.1.1.
Begriffsklärung Bodenerosion ... 3
2.1.2.
Spezifische Eigenschaften des Lösses ... 3
2.1.3.
Holozäne Bodenerosion und deren Formen ... 4
2.1.4.
Eigenschaften und Besonderheiten von Kolluvien ... 9
2.2.
Bildung, Alter und Erhaltung von Tschernosemen ... 10
3.
Einführung in das Untersuchungsgebiet ... 16
3.1.
Geologische Entwicklung und Böden ... 17
3.2.
Vegetation ... 21
3.2.1.
Potentiell natürliche Vegetation ... 21
3.2.2.
Holozäne Vegetationsentwicklung ... 21
3.3.
Klima ... 23
3.3.1.
Aktuelles Klima im Untersuchungsgebiet ... 23
3.3.2.
Klimaentwicklung im Holozän ... 23
3.4.
Besiedlungsgeschichte ... 25
3.5.
Eignung des Untersuchungsgebietes ... 28
4.
Methoden ... 29
4.1.
Sedimentologisch-pedologische Feldmethoden ... 29
4.1.1.
Standortauswahl ... 29
4.1.2.
Profilbeschreibung ... 29
4.1.3.
Beprobung ... 30
4.2.
Archäologische Geländemethoden ... 30
4.3.
Laboranalytik ... 30
4.3.1.
pH-Wert ... 30
4.3.2.
Carbonatgehalt ... 31
4.3.3.
Elementaranalyse (C,N,S)... 31
I

4.4.
Kartographisch-elektronische Datenverarbeitung ... 32
5.
Auswertung und Diskussion ... 33
5.1.
Kriterien zur Unterscheidung von Kolluvien und nativen Tschernosemen ... 33
5.2.
Vorstellung der Aufschlüsse ... 36
5.2.1.
Profil Zau_S-01 ... 36
5.2.2.
Profil Zau_S-02 ... 40
5.3.
Die Ergebnisse der Bohrstockkartierung ... 44
5.3.1.
Einteilung in bodengeographische Grundeinheiten ... 44
5.3.2.
Charakterisierung der Böden der Grundeinheiten ... 46
5.3.3.
Vorstellung ausgewählter Catenen inklusive präneolithischem Paläorelief ... 49
5.4.
Degradierung der Tschernoseme ... 60
5.5.
Implikationen für die Landschaftsgenese ... 62
6.
Fazit und Ausblick ... 65
IV Literaturverzeichnis ... 67
I

II.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Ablösungs- und Transportprozesse in Abhängigkeit von der Größe der
Bodenbestandteile (Auerswald in Richter et al. 1998)... 4
Abb. 2: Sedimente als Zeiger historischer Bodenerosion. Datierungsmethoden der Kolluvien:
hellgrau - archäologische Altersbestimmung; dunkelgrau ­ Radiokohlenstoffdatierung;
schwarz - IRSL-Datierung (Dreibrodt et al. 2009a). ... 6
Abb. 3: Überblick über das Untersuchungsgebiet...16
Abb. 4: Geologischer Schnitt durch das Tal der Weißen Elster nördlich von Pegau (Fuhrmann
1976: 1261). ... 16
Abb. 5: Geologischer Schnitt durch die Leipziger Bucht (Pälchen & Walter 2009: 371). ... 18
Abb. 6: Schematisches Lössprofil der Lehmgrube Zauschwitz (Göbeler 1966: 715). ... 19
Abb. 7: Karte der Verbreitung pleistozöäner äolischer Substrate (Neumeister 1971: 28). ... 20
Abb. 8: Klimadiagramm von Weißenfels (Wikipedia 2010). ... 23
Abb. 9: Klimaschwankungen im Holozän (Kappas 2009: 263). ... 25
Abb. 10: Archäologische Fundstellen im Leipziger Südraum (Tinapp 2002: 48). ... 26
Abb. 11: Übersicht der Bohrstockkartierung und Lage der Schürfgruben. ... 33
Abb. 12: Aufschluss Zau_S-01 mit Horizontansprache (Foto LfA Sachsen). ... 36
Abb. 13: Polygonales Rissmuster im Planum von Zau_S-01 (Foto LfA Sachsen). ... 38
Abb. 14: Nordprofil des Aufschlusses Zau_S-02 mit Horizontansprache (Foto LfA Sachsen). . 40
Abb. 15: Ton-Humus-Verlagerung am Nordprofil von Zau_S-02. ... 41
Abb. 16: Scharfe Untergrenze des M-Horizontes Aufschluss Zau_S-02, Ostprofil (Foto LfA
Sachsen). ... 41
Abb. 17: Südprofil des Aufschlusses Zau_S-02 mit Horizontansprache (Foto LfA Sachsen). .. 42
Abb. 18: Karte der bodengeographischen Grundeinheiten im Untersuchungsgebiet. ... 45
Abb. 19: Typischer Tschernosem der Bohrung Zau_B-092. ... 47
Abb. 20: Pararendzina (Zau_B-077) als Ap/Bhv/elC-Profil... 47
Abb. 21: Darstellung der Catena Zau_Cat-01. Die Weiße Linie markiert das vermutete
präneolithische Relief. ... 49
Abb. 22: Darstellung der Catena Zau_Cat-02. Die Weiße Linie markiert das vermutete
präneolithische Relief. ... 51
Abb. 23: Darstellung der Catena Zau_Cat-06. Die Weiße Linie markiert das vermutete
präneolithische Relief. ... 53
Abb. 24: Darstellung der Catena Zau_Cat-03. Die Weiße Linie markiert das vermutete
präneolithische Relief. ... 55
Abb. 25: Darstellung der Catena Zau_Cat-05. Die Weiße Linie markiert das vermutete
präneolithische Relief. ... 56
II

Abb. 26: Darstellung der Catena Zau_Cat-04. Die Weiße Linie markiert das vermutete
präneolithische Relief. ... 59
Abb. 27: Bodenprofilentwicklung, Horizontmächtigkeit und Humusgehalt der Böden der
Tschernosem-Parabraunerde-Reihe in Bezug auf den Niederschlag (Sabel 1982: 85) 60
Abb. 28: Holozäne Aktivitäts- und Stabilitätsphasen der südlichen Leipziger Tieflandsbucht
(Tinapp 2002: 118). Schwarzer Balken = Aktivitätsphase, weißer Balken =
Stabilitätsphase. ... 62
III Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Ergebnisse der feldbodenkundlichen und laboranalytischen Untersuchung von
Aufschluss Zau_S-01. ... 38
Tab. 2: Ergebnisse der feldbodenkundlichen und laboranalytischen Untersuchung von
Aufschluss Zau_S-02. ... 43
Tab. 3: Flächenanteile der Grundeinheiten am Untersuchungsgebiet. ... 46
III

