MännerInnen in der Sozialarbeit. Die Genderfrage und Androgynität


Diplomarbeit, 2003

69 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Begriffsbestimmung
2.1 Mann
2.2 Mannsein
2.3 Männliche Sozialisation
2.4 Initiation
2.5 Sozialarbeit
2.6 Gender Mainstream
2.7. Der neue vs. andere Mann

3. Befragung/Stichprobenerhebung
3.1 Erhebungsmethode
3.2 Datenauswertung - methodisch
3.3 Datengrundlage

4. Mannsein in der Gesellschaft
4.1. Geschichte des Männerbildes
4.1.1 Frühgeschichte
4.1.2 Altertum
4.1.3 Industrialisierung
4.1.4 Neuzeit
4.2 Frauenbewegung vs. Männerbewegung
4.3 Kommunikation und Mann

5. Männer in der Sozialarbeit
5.1 Geschichte der Sozialarbeit
5.2 Männer in der Sozialarbeit
5.2.1 Der Alte Mann
5.2.2 Der andere Mann
5.3 Beziehungsarbeit
5.4 Der Mann als Vorbild
5.5 Die männliche Sichtweise
5.6 Gender Mainstream
5.7 Authentizität des Sozialarbeiters
5.7.1 Männliche Sexualität
5.7.2 Männliche Kommunikation
5.7.3 Das Frauenbild der Männer
5.7.4 Männer und Homosexualität

6. Zusammenfassung

7. Literaturverzeichnis

Monographien

Sammelpublikationen

Aufsätze

Zeitungsartikel

Internet

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Vorwort

Der Titel „MännerInnen in der Sozialarbeit“ war und ist bewußt provokant gewählt, da er in meinen Augen gut die derzeitige Lage der Gleichberechtigung von Mann und Frau beschreibt - im Allgemeinen wie auch in der Sozialarbeit. Formal aufgesetzt und maximal an der Oberfläche wirkend hat eine Gleichberechtigung Einzug gehalten, die suggeriert, die Lösung aller persönlichen, ökologischen, strukturellen und materiellen Konflikte sei die Androgynität. Ungeschlechtlichkeit als Patentrezept zur Lösung der Geschlechterfrage, jedoch in der Wirklichkeit kaum relevant. Nach wie vor bestehen die Ungerechtigkeiten und Ungleichgewichte selbst in den sozialpädagogischen Bereichen. Androgyn zu sein bedeutet neben den psychologischen Folgen (der Ablegung aller gelernten Verhaltens- und Sozialisationsmuster) eben nicht nur die „schlechten“ Seiten abzulegen, sondern alle Seiten seines Geschlechtes zu negieren. Eine Art Uniformierung, kein Individualismus mehr, denn auf die Spitze getrieben heißt das auch keine geschlechtsspezifische Kleidung mehr, keine Unterschiede, denn jeder Unterschied kann die Gleichmacherei schon wieder gefährden.

Mannsein in einem Frauenberuf war nicht nur eine rein hypothetische Frage für mich, sondern ist ein Thema, welches gerade von der Wissenschaft entdeckt wird, aber auch konkret meine Person betrifft.

Die geplante Studie zu diesem Thema, welche sich mit der Datenerhebung bei männlichen Studenten in Mittel- und Ostdeutschland beschäftigen sollte, mußte ich leider abbrechen, da für eine valide Gesamtaussage zu wenig Datenmaterial vorlag. Die gewonnen Ergebnisse werden jedoch auch in diese Betrachtung mit einbezogen.

Zurückblickend betrachtet kann ich sagen, daß die Vermischung Wissenschaft und Persönlichkeit von Vor- und Nachteil war. Auf der einen Seite ein Vorteil, weil Annahmen, Vorstellungen und Zusammenhänge an der eigenen Person überprüft und leichter nachvollzogen werden konnten, was gleichzeitig auch zum Nachteil wurde. Denn das intensive Auseinandersetzen mit der Problematik Mannsein stellte auch meine eigene Person in Frage, da ich eigene Vorstellungen und Meinungen in Frage stellen mußte, was bezüglich der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht immer hilfreich gewesen ist.

