Thomas Müntzer - mit dem schwerthe Gydeonis

Letzte Tage des Kampfes


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

47 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Darum Frankenhausen

Müntzers Zug nach Frankenhausen

und Schlachtvorbereitungen

Philipps Zug nach Frankenhausen

Sonntag, 14. Mai 1525

Kontroversen

Montag, 15. Mai 1525 - Schlachtentag

Abschluss

Anhang

Knappe Lagebestimmung zu Beginn des 16. Jahrhunderts
Die geistige Lage am
Vorabend der Reformation
Die Städte
Die Lage des Adels
Der Adel wehrt sich
Die Lage der Bauern

Zahlen
Entfernungen
Bestimmung der Länge einer Meile

Der Landgraf und sein Heer
Quellenangaben
Stärkeermittlung

Skizzen zum Schlachtverlauf - optische Zusammenfassung der Ergebnisse Sonntag, den 14. Mai
Montag, den 15. Mai 1525

Quellen- und Literaturverzeichnis - „Herkunftsnachweis“

Quellen

Sekundärliteratur

Thomas Müntzer mit dem schwerthe Gydeonis

- Letzte Tage des Kampfes,

Ihre Bedeutung zieht die Schlacht von Frankenhausen nicht aus der Sache selbst, kann man doch nur schwer von einer Schlacht im eigentlichen Sinne, als viel mehr von einem Schlachten sprechen. Über 5000 erschlagene Aufständische1 bedeckten das Feld vor Frankenhausen. Noch heute erinnern der Hausberg, im Gedenken an das Geschehene in „Schlachtberg“ umbenannt, und das kleine Tal, die „Blutrinne“, an das grausame Gemetzel. Nein, mit der Niederlage bei Frankenhausen ging, und das hebt sie über die anderen großen Schlachten des Bauernkrieges, ein radikales Alternativprogramm der Reformation unter2.

Darum Frankenhausen

Für die Seite der Fürsten legte die Person Müntzers das Schlachtfeld fest. Ganz richtig erkannten sie nicht in der Freien Reichsstadt Mühlhausen und nicht in dem defensiven Heinrich Pfeiffer, sondern in der planvollen Aggression Müntzers, Puls und Blut des Aufstandes3. Ihn galt es auszuschalten, sollte die Ruhe im Land wiederhergestellt werden. Deutlich wird das an der Marschroute des Landgrafen Philipps von Hessen. Als Philipp erfährt, dass Müntzer von Mühlhausen nach Frankenhausen aufgebrochen ist, lässt er den ursprünglichen Plan, im Feld vor Mühlhausen mit den anderen Fürsten zusammenzutreffen, um die Stadt zu unterwerfen, fallen und schwenkt stattdessen auf Frankenhausen ein4. Herzog Georg von Sachsen kommt Müntzers Zug nach Frankenhausen nicht ungelegen, kann er sich so doch noch rechtzeitig mit Landgraf Philipp vereinigen, um gemeinsam gegen die Aufständischen vorzugehen5. Als Aufmarschbasis dient die als uneinnehmbar geltende Wasserburg Heldrungen des Grafen Ernst von Mansfeld. Damit kann sich der Herzog auf eine sichere Operationsbasis stützen.

Besondere Bedeutung aber muss Frankenhausen für Thomas Müntzer beigemessen werden.

Nur vordergründig scheinen die beiden Hilfsgesuche, die Frankenhausen Ende April6 und am 7. Mai 15257 an Mühlhausen richtet, Müntzer zum Zug nach Frankenhausen bewegt zu haben. Die Summe der Beweggründe ist vielschichtiger und liegt tiefer.

Kaum 10 Kilometer8 von Frankenhausen entfernt lag die Festung Heldrungen, der Sitz des Grafen Ernst von Mansfeld, den eine persönliche Feindschaft mit Müntzer verband, deren Wurzeln bis ins Jahr 1523 zurückreichten, als Ernst von Mansfeld seinen Untertanen verboten hatte, Müntzers Predigten zu besuchen9. Daran schloss sich sogleich die für Müntzer wichtige religiöse Begründung an: weil der katholische Graf die Predigt des Evangeliums untersagt hatte, also dem Wort Gottes und dessen Verbreitung entgegenwirkte, war er als Feind desselben anzusehen - damit war er automatisch zum Feind Müntzers geworden - nicht nur persönlich, sondern sozusagen auch beruflich10. Mit dem hätte ihn sicher nichts davon abbringen können, die Stadt zu belagern und schließlich zu erobern, zumal die Entfernung von Langen Salza aus, das er am 12. Mai eingenommen hatte (AGBM II, Nr. 1437, S. 282), nach Mühlhausen ca. 21 km, nach Frankenhausen aber ca. 55 km betrug, er also nach Frankenhausen nur den „Umweg“ von etwas mehr als 20 km über Mühlhausen hätte nehmen müssen. Keinesfalls wäre Philipp als Feldherr dem „schwachen“ Müntzer hinterhermarschiert und hätte den Hauptfeind Mühlhausen - hätte er es denn dafür gehalten - unangetastet in seinem Rücken geduldet. Spätestens mit der Nachricht von Müntzers Zug nach Frankenhausen war Philipp klar geworden, dass nicht Mühlhausen, sondern Thomas Müntzer der eigentliche Gegner war. Auch Manfred Bensing, Thomas Müntzer und der Thüringer Aufstand 1525, Berlin 1966 (künftig abgekürzt als Bensing, Thüringer Aufstand), S. 210, sieht im Verhalten des Landgrafen das Ziel, „den Kern der revolutionären Bewegung vernichten [zu] wollen.“ Klaus Ebert, Von Eigensinn, S. 215, spricht Müntzer dagegen erst mit dem Zug nach Frankenhausen seine Führungsposition zu. Davor werde, wie der Bericht des Schossers Hans Zeiß aus Allstedt, AGBM II, Nr. 1323, S. 203: „Es ist auch nicht, das Muntzer ein rottmeister sei ader solichen haufen furen sole, wie man sagt. Er ist nichts anders dann ein prediger der von Molhausen. So sein sonst im haufen auch vil prediger [...]“ belege, Müntzers Rolle im allgemeinen überschätzt. Die Wirkung, die Müntzer auf die Gemüter der gemeinen Bevölkerung ausübte, kann meiner Einschätzung nach kaum überschätzt werden. Eine militärisch entscheidende Rolle dagegen kam ihm erst mit dem Zug nach Frankenhausen zu. Doch war er in Thüringen ein ganz wesentlicher Wegbereiter, dass es so weit überhaupt erst kommen konnte.

Frankenhäuser Haufen wäre Müntzer gleichsam die Gewalt in die Hand gegeben, seinen alten Erzfeind11 zu strafen.

Strategischen Überlegungen muss mit Sicherheit ein starkes Gewicht beigemessen werden. Als Müntzer am 10. oder 11. Mai 1525 nach Frankenhausen aufbricht12, stellt der Frankenhäuser Haufen den einzig größeren Bauernhaufen der näheren Umgebung dar13. Der Mühlhäuser Haufen hatte sich nach seinem achttägigen Zug14 durchs Eichsfeld aufgelöst15, die Haufen im Südwesten waren von Landgraf Philipp von Hessen zerschlagen worden16 und Philipp selbst zog am Abend des 11. Mai bereits mit mindestens 1400 Reitern in Eisenach ein17. Außer dem Frankenhäuser Haufen gab es um den 10. und 11. Mai 1525 also gar keinen größeren Haufen mehr, dem Müntzer hätte zuziehen und den er zur Umsetzung seiner Vorstellungen hätte benutzen können.18