1
1. Einleitung
1.1. Motivation der Arbeit
Diese Arbeit wurde angeregt durch ein Praktikum beim sächsischen Landesamt für Archäolo-
gie im Früherbst 2009, betreut durch Dr. Christian Tinapp. Im Verlauf dieses Praktikums ergab
sich die Möglichkeit, an einer Foschungsgrabung von M. A. Stefanie Bergemann bei Zau-
schwitz im Pegauer Lössgebiet teilzunehmen. Ziel des aktuellen Forschungsvorhabens von
Bergemann ist die Aufarbeitung eines großen neolithischen Siedlungsplatzes, der im vergan-
genen Jahrhundert über 20 Jahre lang freigelegt wurde. Mit dieser neuerlichen Grabung sollten
zum einen die heutigen Bodenverhältnisse zur Einordnung der auszuwertenden Grabungsdo-
kumentation der 50er bis 70er Jahre geklärt werden, zum anderen sollte ein erstes Schlaglicht
auf die Mensch-Umwelt-Interaktion im Neolithikum geworfen werden. Lössgebiete eigenen sich
nicht nur in besonderem Maße zur Erforschung der Auswirkung menschlicher Nutzung auf die
natürlichen Systeme, da diese Gebiete die ersten waren, die im Neolithikum landwirtschaftlich
kultiviert wurden (O
STRITZ
1991,
G
RADMANN
1933), sie üben auf den Bodengeographen auch
eine eigentümliche Faszination aus. Diese erklärt sich vielleicht durch die äußerst fruchtbaren
und geheimnisumwobenen Schwarzerden, die sich dort entwickeln konnten oder auch aus dem
Umstand, dass viele geomorphologische Prozesse in diesen Landschaften stark beschleunigt,
also durchaus ad hoc erkennbar ablaufen. Während dieser Grabung in Zauschwitz wurde also
die Idee geboren, im Rahmen einer Bachelor-Arbeit die Böden im Umfeld des vorgeschichtli-
chen Siedlungsplatzes genauer ins Visier zu nehmen.
1.2. Zielstellung
Die Neolithische Revolution führte zu einer Umstellung von mesolitischen Sammelsystemen
zum Ackerbau und mithin zu einem profunden Wandel in der Beziehung zwischen dem Men-
schen und seiner Umwelt. Die damit einhergehenden Landschafts- und Reliefveränderungen
markieren den Übergang von einer natürlichen zu einer quasinatürlichen Morphodynamik sen-
su M
ORTENSEN
(1954/55, zit. in P
ÉCSI
&
R
ICHTER
1996), welche vorwiegend durch Bodenerosi-
on geprägt ist. Seit dem Neolithikum verschärfen sich die Kontraste zwischen der ursprüngli-
chen Naturlandschaft und den zunächst kleinen Siedlungskammern, die sich zunehmend zu
größeren Arealen einer Kulturlandschaft entwickelten. Es steuern nunmehr also natürliche und
anthropogene Faktoren den fortschreitenden Landschaftswandel, wobei sich das Verhältnis der
Steuerungsfaktoren seit Jahrhunderten klar in Richtung des anthropogenen Einflusses entwi-

2
ckelt (vgl. B
ORK ET AL
. 1998: 17), bis zum heutigen Zeitpunkt, da in Mitteleuropa praktisch keine
Naturlandschaften mehr existent sind. Mithin ist also die hiesige Kulturlandschaft ohne die
menschlichen Veränderung der Böden und mit ihnen des Reliefs nicht zu verstehen. Aus dem
Blickwinkel der Geomorphologie und der Bodenkunde liegen als Zeugnisse dieses Land-
schaftswandels Archive vor, in denen bestimmte Parameter dieser Entwicklung gespeichert
sind. So kann die Landnutzungsgeschichte, namentlich die Rodungs- und ackerbauliche Inten-
sität anhand von Kolluvien, Hochflutsedimenten und Böden nachvollzogen werden (vgl. N
ILLER
2001: 33). Besonders durch die Untersuchung der Böden an Stätten vor- und frühgeschichtli-
cher Besiedlung, welche in räumlicher Beziehung zu Erosions- oder Akkumulationslokalitäten
stehen, können wertvolle Urkunden aus urkundenlosen Epochen der Menschheitsgeschichte
geborgen werden. Sie geben Informationen zu Handlungs- und Siedlungsweisen und Formen
der Bodenbewirtschaftung preis, indem die Böden Siedlungs- und Kulturreste archivieren und
durch ihre chemischen, sowie physikalischen Merkmale charakterisiert sind (vgl. L
ANTZSCH
2005).
In der Fortführung dieses nutzungsgeschichtlichen Ansatzes helfen Studien und Daten zu (prä-
)historischem Bodenabtrag, frühere Landnutzungen und deren Effekte mit heutigen in Verbin-
dung zu setzen um somit aktuelle Landnutzungs- und Bodenerosionskonzepte weiterentwi-
ckeln zu können, sowie eine Informationsbasis für ökologische und politische Entscheidungs-
träger bereitzustellen. Nur durch die Rekonstruktion der morphogenetischen Rolle von Besied-
lungsphasen können dadurch hervorgerufene Landschaftsveränderungen von den vorwiegend
klimainduzierten unterschieden und Tendenzen, womöglich gar Prognosen für das Verhalten
heutiger Landschaften unter Stresssituationen abgeleitet werden.
Im Blickpunkt der Arbeit steht deshalb, die Verbreitungsmuster der Erosion und Akkumulation
in einem kleinen Agrareinzugsgebiet in der mitteldeutschen Lösslandschaft mittels der Bohr-
stockmethode zu untersuchen. Neben dieser vorwiegend deskriptiven Kartierung soll versucht
werden, das Paläorelief vor der In-Kultur-Nahme durch die ersten Ackerbauern anhand von
ausgewählten Catenen zu rekonstruieren. Darüber hinaus werden anhand von durch Keramik
datierten Sequenzen in zwei Bodenaufschlüssen mit gebotener Vorsicht bestimmte Ansätze für
die jungholozäne Landschafts- und Bodenentwicklung erarbeitet.