Eine Diplomarbeit dient als Nachweis eines Studenten, daß er die Qualifikation besitzt, wissenschaftlich zu arbeiten und diese Arbeit auch nach strengen Gesetzmäßigkeiten verschriftlichen kann. Persönliche Wachstums- bzw. Entwicklungsprozesse sind zwar ein positiver „Nebeneffekt“, aber nicht unbedingt hilfreich bezüglich der Abarbeitung eines Themas.

So wurde dieses Thema zu einer zweigleisigen Sache, erstens die Erlangung einer Qualifikation und zweitens das persönliches Wachsen. Welches das Wichtigere von beiden ist, überlasse ich dem geneigten Leser zu entscheiden, ob es eine einzelne Note ist oder eine persönlicher Reifungsprozeß.

Denn egal welche Note am Ende dieser Arbeit stehen wird, die Überwindung von einigen persönlichen Krisen und die Weiterentwicklung meiner eigenen männlichen Identität wird auf lange Zeit wirken und fortbestehen.

2. Begriffsbestimmung

2.1 Mann

Biologisch gesehen gibt es nicht viel zu definieren. Eine Person, die männlichen Geschlechtsorgane besitzt und keine weiblichen, ist ein Mann. Auch wenn der Fötus erst in der sechsten oder siebten Woche männliche Geschlechtsorgane bildet, so ist die genetische Veranlagung doch von Anfang an gegeben.

Im Gegensatz zum Mannsein, kommt es hierbei nur auf die primär körperlichen Eigenschaften an. Unabhängig davon sind Eigenschaften wie Zeugungsfähigkeit oder psychisches Erleben (Transsexuelle). Auch wenn neuere Studien belegen, daß es schon im Wesen des männlichen bzw. weiblichen Geschlechtes Unterschiede gibt, so dürften diese genetischen Anlagen doch erst durch die Erziehungsarbeit am Kinde verstärkt bzw. negiert werden.

„ ... bestätigen Experimente der A&M University, Texas und der University of London ... Obwohl die Affen unbeeinflußt waren, entschieden sich die männlichen Tiere häufiger für Autos und Bälle, die weiblichen meist für Puppen und Kochtöpfe ... Auch beim Menschen sind die Spiel-Vorlieben angeboren. “ (Eltern, 3/2003, S.64)

Dies macht aber noch nicht den Mann aus, um den es hier gehen soll. Betrachtet werden soll der Mann in seiner biologischen und psychischen Einheit.

2.2 Mann sein

Weder die Reduzierung auf die eine, noch auf die andere Seite hilft bei der Betrachtung. Biologische Faktoren beeinflussen den psychischen Mann ebenso wie psychische Faktoren die biologischen. Die Impotenz des Mannes kann somit biologische und/oder psychische Ursachen haben, sei es eine körperliche Disposition, Streß im Beruf bzw. in der Beziehung oder einfach nur Versagensängste, die die Potenz des Mannes einschränken.

Wenn man den Mann betrachtet, so kann dies nur in seiner Gesamtheit erfolgen als biologisch-sozial-psychisches Wesen, dessen einzelne Teilbereiche einander bedingen, beeinflussen und verändern. Die vorherrschenden Männerrollen bzw. Männerbilder an denen sich orientiert wird, sind aber kulturelle und gesellschaftliche Konstrukte, die als Erwartungen der Gesellschaft an die Menschen gerichtet sind, die das biologische männliche Geschlecht haben.

Mannsein im Allgemeinen bedeutet, über die verschiedensten soziokulturellen Regionen und Zeitabschnitte hinweg, der tätig Kulturschaffende zu sein, der Gestaltende und Verändernde zu sein, der Schützende und Ernährende zu sein, angstlos Gefahren meistern zu können, die ständige Suche nach Größerem, nach einem Sinn.

Die Realität heute sieht anders aus:

„ Männer sterben im Durchschnitt um sieben Jahre früher als Frauen - unter anderem ist die Selbstmordrate dreimal so hoch als die von Frauen. Männer haben eine höhere Risikobereitschaft in der Jugend als Frauen. 80 % der Drogenopfer sind Männer und mehr als 40 % rauchen ... “ (Aufsätze, Fröhlich, S.1).

