Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau
2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen zur Zeit der Nationalversammlung
3. Das Recht auf Arbeit in den Verfassungsdebatten der Paulskirche
4. Das Verständnis des Rechts auf Arbeit im 21. Jahrhundert in Deutschland
5. Schlussbetrachtung
6. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Als die Männer der Paulskirche sich 1848 zum Vorparlament und der späteren Frankfurter Nationalversammlung zusammenfanden, kamen Sie nicht nur aus den unterschiedlichen Staaten des deutschen Bundes, sondern ebenso aus den verschiedensten gesellschaftlichen Verhältnissen. Obwohl sie Männer des Volkes waren, vertrat nur der geringste Teil die große gesellschaftliche Unterschicht. Unter den insgesamt 585 gleichzeitige Abgeordneten waren nur drei Bauern und vier Handwerker. Durch Fluktuation war die absolute Zahl der Abgeordneten während der Revolution letztlich größer als die von Parlamentsordnung vorgesehene maximale Anzahl. Der überwiegende Teil waren Staatsdiener (436) und freiberufliche Intelligenz (149), mehr als 600 Teilnehmer hatten eine akademische, 491 eine rechtwissenschaftlich-ausgerichtete Ausbildung. Dennoch begannen sie, statt mit der direkten Erarbeitung einer Verfassung, mit dem Aufstellen eines Grundrechtskataloges. Innerhalb der Debatten um die Inhalte desselben entspann sich eine bis heute andauernde Diskussion um die Frage nach dem Recht auf Arbeit als Teil der Grundrechte, um die Auslegung desselben, um Sinn und Ziel. Kurzum es ging um die Sozialen Frage und das Einbringen von Lösungsansätzen in die neue Verfassung und damit in den neuen Staat.
1.1 Problemstellung
Das Ergebnis ist wohl bekannt. In der Verfassung von 1848/49 findet sich kein Wort eines Rechtes auf Arbeit. Auch heute kommen immer wieder politische Forderungen nach Arbeitsbeschaffung durch den Staat, nach Schutz vor ausländischen Erzeugnissen, zur Stärkung und Sicherung der Binnenwirtschaft auf. Diese und noch mehr Fragen beschäftigten schon damals unsere Verfassungsväter. Der Inhalt der Debatten, die unterschiedlichen Meinungen und Vorschläge werden in dieser Arbeit aufgezeigt. Ebenso ist im Zuge der Krise die bundesdeutsche Politik in einem erheblichen Maße in die Privatwirtschaft, in den Marktliberalismus, eingedrungen, weshalb die aktuelle Bedeutung des Rechtes auf Arbeit beleuchtet wird. Schließlich wird herausgearbeitet, inwiefern sich Forderungen damaliger und heutiger Diskussionen und deren Teilnehmer verändert haben oder ob grundsätzlich keine Veränderung statt gefunden hat.
1.2 Aufbau
Um recht zu begreifen, welche Gründe die Akteure damals bewegten, werden zuerst die groben gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Zeit um die deutsche Revolution dargestellt. Darauf folgen die Inhalte der Debatten, welche sich mit der Frage nach dem Recht auf Arbeit beschäftigten. Dem werden im Anschluss daran die momentanen Diskussionen gegenübergestellt, womit eine gute Basis für den Vergleich, dessen Ergebnisse die Arbeit abschließen, geschaffen wird.
2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen zur Zeit der Nationalversammlung
Zur Zeit der Paulskirche war das Gebiet des heutigen Deutschlands noch in viele souveräne Einzelstaaten unterteilt. Seit der Restauration der europäischen Ordnung durch den Wiener Kongress 1815 fanden sich diese im Deutschen Bund zusammen. Als lockerer Staatenbund umfasste er 39 Einzelstaaten, darunter das Königreich Preußen und das Kaiserreich Österreich. Innerhalb des Bundes gründeten einige Staaten 1834 den deutschen Zollverein mit den Zielen der Schaffung eines Binnenmarktes und ökonomisch-zollpolitischer Vereinheitlichungen. Die Menschen erlebten in dieser Zeit einen radikalen Umbruch. Neue Technologien, wie die Dampfmaschine, der Koksofen und die Spinnmaschine, ermöglichten eine neue Form der Arbeit. Die abhängige Beschäftigung verbreitete sich und es entwickelte sich eine neue Art werktätiger Bevölkerung. Neben den Bauern und Handwerkern entstand die Arbeiterklasse. Diese Entwicklungen zogen immer mehr Menschen in die vorindustriellen Hochburgen, die Städte mit ihren unzähligen, wie Pilze aus dem Boden schießenden Fabriken. Regionale Zentren des Fortschritts entwickelten sich und dennoch war nicht genügend Arbeit vorhanden. Die Maschinen ermöglichten einerseits die günstigere und schnellere Produktion, vernichteten andererseits jedoch dadurch auch viele Arbeitsplätze, insbesondere im Bereich der weit verbreiteten Heimarbeit. Diese unfreiwillig Arbeitlosen zog es daher in die Städte, wo sie Arbeit für sich erhofften. Vielmals gab es davon nicht genug oder nur schlecht bezahlte, so dass sich die neue Klasse der abhängig beschäftigten Arbeiter am unteren Ende der Gesellschaft befand. Der frühindustrielle Aufschwung endete in Deutschland Mitte der 1840er Jahre mit der Agrarkrise und führte zu dem, was heute unter Massenarmut verstanden wird, dem sog. Pauperismus. Dies begründete die vermehrte Auseinandersetzung mit den sozialen Missständen, als Inhalt der Sozialen Frage.