3
2. Stand der Forschung
2.1. Bodenerosion in Lössgebieten
2.1.1. Begriffsklärung Bodenerosion
Der Begriff Bodenerosion umfasst nach R
ICHTER
(1976) all diejenigen Erscheinungen der Ab-
tragung und Akkumulation, welche den jeweiligen Landschaftshaushalt über ein natürliches
Maß hinaus verändern. Sie werden naturräumlich durch Wasser, Wind und Schwerkraft prä-
disponiert, jedoch in gemäßigten Klimaten erst durch den Menschen ausgelöst als ungewolltes
Nebenprodukt des Ackerbaus, der eine signifikante Veränderung und zeitweilige Beseitigung
der Dauervegetation darstellt. B
ORK
(1988: 2) versteht unter Bodenerosion ,,die durch Eingriffe
des Menschen ermöglichten und durch erosive Niederschläge oder den Wind ausgelösten Pro-
zesse der Ablösung des Transportes und der Ablagerung von Bodenpartikeln ­ losgelöst von
der Problematik der rein natürlichen Abtragung ohne anthropogenen Einfluß." Dieser Definition
liegt die Auffassung zugrunde, dass unter der natürlichen holozänen Waldvegetation keinerlei
Bodenerosion auftritt. In Lössgebieten fällt eine infolge hoher Bodenfruchtbarkeit intensive
landwirtschaftliche Beanspruchung mit erosionsfördernden bodenphysikalischen Eigenschaften
der Lössböden zusammen. Deshalb sind die Begriffe Bodenerosion und Löss gewissermaßen
untrennbar miteinander verbunden.
2.1.2. Spezifische Eigenschaften des Lösses
P
ÉCSI
&
R
ICHTER
(1996) beschreiben Löss als ein überwiegend aus Grobschluff bestehendes
homogenes Lockergestein, das aufgrund seiner Porosität wasserdurchlässig und somit auch in
steilen Wänden stabil ist. K
OCH
&
N
EUMEISTER
(2005) betonen in ihrer Definition stärker den
genetischen Aspekt. Demnach sei Löss ,,ein äolisch transportiertes, kalkhaltiges, schluffiges
Sediment mit einem Korngrößenmaximum in der Grobschluff-Fraktion, das unter ariden Klima-
bedingungen ausgeweht, in Gebieten mit Steppenvegetation abgelagert und im Zuge der Lös-
sifizierung autochthon diagenetisch verfestigt wurde". Zusammengesetzt sind Lösse je nach
regionaler Varietät vorwiegend aus Quarz, aber auch Feldspäten und Karbonaten wie Calcit
und Dolomit. Darüber hinaus sind auch Glimmer, die Tonminerale Illit, Montmorillonit und Chlo-
rit, sowie Schwerminerale enthalten. Verschiedene fein verteilte Eisenhydroxide bewirken eine
hellgelbe Färbung (P
ÉCSI
&
R
ICHTER
1996). Quellen der prominenten Grobschlufffraktion im
Löss sind Frostsprengung, Aufbereitung von Gesteinen in Sandern, Flüssen und Seen, durch
Gletschereis in Gletschermilch, sowie Moränenmaterial. Bei der Akkumulation ist der Aus-
kämm-Effekt der Gras- und Krautvegetation ein bestimmender Faktor. Dieser bedingt die Po-
rigkeit und wirkt sich mithin positiv auf die Infiltrationskapazität aus, was Erosion weitgehend

4
verhindert. Ein zusätzliches Erosionshemmnis ist die Kalkimprägnierung, d.h. die silikatischen
Bestandteile sind verkettet durch carbonatische Nadeln, Krusten und Plättchen (P
ÉCSI
&
R
ICH-
TER
1996). Primärer Löss ist somit strukturbedingt sehr stabil. Wird diese Struktur allerdings ge-
oder zerstört durch Entkalkung, Ackerbau oder anderweitige mechanische Einwirkung wie das
Zermahlen durch Wagenräder bei der Entstehung von Hohlwegen, steigt die Erodibilität, indem
die Infiltrationskapazität beträchtlich sinkt und die physikalischen Eigenschaften der Grob-
schluffkomponente zum Tragen kommen (P
ÉCSI
&
R
ICHTER
1996). Die von allen Bodenarten
höchste Erodierbarkeit dieser Fraktion ergibt sich aus der Verbindung ihres geringen Eigenge-
wichts mit der schwach ausgeprägten Neigung zur Aggregierung (Abb. 1).
Bei intensiven Regenfällen mit großen Tropfen werden die bestehenden Aggregate schließlich
durch den Splash-Effekt zerstört und die Oberfläche durch Verschluss der Grobporen ver-
schlämmt. Die Infiltrationskurve knickt unversehens ab und es kommt zur Bildung erst kleiner,
aber rasch größer werdender Abflussbahnen bis zum Schluchtenreißen (B
ORK ET AL
. 1998). Im
Anhalt an P
ÉCSI
&
R
ICHTER
(1996) gehen dabei alle Kongrößenfraktionen unsortiert in Supen-
sion und es kann zu einer beträchtlichen linearen Abtragung kommen.
2.1.3. Holozäne Bodenerosion und deren Formen
Die Rolle des Klimas
Nach dem früheren Paradigma der ,,toten Landschaften" von B
ÜDEL
(1944) wurde von einer nur
geringen geomorphologischen Überprägung im Holozän ausgegangen, da der distinguierte
Ausdruck periglazialer Formen noch immer allgegenwärtig sei (vgl. S
TARKEL
2005). Heute sind
die Zeiten beschleunigter holozäner Bodenerosion wiederholte geomorphologische Zankäpfel.
Allgemein aktzeptiert ist das Rohdenburg'sche Aktivitäts-Stabilitäts-Konzept (R
OHDENBURG
Abb. 1: Ablösungs- und Transportprozesse in Ab-
hängigkeit von der Größe der Bodenbestandteile
(A
UERSWALD
in R
ICHTER ET AL
. 1998).

5
2006), nach dem die Vegetationsbedeckung geomorphologische Prozesse steuert, wobei eine
dichte Vegetation Vorgängen der Abtragung hinderlich ist, während Auflichtung der Vegetation
zu einer Verstärkung des Oberflächenabflusses führt. Die Vegetation wird durch klimatischen
oder menschlichen Einfluss kontrolliert und die Abtragung selbst durch spezifische Flächennut-
zung und durch die jeweilige Niederschlagscharakteristik. Jedoch ist die Rolle des Klimas bei
der holozänen Bodenerosion stark umstritten. Die meisten Autoren sprechen allenfalls von ei-
ner klimatischen Überprägung oder Nuancierung des anthropogenen Prozessgefüges (z.B. F
A-
VIS
-M
ORTLOCK ET AL
. 1997, L
ANG
2003, T
INAPP
2008). Andere messen dem Klima bei holozä-
nen geomorphologischen Vorgängen Mitteleuropas eine hervorragende Bedeutung bei (F
UHR-
MANN
1999). Eine dritte Gruppe glaubt an Koinzidenzen oder Effekte der positiven Rückkopp-
lung von Klima und Landnutzung (hier prominent B
ORK ET AL
. 1998). S
TARKEL
(2005) hält es für
schwierig, klimatische und anthropogene Faktoren und ihre Auswirkungen zu separieren. Der
Grund hierfür scheint zu sein, dass die erosive Transformation der Hänge und Talböden selbst
unter starkem anthropogenen Einfluss nur durch die Überschreitung geomorphologischer
Schwellenwerte während der Häufung extremer meteorologischer Ereignisse realisiert wird
(vgl. S
CHUMM
1979). Mithin ist der Effekt der anthropogenen Einflussnahme durch Landnut-
zung besonders gut lesbar, wenn er gemeinsam mit klimatischen Extremen auftritt (S
TARKEL
2005: 197). Dem schließen sich auch V
ERSTRAETEN ET AL
. (2009) an. Ihnen zufolge ist die rela-
tive Wichtigkeit des Klimas und der Landnutzung auf geomorphologische Prozesse im Holozän
Mitteleuropas sehr variabel. Doch erhöhe verstärkte Landnutzung die Sensibilität eines Sys-
tems gegenüber klimatischen Störungen (V
ERSTRAETEN ET AL
. 2009: 77).
Menschlicher Einfluss in einzelnen Besiedlungsphasen
Nach vorherrschender Meinung wurde die natürliche Vegetation im Früh- bis Mittelholozän in
Mitteleuropa weitgehend von mehr oder weniger dichten Wäldern gebildet, welche die Böden
nahezu vollständig vor Erosion schützten und die Bodenbildung begünstigten. Bis zur Land-
nahme durch die neolithische Kultur ist kaum Hangerosion dokumentiert (K
ALIS ET AL
. 2003),
erst die Auflichtung der Wälder seit dem Neolithikum habe diese Stabilitätsphase beendet und
Bodenerosionsprozesse ausgelöst.
Im Widerspruch dazu gibt es jedoch eine wachsende Zahl datierter Hangsedimente aus dem
Präneolithikum (zuerst S
EMMEL
1995). D
REIBRODT ET AL
. (2009a: 4) haben die datierten Hang-
sedimente verschiedener Autoren von 101 Untersuchungsgebieten graphisch zusammenget-
ragen (Abb. 2). Ob diese Hanginstabilitäten jedoch mesolithischen Aktivitäten oder Klimaex-
tremen zugeschrieben werden soll, ist noch nicht geklärt (vgl. D
REIBRODT ET AL
. 2009a: 4).