„ Männer fühlen sich kerngesund, bis sie tot umfallen “ , weißUwe Hartmann, klinischer Psychologe und Sexualmediziner an der medizinischen Hochschule Hannover. “ (Focus, 39/2002, S.105)

Inhaber von Macht- und Entscheidungspositionen sind nach wie vor mehrheitlich Männer, jedoch selbst nur ein kleiner Teil der Männerwelt. Der größte Anteil der männlichen Population ist ähnlich machtlos und strukturell entscheidungsgebunden wie die Frauen.

Die männliche Identität spaltet sich in gesellschaftlich propagierte (jung, dynamisch, berufstätig, reich, frei) und die tatsächlich erlebte (feste Hierarchien, ohne Einfluß, wenige Alternativen).

2.3 Männliche Sozialisation

"Der Begriff Sozialisation bezeichnet den Prozeß, durch den der Mensch … zur sozialen, gesellschaftlich handlungsfähigen Persönlichkeit wird", indem er in die Gesellschaft hineinwächst." (Hurrelmann, 275)

Die Sozialisationsarbeit wird nach wie vor zu großen Teilen von Frauen geleistet. Obwohl es „die Frauenbewegung“ in vielen Bereichen geschafft hat, Gleichberechtigungsansprüche zu artikulieren, sind diese nicht einmal von den eigenen Geschlechtsgenossinnen umgesetzt. Jungen werden nach wie vor von Frauen in den alten Rollenverständnissen aufgezogen, da diese in der derzeit bestehenden Welt bzw. Gesellschaft ihren Mann stehen müssen.

„ Einigkeit existiert in der gegenwärtigen Forschungsliteratur zum Thema männliche Sozialisation in dem Punkt, daßMänner dahingehend erzogen werden, ihre Gefühle nicht zeigen zu dürfen. “

(Pech, 2001, S. 36)

Individualisierung/Selbstverwirklichung - die großen Errungenschaften heutiger Zeit - untermauern eher noch die männlichen Eigenschaften von Konkurrenz, Ellenbogengesellschaft und Durchsetzungsvermögen. Alternativen zu diesem gesundheitlich und auch gesellschaftlich schädlichen Verhalten werden in der Gesellschaft nicht artikuliert. Sozialer Status definiert sich heute über den Konsum. Getreu dem Motto: „Haste was, biste was“ werden nachfolgende Generation dazu erzogen, ihr Selbstbild über den Besitz und die Möglichkeit als Maximum nach Konsum zu definieren.

Um diese zu erreichen wird getreu den alten männlichen Idealen sozialisiert, „Indianer kennen keinen Schmerz“, „Mädchen haut man nicht, die muß man beschützen“ und die maßlose Leistungsorientierung in Schule, Ausbildung und Beruf legen die Prämissen auf die althergebrachten und offiziell verdammten alten Männlichkeitsstrukturen.

Medien und Industrie tun ihr übriges dazu. Die Kinofilme sind nach wie vor beherrscht von den männlichen Idolen des „Einzelkämpfers“, ohne die Konflikte, die Mannsein mit sich bringt, Frauen sind immer noch schmückendes Beiwerk, die - wenn Sie tragende Rollen bekommen - doch eher dem Klischee dienen: „Hinter jedem großen Mann steht eine starke Frau“.

Werbung zeigt weiter das Klischee der Aufgabentrennung zwischen Haushalt-Frau und Autofahren-Mann. Der Umschwung, der sich in der Werbung vollzieht und von den Marktstrategen geplant wurde, dient nicht der Auflösung dieser überholten Rollenverhältnisse, sondern nur der Erlangung neuer Zielgruppen. Die junge Frau, die in der Werbung plötzlich aktiv Auto fährt, wird dabei mit typisch männlichen Items gezeigt: Endlose Landschaften, überhöhte Geschwindigkeit und der Puls steigt parallel zum Beschleunigungsverhalten. Männer, die Waschmaschinen bedienen, sind nicht die gestreßt von Arbeit kommenden Personen, sondern eher der jung- dynamische Unternehmer-Typ.