Müntzer hatte, im Gegensatz zu den einfachen Leuten und anderen Führern wie Heinrich Pfeiffer, den Blick des Strategen für Zusammenhänge und verfügte auch über einen Aufstandsplan19. Nicht um planlose Plünderung von Klöstern und größtmöglicher Schädigung des Adels zur Selbstbereicherung der Bauern war es Müntzer zu tun20, sondern er verfolgte viel mehr die Absicht, nachhaltige Veränderungen durchzuführen21 und die Welt auf die Wiederkunft Christi vorzubereiten.22 Weil die Fürsten ihre Hilfe, auf die Müntzer gehofft und gesetzt hatte, verweigerten, musste die Säuberung nun in Eigenregie und mit alleiniger Unterstützung der Massen geschehen.23 Dabei kommt Müntzers Weitblick, mit der er die Sache anging, besondere Bedeutung zu. Als weitblickend kann auch die Orientierung nach Heldrungen bezeichnet werden. Dort saß der verhasste Graf Ernst von Mansfeld in seiner scheinbar unbezwingbaren Festung und stellte einen dauernden Gefahrenherd dar24. Die Größenverhältnisse stimmen auch mit der Absicht überein, Hessen einnehmen zu wollen. Dazu strebte Müntzer ein Bündnis von Bauern und Städtern an, spielt doch Mühlhausen in seiner Aussage die zentrale Rolle, das Aufstandszentrum schlechthin, und stützte Müntzer sich in der Praxis doch auf die Unterschichten und vor allem auf die Bauern. Ein überaus ambitionierter Plan, wenn man das angestrebte Größenverhältnis des „Müntzerreiches“, das flächendeckend und zusammenhängend gedacht war, mit dem vieler Grafschaften und Fürstentümern der Zeit vergleicht. Aus den Karten Mitteldeutschland um 1520 in: Jonscher, Reinhard, Der Bauernkrieg in Thüringen, Ausstellungsbegleiter, Mühlhäuser Museen 2003 (künftig abgekürzt als Jonscher, Bauernkrieg in Thüringen), Rückseiten-Klappe und Thüringen um 1540 in: Held, Wieland, Zwischen Marktplatz und Anger, Weimar 1988, Vorder-Klappe, lässt sich ersehen, dass dem Müntzerreich unzählige Grafschaften und kleinere Herrschaften zum Opfer gefallen wären und es selbst eine vergleichbar unerhörte Ausdehnung erlangt hätte. Auch Manfred Bensing, Thüringer Aufstand, S. 107-108 spricht von einem Aufstandsplan Müntzers.

Aufmarschbasen, die Rückzugsorte des Feindes, galt es zu zerstören. Genau das war Heldrungen: eine Aufmarschbasis der Fürsten. Graf Ernst von Mansfeld saß dort und sammelte an Mannschaft, was er bekommen konnte25. Herzog Georg von Sachsen ließ seine Untertanen bei Heldrungen sammeln und rückte selbst von Leipzig mit Verstärkung heran26, wo er am 14. Mai mit seinem Heer auch eintraf. Von Anfang an hatte sich Müntzer Heldrungen auf die Fahne geschrieben27. Heldrungen war für ihn das Nest des Adlers, das angegangen werden musste28. Einen Hehl wird Müntzer nie daraus gemacht haben, denn offensichtlich war es allgemein bekannt, dass Müntzers Stoßrichtung Heldrungen galt29. Festungen wie Heldrungen mussten fallen, solange sie relativ schwach waren. Das konnte nur zu Beginn des Aufstandes sein30, hatten doch die Fürsten so nur wenig Zeit, Truppen zusammenzuziehen und die Festung zur Verteidigung zu rüsten. Mit dem eroberten Geschütz31 wären die Bauern in die Lage versetzt worden, weitere Festungen zu erstürmen32, während die Fürsten gleichzeitig in ihrer Verteidigungssubstanz und ihrer Möglichkeit zum Angriff, besonders auf befestigte Städte wie Mühlhausen, beträchtlich geschwächt worden wären.

Dabei darf aber nicht vergessen werden, welche limitierenden Faktoren die Tatsache mit sich brachte, dass die Aufständischen Bauern waren. Zwar war es durchaus üblich, dass Bauern Waffen trugen33, Wichtigkeit Heldrungens heraus, wenn er schreibt: „ Da aber an Heldrungen viel gelegen , „sonderlich das dy baurn darinnen ein merglich und gros geschutz bequemen[...]“.

militärisch geübt und ausgebildet waren sie aber nicht. Damit ist nicht so stark der Umgang mit der Waffe selbst gemeint, als viel mehr das militärisch geordnete Verhalten im Verband. Sie verfügten über keine Reiterei34, was den Bewegungsradius und die Möglichkeit schneller Manöver stark einengte. Unlösbare Probleme aber bereiteten die Mentalität der Bauern und die daraus resultierende Disziplinlosigkeit. Meist reichten die Forderungen der Bauern nicht viel weiter, als die althergebrachten Rechte wiederherzustellen35. Wurden dahingehend nur vage Zusagen gemacht, waren die Bauern schnell zufrieden und gingen gutgläubig nach Hause36. Wie sollte es auch anders sein? Seit Jahrhunderten waren sie Gehorsam gegenüber der von Gott eingesetzten Obrigkeit gewohnt.

Die Härte, mit der Müntzer gegen die Obrigkeit vorging, mochte zwar viele beeindrucken37, andererseits waren nur wenige bereit, einen solch radikalen Kurs zu verfolgen. Sie ließen sich zwar von Müntzer entflammen, folgten dann aber dem gemäßigteren Heinrich Pfeiffer, der, aus Mühlhausen stammend38, ihren Lokalinteressen besser Rechnung trug. Was bedeutete es schon für einen Bauer aus der Nähe von Mühlhausen, ob die Festung Heldrungen 60 km östlich gefallen war oder nicht? Für ihn war von Interesse, dass die Obrigkeit vor Ort gestraft und zu Zugeständnissen gezwungen wurde. Der gemeine Mann, besonders aber die Mühlhäuser selber, sprachen weniger dem „zugelaufenen“ Thomas Müntzer als vielmehr Heinrich Pfeiffer zu, der konkreter und bodenständiger schien, und mit dem sie sich nicht so weit aus dem Fenster lehnten39. Zum ersten Mal musste das Müntzer ganz klar geworden sein, als der Haufen mit Heinrich Pfeiffer an der Spitze dem spontanen Hilfsgesuch vom Eichsfeld mit überwiegender Mehrheit folgte40 und damit gegen das bereits von Müntzer gegebene Hilfsversprechen für Frankenhausen verstieß41. Die großen Zusammenhänge waren dem einfachen Bauern schwer beizubringen und für einen überregionalen Aufstand war er, auch für Müntzer, kaum zu gewinnen. Und da war neben der fehlenden Aufruhr- und Umwälzungsmentalität die zweite Unlösbarkeit: die militärische Disziplinlosigkeit. Die Bauern waren ihren Feldern verpflichtet - auch im nächsten Jahr mussten die Aufständischen essen. Die Aufgaben auf dem Hof verlangten eine beinahe lückenlose Anwesenheit des Bauern. Große Aktionen waren daher kaum durchzuführen, schon gar nicht in weiter entfernten Gegenden und über längere Zeiträume. Die Gebundenheit der Bauern an ihre Höfe trug schon in sich den Kern der lokalen Beschränkung, waren sie doch das Rückgrat der Erhebung. Viele Bauern kamen und gingen vom Haufen, wie es ihnen passte. Es war kaum möglich, feste Strukturen und militärische Ordnung zu schaffen42. Um so höher müssen die Versuche Müntzers, die Aufstände zu koordinieren, zu verknüpfen und zügig gegen Schwerpunkte des Feindes - wie z.B. Heldrungen - vorzugehen, beurteilt werden. Die Zeit nämlich spielte gegen die Bauern - auf lange Sicht mussten sie unterliegen. Ihnen fehlte einfach die Organisation in Kampfverbände und auch die Möglichkeit dazu43. Daneben bereitete die Versorgung der Haufen große Schwierigkeiten. Die Möglichkeiten der Heimatgemeinden waren begrenzt, niemand auf die Versorgung so großer Heerhaufen vorbereitet44, Transporte von Ferne waren schwierig und nicht ungefährlich, die nähere Umgebung dagegen konnte einen Haufen von der Stärke mehrerer tausend Mann nur sehr kurze Zeit ernähren, die Zahl an Klöstern war beschränkt, und die Versorgungsmöglichkeit durch diese wurde durch unkontrollierte Plünderungen und Verwüstungen weiter beeinträchtigt45. Um so wichtiger war es, die ohnehin nur über kurze Zeit in großer Zahl einsetzbaren Bauernhaufen gleich am Anfang, solange die Versorgungslage für militärische Aktionen gesichert und die Bauern stark waren, den Überraschungseffekt nutzend, gegen die noch ungerüsteten und gelähmten Fürsten zu führen, die Nervenzentren zu zerstören und spätere Widerstandsnester erst gar nicht zu ermöglichen. Kurz gesagt: Der entscheidende Schlag musste in den ersten Tagen geführt und der Gegner damit quasi enthauptet werden. Jeder Tag Versäumnis würde mit Blut teuer bezahlt werden müssen.