6
Zudem weist S
TÄUBLE
(1995) auf methodische Probleme bei der Radiokohlenstoffdatierung
von Huminstoffen hin, welche bei S
EMMEL
(1995) zur Anwendung kam. Auch die Datierung von
in Sedimenten eingebetteten Holzkohlestücken ist zu kritisieren. So räumt N
ILLER
(2001) ein,
dass die betreffende Holzkohle aus älteren Ringen eines Baumes stammen könnte oder auch,
dass jener Baum erst lange Zeit nach dem Fällen hätte verkohlt werden können. Somit würde
nicht zwingend die Ablagerungszeit des Sedimentes datiert (vgl. V
ÖLKEL ET AL
. 1998). Generell
ist jedoch davon auszugehen, dass Konzentrationen von Holzkohleflittern auf anthropogenen
Einfluss zurückzuführen sind, da nach E
LLENBERG
(1996), lediglich 1% aller holozänen Wald-
brände natürlichen Ursprungs sind.
Ein klarer Anstieg der Bodenerosionraten ist zum Beginn des Neolithikums vor etwa 7.500 Jah-
ren zu verzeichnen, mit einem Klimax vor ca. 4.300 Jahren (D
REIBRODT ET AL
. 2009a). Dieser
Zeitraum markiert das Ende des Neolithikums und den Anfang der Bronzezeit in welcher in-
sgesamt weniger Hangsedimente dokumentiert sind. Für die vorrömische Eisenzeit vor 2.000
bis 2.500 Jahren lässt sich eine klare Intensivierung der Landnutzung erkennen (versch. Auto-
ren zit. in D
OTTERWEICH
2008: 199). Für diese Epoche haben L
EOPOLD
&
V
ÖLKEL
(2007b: 885)
im Lösshügelland bei Regensburg eine jährliche Erosionsrate von 24t/ha errechnet. Als Ver-
gleichswert dient die aktuelle Rate von etwa 20t/ha im selben Gebiet (A
UERSWALD
&
S
CHMIDT
1986, zit. in L
EOPOLD
&
V
ÖLKEL
2007b). Besonders die Einführung des Pfluges und einherge-
hende Entwaldungen zur Eisenverhüttung beschleunigten diese Prozesse (S
TARKEL
2005). Es
existierte in jener Zeit möglicherweise klimatisch unterstützt wohl auch eine Tendenz zur Gully-
bildung, wie Beispiele aus Polen, Belgien und von den Biesdorfer Kehlen in Brandenburg zei-
gen (ebd.).
Für die darauffolgende Völkerwanderungszeit geben alle Autoren einhellig einen klimatisch und
kulturell induzierten Bevölkerungsrückgang und mithin Wiederbewaldung, also eine Stabilitäts-
phase an (D
OTTERWEICH
2008, B
ORK ET AL
. 1998, S
TARKEL
2005).
Abb. 2: Sedimente als
Zeiger historischer Bo-
denerosion. Datierungs-
methoden der Kolluvien:
hellgrau - archäologische
Altersbestimmung; dun-
kelgrau ­ Radiokohlens-
toffdatierung; schwarz -
IRSL-Datierung (D
REI-
BRODT ET AL
. 2009a).

7
Durch Wiederbesiedlung und Wieder-Inkulturnahme nach der darauffolgenden Rodung, doku-
mentiert durch NAP-AP-Verhältnisse, Hang- und Auensedimente werden geomorphologische
Prozesse erneut beschleunigt (D
OTTERWEICH
2008). Der lange postvölkewanderungszeitliche
Anstieg der datierten Bodenerosion gipfelt im absoluten holozänen Maximum mitteleuropä-
ischer Bodenerosionsprozesse im Hochmittelalter. Durch fortschreitende Entwaldung, Verän-
derung der Feldbautechniken und zunehmende Bevölkerungsdichte befinden sich nach Schät-
zungen von B
ORK ET AL
. (1998) etwa 80% der Fläche Mitteleuropas unter landwirtschaftlicher
Kultur. In diese Zeit fällt eine Serie exzeptioneller Niederschläge, die auch in historischen Quel-
len, bspw. als ,,Magdalenenhochwasser" im Donauraum, verbrieft sind (G
LASER
2001). Die Se-
dimentumlagerungen und daraus erwachsend die (agrar)ökologischen und sozialen Folgen
sind für diese und die folgende Epoche möglicherweise sehr bedeutsam gewesen. B
ORK
(1988) gibt bezüglich der von ihm untersuchten Gebiete für die Dekade von 1340 bis 1350 eine
mittlere jährliche Erosionsrate von 2250 t/ha an. Die allgemeine Intensivierung der Erosion
schlug sich auch als verstärkte sedimentäre Ablagerung in den großen Flusstälern nieder
(S
TARKEL
2005).
Ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhundert geht die Landnutzungsintensität scheinbar zurück,
etwa bis auf das Niveau des Frühmittelalters, hervorgerufen durch grassierende Pestepide-
mien, weniger gehäuft auftretende Extremregenereignisse oder die Devastierung der Böden.
Viele Flächen wurden in Grünland umgewandelt oder wiederbewaldet und waren deshalb ge-
gen Abspülung geschützt. Diese kurze Phase rückläufiger Befunde zu Beginn der Neuzeit wur-
de gefolgt von einem zweiten kleinen Maximum im 18. und 19. Jahrhundert (D
REIBRODT ET AL
.
2009). So gibt es in der Kleinen Eiszeit als Folge klimatischer Faktoren und anthropogen er-
höhter Sedimentfracht die Tendenz vieler Gerinnebetten zur Anastomisierung und Verwilde-
rung (versch. Autoren zit. in S
TARKEL
2005).
Moderne Bodenerosionsprozesse sind mutmaßlich in der Graphik aufgrund geringer Datenlage
unterrepräsentiert (D
REIBRODT ET AL
. 2009a, s. Abb. 2).
Die holozäne Landnutzung orientierte sich an der natürlichen Ausstattung des Raumes - also
der Geologie, der Topographie, den Böden, der Vegetation und dem Klima - und wird darüber
hinaus von sozio-ökonomischen und kulturellen Faktoren bestimmt. Durch die Rodung eines
vordem bewaldeten Landschaftsausschnittes werden sowohl die Stoffflüsse, z.B. der Nährstof-
fe, nicht-organischer Systemkomponenten wie Sedimente, als auch hydrologische Kennwerte
nachhaltig stark verändert. Die immer wahrscheinlicher werdende linien- und flächenhafte Ero-
sion, prädisponiert durch klimatische und sedimentologische Faktoren, kann den Wert der be-
treffenden Flächen für den Ackerbau schmälern und bis zur erzwungenen Aufgabe der acker-
baulichen Bodennutzung führen. Die Folge wäre eine Wiederbewaldung und weiterhin eine
Restabilisierung der natürlichen Systeme auf einer anderen dynamischen Gleichgewichtsebe-
ne (B
ORK ET AL
. 1998:, vgl. D
OTTERWEICH
2008). Für Gebiete mit hohen Lössmächtigkeiten ist