Männliche Initiationsriten wurden abgeschafft, negiert oder lächerlich gemacht, Geschichte und Tradition als Rückschritt betrachtet. Vorbilder sind für Jungen nicht klar in schwarz/weiß zu trennen, sondern die „guten Helden“ tun viele böse Sachen und dies ist legitim oder es herrscht ein permanenter Mangel an diesen Vorbildern. Jugendcliquen, die einen großen Teil der männlichen Sozialisation ausmachten, funktionieren auch nur noch nach der Maxime Konsum und Kommerz.

2.4 Initiation

Initiation (Einweihung) ist der Schritt zum Mannsein. In allen Kulturkreisen und Völkern finden sich entsprechende Initiationsriten, die den Jungen in die Welt der Männer bzw. die Mädchen in die Welt der Frauen holen. Initiation gehört zu den ältesten rituellen Vorgängen, die menschliche Gemeinschaften entwickelt haben. Initiation war in den primitiven Kulturen die Anleitung und Begleitung eines Jungen durch einen älteren Mann (oder einer Gruppe von älteren Männern) auf seinem Weg vom Kind zum erwachsenen Mitglied des Stammes, der Sippe oder der Gemeinschaft. Im Verlauf dieser rituellen Prozedur, die viele Monate und auch Jahre dauern kann, werden Kenntnisse und Fertigkeiten gelehrt, wird der Junge in religiöse Vorstellungen, Mythen und geschichtliche Überlieferungen eingeweiht, lernt er die Regeln und Gesetze seiner Gemeinschaft kennen, wird er im Gebrauch von Waffen und Werkzeugen, Ritualen und Macht unterwiesen, wird sein Mut auf die Probe gestellt, lernt er Schmerzen und Entbehrungen ertragen, wird er in die Sexualität eingeführt, wird er selbst mit dem Tode konfrontiert. Zu Anbeginn waren die Initiationsriten

„ ... oft außerordentlichen harten Proben (etwa der Tötung eines Feindes oder eines gefährlichen Raubtieres) beziehungsweise schmerzhaften Behandlungen ... verbunden. “ (Weissmann, JF, S.14)

Im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung bewegten sich die Initiationsriten jedoch weg von den körperlichen Schmerzen hin zu einer geistigen Initiation. Das Ziel der Initiation war und ist die Bewußtseinserweiterung und die Selbstwerdung des Mannes durch Grenzerfahrungen.

Die feministische Bewegung und Kulturrevolution 1968 brach mit den letzten bestehenden Initiationszirkeln, die zumindest in Einschränkungen noch den „Ritus zur Mannwerdung“ propagierten. Sie unterstellte diesen, für alle „Übel dieser Welt“ verantwortlich zu sein und hinter den verschlossenen Türen, die ein Initiationsritus benötigt, eine Verschwörung gegen die Frauen und im Allgemeinen gegen die unteren gesellschaftlichen Schichten ein Bündnis zu schmieden, welches den Herrschaftsanspruch der Männer manifestiert. Vermischt wurde dies mit Theorien der Herrschaft der alten Männer über die jungen Männer.

Diverse „Verschwörungstheorien“ bis hin zu bösartigsten Unterstellungen ranken sich um Institutionen wie Freimaurerbünde, Burschenschaften, Bundeswehr oder Pfadfindergruppen.

Welchen Gewinn bzw. Verlust die Gesellschaft durch die komplette Auflösung der alten Initiationsinstitutionen, die Negierung von Autorität und Verantwortlichkeit für etwas „Größeres“, die Auflösung der Gemeinwesenorientierung hin zur Individualisierung oder der voranschreitende Einfluß von staatlichen Erziehungsinstitutionen hat, kann nach 30 bis 60 Jahren noch nicht beurteilt werden, die Vorboten, derzeit als Schlagzeilen in der BILD-Zeitung, deuten jedoch nicht nur auf Gutes hin.

2.5 Sozialarbeit

In den Begriff der Sozialarbeit (SozArb), schließe ich auch den Begriff der Sozialpädagogik(SozPäd) mit ein. Die getrennten Entwicklungsrichtungen, aus denen die Begrifflichkeiten Sozialarbeit (materielle Armenfürsorge) und Sozialpädagogik (Armenbildung bzw. Bildung und Erziehung) heraus entstanden sind, spielen bei der Betrachtungsweise des Themas „MännerInnen in der Sozialarbeit“ eine untergeordnete Rolle und können von daher hier als identisch angesehen werden.

