Das gemeinsame Mahl hat bereits in der Antike Menschen miteinander verbunden, besonders in der Form des sog. Symposions. In einem langen Prozess entwickelte sich das griechische Symposion über das römische Convivium und die höfischen Tafeln des Mittelalters zum aristokratischen Bankett der Neuzeit und damit wieder zum Vorbild bürgerlicher Tischkultur in der Moderne. Im 20. Jahrhundert erschwerten Eile und Rastlosigkeit die Zusammenkunft bei einem geselligen Festessen. Dieser Prozess der „McDonaldisierung“ hat auch im 21. Jahrhundert nur leichte Auflockerungen und Entschleunigungen erfahren. In einer Zeit, in der Fast Food und Convenience-Produkte unsere Speisekultur beherrschen, und das Sich-Ernähren nur noch einen Begleitcharakter zu allen möglichen anderen Lebensvollzügen zu haben scheint, gilt das klassische Gastmahl sozusagen als ein Gegenmodell zu dieser Entwicklung. Das Gemeinschaftsmahl kann dabei zu einer eigenen Sinngebung von Grundformen menschlicher Lebens- und Weltgestaltung und zu einer Ausgestaltung sozialer Bindungen führen. Die Fragestellung, in welcher Art und Weise das Gastmahl als religiöses Phänomen klassifiziert werden kann, und inwieweit die Harmonisierung antiker Mahlpraxis mit frühchristlichen und jüdischen Gemeinschaftsmählern gelingt, soll in dem vorliegenden Aufsatz bearbeitet werden.
Im Folgenden soll zunächst versucht werden, einige grundlegende Gemeinsamkeiten von Religion und Mahl festzustellen, bevor die Charakteristika eines antiken Symposions skizziert und die gewonnenen Erkenntnisse mit christlicher und jüdischer Mahlpraxis in Beziehung gesetzt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Religion und Essen
- Das antike Symposion
- Gemeinschaftsleben in Vereinen
- Ablauf des Symposions
- Speisen und Getränke
- Religiöse Zeremonie
- Trinkgelage
- Einflüsse des antiken Symposions auf die christliche und jüdische Mahlpraxis
- Strukturelle Parallelen
- Christliche Mahlpraxis
- Jüdische Mahlpraxis
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay untersucht die Einflüsse des antiken Symposions auf die Mahlpraxis im frühen Christentum und Judentum. Der Fokus liegt dabei auf der Gemeinschaftserfahrung und der religiösen Bedeutung des gemeinsamen Mahls.
- Die Bedeutung des Gemeinschaftsmahls in antiken, christlichen und jüdischen Kontexten
- Die strukturellen Parallelen zwischen dem antiken Symposion und frühchristlichen und jüdischen Mahlritualen
- Die Rolle des gemeinsamen Mahls in der religiösen Praxis, Sinnstiftung und Identitätsstiftung
- Die religiöse Dimension des Essens und Trinkens in verschiedenen Kulturen
- Das antike Symposion als Vorbild für die europäische Tischkultur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema des Essays ein und erläutert die Forschungsfrage: Inwiefern beeinflusste das antike Symposion die christliche und jüdische Mahlpraxis?
Kapitel 2 untersucht den prinzipiellen Zusammenhang von Religion und Essen. Anhand der Religionsdefinition von Portmann wird deutlich, dass gemeinschaftliche Mahlpraxis in den weiten Bereich religiöser Konzeption eingebettet ist. Auch in der Forschung wird der gemeinschaftsfördernde Charakter des Speiserituals betont, der eine Orientierungshilfe für den Menschen in der Gestaltung seines Lebens bietet.
Kapitel 3 skizziert die Charakteristika des antiken Symposions. Das Symposion war eine wesentliche Form des Gemeinschaftslebens in antiken Vereinen. Es umfasste ein gemeinsames Essen, eine religiöse Zeremonie und ein Trinkgelage. Es werden die Speisen, Getränke und Rituale des Symposions sowie die Rolle des Symposions in der Kultur und Bildung der Antike näher beleuchtet.
Kapitel 4 analysiert die Einflüsse des antiken Symposions auf die christliche und jüdische Mahlpraxis. Der Essay stellt fest, dass frühchristliche Gottesdienste und jüdische Pessachfeiern in ihren Grundzügen den Charakter abendlicher Symposien annahmen. Die strukturellen Parallelen zwischen den verschiedenen Mahlformen werden anhand von Beispielen aus den Evangelien und der Sederordnung verdeutlicht. Außerdem wird die Rolle des Mahls in der Gemeinschaftserfahrung, Identitätsstiftung und religiösen Praxis im frühen Christentum und Judentum beleuchtet.
Schlüsselwörter
Symposion, christliche Mahlpraxis, jüdische Mahlpraxis, Gemeinschaftsmahl, Religion, Essen, Kultur, Bildung, Gemeinschaft, Identität, Ritual, Ritus, Tradition, Eucharistie, Sedermahl, Pessachfest, Exodus, Libation, Päan, Trinkgelage, Dionysos.
- Quote paper
- Joschka Riedel (Author), 2010, Einflüsse des antiken Symposions auf die christliche und jüdische Mahlpraxis, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162873