Leseprobe
Gliederung
1. Einführung
2. Beratung in ihrer ganzen Breite
2.1 (Psycholog.) Beratung = (Psycho-) Therapie!?
2.2 Soziale Beratung - eine andere Seite
2.3 Sozialpädagogische und psychosoziale Beratung
3. Was macht den Unterschied
3.1 Gemeinsamkeiten
3.2 Der formale Unterschied
3.3 Der inhaltliche Unterschied
4. So what?
5. Wie kam Beratung zu so hoher Akzeptanz?
6. Schluß
7.Literaturangabe
1. Einleitung
Wieso gibt es dieses Thema überhaupt? Für jemanden der sich mit diesem Thema nicht beschäftigt hat (so z.B. S.K.), stellt sich diese Frage nahezu zwingend. Um einen ersten Einblick in dieses Thema zu geben, stelle ich Beratung im zweiten Kapitel in all ihrer Breite (gemeint sind psychologische, soziale und sozialpädagogische, sowie psychosoziale Beratung) vor.
Allem voran ist da psychologische Beratung, insbesondere durch die Ausführung dieser, geht unmissverständlich hervor, dass Beratung stark an psychotherapeutische Modelle anlehnt. So dass ihr z.T. noch bis heute der Ruf anhaftet „Therapie des kleinen Mannes“ (Heil & Scheller 1984, 396, zit. n. Zygowski 1989, S. 175) zu sein. Ziel der Beratung ist es also, eine eigene Identität zu entwickeln und das vor allem durch die Loslösung, besser Abgrenzung, von der Therapie.
Aber was unterscheidet denn nun Beratung von Therapie und was für Gemeinsamkeiten haben sie? Dies führe ich im dritten Kapitel aus. Durch diese, von allen Seiten betrachtende, Darstellung wird vor allem deutlich, dass man bei dem Versuch Beratung von Therapie zu trennen, nicht von einer klaren Grenzziehung, sondern von einem Kontinuum sprechen sollte, in welchem sich beide Disziplinen, z.T. stark, überschneiden.
Welche Fragen und Schwierigkeiten dies aufwirft, mache ich dann im vierten Kapitel deutlich, um schließlich im fünften Kapitel die vielleicht aufkommende Frage nach ihrer trotzdem bestehenden Akzeptanz aufzuklären.
2. Beratung in ihrer ganzen Breite
2.1 (Psycholog.) Beratung = (Psycho-) Therapie!?
In der Beratung dominierte zunächst ihre psychologische Gegenstandsbestimmung, hervorgerufen durch ihre Anlehnung an psychotherapeutische Modelle.
Anfangs wurde also Beratung nur von Psychologen durchgeführt. Beratungspsychologen sind nämlich in erster Linie PsychologInnen und erst in zweiter Linie BeraterInnen. Denn ihre Ausbildung ist eine Psychologische, d.h. ihre Theorien, Methoden und Erkenntnisse sind die der Wissenschaft Psychologie (Nestmann 1997b, S.168). Beratungspsychologen sind aus dieser - ihrer - Disziplin hervorgegangen und versuchen daher verständlicherweise, das sie prägende Wissen in ihren Beratungsfeldern und -aktivitäten umzusetzen.
Psychologie, speziell die psychotherapeutischen Schulen, bildete also zunächst die theoretische Basis von Beratung. Deutlich wird das auch an der Definition von Beratung, so wie sie in einigen traditionellen klinisch-psychologisch Beratungsangeboten noch immer verstanden wird: neben der auch stattfindenden Information über die persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften (so z.B. in der Eignung für bestimmte Berufe) fungiert sie vor allem als psychologische Behandlung individueller emotioneller Verhaltensprobleme oder psychischer Störungen. (Sickendick et al. 1999, S. 13f.).