8
hinzuzufügen, dass diese zwar die längste Landnutzungsgeschichte aufweisen, da sie wäh-
rend der neolithischen Landnahme zuerst besiedelt wurden (z.B. O
STRITZ
1991), doch bewahrt
der primär hohe Nährstoffgehalt des Lösses diese Gebiete selbst bei flächenhaftem Abtrag des
Oberbodens häufig vor der Nutzungsaufgabe. Einzig die linienhafte Zerschneidung kann hier
der ackerbaulichen Tätigkeit ein Ende setzen.
Schon natürlicherweise sind Lössgebiete meist seit dem letzen Glazial von einem Netzwerk
von Erosionstälern zerschnitten, gebildet durch periglaziale Denudation und Piping. Die fol-
genden Besiedlungsphasen frischten die Erosionsformen auf und erhöhten die Gullydichte.
Hinzu traten die Formen der häufigen Hohlwege und Wölbäcker, die ihrerseits Initialformen für
Gullies wurden (S
TARKEL
2005: 194, B
ORK ET AL
. 1998, R
ATHJENS
1979). Linienhafte Erosion
schafft meist Formen von geringer Stabilität und Dauer. Doch können so entstandene Rillen
den partiellen Verlust der ursprünglichen Böden eines Gebietes bedingen (vgl. N
ILLER
2001).
Meist tritt dabei auch eine ,,Glatzenbildung" (P
ECSI
&
R
ICHTER
1996) auf, bei der durch fort-
schreitenden Abtrag des Oberbodens Material des C-Horizontes in den Bearbeitungshorizont
eingemischt wird. Periglaziale Trockentäler und Dellen, sowie frühere holozäne Gullyein-
schneidungen werden durch kolluviale Sedimente graduell verfüllt und später eingeebnet durch
einen Prozess, den man als Agroplanation beschreiben könnte (z.B. S
TARKEL
2005).
Ab einer gewissen Größe allerdings vermag die Bodenbearbeitung die Hohlformen nicht mehr
zu nivellieren. Werden die entstandenen Runsen später z.T. mit Sedimenten verfüllt, sind sie
als Kulturdellen zu bezeichnen (P
ÉCSI
&
R
ICHTER
1996).
Diese mehrere Tausend Jahre währende anthropogen induzierte Bodenerosion führte be-
sonders in Lössgebieten zu einer Verflachung der Hänge durch Hangspülprozesse. So wurden
bspw. ehedem viel stärker reliefierte Landschaften in Polen (K
OWALKOWSKI
1988 zit. in S
TAR-
KEL
2005) im bayrischen Lössgebiet (L
EOPOLD
2003,
N
ILLER
2001), im Belgischen Lössgürtel
(R
OMMENS ET AL
. 2005) und im Eichsfeld (B
ORK
1983) durch das Kappen der Böden, durch die
Verfüllung der Dellen, und die Akkumulation von Unterhangkolluvien und Auensedimenten zu-
nehmend verflacht (vgl. z.B. K
ADEREIT ET AL
. 2009). Die Überführung der Natur- in eine Kultur-
landschaft stellt somit bereits seit prähistorischen Zeiten die wahrscheinlich wichtigste morpho-
genetische Einflussgröße in Mitteleuropa dar (vgl. N
ILLER
2001).
Zwar liegen diesen Prozessen Vorgänge zugrunde, die an Naturgesetze gebunden sind, da
jedoch der Mensch erst die Vorraussetzungen dafür geschaffen hat, werden sie ebenso wie die
entstehenden Formen als quasinatürlich sensu M
ORTENSEN
(P
ÉCSI
&
R
ICHTER
1996), bezeich-
net. Von diesen Formen, zu denen verkürzte Bodenprofile (auch als gekappte Böden bezeich-
net), Rillen und Runsen (oder Gullies), sowie Hang-, See- und Auensedimente zu zählen sind,
kommt den Hangsedimenten oder auch Kolluvien in der vorliegenden Arbeit eine bedeutende
Stellung zu. Aus diesem Grund sollen sie hier kurz gesondert besprochen werden.

9
2.1.4. Eigenschaften und Besonderheiten von Kolluvien
Als Kolluvium bezeichnet man an ackerbaulich oder forstlich genutzten Hängen erodierte Bo-
densedimente, welche an unteren Hangabschnitten angelagert werden (M
EUSBURGER
2002).
L
EOPOLD
&
V
ÖLKEL
(2007a) betrachten es als ein syngenetisches Produkt aus Sedimenterodi-
bilität, Relief, Feldgröße, Bevölkerungsdruck, Nutzungsdauer, Ackertechnik, Depositionsgebiet
und klimatischen Faktoren. Das Sediment wurde bevorzugt hangabwärts transportiert, kann
jedoch abhängig von bestimmten Landnutzungsmustern und ­strukturen wie Hangaufwärts-
pflügen, Feldbegrenzungen etc. auch in Mittel- und Oberhangpositionen deponiert worden sein
(ebd.).
Verschiedentlich wird die Auffassung vertreten, dass Kolluvien eine erhöhte Anfälligkeit gege-
nüber hydromorpher Überprägung aufweisen (B
ORK ET AL
. 1998, L
EOPOLD
&
V
ÖLKEL
2007a).
Erklärt wird dies durch die Bildung vertikaler Schwundrisse des bei der Umlagerung wasserge-
sättigten Bodensedimentes infolge rascher Austrocknung nach der Deposition. Diese polygo-
nalen Risse werden nach der Konsolidierung als Irregularitäten vererbt und stellen Leitlinien für
den präferenziellen vertikalen Abfluss mit einhergehender Bleichung der Eisenoxide dar.
Kolluvien sind bereits seit dem Neolithikum dokumentiert (T
INAPP
2002,
S
TARKEL
2005,
B
ORK ET
AL
.
1998,
N
ILLER
2001,
L
ANG ET AL
.
2003,
F
ISCHER
-Z
UIKOV ET AL
.
1999), häufig durch Aufnah-
men im Verschneidungsbereich mit Auenlehm. In Lösslandschaften koinzidiert diese Phase oft
schon mit einem Wechsel von organogenen zu minerogenen Sedimenten in den Auen (S
TAR-
KEL
2005). Gleichwohl war der Einfluss prähistorischer Kulturen in den meisten Landschafts-
räumen wohl limitiert und der Großteil mitteleuropäischer Kolluvien stammt aus dem Mittelalter
und der Neuzeit (L
ANG ET AL
. 2003). Prähistorische Kolluvien sind vergleichsweise selten. So
sind z.B. bei der geoarchäologischen Betreuung der ICE-Trasse Leipzig-Erfurt inmitten des
Lössgebiets trotz einer überragenden Zahl neolithischer Funde und Befunde und trotz ausrei-
chender Reliefierung durch tief eingeschnittene pleistozäne Dellen bisher keine prähistorischen
Kolluvien gefunden worden (frdl. mündl. Mitt. Thorsten Schunke & Renate Gerlach Oktober
2009). D
OTTERWEICH
(2008: 199) gibt vier mögliche Erklärungen für das weitgehende Fehlen
von Kolluvien aus dieser Zeit.
1. Nachfolgende Prozesse der Bodenerosion haben diese Sedimente wieder aufgearbeitet
und weiter verlagert. Ein Beispiel hierfür geben T
INAPP
(2008) und B
ORK ET AL
. (1998).
2. Nachfolgende Bodenbildung hat diese Sedimente derart überprägt, dass sie nicht mehr
als Kolluvien angesprochen werden.
3. Geringe Feldgröße und die gartenartige Landnutzung hat den Boden gegen Erosion
geschützt.
4. Die Regenintensität hat nicht ausgereicht, Oberflächenabfluss und mithin Erosion zu
erzeugen.
Die Erklärungen 3 und 4 mögen sicher für bestimmte Untersuchungsgebiete Bedeutung besit-
zen, da jedoch durch die Anwesenheit von neolithischen Auenlehmen und archäologische, so-

