Die Geschichte der Menschheit ist eine rekonstruierte, denn sie ist immer etwas Vergangenes und darum als ein Faktensystem schwer zu überprüfen. Erst im Nachhinein kann sie durch Quellen rekonstruiert werden. In der zeitgenössischen Gesellschaft existiert durch die Massenmedien eine scheinbare lückenlose Dokumentation der zeitgeschichtlichen Ereignisse. Dabei wird jedoch oft die Manipulierbarkeit dieser Medien und die subjektive Bezugnahme auf das jeweilige Objekt übersehen. Die Wirklichkeit und Realität, die über Printmedien oder Fernsehen vermittelt wird, empfinden die Rezipienten als natürlich und objektiv. Insbesondere Fotografien gelten als Abzüge des Realen. Doch handelt es sich wirklich um dokumentiertes Zeitgeschehen? Oder konstruieren wir anhand dieser Symbole nur Mythen, die sich in der wiederholten Rezeption von Generation zu Generation weiter verfestigen, bis wir sie als natürliche Wertesysteme und Wahrheiten auffassen? In unserem sozialen Umfeld werden bestimmte Fotos von derselben Person oder dem gleichen Ereignis vor allem in den Medien gehäuft gezeigt und wiederholt rezipiert. Sie stellen ein Symbol mit einer Bedeutung dar und meist zeigen sie Personen oder geschichtliche Ereignisse, die wir umgangssprachlich als Mythos bezeichnen. Dabei ist dieses Foto eigentlich nur ein historisches Dokument, nicht mehr und nicht weniger. Doch diese speziellen Bilder erhielten einen Sonderstatus im kollektiven Gedächtnis. Warum werden genau diese Bilder ein mythisches Symbol? Um dieses Phänomen zu erklären verdeutliche ich in dieser Arbeit, dass die zeitgenössische Gesellschaft nach wie vor eine mythische ist.Die Massenmedien haben in der Moderne zu einem großen Teil die Funktion der Mythen in der antiken Gesellschaft übernommen.Diese These gilt es theoretisch mit der Mythentheorie Roland Barthes zu belegen und anhand eines Beispiels, einer mythischen Aussage in symbolischer Bildform, dem meistreproduzierten Bild der Welt, Che Guevara, praktisch zu verdeutlichen. Die Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit gesellschaftlicher Werte und die allgemeine Akzeptiertheit kultureller Symbolsysteme möchte ich mit diesem Beispiel hinterfragen. Im praktischen Teil der Arbeit wird mit Hilfe der Symboltheorie Nelson Goodmans ergänzend eine subjektive Bezugnahme auf das Che Guevara Porträt geleistet und seine ikonischen Eigenschaften analysiert. So werde ich den metaphorischen Ausdruck des Bildes interpretieren, der ihm seinen mythischen Sonderstatus verschafft hat.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Zur Begriffsbestimmung des Wortes Mythos
- 2.1 Etymologie und Wortgeschichte des Wortes Mythos
- 2.2 Bedeutungsgeschichtliche Entwicklung des Mythos
- 2.2.1 Der antike Mythos
- 2.2.2 Wiederentdeckung des Mythos- Von der Renaissance bis zur Moderne
- 2.2.3 Der zeitgenössische Mythosbegriff im gesellschaftlichen Kontext
- 3. Roland Barthes - Die Mythen des Alltags
- 3.1 Definition des Mythos im Sinne Roland Barthes
- 3.2 Das Mythenmodell nach Roland Barthes
- 3.3 Formale Bedingungen und Charakteristika des Mythos
- 4. Die Fotografie des Che Guevara - ein Mythos des Alltags
- 4.1 Zur Geschichte des Che Guevara Fotos
- 4.2 Das Bildnis Ches - ein mythisches semiologisches System
- 4.2.1 Das erste semiologische System
- 4.2.1.1 Signifikant
- 4.2.1.2 Signifikat
- 4.2.2 Der Mythos Che - Das zweite semiologische System
- 4.2.2.1 Signifikant
- 4.2.2.2 Signifikat
- 4.2.1 Das erste semiologische System
- 5. Die Symboltheorie Nelson Goodmans
- 5.1 Denotation, Bezugnahme und „Repräsentation als“
- 5.2 Ähnlichkeit und Repräsentation
- 5.3 Exemplifikation und Ausdruck
- 5.4 Der metaphorische Ausdruck im analogen System des Bildes
- 6. Was exemplifiziert Che Guevaras Bild metaphorisch?
