„Deutschland ist ein sicheres Land“ (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 16. Juni 2009)! Mit diesen Worten stellte der frühere Bundesinnenminister und jetzige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Polizeiliche Kriminalstatistik des Jahres 2008 vor. Wäre Schäuble bei Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik des Jahres 2009 im Juni 2010 noch im Amt gewesen, so hätte er möglicherweise gesagt: „Deutschland ist ein noch sichereres Land geworden“! Bereits das sechste Jahr in Folge ist sowohl die Gesamtanzahl der registrierten Straftaten als auch der von Jugendlichen und Heranwachsenden begangene Anteil an diesen Straftaten gesunken. Wahr ist aber auch, dass es nach wie vor große Unterschiede in der Zahl der registrierten Straftaten zwischen den Bundesländern gibt. Wäre Schäuble noch im Amt, so hätte er deshalb möglicherweise auch gesagt: „Deutschland ist ein sicheres Land! Aber manche Bundesländer sind sicherer als andere“! Es ist Aufgabe der Soziologie Antworten zu finden auf die Frage, warum es so große regionale Unterschiede in den Kriminalitätsraten gibt. In den USA entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Theorierichtung der Kriminalsoziologie, welche versucht, die unterschiedlich hohen Jugendkriminalitätsraten in Stadtteilen von amerikanischen Großstädten zu erklären. Es ist das Ziel dieser Diplomarbeit, zu überprüfen, ob diese fast 100 Jahre alte Theorie auch zur Erklärung der unterschiedlich hohen Jugendkriminalitätsraten der deutschen Bundesländer zu Beginn des 21. Jahrhunderts dienen kann. Diese Theorie galt Mitte des 20. Jahrhunderts als der dominierende Ansatz in der Kriminalsoziologie. In den Folgejahrzehnten galt sie jedoch als überholt und wissenschaftlich verworfen. Erst Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts ist diese Theorie in den USA wiederentdeckt worden. Allerdings war und ist diese Theorie in der deutschen Soziologie noch weitestgehend unbekannt. Deshalb wird im gesamten Kapitel zwei diese Theorie vorgestellt und aus ihr empirisch zu prüfende Hypothesen abgeleitet...
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Theorien über die räumliche Verteilung der Jugendkriminalität
- 2.1 Einordnung der Theorie sozialer Desorganisation unter den Theorien abweichenden Verhaltens
- 2.2 Sozialökologische Grundlagen der Theorie sozialer Desorganisation
- 2.2.1 Einführung in die Sozialökologie
- 2.2.2 Räumliche Verteilung der Jugendkriminalität in Chicago
- 2.2.3 Sozialökologische Theorien
- 2.3 Theorie sozialer Desorganisation
- 2.3.1 Begrifsdefinition und Begriffsursprung
- 2.3.2 Theorie sozialer Desorganisation als Subkulturtheorie
- 2.3.3 Theorie sozialer Desorganisation als Kontrolltheorie und Hypothesenbildung
- 3 Paneldatenanalyse der Jugendkriminalität in Deutschland
- 3.1 Operationalisierung der Variablen
- 3.1.1 Operationalisierung der abhängigen Variable
- 3.1.2 Operationalisierung der unabhängigen Variablen
- 3.2 Panelmodelle zur Erklärung der Jugendkriminalitätsraten
- 3.2.1 Einführung in die Paneldatenanalyse
- 3.2.2 Between-Effects-Modell
- 3.2.3 Fixed-Effects-Modell
- 3.2.4 Random-Effects-Modell
- 3.2.5 Modellwahl
- 3.3 Soziale Kontrolle als Mediator zwischen sozialer Desorganisation und der Jugendkriminalität
- 3.3.1 Einführung in die Mediatorenanalyse
- 3.3.2 Operationalisierung der Mediatorvariablen
- 3.3.3 Test auf die Mediationsbeziehung
- 3.1 Operationalisierung der Variablen
- 4 Kritik und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der räumlichen Verteilung der Jugendkriminalität in Deutschland. Im Zentrum steht die Anwendung der Theorie sozialer Desorganisation auf die Analyse von Paneldaten zur Jugendkriminalität. Ziel ist es, die Erklärungskraft der Theorie sozialer Desorganisation in Bezug auf die Jugendkriminalität in Deutschland zu untersuchen und die Rolle sozialer Kontrolle als Mediator zwischen sozialer Desorganisation und Jugendkriminalität zu analysieren.
- Räumliche Verteilung der Jugendkriminalität
- Theorie sozialer Desorganisation
- Paneldatenanalyse
- Soziale Kontrolle als Mediator
- Jugendkriminalität in Deutschland
Zusammenfassung der Kapitel
Im ersten Kapitel wird die Einleitung der Arbeit gegeben und der Forschungsstand der Jugendkriminalität in Deutschland zusammengefasst. Das zweite Kapitel behandelt die Theorie sozialer Desorganisation, wobei ihre Einordnung unter den Theorien abweichenden Verhaltens, ihre sozialökologischen Grundlagen und ihre Relevanz für die Erklärung der räumlichen Verteilung der Jugendkriminalität beleuchtet werden. Im dritten Kapitel wird die Paneldatenanalyse der Jugendkriminalität in Deutschland vorgestellt, die Operationalisierung der Variablen und die Anwendung von Panelmodellen zur Erklärung der Jugendkriminalitätsraten. Die Rolle sozialer Kontrolle als Mediator zwischen sozialer Desorganisation und Jugendkriminalität wird in Kapitel 3.3 untersucht. Schließlich werden im vierten Kapitel die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst, die Stärken und Schwächen der Studie diskutiert und ein Ausblick auf zukünftige Forschungsansätze gegeben.
Schlüsselwörter
Jugendkriminalität, räumliche Verteilung, Theorie sozialer Desorganisation, Paneldatenanalyse, Soziale Kontrolle, Mediator, Deutschland.
- Arbeit zitieren
- Stefan Hofherr (Autor:in), 2010, Paneldatenanalyse der Jugendkriminalität in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163322