10
wie sedimentologische Belege auch an Hängen (Fischer-Zuikov et al. 1999, Tinapp 2008)
kaum Zweifel an neolithischer Bodenerosion herrschen, scheinen sie für viele Landschaften
nicht sonderlich stichhaltig. Allerdings war diese neolithische Bodenerosion nach weitgehend
einhelliger Meinung nicht sehr ausgeprägt (z.B. N
ILLER
2001).
Die ältesten durch T
INAPP
(2002) im Untersuchungsgebiet aufgenommenen Kolluvien am Un-
terhang sind an die Grenze von Atlantikum zu Subboreal zu datieren, also mittelneolithischen
Alters. So muss bei einem Beginn des Ackerbaus in der Region um etwa 5300 BC (N
EBELSICK
&
K
ÄMPFNER
2006) wohl erst nach vielen hundert Jahren mit größeren Offenlandanteilen ge-
rechnet werden. Die Mehrheit der Kolluvien wurde hier in der Zeit der deutschen Ostexpansion
zwischen AD 1000 und 1100 akkumuliert (T
INAPP
2002).
2.2. Bildung, Alter und Erhaltung von Tschernosemen
Aufgrund der Bedeutung des Tschernosem für das Untersuchungsgebiet soll sich in diesem
Kapitel ein ganzer Abschnitt mit diesem beschäftigen. Die häufige Gleichsetzung der Begriffe
Tschernosem und Schwarzerde im deutschen Sprachgebrauch kann leicht zu Verwirrung füh-
ren. Während Tschernosem einen nativen terrestrischen Bodentyp beschreibt, ist die Definition
von Schwarzerde oft weiter gefasst (z.B. S
ABEL
1982). Sie beinhaltet alle Böden mit stark hu-
mushaltigem Solum, auch die hydromorphen. Somit sind neben den Tschernosemen also auch
Schwarzerde-Parabraunerden, Kolluvien aus tschernosembürtigem Material, Gley- und Pseu-
dogley-Tschernoseme, sowie schwarze Auenböden (Tschernitza nach KA 5) zu den Schwarz-
erden zu zählen. In der vorliegenden Arbeit wird folglich der Begriff Tschernosem den Boden-
typ und der Begriff Schwarzerde das gesamte humose Solum, inklusive eventueller Kolluvien
umfassen.
Einen Überblick über die aktuelle Diskussion zur Tschernosemgenese zu geben, ist wegen z.T.
stark widersprüchlicher Hypothesen und der Fokussierung auf unterschiedliche Degradations-
stufen dieser Böden sehr schwierig. Das vorherrschende Paradigma ist durch V. V. Dokutscha-
jews Untersuchungen russischer Böden im späten 19. Jahrhundert geprägt. Seitdem gelten
Schwarzerden als Steppenbildungen, entstanden aus enger integrativer Zusammenwirkung
von Klima, Vegetation und Fauna (E
HWALD
1984). Dieses Bild erfuhr eine nahezu unveränderte
Übertragung von den rezenten osteuropäischen Steppenböden auf die mitteleuropäischen
Tschernoseme (E
CKMEIER ET AL
. 2007). Dokutschajews Ergebnisse bilden noch heute im We-
sentlichen den Kenntnisstand der Bodenkunde. Die in den Lehrbüchern zu findende Darstel-
lung ist dabei weitgehend einhellig (z.B E
ITEL
2001; K
UNTZE ET AL
. 1994; S
CHEFFER
&
S
CHACHTSCHABEL
2002). Danach entstehen Tschernoseme im Frühholozän aus mergeligem
Lockergestein, meist Löss. Für die Entwicklung ist die vorwiegend aus Stipa-, Koeleria-, Festu-
ca- und Artemisia-Arten, also Gräsern und Kräutern bestehende Steppenvegetation maßgeb-

11
lich, deren Phytomasse infolge gehemmter biologischer Aktivität durch heiß-trockene Sommer
und kalte Winter zwar humifiziert, doch nur teilweise remineralisiert wird und die Bildung stick-
stoffhaltiger Huminsäuren ermöglicht (P
ÉCSI
&
R
ICHTER
1996). Wühlende Nagetiere und Re-
genwürmer bewirken die Einarbeitung der organischen Substanz in den Boden. Im Gegenzug
wird fortwährend unverwittertes, kalkreiches Material nach oben befördert, was die chemische
Neutralität des Bodens erhält. Die hohen Ca-Mengen im Austauscherkomplex führen zu einer
stärkeren Humifizierung, denn sie begünstigen die Regenwurmaktivität, welche die organische
Substanz schwerer löslich macht durch die Bildung stabiler Aggregate (L
IMA ET AL
. 2002). Die-
se Bioturbation ist häufig durch mit humosem Material gefüllte Grabgänge (Krotowinen) im
Ausgangssubstrat oder helle Flecken im Humushorizont zu belegen. So kann im Laufe der Zeit
ein über 40 cm mächtiger Mull-Axh-Horizont akkumuliert werden, welcher durchaus 10-16%
Humus Material beinhalten kann. Die notwendige Grabtiefe des wühlenden Edaphons zum
Entgehen der sommerlichen Hitze wie auch winterlichen Gefrornis markiert die untere Begren-
zung der Oberboden-, bzw. Übergangshorizonte.
Durch Verankerung der in der organischen Substanz stark vertretenen Huminsäuren in den
Zwischenschichträumen der montmorillonitischen Tonmineralen bilden sich stabile dunkle Ton-
Humus-Komplexe (G
EBHARDT
1971, zit. in G
EHRT
et al. 1995).
Die Tschernoseme Mitteldeutschlands sind, da deren Bildungsbedingungen offenbar aktuell
nicht gegeben sind, als fossile Bodenbildungen zu begreifen, welche je nach Milieu- und klima-
tischen Bedingungen einer unterschiedlich schnellen Degradierung und Umformung unterlagen
bzw. unterliegen. So habe vor allem die allmähliche Wiederbewaldung und humider werdendes
Klima dann ab dem Mittelholozän zur Degradation durch Entkalkung geführt (P
ÉCSI
&
R
ICHTER
1996). Dies zog zunächst die Ausbildung eines Ahl- und eines Axh-Bt- oder Bht-Horizontes in-
nerhalb des Oberbodens nach sich, im darunterliegenden ehemaligen C-Horizont wuchs ein
Bv-Horizont. Durch die vertikale Verlagerung der Ton-Humus-Komplexe kam es zu einer Wei-
terentwicklung in Richtung Parabraunerde/Griserde (versch. Autoren zit. in S
AILE
&
L
ORZ
, S.
122). Im Zuge dessen wurde das Wurmlosungsgefüge des Axh-Horizontes in der degradierten
Schwarzerde zu einem (Sub-) Polyedergefüge verändert (S
ABEL
1982). Nach A
LTERMANN ET
AL
. (2005) stellen die degradierten Parabraunerde-Tschernoseme und Tschernosem-
Parabraunerden mit fast 60% Flächenanteil am deutschen Schwarzerdegebiet die größte
Gruppe innerhalb dieser Bodengesellschaft dar. Der Humusgehalt nimmt in den Profilen der
Tschernosem-Griserde-Sequenz mit zunehmender Degradation ab. Innerhalb der Profile er-
folgt eine Abnahme des Humusgehalts von oben nach unten (R
OCHUS
1979).
Vorwiegend trat jene Degradierung in den Randgebieten der Tschernosemverbreitung auf (vgl.
G
EHRT
et al. 1995), blieb jedoch in einigen Gebieten offenbar aus, in denen die typische
Tschernoseme bis heute überliefert sind. Beackerung durch die Neolithiker, lokaler plötzlicher
Grund- oder Stauwassereinfluss und besonders eine ausgeglichene bis negative Wasserbilanz
zeigten wohl eine konservierende Wirkung. Die notwendigen klimatischen Bedingungen hierfür