Die Februarrevolution in Frankreich 1848 hatte maßgeblichen Anteil an dem Ausbruch der Märzrevolution in weiten Teilen des deutschen Bundes. Es folgte der Zusammentritt des Vorparlamentes und der verfassungsgebenden Versammlung in der Frankfurter Paulskirche. Umso weniger verwunderlich ist, dass das Recht auf Arbeit eine wichtige Rolle in den Verhandlungen der Paulskirche spielte, deren Ergebnisse bis heute wegweisend sind.
3. Das Recht auf Arbeit in den Verfassungsdebatten der Paulskirche
Was beinhaltet ein Recht auf Arbeit? Überall, jeden Beruf, soweit fähig, auszuüben? Gewerbefreiheit? Das Recht auf einen (staatlich garantierten) Arbeitsplatz? Wie kann es realisiert werden, ist es juristisch überhaupt umsetzbar? All diese Fragen beschäftigten die Parlamentarier in den Debatten vom 08. und 09. Februar 1849. Die Ansätze der losen Fraktionen können nach Wolfram Siemann[1] in vier unterschiedliche Auffassungen eingeteilt werden. Der „entfesselte Liberalismus“[2] umfasst die Vorstellungen Osterraths[3] und von Mercks[4]. Sie stehen für den ungebrochenen Freihandelsanspruch, durch keine Gesetze oder sonstige Bestimmungen eingeengt. Nach ihnen sind „[…] Recht, Schutz und Garantie der Arbeit […] ‚Phrasen‘ […]“[5]. Einen Grundrechtsanspruch sahen sie daher nicht. Eine Lösung dieser Grundsatzdiskussion sahen sie, wenn überhaupt, in Schutzzöllen, welche sie jedoch vehement ablehnten. Weiterhin führten sie als wichtigstes Argument gegen ein Recht auf Arbeit das Scheitern der französischen Nationalwerkstätten an. Zunftbeschränkungen sollten abgeschafft und die Gewerbefreiheit eingeführt werden, um die uneingeschränkte Ausübung eines Gewerbes zu ermöglichen. Dies beinhaltete bereits das Recht auf Arbeit, jedoch ohne eine staatliche Pflicht. Vor dieser warnte von Merck da das Volk die Regierung „[…]in Zeiten der Noth[…]“[6] für alle seine Entbehrungen verantwortlich machen würde. Für von Merck und Osterrath bedeutet „[…]die Freiheit der Arbeit[…] das Recht des Eigenthums[…]“[7] und das dementsprechende Sicherheiten vor einem „[…] Eingriff des Staats in die gewerblichen Verhältnisse[…]“[8] zu schaffen seien.
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[1] Prof. Dr. Wolfram Sieman ist gegenwärtig Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der LMU München.
[2] Siemann, Wolfram in: H. Raabe u.a. (Hrsg), Festgabe für Ernst Walter Zeeden, München 1976,
S. 411.
[3] Heinrich Philip Osterrath war Finanzexperte und Oberregierungsrat Danzigs.
[4] Ernst (von) Merck war Teilhaber an einer der größten Handelsfirmen der Hamburger Börse und im Welthandel. Er erhielt 1853 den Adelstitel.
[5] S. Siemann, S. 412.
[6] Wigard, Franz (Hrsg): Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, Band 7, Frankfurt/Main, 1848/49,
S. 5139.
[7] St. Bericht, Band 7, S. 5111.
[8] St. Bericht, Band 7, S. 5139.