In Bereichen, wo bewußt zwischen Sozialarbeit und Sozialpädagogik unterscheiden wird, weise ich explizit darauf hin.

2.6 Gender Mainstream

Der Begriff des „Gender Mainstreaming“ (GM) wurde durch die wissenschaftliche Diskussion geprägt, die nunmehr nicht nur den biologischen Unterschied zwischen Mann und Frau betrachtet, sondern die Individuen nach ihrem sozialen Geschlecht betrachtet. Hierbei spielen nicht nur die biologischen Faktoren eine Rolle, sondern die Person in der Gesellschaft mit ihren sozialisatorischen Einflüßen und dem vorherrschenden Wertesystem.

„ Mit dem sozialen Geschlecht (Gender) ist die Zuweisung bestimmter Eigenschaften, Tätigkeiten und Aufgaben sowie Erwartungen verbunden. “ (Fröschel, Aufsätze, S.1 )

GM ist eine bewußte geschlechterbezogene Sichtweise auf alle Bereiche der Gesellschaft, die nicht nur abstrakt gesellschaftliche Prozesse beschreibt, sondern auch die in diesen Prozessen handelnden Personen einschließt. Nicht die einseitige Betrachtung eines Geschlechtes, welches einen zu eingeschränkten Fokus legt, ist der Ansatz, sondern Betrachtung der verschiedenen Geschlechter mit ihrem sozialen Hintergrund und ihren Lebenslagen innerhalb von Prozessen.

Ziel ist Gleichberechtigung zu erreichen. Dabei aber

„ ...wird die bewußte Berücksichtigung der Geschlechterunterschiede und Geschlechterverhältnisse als eine politische Vorgabe etabliert,

... “ (Fröschel, Aufsätze, S.5 ).

2.7. Der neue vs. andere Mann

Was unterscheidet den neuen vom anderen Mann?

Der neue Mann ist im Laufe der Zeit nicht nur mehrfach medial besetzt und propagiert worden, sondern soll hier auch als Ideal dienen, welches es zu erreichen gilt (typisch männlich, das Streben nach Zielen in der Zukunft, um immer mehr Verbesserungen und Kultivierungsleistung zu vollbringen).

Der neue Mann soll nach den Idealvorstellungen nicht mehr autoritär, nicht mehr sexistisch, nicht mehr herrschsüchtig sein, soll über seine Gefühle und Gedanken sprechen können, Gewalt - egal ob physisch, psychisch oder strukturell - nicht nur ablehnen, sondern aktiv bekämpfen (wobei dieser Kampf ja auch eine Form von Gewalt ist). Er soll nicht mehr leistungsorientiert und in die Zukunft gerichtet handeln, soll Rücksicht und Empathie haben, sich an allen gesellschaftlichen bzw. familiären Prozessen gleichberechtigt beteiligen und nebenbei auch noch dafür sorgen, daß seine Geschlechtsgenossen, die dieses Ziel nicht anstreben auch bekehrt werden.

So viel zum idealen neuen Mann, der kurz zusammengefaßt einen kulturellen und strukturellen Gesellschaftsumbau leisten soll, der sich innerhalb tausender Jahre entwickelt und manifestiert hat und inzwischen eine Eigendynamik entwickelt hat, die die Hierarchiestrukturen in ein autopoetisches System (sich aus sich selbst heraus reproduzierendes Sys.) verwandelt haben.