Aber Müntzers Drängen, nach Heldrungen zu ziehen, stand Pfeiffers Entschluss, aufs Eichsfeld zu ziehen, dort die Familien der Aufständischen zu schützen und die Adligen zu strafen46, entgegen. Militärisch gesehen war der Eichsfeldzug eine Katastrophe, denn die verlorene Zeit war kaum wieder wett zu machen und mit dem erfolglosen Abzug von Rostenberg47, dem Rückzugshort der Adligen48, war die wichtigste Festung nicht gefallen. Das aber wäre für einen nachhaltigen Erfolg der Bewegung nötig gewesen. Doch Pfeiffers zu kurz gedachte Aktionen waren für den einfachen Aufständischen plausibler und auch attraktiver als Müntzers abstrakte, schwer vorstellbare Gedankengebäude, die eine Neuordnung der Gesellschaft bedeutet hätten, welche im Kopf der einfachen Bauern keinen fruchtbaren Boden fand. Sie war schlichtweg nicht vorstellbar.

Was Müntzer vielleicht ganz unbewusst, aber doch sicher nach Frankenhausen und Heldrungen zog, war die Vertrautheit mit diesem Gebiet, die Nähe zu seinem Geburtsort Stolberg und zu Allstedt, wo er mehr als ein Jahr Pfarrer gewesen war49. Es war die Heimat, in der er hoffen konnte, besser verstanden zu werden und willige Anhänger zu finden.50 Große Hoffnungen legte er dabei auf die Mansfelder Bergknappen51. Der Enttäuschung von Seiten der Mühlhäuser vor Ebeleben folgte alsbald die nächste. Nachdem sich der Haufen verlaufen hatte, Müntzer und Pfeiffer spätestens am 7. Mai wieder in Mühlhausen waren52, setzte Müntzers Werben für den Zug nach Frankenhausen ein53 Offensichtlich ist es darüber zu Protesten größeren Stils gekommen, hinter denen letztlich wohl Heinrich Pfeiffer steckte54. Müntzers Entschluss, nach Frankenhausen zu ziehen, dürfte das nur verstärkt haben. Wenn Walter Elliger Müntzer jede Qualifikation eines militärischen Führers abspricht55, dies damit begründet, dass Müntzer den Schmalkaldenern, die zu Eisenach lagen, am 7. Mai Hilfe zusagte, sie aber auf etwas später vertröstete56, so ist diese Behauptung meiner Einschätzung nach nicht tragbar. Mit Sicherheit war Müntzer, wie Walter Elliger darlegt, in hohem Maße von göttlichem Sendungsbewusstsein bestimmt und betrachtete daher nicht alles nüchtern strategisch, logisch, sondern auch kaum Mögliches durch die Hilfe Gottes, auf die er fest baute, als zu seinen Gunsten verschoben. Aber was hätte er dem zu Eisenach liegenden Haufen denn schreiben sollen? Dass sie nicht auf seine Hilfe zählen konnten, trotzdem ausharren, oder besser auf die Gnade der Fürsten setzen sollten? Mit Sicherheit hat Müntzer sein Hilfsversprechen ernst gemeint57. Trotzdem, oder vielmehr gerade deshalb musste er zunächst nach Frankenhausen ziehen. Die Enttäuschung durch die Mühlhäuser Anhängerschaft saß gewiss tief. Mit einem militärischen Sieg in Frankenhausen hätte er, so könnte er gehofft haben, das Blatt wenden können. Wie groß wäre der Zug gewesen, den er von Mühlhausen aus nach Eisenach hätte führen können? Ganz nüchtern betrachtet waren es nicht nur ideologischer Eifer, festgefahrene Hartnäckigkeit ob des gegebenen Versprechens oder fehlende Flexibilität, die ihn nach Frankenhausen drängten. Es war vielmehr der letzte Funke Hoffnung, der in Frankenhausen glomm. Nur wenn er diesen schürte, daraus ein Feuer entfachte, konnte die Aufstandsbewegung noch eine Chance haben. Mit den wenigen treuen Anhängern, die ihm um Mühlhausen geblieben waren, konnte er nicht ernsthaft davon ausgehen, den Rest des Werrahaufens vor Eisenach zu retten. Nein - erst musste er einen Sieg erfechten, die Fürsten bei Heldrungen strafen und dadurch den nötigen Rückhalt gewinnen. Wie ein Fanal musste ein Sieg auf die zögernden Bauern wirken. Diesen Sieg brauchte er. Einzig der Haufen zu Frankenhausen, den in seiner Heimat zum Sieg zu führen er Gewissheit trug, schien über die nötige Stärke zu verfügen. Dann würde er, vielfach stärker, den Eisenachern zu Hilfe eilen und es war die Zuversicht aus dem Glauben, dass er im Auftrag Gottes handle, die ihn weiter trieb58. Vielleicht ist in dieser Richtung auch das Ausschreiben Mai ein Entwurf für einen Antrag an die Viertel zu Mühlhausen, AGBM II, Nr.1389 ausgearbeitet, sowie am 9. Mai ein Ausschreiben, AGBM II, Nr. 1394 verfasst.

Mühlhausens vom 9. Mai 152559 zu verstehen, wenn es heißt : „Es ist uns hoch von nöten, das ihr [...] mit al eur manschaft aufs beltest zu uns komet, auf das aldo aus euch die geschickesten gelesen und gemustert und die andere manschaft doheime bleibe [...]“.

Nur die Geschicktesten also sollten den Zug nach Frankenhausen bilden. Der Rest sollte zu Hause bleiben und sich um die anfallenden Arbeiten kümmern. Damit trat Müntzer Folgeproblemen eines großen Aufgebots gleich zu Anfang entgegen. Außerdem dürfte die Auswahl auch ein Ausdruck des geschwundenen Vertrauens in die Mühlhäuser sein, was die Passage aus dem Brief an die Schmalkaldener vor Eisenach60 zu erhärten scheint: „[...] alleine das ir eine kurze zeyt gedult traget mit unsern bruedern, dye zu mustern wir uber die massen zu schaffen haben, dann es viel ein grober volk ist [...]“. Mit der Musterung und der Beschränkung auf die Geschicktesten wird der Zug im Voraus von „Ballast“ befreit, denn kleiner ist übersichtlicher, besser zu handhaben, deshalb auch besser bei Laune zu halten und nicht zuletzt einfacher zu ernähren. Der Kontinuität des Aufgebotes wird in diesem Fall Vorrang vor der Zahl gegeben, was auch einen gewissen Weitblick Müntzers erforderte.

Und an dieser Stelle schließt sich der Kreis, denn mit Sicherheit sah Müntzer in seinem Zug nach Frankenhausen eine Parallele zu Gideons Zug61. Auch Gideon hatte unter vielen Tausend zuletzt nur eine kleine Auswahl zum Sieg über den weit überlegenen Feind geführt62. Hervorragend passen sich Müntzers Unterschriften „mit dem Schwerte Gideons“63 in dieses Bild ein. Und sollte es nur Zufall sein, dass Müntzer wie einst Gideon mit nur 300 Mann an seiner Seite64 im Auftrag Gottes aufbrach65 ? verhandeln. Müntzer sah die Gefahr, dass der letzte Machtfaktor der Aufständischen - Frankenhausen - im Untergang begriffen war also durchaus klar. Nur schneller Zuzug in eigener Person konnte das verhindern. Ebenso sieht es Walter Elliger, Leben und Werk, S. 730, wenn er schreibt: „er [Müntzer] hatte doch wohl ernsthafte Sorge zu spät zu kommen, um eine Niederwerfung oder Selbstauflösung des dort versammelten Haufens noch verhindern zu können.“ Somit konnte er aber den vor Eisenach liegenden Schmalkaldener im Moment nicht mehr als die Zusage geben, so schnell wie möglich zu Hilfe zu kommen und versuchen, sie zum Durchhalten bis dahin zu bewegen. Ein Feldherr hätte in Müntzers Lage kaum anders handeln können.

[...]