- 6.1 Denotation und „Repräsentation als“
- 6.2 Exemplifizierte Eigenschaften des Bildes
- 6.3 Der metaphorische Ausdruck Che Guevaras
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die Konstruktion, Rezeption und Funktion zeitgenössischer Mythen am Beispiel des Bildnisses Che Guevaras. Ziel ist es, die These zu belegen, dass die moderne Gesellschaft, ähnlich der antiken, eine mythische Gesellschaft ist, in der Massenmedien die Funktion der antiken Mythen übernommen haben.
- Begriffsbestimmung des Mythos: Etymologie, historische Entwicklung und zeitgenössische Definitionen.
- Roland Barthes' Mythentheorie: Semiologisches Modell und Analyse von Mythen als Kommunikationssysteme.
- Das Che Guevara-Bild als Alltagsmythos: Geschichte des Fotos, semiologische Analyse der Bildschichten.
- Nelson Goodmans Symboltheorie: Anwendung auf das Che-Bild, Analyse von Denotation, Exemplifikation und Ausdruck.
- Metaphorischer Ausdruck des Che-Bildes: Exemplifizierte Eigenschaften und ihre Bedeutung für die Rezeption.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die zentrale Forschungsfrage nach der mythischen Natur der modernen Gesellschaft. Sie beleuchtet die scheinbar lückenlose Dokumentation des Zeitgeschehens durch Massenmedien und hinterfragt die Objektivität dieser Medien, indem sie die Manipulierbarkeit und subjektive Bezugnahme auf historische Ereignisse und Persönlichkeiten aufzeigt. Das Foto von Che Guevara wird als Beispiel für ein mythisches Symbol eingeführt, dessen Entstehung und Wirkungsweise im weiteren Verlauf der Arbeit untersucht wird.
2. Zur Begriffsbestimmung des Wortes Mythos: Dieses Kapitel beleuchtet den Begriff "Mythos" aus etymologischer und historischer Perspektive. Es zeigt die Entwicklung des Begriffs von der Antike bis zur Moderne auf, wobei unterschiedliche Definitionen und Interpretationen von Philosophen und Wissenschaftlern vorgestellt werden. Es wird deutlich, dass der Begriff "Mythos" vielschichtig ist und im Laufe der Zeit unterschiedliche Bedeutungen erlangt hat, von der einfachen Erzählung bis zur Verklärung von Personen und Ereignissen. Die Arbeit fokussiert sich auf die zeitgenössische Definition von Roland Barthes.
3. Roland Barthes - Die Mythen des Alltags: Dieses Kapitel präsentiert Barthes' Mythentheorie als semiologischen Ansatz. Barthes definiert den Mythos als ein Kommunikationssystem, das auf einem primären Zeichensystem aufbaut und eine neue, oft scheinbar natürliche Bedeutung erzeugt. Sein semiotisches Modell wird detailliert erläutert, wobei die Unterscheidung zwischen denotativem und konnotativem Bedeutungssystem hervorgehoben wird. Die formalen Bedingungen und Charakteristika von Mythen werden diskutiert, darunter die Rolle der Geschichte, der Massenmedien und der Bildhaftigkeit.
4. Die Fotografie des Che Guevara - ein Mythos des Alltags: Dieses Kapitel untersucht das ikonische Foto von Che Guevara als Beispiel für einen Alltagsmythos. Es beleuchtet die Entstehungsgeschichte des Fotos und seinen Weg zum global verbreiteten Symbol. Das Kapitel analysiert das Foto mithilfe von Barthes' semiotischem Modell, indem es das primäre Zeichensystem (denotative Bedeutungsebene) und das sekundäre Zeichensystem (konnotative, mythische Bedeutungsebene) unterscheidet und die einzelnen Elemente (Signifikant und Signifikat) analysiert. Die Bedeutung des Fotos wird im Kontext der 68er-Bewegung und seiner späteren Kommerzialisierung betrachtet.
5. Die Symboltheorie Nelson Goodmans: Dieses Kapitel stellt Nelson Goodmans Symboltheorie vor, die eine allgemeine Theorie der Symbolsysteme anbietet. Goodman betont die Rolle der Referenz und unterscheidet zwischen Denotation, Exemplifikation und Ausdruck. Der Fokus liegt auf der Unterscheidung zwischen analogen und digitalen Symbolsystemen, wobei Bilder als analoge Systeme charakterisiert werden, die durch semantische Dichte und metaphorischen Ausdruck gekennzeichnet sind. Die Theorie bildet die Grundlage für die nachfolgende Analyse des Che Guevara-Bildes.
6. Was exemplifiziert Che Guevaras Bild metaphorisch?: Dieses Kapitel wendet Goodmans Symboltheorie auf das Che Guevara-Bild an. Es untersucht die denotativen Eigenschaften des Fotos, die buchstäblich exemplifizierten Eigenschaften und vor allem den metaphorischen Ausdruck des Bildes. Die Analyse konzentriert sich auf den Gesichtsausdruck, die Körperhaltung, die Kleidung und die fotografische Perspektive. Der metaphorische Ausdruck wird als entscheidend für die mythische Wirkung des Bildes hervorgehoben. Der Text vergleicht das Che-Bild mit anderen Bildbeispielen, um die Besonderheiten seines Ausdrucks zu verdeutlichen.