12
gelten bei einem durchschnittlichen jährlichen Niederschlag von unter 500 mm als erfüllt
(E
CKMEIER ET AL
. 2007), Bedingungen, wie sie also im Mitteldeutschen Trockengebiet verbreitet
anzufinden sind, wiewohl dieser Wert im engeren Untersuchungsgebiet leicht überschritten
wird. Auffällig ist, dass der Humuskomplex der Tschernoseme im Oberboden zu etwa 40 % aus
Huminsäuren besteht und derjenige der degradierten Griserde fast die gleiche Menge, aber im
tieferen Bereich des humosen Solums aufweist (R
OCHUS
1979).
Genetisch werden für die Tschernoseme des Mitteldeutschen Trockengebietes klassischer-
weise und vorwiegend zwei Hypothesen diskutiert (vgl. E
HWALD ET AL
.
1977):
·
Bildung unter Grasland ohne zusätzlichen Einfluss von Stau- oder Grundwasser
·
Bildung unter feuchten Bedingungen gefolgt von einer Austrocknung. Seitens der Ve-
getationsbedeckung wird hierfür häufig ein Waldcharakter postuliert.
Wobei sicher keines der Modelle allgemeine Geltung beanspruchen kann.
Zudem sind sowohl die Entstehungszeit mitteleuropäischer Tschernoseme (i) als auch die Ve-
getationsbedingungen (ii) wiederholt Gegenstand kontroverser bodenkundlicher Diskussionen
gewesen.
(i)Traditionell werden das Weichsel-Spätglazial und das Frühholozän als mögliche Zeiten der
mitteleuropäischen Tschernosemgenese diskutiert, wobei die meisten Autoren und Lehrbücher
dem Frühholozän den Vorzug geben (S
CHEFFER
&
S
CHACHTSCHABEL
2002, E
ITEL
2001). A
L-
TERMANN
&
M
ANIA
(1968) gehen jedoch für das mitteldeutsche Trockengebiet von einer Hu-
musakkumulation der Tschernoseme bereits seit dem Spätglazial aus. Hinweise darauf liefert
ein begrabener Boden am Ascherslebener See, den sie aufgrund seines engen C/N-
Verhältnisses, seiner dunklen Färbung und seines hohen Huminsäureanteils als Initialstadium
einer Schwarzerde einstuften. Innerhalb des Humushorizontes ist 5 bis 10 cm mächtiger Laa-
cher-See-Tuff eingelagert, wodurch er zweifelsfrei in die Allerödzeit zu datieren ist. Es existie-
ren auch weitere stratigraphische Beweise für ein verbreitetes Vorkommen von mitteleuropä-
ischen Schwarzerdeböden aus dem Spätglazial (V
ASÁTKO
&
L
OZEK
1973, zit. in E
HWALD ET AL
.
1977). Beschreibungen von periglazialen Strukturen an der Basis des Solums, wie kryoturba-
ten Verwürgungen (versch. Autoren, zit. in S
AILE
&
L
ORZ
2003) scheinen eine spätweichselzeit-
liche Bildung zumindest für einige Profile zu bestätigen. In nämlichem Fall hätte die Bioturbati-
on nur eine flachgründige Homogensierung bewirkt und somit einen eher überprägenden Effekt
gehabt.
Anhand des Schwermineralspektrums (A
LTERMANN
&
F
IEDLER
1975) und gelegentlich zu fin-
denden Indizien für Stonelines in Form von Kiesen und Grusen halten A
LTERMANN ET AL
.
(2008) den Axh-Horizont für periglaziär prädisponiert. Die Humusakkumulation bilde demnach
lediglich die Aufarbeitung durch die Hauptlagengenese nach. Auch die konkretionäre Anreiche-
rung von Kalk unterhalb des Solums führen A
LTERMANN ET AL
.
(2008) auf eine verlangsamte
Entkalkung unter kalten Bedingungen mit geringem seitlichem Wasserabfluss zurück. S
ABEL
(1982) stellt bei den Tschernosemen der Wetterau ebenfalls eine Kongruenz des Solums mit