1 Diese Zahl ist nach den Berichten als Untergrenze anzunehmen. Vgl. Fuchs, Walther Peter, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland, Band II, Jena 1942, (künftig abgekürzt als AGBM II), Nr. 1469, S. 305: „ […] in die 6000 dot bliben [...]“ und Nr. 1474, S. 309: „[...] uber 5000 pauern erstochen [...]“ ebenso Nr. 1487, S. 319 „[...] begraben lassen, der man in die 5000 algereit befunden [...]“ sowie Nr. 1495, S. 325: „[…] bis in 5500 erstoechen [...]“;

2 Vgl. Ebert, Klaus, Thomas Müntzer - Von Eigensinn und Widerspruch, Frankfurt am Main 1987 (künftig abgekürzt als Ebert, Von Eigensinn), S. 214: „Der Mühlhäuser Haufen unterscheidet sich [...] grundsätzlich von anderen Gruppierungen. Er versteht sich als eine Heerschar, die das Reich Gottes auf Erden errichten will.“ In gleichem Maße traf das auf den Frankenhäuser Haufen nach der Übernahme durch Thomas Müntzer zu.

3 So schreibt z.B. Hans Zeiß, der Schosser von Allstedt am 7. Mai, AGBM II, Nr. 1354, S. 229: „[…] E.Cf.G. wolten gutlich mit in [den Frankenhäusern] handeln lassen. Aber der von Molhaußen rott ist gants geferlich [...]“. Interessant, dass sich der Schosser von Allstedt weniger vor dem keine 20 Kilometer entfernten (für alle Entfernungsangaben siehe Anhang S. 36) Frankenhäuser Haufen fürchtet, als vor dem rund 70 Kilometer entfernten Mühlhäuser Haufen mit Thomas Müntzer! In Sachen Müntzer scheint Hans Zeiß ein gutes Gespür gehabt zu haben, warnte er doch schon am 20. Juli 1524, also beinahe ein Jahr vor dem Ausbruch des Aufstandes in einem Brief, AGBM II, Nr. 1125b, S. 941: „[...] das von grossen noten sei, das magister Thomas verhort werde, [...] von grossen noten, das es forderlich und bald geschee, [...] dan geschichts nicht, [...] ist zu besorgen, das sich das volk mit haufen zusamen wirt werfen, wie er dan offentlich propheceit. Das wird placken und rauben und ein solicher unlust in dieser art werden, dovon nie gehort.“

4 Ob die Fürsten von Anfang an der Meinung waren, Müntzer wäre die Wurzel allen Übels, oder die Schuld eher bei der Freien Reichsstadt Mühlhausen als Unruheherd suchten, lässt sich nunmehr schwer beurteilen. Zu Beginn des Thüringer Aufstandes war Müntzer ja so etwas wie ein Synonym für den Aufstand in Mühlhausen und andersherum. Mühlhausen als stark befestigte Stadt war der Ausgangspunkt für alle Operationen der Aufständischen. Kein Wunder also, dass die Fürsten die Brutstätte des Aufruhrs austrocknen und dazu vor Mühlhausen zusammentreffen wollten. Tham von Herda, AGBM II, Nr. 697, S. 470, berichtet am 11. Mai 1525, dass Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Heinrich von Braunschweig „[…] mit ale irm gezig gen Ysenach inkomen und den nesten nach Mylhusen, da di burn stark leigen, zigen; da sal herzig Yerg und herzig Hans von Sachsen zu in kom mit irm zig;“ Bis Samstag, den 13. Mai 1525 waren in Erfurt keine neueren Angaben zu erhalten. Zwei Bürger aus Frankenhausen, von Müntzer mit einem Hilfsgesuch nach Erfurt geschickt, schreiben nach Frankenhausen, AGBM II, Nr. 1437, S. 282: „Ich bin auch weiter bericht, das herzog Jorge [...] sich mit einen zuge sambt dem lengkgrefen und weiterne anhange vor Molhusen zu legern.“ Nur der Auszug Müntzers aus Mühlhausen kann Philipp von Hessen zur Änderung der Marschroute veranlasst haben. Hätte Philipp den wirklichen Gegner in Mühlhausen gesehen,

5 Herzog Georg, von Osten her anrückend, traf nach Gess, Felician (Hrsg.), Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen, Band II, Nachdruck der Ausgabe Leipzig, Berlin 1917, Köln/Wien 1985 (künftig abgekürzt als Gess II), Nr. 980, S. 227, mit seinem Heer erst am 14. Mai in Heldrungen ein, wobei sich noch 3 Fähnlein auf dem Marsch befinden und, wie Herzog Georg hofft, bis 5 Uhr früh des 15. Mai vor Heldrungen eintreffen sollen. Ein Treffen der Fürsten in der Mitte, vor Frankenhausen, konnte rund 2 Tage früher stattfinden, als wenn Herzog Georg den Weg nach Mühlhausen zu dem dort wartenden Heer Landgraf Philipps gestoßen wäre. Nicht vergessen werden darf, dass Herzog Georg am Frankenhäuser Haufen vorbei nach Mühlhausen hätte marschieren müssen, den Feind als zunächst in der Flanke, danach im Rücken gehabt hätte, was für jeden taktisch und strategisch denkenden Feldherr eine äußerst unangenehme und zu vermeidende Lage darstellt. Landgraf Philipp dagegen hatte von dem aufgelösten Mühlhäuser Haufen weniger zu befürchten und konnte davon ausgehen, dass die Mühlhäuser selbst, besonders ohne Müntzer, vor allem auf Verteidigung aus sein würden.

6 Das Schreiben ist nicht erhalten. Müntzers Antwort darauf findet sich abgedruckt bei Böhmer, Heinrich und Kirn, Paul (Hrsg.), Thomas Müntzers Briefwechsel auf Grund der Handschriften und ältesten Vorlagen, Leipzig/Berlin 1931 (künftig abgekürzt als Böhmer-Kirn, Briefwechsel), Nr. 77, S. 112-113.

7 AGBM II, Nr. 1365, S. 235-236.

8 Luftlinie; für Entfernungsangaben siehe Anhang S. 36.

9 Der Druck der Gottesdienstordnung Müntzers und dessen Veränderungen am Gottesdienst selbst, stellten einen Verstoß gegen das Wormser Edikt dar, so dass Graf Ernst von Mansfeld seinen Untertanen bei Strafe verbot, den Gottesdienst im benachbarten Allstedt zu besuchen, wo Müntzer die Pfarrerstelle innehatte; Ebert, Von Eigensinn, S. 124.

10 In seinem Bekenntnis, Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Anhang Nr. 8, S. 163 antwortet Müntzer auf die Frage, weshalb er den Grafen Ernst zu Mansfeld beschädigt hätte : „sey dorumb gescheen, dan sich dye underthan beclagt, das in das wort gottes nit geprediget, were auch verpotenund hett nit wollen nachgelassen werden dorzu zu gehen.“

11 Müntzers persönlicher Hass und seine Verachtung gegenüber Graf Ernst von Mansfeld kommen beide in seinem Brief an den Grafen vom 12. Mai 1525, Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 88, S. 122-123, deutlich zum Ausdruck. Müntzer gebraucht gegenüber dem Grafen in offenem Angriff gegen die weltliche Obrigkeit, der seinesgleichen sucht, ganz ungeheuerliche Worte, wenn er ihn mit „du elender dorftiger madensack“ anspricht, von ihm fordert „und solt dich auch entschuldigen deyner uffenbarlichen tyranney“, feststellt „Es will keyne scham in dich“, weissagt „Wirstu dich nicht demutigen vor den cleynen, so [...] wirst des teufels marterer werden“, feststellt „got hatz geheissen, dich von dem stull mit gewalt uns gegeben zu stossen; dann du bist der christenheit nichts nutze, du bist ein schadlicher staubbessem der freunde gottis“ und die Konsequenzen zieht „dein nest muß zerrischen und zerschmettert werden“.

12 Ebert, Von Eigensinn, S. 210.

13 Bensing, Thüringer Aufstand, S. 193. Gess II, Nr. 961, S. 208: „So seynt auch der Hauf aus Mulhaussen auch von eynander, und seynt itzt zur zeyt dys orts keyn hauf mer beyeynander, dann der zu Frangkenhaussen [...]“.

14 AGBM II, Nr. 1354, S. 228. Der Allstedter Schosser Hans Zeiß berichtet am 7. Mai: „Des haufens von Molhaußen solln ungeverlich bei 15 000 sein. Dieselbe sein achtag ufm Eysfelt umbgezogen [...]“.