Schlüsselwörter
Mythos, Semiologie, Roland Barthes, Nelson Goodman, Symbol, Bildanalyse, Fotografie, Che Guevara, Massenmedien, Rezeption, Konnotation, Denotation, Exemplifikation, Metapher, 68er-Bewegung, gesellschaftliche Konstruktion, Ideologie.
Häufig gestellte Fragen zur Magisterarbeit: Der Mythos Che Guevara
Was ist der Gegenstand dieser Magisterarbeit?
Die Magisterarbeit untersucht die Konstruktion, Rezeption und Funktion zeitgenössischer Mythen am Beispiel des Bildnisses Che Guevaras. Sie beleuchtet die These, dass die moderne Gesellschaft, ähnlich der antiken, eine mythische Gesellschaft ist, in der Massenmedien die Funktion antiker Mythen übernommen haben.
Welche zentralen Fragen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit befasst sich mit der Begriffsbestimmung des Mythos, der Anwendung von Roland Barthes' Mythentheorie auf das Che-Guevara-Bild, der Analyse des Fotos als Alltagsmythos mithilfe der Semiologie und der Symboltheorie Nelson Goodmans, sowie der Untersuchung des metaphorischen Ausdrucks des Bildes und seiner Bedeutung für die Rezeption.
Welche Theorien werden angewendet?
Die Arbeit stützt sich auf die Mythentheorie von Roland Barthes und die Symboltheorie von Nelson Goodman. Barthes' semiologischer Ansatz dient zur Analyse des Che-Guevara-Bildes als Kommunikationssystem, während Goodmans Theorie die Untersuchung der Denotation, Exemplifikation und des metaphorischen Ausdrucks des Bildes ermöglicht.
Wie wird das Che-Guevara-Bild analysiert?
Das ikonische Foto von Che Guevara wird als Alltagsmythos betrachtet und mithilfe von Barthes' semiotischem Modell analysiert. Die Analyse unterscheidet zwischen der denotativen (wörtlichen) und konnotativen (mythischen) Bedeutungsebene und untersucht die einzelnen Elemente (Signifikant und Signifikat) des Bildes. Zusätzlich wird Goodmans Symboltheorie angewendet, um die Denotation, Exemplifikation und den metaphorischen Ausdruck des Bildes zu untersuchen.
Welche Bedeutung hat das Foto von Che Guevara im Kontext der Arbeit?
Das Foto von Che Guevara dient als Fallbeispiel für einen Alltagsmythos, der durch Massenmedien geschaffen und verbreitet wurde. Seine Analyse illustriert die Entstehung und Wirkungsweise von Mythen in der modernen Gesellschaft und deren Bedeutung für die Konstruktion von Identität und Ideologie.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in jedem Kapitel?
Die Arbeit besteht aus sechs Kapiteln: Kapitel 1 (Einleitung), Kapitel 2 (Begriffsbestimmung des Mythos), Kapitel 3 (Roland Barthes' Mythentheorie), Kapitel 4 (Das Che-Guevara-Bild als Alltagsmythos), Kapitel 5 (Nelson Goodmans Symboltheorie) und Kapitel 6 (Metaphorischer Ausdruck des Che-Guevara-Bildes). Jedes Kapitel behandelt einen spezifischen Aspekt der Thematik und baut aufeinander auf.
Welche Schlüsselbegriffe sind zentral für die Arbeit?
Zentrale Schlüsselbegriffe sind Mythos, Semiologie, Roland Barthes, Nelson Goodman, Symbol, Bildanalyse, Fotografie, Che Guevara, Massenmedien, Rezeption, Konnotation, Denotation, Exemplifikation, Metapher, 68er-Bewegung, gesellschaftliche Konstruktion und Ideologie.
Welche Schlussfolgerung zieht die Arbeit?
Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass das Bildnis Che Guevaras ein Paradebeispiel für einen modernen Alltagsmythos ist und dass die Massenmedien eine entscheidende Rolle bei der Konstruktion und Verbreitung solcher Mythen spielen. Sie belegt die These, dass die moderne Gesellschaft, ähnlich der antiken, eine mythische Gesellschaft ist.
- Quote paper
- Magister Mirja Fürst (Author), 2009, Zeitgenössische Mythen und ihre gesellschaftliche Konstruktion, Rezeption und Funktion - Das Bildnis Che Guevaras, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163104