Der andere Mann (vielleicht auch der veränderte Mann) ist nicht nur losgelöst von den medialen Anschauungen, sondern auch entfernt von den verschiedensten Erwartungen an ihn. Beschreiben kann man ihn so: Er hat begriffen, daß etwas nicht mehr funktioniert und verändert werden muß, er hat sich auf einen Weg gemacht, dessen Ende und Gabelungen noch nicht abzusehen sind. Ohne Karte und Unterstützung versucht er, in die Nähe des neuen Mannes zu kommen, ohne aber selbst zu wissen, wie dieser nun wirklich aussieht. Einiges hat sich schon getan, vieles muß noch passieren und noch wichtiger ist: Es muß gesellschaftlich zu einer Veränderung kommen. Nur über die Kommunikation zwischen Mann und Frau kann sich ein neues Männerbild entwickeln, welches erstens in die Sozialisationsprozesse von Jungen integriert werden kann, zweitens den weiblichen Vorstellungen von Gleichberechtigung gerecht wird und drittens den Mann in die Lage versetzt, sein emotionales Gleichgewicht zu bewahren. Ebenso wichtig ist auf diesem Weg weiter, daß die Frauen den Männern helfen, diesen Weg zu gehen, denn die Erziehung liegt in den ersten Lebensjahren zum größten Teil in den Händen der Frauen und ihnen obliegt es mit, neue/andere Männer heranwachsen zu lassen.

„ Der zu verzeichnende Wandel bei den Männern ist ein Wandel der Einstellungen und eben noch (Einf.d.V.) kein Wandel im alltäglichen Handeln “ (Pech, 2001, S.32)

3. Befragung männlicher Studenten

3.1 Erhebungsmethode

Die Datenerhebung erfolgte über einen vierseitigen Fragebogen (Anhang 1), welcher an die einzelnen Hochschulen versandt und dort an die männlichen Studenten ausgegeben wurde. Nach Möglichkeit wurden die Fragebögen vor Ort wieder eingesammelt und mir als Gesamtheit zurückgesandt. Hinzu kam ein Fragebogen pro Hochschule, der über die allgemeinen Daten der jeweiligen Institution Aussagen traf (Anhang 2). Von den ursprünglich 14 angeschriebenen Hochschulen und 3 Universitäten beteiligten sich nur 5, so daß eine valide Gesamtaussage für Mittel- und Ostdeutschland (neue Bundesländer) nicht möglich war. Die erhobenen Daten können aber in einzelnen Bereichen der Bearbeitung des Themas verwendet werden.

3.2 Datenauswertung - methodisch

Jeder Fragebogen erhielt eine Kennummer, welche das Wiederauffinden bei Problemen möglich macht.

Die Daten wurde in eine Excel-Tabelle übertragen, da sich das Programm Excel als geeignet erwies und es bei dieser Studie nicht unbedingt notwendig war, die letzte Korrelation zu berechnen, was dann eine Datenverarbeitung mit SPSS oder anderen Computerprogrammen notwendig gemacht hätte.

Im zweiten Schritt wurden die Daten verdichtet, Begrifflichkeiten bei den offenen Fragen in Begriffsgruppen zusammengefaßt und die Daten nach den jeweiligen benötigten Kriterien sortiert.

In Bezug auf die Verwendung innerhalb der vorliegenden Arbeit half das Excel-Programm insbesondere schnell und übersichtlich Tabellen zu erstellen, die alle relevanten Informationen beinhalteten. Die Verknüpfung des Textprogramms mit dem Rechenprogramm ermöglichte Änderungen, die sich durch später eintreffende Fragebögen ergaben, ohne das Eingriffe in die Textbearbeitung notwendig waren.

Die prozentualen Werte wurden immer bezüglich der absoluten Werte berechnet, Fragen, die nicht beantwortet wurden, gingen somit nicht in die Berechnung ein. Daher kann es auch zu Schwankungen bezüglich der Bezugsgröße (n=) kommen, deren Streubreite zwischen 74 und 79 liegt. Abweichungen von der Gesamtprozentzahl 100 sind rundungsbedingt.

3.3 Datengrundlage

Von den 240 versandten Fragebögen gab es einen Rücklauf von 79, was einem Prozentsatz von 32,9 Prozent entspricht.