15 Laut Walter Elliger, Thomas Müntzer - Leben und Werk, Göttingen 1975 (künftig abgekürzt als Elliger, Leben und Werk), S. 747 hatte sich der Mühlhäuser Haufen bis zum 7. Mai bei Worbis, aufgelöst. Einen Überblick über die Züge des Mühlhäuser und Thüringer Haufens bietet Bensing, Thüringer Aufstand, S. 116.

16 Die Aufstandszentren zerschlägt Philipp von Hessen nach einander. Bis zum 29. April 1525 ist, nach Franz, Günther (Hrsg.), Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland, Band I, zweite Abteilung, Leipzig/Berlin 1934 (künftig abgekürzt als AGBM I), Nr. 494, S. 363, Hersfeld in des Landgrafen Hand. Philipp sieht die Gefahr dass die Bauern bei Fulda, „bis in die 7000 oder 8000 stark“, bei Schmalkalden und im Gerstigau „alle drei [...] in einem tage zusamen konnen komen“, was ihn zum Handeln zwingt. Laut AGBM I, Nr. 609, S. 415, fiel das nächste Aufstandszentrum, Fulda, am 3. Mai in Philipps Hand. Doch liegen laut einem Bericht Philipps an den Schwäbischen Bund vom 6. Mai, AGBM I, Nr. 632, S. 437, immer noch 20000 Bauern vor Schmalkalden. Auch wenn die Zahl sicher übertrieben ist, erhofft sich doch Philipp 500 Reiter auf Bundeskosten halten zu dürfen und zeichnet dazu seine Lage besonders düster, scheint der Werrahaufen eine beachtliche Größe gehabt zu haben. So spricht auch Philipp von Solms, AGBM I, Nr. 619, S. 424, von 18000 Bauern. Davon kamen gerade einmal 2000 Mann vor Eisenach an, AGBM I, Nr. 646, S. 444, die nach Bensing, Thüringer Aufstand, S. 100, wohl den Kontakt zum Mühlhäuser und Thüringer Haufen suchten und eine überregionale Aufstandsbewegung unterstützten. Der Rest des Haufens hatte sich verlaufen. Nachdem Hans Sippel, der Hauptmann des Haufens bei Eisenach gefangengenommen und hingerichtet worden war, verlief sich der führerlose Rest des Werrahaufens (Bensing, Thüringer Aufstand, S. 158).

17 Tham von Herda berichtet am 11. Mai, AGBM I, Nr. 697, S. 470, „Herzig Heinerig, [...] von Brunschwick [...] seint mit 800 wol gerister pferden bim lantgraufen; [...] So hat der lantgrauf auch [...] 600 pferd [...]“. Sie „werden diese nacht mit ale irm gezig gen Ysenach inkomen [...]“. Philipp von Hessen forderte, abgedruckt in ABGM I, Nr. 687, S. 462, vom Schultheissen von Eisenach für Donnerstag, den 11. Mai 1525 für 1500 bis 1600 Pferde Stallung zu bestellen.

18 Nach AGBM I, Nr. 695, S. 468, lag der Bildhäuser Haufen am 11. Mai in Mellrichstadt, welches mehr als 80 km Luftlinie im Süden von Mühlhausen liegt, hatte eigentlich vorgehabt, nach Würzburg zu ziehen und war nur auf die Nachricht, Philipp von Hessen wolle auf Meiningen ziehen, umgekehrt. Da Würzburg in entgegengesetzter Richtung zu Mühlhausen liegt, war eine Orientierung hin zu Müntzer ohnehin nie wahrscheinlich. Spätestens mit der Ankunft Landgraf Philipps von Hessen in Eisenach in der Nacht des 11. Mai 1525 (vgl. S. 15) aber waren gemeinsame Aktionen ausgeschlossen.

19 Peinlich befragt bekennt er im auf den 16. Mai 1525 datierten Bekenntnis, Böhmer-Kirn, Briefwechsel, S. 165, „Woe es ime recht gangen nach seynem synne [...] er wolle das land uff 10 meyl weges umb Molhawsen eyngenomen haben und das land zu Hessen und mit den fursten und herrn verfaren, wye oben angezeygt [bei Widerstand köpfen].“ Die Tragweite dieses Vorhabens wird erst deutlich, wenn man sich bewusst macht, dass eine Meile, von der Müntzer spricht ungefähr 9 Kilometer entspricht (siehe S. 36-37: Bestimmung der Länge einer Meile). Das entspräche einem Umkreis von ca. 90 km um Mühlhausen, von Jena im Osten bis über Kassel im Westen, von Fulda und Mellrichstadt in eher südlicher Richtung bis über Goslar im Norden hinaus, in die Nähe Salzgitters, Braunschweigs und Wolfenbüttels (Diercke Weltatlas, 1974, S. 14/15).

20 AGBM II, Nr. 1323, S. 203: „Es ist in [Mühlhäuser und Thüringer Haufen] auch entgegen, das die lose rott solch sturmen mit den clostern anfahen und iren eigen nutz suchen und nehmen. Denselben wird’s uf ir zukunft ubel gehen, hore ich sagen.“ In einem Brief vom 9. Mai an die Eisenacher, Böhmer-Kirn, Nr. 84 rügt Müntzer: „[...] soltet ir unser mitgesellen nit also untreulich beraubt haben, yren geldkasten und heuptmann ihnen entwant. [...] Warlich diese that [...] beweyset eure hinderlist.“ Aus der Gefangenschaft schreibt Müntzer am 17. Mai, 2 Tage nach der verlorenen Schlacht, an die Mühlhäuser, Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 94: „[... sie haben] mich nicht recht vorstanden, alleyne angesehen eygen nutz, der zum undergang gottlicher warheyt gelanget [...]“. Aus diesen beiden Passagen ist zu ersehen, dass Plünderung um der Bereicherung Willen nicht im Sinne Müntzers war, auch wenn er sich damit schwerlich durchsetzen konnte. Plündern war für ihn wohl legitim, solange es die Besitzungen der „Gottlosen“ betraf und die Aktionen vor allem der Versorgung dienten. Dass er dabei strategisch vorging, z. B. die Klöster auf dem Weg nach Heldrungen für den Marsch dorthin aufsparte, ist unwahrscheinlich (erwähnt doch das Ausschreiben in Mühlhausen, es wären fast alle Klöster und Schlösser auf dem Weg geplündert, AGBM II, Nr. 1394, S. 254), zumal es kaum in Müntzers Macht gestanden haben dürfte, Plünderungen über solch großen Ausdehnungen gezielt zu lenken. Mit Sicherheit gab es unzählige Plünderungen von Absplitterungen, Heran- oder Abziehender, oder einfach Plünderungen sehr lokal begrenzter Kurzaufstände, die sich Müntzers Kontrolle völlig entzogen (vgl. Anm. 46).

21 „Das große Ziel einer allgemeinen Erneuerung der Christenheit“ verfolgend, wie Elliger, Leben und Werk, S. 382, schreibt, hatte Müntzer mit Veränderung der Form des Gottesdienstes schon in Allstedt angefangen. Für Detailinformationen eignet sich Elliger, Leben und Werk, S. 250-338.

22 Dazu soll die Welt von allem, was der Christenheit Feind ist, gesäubert werden. Ganz klar legt Thomas Müntzer seine Erwartungen gegen Ende der Fürstenpredigt, in: Müntzer, Thomas, Die Fürstenpredigt, Neue Ed. / bearb. von Peter Fellenberg, Erfurt 1998, S. 51-52 dar, wenn er feststellt: „ Also ist auch das Schwert nötig, die Gottlosen zu vertilgen (Röm. 13, 4). Damit das nun aber redlicherweise [...] geschehe, sollen das [...] die Fürsten [...] tun [...]. Wenn sie das aber nicht tun, wird ihnen das Schwert genommen werden (Dan. 7, 27). [...] Denn die Gottlosen haben kein Recht zu leben, nur was ihnen die Auserwählten gönnen wollen [...].“ Dabei sind die Gegner nicht alleine Heiden, sondern besonders auch die „faulen und nachlässigen Diener“ der Kirche, die das Urchristentum nicht richtig bewahrt, stattdessen das Ihre gesucht und damit den „Schaden der Gottlosen - das ist das Unkraut - kräftig einreißen lassen“ hätten (ebd., S. 28-29).