Bis in die 60-er Jahre hinein wendeten sich vor allem klinische Psychologen einseitig der Psychotherapie zu und plädierten, aufgrund der starken Überlappungen mit der Beratungsfunktion, für „ein Aufgehen der Beratungspsychologie in der Klinischen Psychologie“(Berg [et al., d. Verf.] 1980, zit. n. Nestmann 1997b, S.166). Es ist kaum verwunderlich, dass die daraus entstandenen Abgrenzungsdebatten meist gegenüber der Klinischen Psychologie und Psychotherapie geführt wurden. Einen etwas anderen Weg ging man in den USA. Dort wurde diese Diskussion z.T. durch die Abhebung der Counseling Psychologie von anderen Nachbardisziplinen, wie etwa der Gemeindepsychologie oder der Schulpsychologie, aufgelöst (a.a.O., S. 167f.). Trotz der Abgrenzungsversuche bleibt allerdings nur zu konstatieren, dass es nicht gelang, eine befriedigende, d.h. zureichend begründete allgemeine, Beratungstheorie zu formulieren. Beratung besaß aufgrund dessen und wegen ihrer gerade angeführten starken Anlehnung an die Klinische Psychologie also keine Eigenständigkeit. Vereinzelte Stellungnahmen lauteten daher: Beratung sei weitestgehend Psychotherapie (Patterson 1966, Rogers 1972, Lichtenstein 1980 u.a., zit. n. Zygowski 1989, S. 174). Auch Redlich zeigt auf, dass viele psychologische Beratungskonzepte eine verkürzte Therapieform darstellen. Er ergänzte: Dies habe zwar seine Berechtigung, aber schränke den Handlungsspielraum von BeraterInnen ein1. Ein letztes Bsp. für eine solche Einstellung, soll ein Zitat von Heil & Scheller sein: „In professionalistischer 4 ) Qualifikationszuweisung und aus Gründen der Kostenminimierung verläuft die Berater Ausbildung in der Regel weniger intensiv, [und] gilt Beratung ´etwas geringschätzig als [...] ´Therapie des kleinen Mannes´´“ (Heil & Scheller 1984, 396, zit. n. Zygowski 1989, S. 175).2 Nestmann formuliert daher auch folgende Zielstellung: Weg von der Beratung als „kleine Therapie“ hin zu einem eigenständigen Berufsfeld mit eigenem Konzept (Nestmann 1997a, S. 15).
2.2 Soziale Beratung - eine andere Seite
Soziale Beratung versucht Hilfe zu leisten bei Schwierigkeiten die in der „Lebenswelt“ (Sickendick 1999, S.17) von Individuen und Gruppen auftreten. Im Mittelpunkt steht dabei die Klärung darüber, „was das Problem ist“ (Thiersch 1992, S. 133 f., zit. n. ebd.) und was mögliche Auswege sein könnten. Da soziale Beratung, welche meist in der Sozialarbeit vorzufinden ist, vornehmlich mit marginalisierten und benachteiligten Lebenslagen konfrontiert ist, besteht ihre primäre Aufgabe in der Bearbeitung von im Alltag verspürten Grenzen, Einschränkungen und Widrigkeiten.
Auch im sozialen Bereich besitzt Beratung noch keine eigene Identität, da sie meist nur ein Teil der Sozialarbeit ist. Wie auch die psychologische Sichtweise ist eine nur soziale Herangehensweise zu einseitig.
2.3 Sozialpädagogische und psychosoziale Beratung
Thiersch verortet nun diese soziale, als lebensweltorientierte Beratung in der sozialpädagogischen. Zygowski geht noch weiter: Die Abgrenzung der Beratung von der Psychotherapie sei erst dann sinnvoll, wenn Beratung nicht länger eine psychologische oder soziale3, sondern eine sozialpädagogische ist (Zygowski 1989, S. 175). Auch der sozialpädagogischen Beratung haftete zunächst lange der Ruf nach „´Psychotherapie des kleinen Mannes´(Bäuerle 1973, 163)“ (zit. n. Zygowski 1989, S.177) zu sein, insbesondere der sozialpädagogischen Einzelfallhilfe, welche sich psychoanalytischer Methodik bediente.
[...]
1 Daher präferiert er Beratung als professionelle Verst ä ndigung. Dazu mache man sich, so Redlich, zunächst der grundlegenden Prinzipien der Alltagsverständigung bewusst (wie es in Habermas „Theorie kommunikativen Handelns“ und Schuls von Thun´s „Miteinander reden“ bereits geschehen ist), diese systematisiere man dann und vermittelt sie in lebenslangen und berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildungen. Wola: Schon hat Beratung eine eigenständige Identität, nämlich als professionelle Verständigung (damit wäre dann auch die Abgrenzung der Beratung von der Therapie gelungen) (Redlich 1997, S. 151f.).
2 Zum Ausbildungsunterschied komme ich später noch einmal zurück und zwar im Kapitel 3.3.
3 Zu ergänzen sei hier, das soziale Beratung, wie sie Thiersch beschreibt, der sozialpädagogischen Auffassung, wie ich sie hier im Kapitel 2.3 ausführe sehr ähnlich ist, die Darstellung in Kapitel 2.2 aber zeigt eine anders verstandene soziale Beratung auf. (vgl. Thiersch 1997, S. 107ff.).