Beteiligt an der Befragung waren 5 Fachhochschulen (2 Sachsen-Anhalt und 3 Sachsen). Datengrundlage waren somit 79 männliche Studenten (36 1.Sem.; 17 3.Sem.; 6 5.Sem.; 18 7.Sem; 2 keine Angaben), die das Fach

Sozialarbeit/Sozialpädagogik studieren, wobei 5 der Befragten ihre hauptsächliche Sozialisation in der BRD vor 1989 erfuhren, 22 im Regime der DDR und 50 ( zur Zeit der friedlichen Revolution 1989 jünger als 16 Jahre) Sozialisationserfahrungen in beiden Gesellschaftssystemen haben. Das Durchschnittsalter betrug 27,15 Jahre wobei der jüngste Befragte 19 Jahre und der älteste 43 Jahre alt war.

30 (38,5 %) der Befragten waren konfessionell gebunden, 19 (24,4%) hatten schon Kinder und 46 (61,3%) lebten in einer Partnerschaft bzw. waren verheiratet.

Die sexuelle Veranlagung gaben 72 mit heterosexuell, 2 mit homosexuell und zwei mit geschlechtsneutral (im folgenden Text androgyn) an. Die erlebte Erziehungsarbeit wurde hauptsächlich von weiblichen Personen geleistet, erreicht aber in der Altersspanne 12 bis 16 Jahre eine Gleichverteilung zwischen männlichen und weiblichen Bezugspersonen.

An Vorerfahrungen gaben 29 (40,9%) eine handwerkliche Ausbildung/Tätigkeit, 15 (21,1%) Abschluß der Schule (Abitur o.ä.), 9 (12,7%) einen sozialen bzw. medizinischen Bereich, 8 (11,3%) eine kaufmännische Vorbildung und 10 Studenten (14,1%) andere Bereiche wie Wehrdienst, Zivildienst oder gar nichts an. Dieses Bild bestätigt nach wie vor, daß das Studium der SozArb./SozPäd. vor allem von Um- bzw. Aussteigern bevorzugt wird. 46 (64,8%) hatten somit Vorerfahrungen, die sich nicht nur auf Abitur bzw. Schulbildung bezogen.

Politisch gesehen stuften sich 5 Befragte bei rechts bis konservativ ein, 15 bei Liberal bis Mitte, 29 bei sozialdemokratisch bis linksliberal, 15 bei links und nur 10 bei unpolitisch ein. Also auch hier bestätigt sich das Bild früherer Studien - SozArb./SozPäd. ist ein Mitte-Links-Studium (59 (79,7%)).

Als Hauptgründe für die Aufnahme dieses speziellen Studiums wurden angegeben:

- Neue Arbeitsperspektiven (27 Nennungen),
- Will anderen helfen (25 Nennungen),
- Berufliche Weiterbildung (22 Nennungen),
- Beruf mit komplexen Situationen (19 Nennungen),

Die Gründe, leichtes Studium (7) bzw. will leicht Kariere (2) machen - der Hauptvorwurf, der immer wieder männlich Studenten gemacht wird - erweist sich hier als kein Grund der Studienwahl.

Als nächstes Lebensziel wurde 48 mal die Erlangung des Diploms angegeben, 10 mal Geld verdienen, 8 mal Familie bzw. Kinder, 6 mal Beruf ergreifen und 10 mal anderes.

Tätigkeiten im Haushalt werden übernommen.:

- 21 Befragte übernehmen bis zu 30 Prozent der anfallenden Arbeit,
- 39 Befragte übernehmen 40 bis 60 Prozent und
- 18 Befragte 70 bis 100 Prozent.

Einzige Einschränkung ist, 7 von 9 der Befragten, die angaben 100 Prozent der Hausarbeit zu übernehmen, lebten auch alleine im Haushalt, so daß eine Aufteilung gar nicht möglich wäre.

4. Mannsein in der Gesellschaft

4.1 Geschichte des Männerbild

Die Geschichte des Männerbildes ist seit je her geprägt von dem Drang, so Großes zu leisten wie die Frau, nämlich die Reproduktion bzw. Schaffung von Leben. Wie sehr sich die verschiedensten männlichen Epochen auch bemühten an dieses Wunder heranzukommen, letztendlich endeten diese Versuche immer in Chaos, Zerstörung und Leid. Egal mit welchen Mitteln versucht wurde, die Frau in diesem „Konkurrenzkampf“ der Geschlechter zu „besiegen“ am Ende war der Mann der Verlierer, denn die größte Entdeckung bzw. heroischste Tat war immer noch unvergleichlich mit der Geburt eines Kindes. Am Ende dieser Entwicklung steht heute, daß die männlich geprägte Wissenschaft auf dem besten Wege dazu ist, zwar Leben reproduzieren zu können, doch damit gleichzeitig die Notwendigkeit des Mannes im Zeugungsprozeß abgeschafft hat. Jedes Streben nach gleicher Leistung mit der Frau endete für den Mann in der Abschaffung bzw. Zerstörung einer bisher männlich geprägten Domäne.