13
der Anwesenheit von Laacher Bimstuff fest. Er schreibt dies jedoch nicht ausschließlich perig-
lazialen Prozessen zu, sondern auch der Verwischung und Tieferlegung der Untergrenze des
Decksediments durch Bioturbation. Insofern kann man seiner Meinung nach nicht von einem
Schichtwechsel im Liegenden des Schwarzerdesolums sprechen, obschon petrographisch-
mineralogische Unterschiede zwischen den Komplexen existieren. T
INAPP
(2002) ermittelte für
einen vollständig entwickelten und von Auenlehm fossilisierten Tschernosem mithilfe der Ra-
diokohlenstoff-Methode ein Alter von 4090-3960 BC. Die Datierung von Huminstoffen erlaubt
allerdings weniger eine Aussage über den Bildungszeitraum, als vielmehr über die mittlere
Verweildauer der organischen Substanz, also das Mindestalter des Bodens, bzw. den Zeit-
punkt der Überdeckung mit den Hochflutsedimenten. Ein Phänomen bislang nicht abzuschät-
zenden Ausmaßes beschreiben S
MOLNIKOVA
&
L
OZEK
(1964, zit. in E
HWALD ET AL
. 1977). Im
Schwarzerdegebiet von Litomerice im Egergraben haben sie Positionen gefunden, welche zu
einem früheren Zeitpunkt vollständig des humosen Horizontes entblößt waren. An jenen Stellen
habe sich die erneute Genese eines entwickelten Tschernosems auch in jüngeren Abschnitten
des Holozäns binnen weniger als ein- oder zweitausend Jahren vollzogen.
(ii) Zur Frage nach den Vegetationsbedingungen während der Bildung sprechen pedologische
Befunde mehrheitlich gegen eine Entwicklung und Erhaltung unter Wald (S
CHEFFER
&
S
CHACHTSCHABEL
2002), von der Annahme ausgehend, dass die Böden durch Versauerung
und Tonverlagerung degradieren. F
ISCHER
-Z
UIKOV
et al. (1999) stellen für die Uckermark auf
Grundlage von
14
C, Pollenanalyse und Sedimentologie die Tschernosemgenese in die Zeit von
Boreal bis einschließlich Atlantikum. Entwickelt haben sich die Böden ihnenzufolge unter Wald-
vegetation, welche erst durch die neolithischen Ackerbauern sukzessive in kleinen Siedlungs-
kammern aufgelichtet wurde. N
EUMEISTER
(1971), sowie R
OHDENBURG
&
M
EYER
(1968) beto-
nen die Bedeutung des Kalkgehaltes für die Bildung und Erhaltung. So sei die Bicarbonat-
Metabolik, also die zumindest zyklische Anwesenheit von Kalziumcarbonat im oberflächenna-
hen Bereich dafür wesentlich bestimmender als die Vegetationsbedeckung. Das bedeutet,
dass eine Tschernosemgenese sowohl unter steppenartiger Vegetation als auch unter Wald
bei entsprechender Bicarbonat-Metabolik möglich ist (R
OHDENBURG
&
M
EYER
1968). Hinsich-
tlich der Bodenentwicklung zur Parabraunerde (Lessivierung) sei jedoch eine Waldvegetation
Vorraussetzung. Auch A
LTERMANN
&
F
IEDLER
(1975) halten den primären Carbonatgehalt des
Sedimentes für einen der wichtigsten Bildungsfaktoren, wohingegen S
ABEL
(1982) den Einfluss
der Reliefposition auf Genese und Erhaltung betont. E
HWALD
et al. (1977) bringen Beispiele für
Jahrtausende alte Baumbestockung auf rezenten Tschernosemen ohne Degradationserschei-
nungen und leitet daraus zwei logische Schlüsse ab:
·
entweder ist die genetische Verhaftung zu Steppen nicht für alle Tschernosemregionen
Mitteleuropas zulässig,

14
·
oder die Bewaldung nach vorherigen Steppenbedingungen hat am Bodenprofil ihre
Spuren nicht hinterlassen.
Ohnehin seien aber Mitteleuropäische Tschernoseme im Anhalt an E
HWALD
et al. (1977) eher
mit osteuropäischen Waldsteppe-Böden als mit denen des Steppengürtels vergleichbar. Erste-
re entstünden unter offenem Laubwald, reich an Gräsern und Kräutern.
Aus anderen Tschernosemgebieten ist hingegen die Degradation unter Waldbedeckung binnen
weniger Jahrzehnte bekannt (P
INNO
&
B
ÉLANGER
2007 für Sasketchewan/ Kanada).
Neuere Ergebnisse legen nahe, dass neben oben genannten Faktoren zumindest auch das
Feuer eine gewisse Rolle bei der Pedogenese gespielt haben könnte (zuerst S
CHMIDT ET AL
.
1999, s.a. G
EHRT ET AL
. 2002, G
ERLACH ET AL
. 2006, E
CKMEIER ET AL
. 2007). Bei einem Teil der
organischen Bodensubstanz von Schwarzerden handelt es sich offenbar um eine fein verteilte,
polyaromatische, extrem widerstandsfähige Substanz, deren Bildung an Vegetationsbrände
gebunden sein soll. Dieser pyrogene Kohlenstoff erhielt den Namen Black Carbon (BC). Dem
Vernehmen nach beträgt der BC-Anteil am gesamten organischen Kohlenstoff der von
S
CHMIDT ET AL
.
(1999) untersuchten Schwarzerde-Oberböden bis zu 45%, wohingegen die Ex-
traktion in einem Alisol, sowie einem Gleysol jeweils etwa 10% ergab. Hieraus wurde verschie-
dentlich geschlossen, dass die mitteleuropäischen Tschernoseme großteils neolithische, durch
Brandrodung induzierte Bildungen seien (z.B. G
EHRT ET AL
. 2002, G
ERLACH ET AL
. 2006). Mit
dieser Vorstellung wird darüber hinaus versucht, die oft lithologisch und klimatisch schwer zu
fassende patchworkartige Verteilung der Schwarzerden zu erklären (K
LEBER ET AL
. 2003). Auch
die Farbe der Böden soll weniger von den Ton-Humus-Komplexen, als vielmehr vom BC-
Gehalt abhängen. S
PIELVOGEL ET AL
. (2004) fanden in den untersuchten Profilen eine signifi-
kante Korrelation zwischen BC-Gehalt und Schwarzfärbung der Böden.
Am vorherrschenden klimo-genetischen Modell Dokutschajews wird die Voreingenommenheit
und die oft tendenziöse Sicht kritisiert. Es gebe beispielsweise südlich von München einen Bo-
den, der alle Eigenschaften eines Tschernosems besitzt, aber aufgrund der recht hohen loka-
len Niederschläge stets als humose Braunerde (Humic Cambisol) klassifiziert worden ist
(S
CHMIDT ET AL
. 1999).
S
AILE
&
L
ORZ
(2003) monieren bei einer solchen anthropogenen Tschernosemgenese u. a. das
Fehlen eines glaubhaften Modells zur Einmengung der pyrogenen organischen Substanz auf
nicht-bioturbate Weise, räumen aber ein, dass die Existenz von Verbrennungsrückständen in
der humosen Bodensubstanz von Tschernosemen in das bestehende Paradigma der Boden-
bildung aufgenommen werden muss. Die unterstellte Entwicklungszeit der Tschernoseme im
und seit dem Neolithikum muss durch Befunde von A
LTERMANN
&
M
ANIA
(1968) relativiert wer-
den. Ihr Profil vom Salzigen See zwischen Halle und Eisleben zeigt einen typischen Tscherno-
sem, der durch Seemergel-Sedimentation fossilisiert worden ist. Da die Pollenführung im
Grenzbereich Seemergel/Tschernosem dem Atlantikum entspricht, kann von einer vollständi-
Ende der Leseprobe aus 101 Seiten

Details

Titel
Geomorphologisch-geoarchäologische Untersuchungen zur holozänen Boden- und Reliefentwicklung im Umfeld des archäologischen Fundplatzes Zauschwitz (Landkreis Leipziger Land)
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Geographie)
Note
1,1
Autor
Jahr
2010
Seiten
101
Katalognummer
V162701
ISBN (eBook)
9783668744202
ISBN (Buch)
9783668744219
Dateigröße
4883 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schwarzerde, Zauschwitz, Geoarchäologie, Bodenerosion, Holozän, Landschaftsentwicklung, Neolithikum
Arbeit zitieren
Michael Hein (Autor:in), 2010, Geomorphologisch-geoarchäologische Untersuchungen zur holozänen Boden- und Reliefentwicklung im Umfeld des archäologischen Fundplatzes Zauschwitz (Landkreis Leipziger Land), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162701

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