Vor einigen Jahren sorgte der gegenwärtige Präsident der Universität Hamburg, Dieter Lenzen, mit seiner Äußerung für einen Eklat, als er behauptete, der Intelligenzquotient türkischer Migranten sei niedriger als der von Deutschen. Dieses sei Ursache für das mäßige Abschneiden der Berliner Schüler in der PISA-Studie (Programme for International Student Assessment). Lenzen stützte sich hierbei auf eine Studie der Universität Hannover (Kulke 2005). In der Tat schneiden Migrantenkinder in deutschen Schulen durchschnittlich schlechter ab als ihre Mitschüler. Auch quantitative Studien zeigen, dass sie zu großen Teilen weit hinter ihren deutschen Altersgenossen zurückbleiben, was auf Bildungsungleichheiten für Schüler mit Migrationshintergrund schließen lässt. Nur knapp über 40 % von ihnen erreichen einen Hauptschulabschluss, 10 % schaffen das Abitur (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 73, Abb. D7-1). Deutsche Jugendliche hingegen verlassen dreimal so häufig eine allgemeinbildende oder berufliche Schule mit einer Hochschulreife. Jedoch ist die Bildungssituation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund erst dann stärker ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt, als die ersten Ergebnisse der internationalen Schulleistungsvergleichsstudie PISA und das darin sichtbar werdende schlechte Abschneiden der Schüler aus Deutschland veröffentlicht wurden.
Die schulischen Defizite vieler Kinder von Zuwanderern erklären Experten mit der sozialen Herkunft ihrer Eltern, ihrem niedrigen Bildungsstand und ihren geringen Deutschkenntnissen sowie der fehlenden sprachlichen Förderung. Einige Experten, wie Mechthild Gomolla und Frank-Olaf Radtke (2007), hingegen sehen die Ursache für den schulischen Misserfolg der Migrantenkinder nicht allein in diesen Aspekten, sondern stellen auch eine institutionelle Diskriminierung bei der Einschulung und beim Übergang in die Sekundarstufe fest. Doch wie geht man mit dieser prekären Situation um? Einen Lösungsvorschlag machte beispielsweise der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, als er vor zwei Jahren mit seiner Rede in Köln ein großes mediales und politisches Echo auslöste, indem er in Deutschland die Gründung türkischsprachiger Gymnasien und Universitäten forderte, „die in türkischer Sprache unterrichten“ (Focus-online 2008). [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Wahl des Themas/Ziel der Arbeit
- Aufbau der Arbeit
- Integration
- Terminologie
- Migrantenkinder und -jugendliche
- Privatschulen/Schulen in freier Trägerschaft
- Privatschulen
- Träger von Privatschulen
- Geschichte der Privatschulen in Deutschland
- Die Rolle und Funktion von Privatschulen
- Vor- und Nachteile der Privatschulen
- Ausgangslage: die Situation der Migrantenkinder und -jugendlichen im deutschen Bildungssystem
- Bildungsbeteiligung, schulische Leistungen und Bildungserfolg von Schülern nicht deutscher Herkunft
- Bildungsbeteiligung
- Schulleistungen
- Bildungserfolg
- Erklärungsansätze für das schlechte Abschneiden von Migrantenkindern und -jugendlichen im deutschen Schulsystem
- Theoretischer Rahmen: das machttheoretische Etablierten-Außenseiter-Modell
- Theorie der Figuration: Etablierte und Außenseiter
- Migrantenfigurationen
- Fallbeispiel: Privatschulen, von türkischen „Etablierten“ gegründet
- TÜDESB: das Gymnasium und die Realschule in Berlin-Spandau
- Initiatoren/Gründer der Schule
- Anwendung der Etablierten-Außenseiter-Figuration auf die Gründung der deutsch-türkischen Privatschule
- Die Figurationen und die Machtverhältnisse
- Das Modell der Binnenintegration
- Der schulische Erfolg
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Bachelorarbeit untersucht die Rolle von Privatschulen in türkischer Trägerschaft im deutschen Bildungssystem. Das Ziel ist es, zu analysieren, ob diese Schulen eine Chance für Kinder und Jugendliche türkischer Herkunft darstellen, um der Bildungsmisere zu entgehen, die im Vergleich zu deutschen Schülern deutlich sichtbar ist. Die Arbeit befasst sich mit der Frage, inwiefern diese Schulen zum schulischen und beruflichen Erfolg der Migrantenkinder und -jugendlichen beitragen und welchen Beitrag sie zur gesellschaftlichen Integration leisten. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Geschichte und die Funktion von Privatschulen in Deutschland gelegt. Die Arbeit hinterfragt, ob Privatschulen tatsächlich eine Alternative zu staatlichen Schulen darstellen und welche Herausforderungen und Chancen sie für die Integration von Migrantenkindern bieten.
- Die Bildungsmisere von Migrantenkindern im deutschen Schulsystem
- Die Rolle von Privatschulen in türkischer Trägerschaft
- Die Auswirkungen auf die Integration von Migrantenkindern
- Die Herausforderungen und Chancen von Privatschulen für die Bildungslandschaft
- Die Analyse eines konkreten Fallbeispiels: Die TÜDESB-Schule in Berlin-Spandau
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Problematik der Bildungsmisere von Migrantenkindern in Deutschland und stellt die Relevanz des Themas in den Vordergrund. Kapitel 2 erläutert wichtige Begrifflichkeiten wie „Migrantenkinder“, „Integration“ und „Privatschulen“. Kapitel 3 befasst sich mit der Geschichte, Rolle und Funktion von Privatschulen in Deutschland, sowie mit ihren Vor- und Nachteilen. Im vierten Kapitel wird die Bildungsbeteiligung von Migrantenkindern im deutschen Schulsystem anhand von Indikatoren wie Beteiligung, Schulleistungen und Bildungserfolg analysiert. Kapitel 5 stellt den theoretischen Rahmen der Arbeit vor, indem das machttheoretische Etablierten-Außenseiter-Modell von Norbert Elias und John L. Scotson vorgestellt wird. Schließlich wird in Kapitel 6 das Fallbeispiel der TÜDESB-Schule in Berlin-Spandau analysiert, um die Anwendung des Etablierten-Außenseiter-Modells auf die Gründung einer deutsch-türkischen Privatschule zu verdeutlichen.
Schlüsselwörter
Migrantenkinder, Integration, Privatschulen, Bildungserfolg, Etablierte-Außenseiter-Modell, TÜDESB, deutsch-türkische Privatschule, Bildungsmisere, Bildungspartizipation, gesellschaftliche Integration.
- Arbeit zitieren
- Tülay Bilgen-Yildiz (Autor:in), 2010, Privatschulen in türkischer Trägerschaft. Eine Chance für Kinder und Jugendliche türkischer Herkunft im deutschen Bildungssystem? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163158