23 Die Fürsten verweigerten sich Müntzers Aufforderung aus der „Fürstenpredigt“ vom 13. Juli 1524 zur aktiven Vertilgung der Feinde der Christen (welche alle waren, die nicht mit Müntzers Auffassung übereinstimmten), welche den Bruch des „Ewigen Landfriedens“ von 1495 und Feinde an allen Fronten bedeutet hätte. Müntzer dagegen war klar geworden, dass er seinen Kampf nicht allein ohne, sondern gegen die Fürsten würde ausfechten müssen. Als Beispiel dieser Erkenntnis sei hier eine Passage aus dem Manifest an die Bergknappen, Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 75, S. 111, angeführt: „Es ist nit mugelich, weyl sie leben, das ir der menschlichen forcht soltet lehr werden. Mann kann euch von gotte nit sagen, dieweyl sie uber euch regiren. Dran, dran, weyl ir tag habt, gott gehet euch vor, volget, volget!“

24 In einem Brief vom 6. Mai an Herzog Georg schreibt der Amtmann zu Herbsleben, AGBM II, Nr. 1333, S. 210: „whu E.F.G. [Herzog Georg] ein einik geschicktes volk zustund, an hieher gegen Heldrungen schickten, wollten wir [...] den leuten etwas forcht einpilden, dadurch [...] das lant diss orts zu Doringen gentzlichen E.F.G. nicht widersetzik werden mochten [...]“. Von Seiten der Fürsten und des Adels wird also ganz bewusst auf die festen Plätze, die Felsen in der Brandung gesetzt, von denen aus sie die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen wollen, um sie letztlich wieder untertan machen zu können. Andere Äußerungen über Heldrungen bestätigen diese Ansicht. So schreibt Graf Ernst von Mansfeld, Gess II, Nr. 905, S. 160, am 3. Mai an Herzog Georg: „[...] „[...] keyn Heldrungen eygener person und aufs forderlichst“ kommen, wo E.F.G. sicher sind [...] „[...] welchs dann mytten im land gelegen“, [und von wo] E.F.G. die Ungehorsamen unterwerfen k ö nnen .“ Auch in seinem Schreiben vom 6. Mai, Gess II, Nr. 940, S. 191, streicht Graf Ernst von Mansfeld noch einmal die

25 Die Frankenhäuser äußern sich in ihrem Hilfsgesuch vom 7. Mai an die christlichen Brüder zu Mühlhausen, AGBM II, Nr. 1365, S. 235, sehr besorgt: „[...] das wir ufs hoechste beschwert mit der sterke und gewalt des reisigen gezeuges und anderer krigischen sachen, so der tyrann zu Heldrungen [Graf Ernst von Mansfeld] [...] uns [...] zu vertilgen [...] bisher understanden [...]“. Vgl. auch Elliger, Leben und Werk, S. 747, wonach die feste Burg und die entschlossene Kampfbereitschaft des Grafen die Adligen zum Durchhalten bewegte, gleichzeitig aber die Bewegungsfreiheit des Frankenhäuser Haufens einengte.

26 AGBM II, Nr. 1308, S. 192: „[...] allen unseren getrauen undertanen unseres teils zu Doringen [...] gebotten, das si [...] zu Heldrungen sullen einkommen [...] Sint wir willens, in korz mit eigner perschon auch des ortzs aufs sterks zu kommen. [...] Datum Lipzk dornstag [4. Mai]

27 Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 77: „ Sagen wir euch nit alleine solchen kleynen haufen euch zuzuschicken, sundern vil mehr alle alle, so vil unser, wollen zu euch kommen zu eynem durchzog uberall thun und ym itzygen wege uns zu euch vorfugen wyllens seyn.“ Das war am 29. April 1525 im Lager bei Görmar vor Mühlhausen.

28 Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 83. An den Rat von Sondershausen schreibt Müntzer: „Yhr müsset auf seyn, wan wyr hyn nidern zyhn. Wyr müssen das nest der adeler, wie Abdias sagt, angryffen.“ Dabei wird Müntzers Intention ganz deutlich, die Wurzel des Übels auszureißen.

29 Bereits am 5. Mai 1525 schreibt der Schosser von Allstedt, Hans Zeiß, AGBM II, Nr. 1323, S. 202: „[... die Mühlhäsuer werden] stracks uf Franckenhausen zuziehen. Da ligen ir 5000 [...]. Die warten auf den gewaltigen haufen, der ist bei hundert tausend, und die werden [...] mit macht fur das schlos Heldrungen rucken und sich da lagern und die gewaltigen demutigen.“ Zwei Tage später schreibt er, AGBM II, Nr. 1354: „[...] ligen doselbst [bei Frankenhausen] uber die 6000 man, die sich mit dem haufen der von Molhaußen verbunden, und die sage gehet, das sie alle stunde willens, sich fur das schlos Heldrungen zu lagern.“ Schon am 5. Mai vermutet Graf Ernst von Mansfeld, Gess II, Nr. 924, dass „dye, so auf dem Eysfeld lygen, [...] villeycht herabzyhen“, und am 6. Mai schreibt er, Gess II, Nr. 939, S. 188: „[...] es solten sych das vorsammelte volk alsdan, wye auch das geruchte gehet, fur mich legern [...]“.

30 Am 12. Mai schildert Graf Ernst von Mansfeld in einem Brief an Herzog Georg, Gess II, Nr. 978, S. 221, dass er Anfang Mai „nit uber 30 werhaftiger, doruf ich mich zu verlassen, bey mir gehapt.“ Am 5. Mai 1525, Gess II, Nr. 924, S. 175 bittet Graf Ernst von Mansfeld Herzog Georg um „zum wenigsten eyn fenleyn knecht“ und am 6. Mai schreibt er, Gess II, Nr. 939,

S. 189: „ [...] bitte ich nochmals, mir schleunigst Reiter und Fu ß volk zu senden „Wenn sulchs geschyt, kann man das haus besezen [...]“, wenn nicht, so ist dies bei unserer geringen Zahl unm ö glich .“

31 In Gess II, Nr. 940, S. 191 äußert Graf Ernst von Mansfeld seine Besorgnis darüber, dass den Bauern, sollten sie Heldrungen erobern, „ein merglich und gros geschutz“ in die Hände fiele (vgl. Anm. 26).

32 Wenn sie genügend Pulver, Kanonenkugeln und vor allem ausreichend Bedienungsmannschaft hätten auftreiben können. Denn wie Reinhard Jonscher, Bauernkrieg in Thüringen, S. 107 schreibt, waren die Geschützmeister zu diesem Zeitpunkt „hochqualifizierte, gesuchte und vor allem gut bezahlte Spezialisten des Militärwesens“. Es ist einer der Gründe, die ein Bündnis mit den Städtern zu entscheidender Bedeutung emporhoben, war doch die Artillerie, nach Alfred Meusel, Thomas Müntzer und seine Zeit, Berlin 1952 (künftig abgekürzt als Meusel, Müntzers Zeit), S. 123 „von gebildeten Bürgern konstruiert, in städtischen Manufakturen produziert und von bürgerlichen Geschützmeistern bedient, zur eigentlich bürgerlichen Waffe“ geworden.

33 So heißt es in AGBM II, Nr.1945, S. 733: „An den ortern, do die leut aufrurisch gewest. Sollen den, zudem, das inen zuvorn barten und axsen zugelassen, einem yeden ein lang messer [...] zugelassen werden.“

34 Dieser Tatsache lag Reinhard Jonscher, Bauernkrieg in Thüringen, S. 108 folgend der ideologische Gedanke der Gleichheit unter den Aufständischen zu Grunde. Auf einem Pferd zu sitzen hätte bedeutet, sich über seine Mitmenschen zu erheben. Es war ein Symbol der alten Herrschaft - und musste weg. Nicht einmal die beigetretenen Fürsten, Grafen oder Edelmänner durften zu Pferde in die Schlacht reiten. Dabei wäre eine geübte Reiterei ein unersetzbarer Gewinn für jeden Bauernhaufen gewesen. Stattdessen mussten sich die Adligen der Demütigung aussetzen, zu Fuß mit den Bauern zu ziehen. So schreibt auch Hans Zeiß, AGBM II, Nr. 1323, S. 202: „ [...] er muß zu fuß zu in dretten und sich gleich dem geringsten lassen demutigen, uf gleicher erden stehen, kein furst mere zu heissen [...]“. Vgl. auch Ebert, Von Eigensinn, S. 205.