4.1.1 Frühgeschichte

Zu Beginn der Menschheit waren die Rollen und damit die Selbstbilder biologisch vorgegeben. Die Gesellschaft war einfach strukturell gegliedert und als Außengrenze zur Umwelt diente die Zugehörigkeit zu einer Sippe/Stamm. Unterhalt und Ernährung der Sippe/Familie waren mit Gefahren verbunden, bei der es auf biologische Merkmale wie körperliche Kraft u.a. ankam. Tiere zu jagen und zu erlegen bedurfte der körperlichen Kraft des Mannes, die wichtigste Aufgabe seinerzeit. Das Betreiben der Feuerstelle, oblag den Frauen, die sich aufgrund der Gefahren für ihre Person und den Aufgaben wie Betreuung des Nachwuchses immer in der Nähe der Unterkunft aufhielten. Die Arbeitsverteilung gestaltet sich nach den gegebenen Verhältnissen, so daß aber insbesondere auch männliche Kinder die Arbeiten im Nahbereich der Unterkunft mit übernahmen.

Aufgaben wurden also nicht nach männlich und weiblich definiert, sondern per körperlichen Leistungsvermögen, so daß gesagt werden kann, daß ein Junge in seiner Lebensspanne vom Jungen über den Mann zum Greis alle Bereiche der zu erledigenden Arbeit durchlief und so „beide Seiten der Medaille“ kennenlernte - als Kind das Beerensammeln und Überwachen des Feuers, als Mann die gefährliche Jagd und die Verteidigung der Sippe gegen alle Gefahren um als Greis wieder die Tätigkeiten im Nahbereich zu übernehmen. Eine Differenzierung der Wertigkeit der einzelnen Tätigkeiten gab es nicht, da das Überleben der Sippe/Familie vom Einklang aller abhing. Die erfolgreichste Jagd half ohne Feuerstelle ebenso wenig wie eine große Feuerstelle ohne Nahrungsmittel. Die Stellung des Mannes und die zugehörigen Initiationsriten waren auf das Überleben der Sippe ausgerichtet

„ ... denn physische oder psychische Untauglichkeit mußte nicht nur für die Jagd hinderlich sein, sie wirkte vor allem nachteilig auf die Wehrverfassung “ (Weissmann, JF, S.14).

Initiation diente somit zwei Seiten. Auf der einen Seite dem Jungen, um mit den damals benötigten Kulturwerkzeugen vertraut zu werden und auf der anderen Seite der Gemeinschaft, die dadurch erfahren konnte, ob er körperlich wie geistig in der Lage war, die anstehenden Aufgaben zu meistern.

4.1.2 Altertum

Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus dem naturgegebenen Gleichklang von Mann und Frau eine Verschiebung. Die Weiterentwicklung bzw. Vervollkommnung von Techniken und Spezialisierungen, der

„Ü bergang von Jagd- zu Feldwirtschaft... führte (Einfg.d.V.) ...zu einem wachsenden Prestige weiblicher Arbeit .. .weshalb die Betonung des Kriegerischen einerseits, des Mysteriösen andererseits dazu diente, die Macht des Mannes zu sichern. “ (Weissmann, JF, S.14)

[...]

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
MännerInnen in der Sozialarbeit. Die Genderfrage und Androgynität
Hochschule
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig  (Fachbereich Sozialwesen)
Note
3,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
69
Katalognummer
V16297
ISBN (eBook)
9783638211918
Dateigröße
1412 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
MännerInnen, Sozialarbeit
Arbeit zitieren
Joerg Krause (Autor:in), 2003, MännerInnen in der Sozialarbeit. Die Genderfrage und Androgynität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16297

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