35 Schon in den 12 Artikeln, abgedruckt in Jonscher, Bauernkrieg in Thüringen, S. 148-152, dem Hauptprogramm der Bauern finden sich mancherlei Anklänge. Nur zwei Beispiele sollen hier genannt werden. Ganz deutlich wird das im fünften Artikel, wenn gefordert wird, dass die Wälder, „was für Hölzer seien, [...] sollen einer ganzen Gemein wieder einheimfallen [...]“. Ebenso im sechsten Artikel, wo es heißt: „[...] ist unser hat Beschwerung der Dienst halben, wölche von Tag zu Tag gemehrt werden und täglich zunehmen. Begehren wir, [...]wie unser Eltern gedient haben [...]“. Vgl. auch Anhang, Besserem Verständnis, Die Lage der Bauern, S. 34-35.

36 Als Paradebeispiel sei hier der Vertrag von Weingarten, abgedruckt in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, Akademie der Wissenschaften der DDR (Hrsg.), Wien 1978, S. 35-40, genannt. Während die Bauern alle ihre Verbündnisse, sowie ihre Haufen selbst auflösen müssen, sich nach Hause begeben und treue Untertanen sein sollen mit Diensten wie zuvor, alle Beute und Errungenschaften zurückzugeben haben, des Weiteren schwören müssen, in Zukunft keinen Aufruhr mehr zu machen und Aufrührer der Obrigkeit anzuzeigen und helfen gefangen zu nehmen, bieten die Fürsten, im Falle dass die Bauern das alles sorgfältig einhalten, lokale Gerichtsbarkeit und die Möglichkeit, bei anfallenden Beschwerden einen „Ausschuss“ zu bilden, der zur Hälfte aus fürstlich erwählten, zur Hälfte aus bäuerlich erwählten Mitgliedern besteht und die Streitigkeiten beilegen soll. Zusätzlich sichern die Fürsten den am Aufruhr Beteiligten Straffreiheit zu. Mit diesem Vertrag gaben sich die Bauern, ungeachtet ihrer wesentlichen militärischen Vorteile, zurück in die Hand der Fürsten. Für das Zustandekommen des Vertrages und Einblicke in die Lage der Bauern und Fürsten, vgl. Hoyer, Siegfried, Das Militärwesen im deutschen Bauernkrieg 1524-26, Berlin 1975 (künftig abgekürzt als Hoyer, Militärwesen), S. 152-155.

37 Auch wenn der „nützliche Dialogus“ nur unter sehr kritischen Blicken als Quelle verwertet werden darf, muss man doch stets im Auge behalten, dass er zum dem Zweck verfasst wurde, die radikalen Anhänger der Reformation, insbesondere die Anhänger Müntzers, möglichst durch Überzeugung auf den gemäßigten Weg zurückzuführen und gehorsame Untertanen aus ihnen zu machen, erscheint er hier als geeigneter Beleg. Denn gerade das Faszinierende an Müntzer sollte angesprochen werden, wenn auch in einer nicht gerade würdigenden Weise, um es zu widerlegen. Aber wenn der Schwärmer, Fischer, Ludwig (Hrsg.), Die lutherischen Pamphlete gegen Thomas Müntzer, Tübingen 1976 (künftig abgekürzt als Fischer, Pamphlete), S. 84 mit „Er kunt gleichwol die Fursten und Herren hubsch schelten das doch sunst keiner nihe gethan hat“ und Fischer, Pamphlete, S. 91 „[...] ich hing darumb so fest an yhm / denn er sprach ein mal zu mir [...] Gott hett yhm befolhen / er solt die gantze Christenheit reformiren.“ Müntzers engagiertes und furchtloses Auftreten gegen die Obrigkeit - die weltliche Seite - sowie seinen festen Glauben, sein Sendungsbewusstsein, die Christenheit zu reformieren - die geistliche Seite - , anspricht, so trifft er damit sicher den Kern für Müntzers wachsende Anhängerschaft.

38 Bensing, Thüringer Aufstand, S. 265.

39 Anschaulich geschildert in Bensing, Thüringer Aufstand, S. 109.

40 Franz, Günther, Der deutsche Bauernkrieg 1525, Berlin 1926 (künftig abgekürzt als Franz, Bauernkrieg), S. 226. Zur Entscheidung zum Eichsfeldzug siehe auch Elliger, Leben und Werk, S. 709-713.

41 Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 77, S. 112-113: „ Sagen wir euch nit alleine solchen kleynen haufen euch zuzuschicken, sundern vil mehr alle alle, so vil unser, wollen zu euch kommen zu eynem durchzog uberall thun und ym itzygen wege uns zu euch vorfugen wyllens seyn.“ Das war am 29. April 1525 im Lager bei Görmar vor Mühlhausen.

42 Auf Schwierigkeiten der Organisation und die Überforderung der damit Betrauten lassen Aussagen aus späteren Verhören schließen. So sagt z.B. Caspar Leyße, AGBM II, Nr. 2047, S. 845: „[...] uf den mitwoch haben sie gemeine gehalten und noch 12 zu den vorigen zwolfen gekorn.“ Der Rat der Aufständischen wurde also kurzerhand verdoppelt. Loße Knoche, AGBM II, Nr. 2047, S. 845 berichtet: „[...] habe Ventura, der oberste heuptman, gesagt, das tun were ime zu vhil, er muste einen gesellen haben. Habe er Jost Wynter zu einem heuptman uber das rote fenlein gekorn.“ Im Ausschreiben der Gemeinde zu Mühlhausen, abgedruckt in AGBM II, Nr. 1394, S. 254, wird von den Bauern gefordert: „[...] mit al eur manschaft aufs beltest zu uns komet, auf das aldo aus euch die geschickesten gelesen und gemustert und die andere manschaft doheime bleibe [...]“. Zur Musterung schreibt Müntzer, Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 81: „[...] dye zu mustern wir uber die massen zu schaffen haben, dann es viel ein grober volk ist [...]“. Müntzer schränkt das Aufgebot also zahlenmäßig zu Gunsten besserer Kontrolle ein.

43 Selbst für Müntzers immer wieder propagierten Zug nach Heldrungen, einem Zug also, der für Müntzer oberste Priorität besaß, waren nur wenige Tage veranschlagt. Danach sollten die Bauern zurück nach Hause gehen dürfen, der Haufen sich also weitgehend auflösen. Das belegt das Ausschreiben der Gemeinde zu Mühlhausen vom 9. Mai 1525, AGBM II, Nr. 1394,

S. 254, wo es heißt: „Derhalben wolt euch nit seumen, zu uns zu komen, das wir unsern brudern zu Frankenhausen eilend zu hulf komen mochten. [...] Solcher euer dienst sal nicht lenger dan drei ader vier tage nach ernst der sachen begeret werden.“ Zu bedenken ist dabei, dass alleine der Marsch nach Frankenhausen, das ca. 50 km von Mühlhausen entfernt liegt mindestens einen ganzen Tag erfordert. Selbst wenn der Rückmarsch nicht mit eingerechnet wird, bleiben für die militärische Aktion bei Frankenhausen, gegen Heldrungen maximal 3 Tage.

44 Das Versorgungsproblem kommt auch in Gess II, Nr. 914, S. 167 zum Ausdruck, wenn berichtet wird, dass „die von Heiligestat das heer vor der stat gespiset, wiewol ine degelichen aus Mulhawsenn vitalien geschickt [worden sind]“. Offensichtlich war die Versorgung aus den Heimatgemeinden ungenügend, so dass die Gemeinden vor Ort mitversorgen mussten.

45 Berichte über spontane Klosterplünderungen gibt es genug, ein Beispiel sei mit Gess II, Nr. 924, S. 176, erwähnt. Auf die problematische Versorgungslage wird im Ausschreiben der Gemeinde zu Mühlhausen, AGBM II, Nr. 1394, S. 254, explizit hingewiesen, wenn den Bauern nahe gelegt wird: „Es ist uns hoch von nöten, das ihr [...] diejenigen, so zihen mussen, mit kost ader gelt vorsorget. Dieweil der merer teil der closter und offnen schlosser geplundert, ist zu besorgen, das uns speise gebrechen mochte.“

46 Franz, Bauernkrieg, S. 226: Auszug aus der Chronik von Mühlhausen: „Das sind etliche Eichsfelder [...] hervorgetreten und haben um Gottes willen gebeten, man wolle mit ihnen auf das Eichsfeld ziehen und sie zuvor vor der bösen Obrigkeit erretten, denn die Edelleute wären schon in Dingelstedt eingefallen und wollten alle armen Leute ermorden [...] denn ehe man wieder von Heldrungen käme, wären sie alle verloren.“

47 AGBM II, Nr. 1355: „Aber von Rostenberg hat er mussen abzihen.“

48 AGBM II, Nr. 1323, S.202: „Rostenborg, [...], darein die vom adel geflogen [...]“.

49 Ebert, Von Eigensinn, S. 104. Danach war Müntzer vom März 1523 bis zu seiner Flucht in der Nacht vom 7. auf den 8. August 1524 Pfarrer in Allstedt.

50 AGBM II, Nr. 1285, S. 178 macht Müntzers Einfluss in seinem früheren Wirkungsbereich Allstedt deutlich. Auf das Schreiben, das als Manifest an die Bergknappen bekannt geworden ist, abgedruckt in Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 75, meldet der Allstedter Schosser Hans Zeiß am 2. Mai: „[...] seint unser mitburger von uns abgewichen und gein Mholhaußen gelaufen, das unser nach ungeferlich bei 15 ader 20 noch vorhanden und anheim blieben.“ „[...] do doch bei 400 sein sollten [...]“, AGBM II, Nr. 1354, S. 229.

51 Ebert, Von Eigensinn, S. 216. An sie richtete er auch seinen aufrüttelnden Brief, das Manifest an die Bergknappen, BömerKirn, Briefwechsel, Nr. 75, der mit den Worten einleitet: „Wye lange slafft yr, [... ]“. Aus diesem Schreiben kann ersehen werden, dass Müntzer besonders auf die Berggesellen viel Wert legt, wenn er schreibt: „Reget an [...] sonderlich die bergkgesellen [...]“ und: „Lasset diesen brief den bergkgesellen werden.“

52 Am 7. Mai schrieb Müntzer in Mühlhausen bereits den Brief an die Schmalkaldener, Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 81.

53 Franz, Bauernkrieg, S. 227 gibt einen Teil der Chronik der Stadt Mühlhausen wieder; dort heißt es: „ [...] ließ er [Müntzer] die Trommel in der Stadt schlagen und ausrufen, wer mitziehen wolle, der solle sich rüsten.“ Des Weiteren wird vor dem 9.

54 Überzeugend legt das Walter Elliger, Leben und Werk, S. 724-725 auf Grund Müntzers Schreiben vom 8. Mai an den Rat von Mühlhausen, Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 82, dar. Dort schrieb Müntzer: „Der sathan hat uber dye masse vil zuthun; ehr wollte gerne den gemeynennnutz vorhyndern und thut das durch sein eygnen gefheß [Heinrich Pfeiffer], und es wehr sere von nothen, das solche aufrurysche leuthe erst ym heutigen cirkell vorgenommen und hoch bedrawet [...] das sye vom haufen ordenlich gestrafft sollen werden. Wan der Judas [Heinrich Pfeiffer] an den tag kumpt, ist ehr schon beschlossen.“

55 Elliger, Leben und Werk, S. 722-723.

56 Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 81: „Euch sey zu wissen, das wir mit allem vormogen und kreften euch zu hulfe und schirme kommen wollen. [...] alleine das ir eine kurze zeyt gedult traget [...].“

57 Das gesteht auch Walter Elliger, Leben und Werk, S. 723, zu.

58 Die Lage war verzweifelt. Von allen Seiten rückten die fürstlichen Heere an. In die Mühlhäuser hatte er das Vertrauen verloren. Landgraf Philipp von Hessen standen nur noch die wenigen Reste des Werrahaufens bei Eisenach gegenüber, die sich nach der Gefangennahem Hans Sippels ebenfalls schnell verliefen, Bensing, Thüringer Aufstand, S. 158. Um glaubwürdig zu bleiben und die verzagten Massen, für den Aufstand zurückzugewinnen, brauchte Müntzer dringend einen Sieg, einen bedeutenden Sieg. Den aber konnte er am ehesten vor Frankenhausen erringen. Nun aber musste Müntzer fürchten, dass dieser einzig verbliebene Haufen in Verhandlungen mit den Fürsten einwilligte. Das war schon lange seine Sorge gewesen, „das dye nerrischen menschen sich vorwilligen in einen falschen vortrag, darumb das sie den schaden nach nit erkennen“, Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 75, S. 110, und wie Walter Elliger, Leben und Werk, S. 749-750 untersucht, hatte der Frankenhäuser Haufen tatsächlich schon mit Graf Albrecht von Mansfeld Kontakt aufgenommen, um zu

59 AGBM II, Nr. 1394, S. 254.

60 Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 81.

61 Walter Elliger, Leben und Werk, S. 759, spricht von unmittelbarem „Mit- und Nacherleben des biblischen Geschehens“. Interessant ist auch die Situation, in der der Engel des Herrn Gideon vorfindet. Gideon zweifelt am Herrn, Richter 6, 13 u. 15: „ Ist der Herr mit uns, warum ist uns dann das alles widerfahren? Und wo sind alle seine Wunder, die unsere Väter erzählten [...]? Nun aber hat uns der Herr verstoßen und in die Hände der Midianiter gegeben.“ Gut vorstellbar scheint mir, dass Müntzer angesichts der Haltung der Mühlhäuser, zuerst auf das Eichsfeld zu ziehen und danach gar gegen den Zug nach Frankenhausen zu protestieren, wie Gideon von gewissen Zweifeln befallen worden war, in der alttestamentarischen Geschichte aber Trost und Zuversicht zurückgewonnen hatte.

62 Die Bibel, Evangelische Kirche in Deutschland (Hrsg.), Stuttgart 1985, Richter 7, 12-22.

63 Seinen Brief an die Eisenacher, Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 84, S. 119, vom 9. Mai 1525, also noch vor dem Aufbruch nach Frankenhausen, unterschreibt Müntzer bereits mit „Thomas Muntzer mit dem schwerthe Gydeonis“. Ebenso steht das drohende „Thomas Muntzer mit dem schwert Gedeonis“ unter den beiden Briefen vom 12. Mai 1525 zu Frankenhausen an die Grafen Ernst und Albrecht von Mansfeld, Böhmer-Kirn, Briefwechsel, Nr. 88 u. 89, geschrieben.

64 Die Histori Thome Muntzers, abgedruckt in Fischer, Pamphlete, S. 34 spricht von „drey hundert Buben von Mulhausen“, die mit Müntzer nach Frankenhausen zogen. Und in der Bibel, Richter 7, 7 heißt es: „Durch die dreihundert Mann [...] will ich euch erretten und die Midianiter in deine Hände geben“.

65 In wie weit all diese Gründe Müntzer tatsächlich bewegten und in welchem Maß sie letztendlich an dem Entschluss zum Zug nach Frankenhausen beteiligt waren, d.h. welches Gewicht Müntzer selbst den einzelnen Faktoren beimaß, wie deutlich er sie überhaupt wahrnahm, insbesondere die militärisch strategischen, und danach handelte, oder welchen Einfluss der Traum im Felde vor Duderstadt ausübte, den Müntzer als Sendung nach Osten auslegte, lässt sich heute kaum rekonstruieren. Fest steht jedoch, Müntzer zog nach Frankenhausen und es war nicht die spontane Entscheindung eines Augenblicks, sondern eine planvolle und zuletzt wahrscheinlich eine ohne Alternative unvermeidbare.

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Thomas Müntzer - mit dem schwerthe Gydeonis
Untertitel
Letzte Tage des Kampfes
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
47
Katalognummer
V163521
ISBN (eBook)
9783640780273
Dateigröße
638 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Genaue Aufarbeitung der Ereignisgeschichte rund um die Schlacht bei Frankenhausen im Mai 1525.
Schlagworte
Thomas Müntzer, Bauernkrieg, Thüringen, Reformation, Frankenhausen, 1525, Philipp von Hessen, Landgraf, Heinrich Pfeifer, Müntzer, Pfeiffer, Mühlhausen, Schlacht bei Frankenhausen, Georg von Sachsen, Heldrungen, Langensalza, Reformator
Arbeit zitieren
Andreas Wünsch (Autor:in), 2003, Thomas Müntzer - mit dem schwerthe Gydeonis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163521

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