Der Beginn der gotischen Architektur ist regional deutlich auf Nordfrankreich anzusetzen. Nämlich in der Umgebung von Paris, Île-de-France, Champagne und Picardie. Vorläufer der Gotik sind die Kathedralen von Laon und Saint-Denis. Diese gründeten im 12. Jahrhundert die Frühgotik in Frankreich. Chartres, um 1190 entstanden, weist die ersten architektonischen Elemente der Gotik auf: ein dreigeschossiger Wandaufriss, vierteiliges Rippengewölbe, Strebewerk sowie Plattenmaßwerk. Festgehalten wurden die Pläne sowie die ausgeführten Teile der gotischen Kathedralen in Frankreich, um 1235, von dem Hüttenmeister Villard de Honnecourt, aus der Piardie, in seinem Bauhüttenbuch.
Die Ansicht Otto von Simsons (1912 – 1993), dass das Kreuzrippengewölbe und der Spitzbogen allein nicht die Gotik ausmachen, wird auch von Hans Jantzen (1881 – 1976), ein deutscher Kunsthistoriker des 20. Jahrhunderts, geteilt. Dieser bekennt sich allerdings zur Struktur der diaphanen Wand als dem epochebildenden Merkmal der Gotik überhaupt. Die Wand wird als ein Architektur-Relief mit plastischen Auflagen und einem als Folie hinterlegtem Raumgrund aufgefasst. Hans Sedlmeyer (1896 – 1984) plädiert für eine theologische Betrachtung des Kirchenraumes als ein Baldachinsystem, bei welchem vier Säulen ein Kreuzgewölbe tragen, und vergleicht dies mit dem Himmlischen Jerusalem. Ein Prinzip Sedlmeyers, das den Gedanken von Jantzen sehr nahe liegt, ist das Prinzip der Übergreifenden Form.
Die Hausarbeit befasst sich hauptsächlich damit, was Hans Jantzen unter einer diaphanen Wandstruktur und wie er die Wirkung des Außenbaus versteht, und in welchen Eigenschaften er eine Parallele zwischen Innenraum und Außenbau sieht. Ferner wird auch auf Sedlmeyers Baldachinsystem, das sich im Außenbau widerspiegelt, sowie das Prinzip der Übergreifenden Form angesprochen. Auch hier wird ein Vergleich vorgenommen, und zwar zwischen Sedlmeyers und Jantzens Auseinandersetzungen mit dem Außenbau.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Jantzens Struktur der „Diaphanen Wand“ - Ein Architektur-Relief vor Raumgrund
- 3. Der gotische Außenbau
- 3.1. Die Gestaltungselemente eines gotischen Außenbaus
- 3.1.1. Das Strebwerk
- 3.1.2. Der Versuch einer Vieltürmigkeit
- 3.2. Das Portalschmuck
- 3.1. Die Gestaltungselemente eines gotischen Außenbaus
- 4. Das Verhältnis von Innen- und Außenraum – Ist eine diaphane Struktur des Innenraumes am Außenbau erkennbar?
- 5. Der Außenbau nach Hans Sedlmeyer - ein Vergleich mit Jantzens Auffassung
- 6. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die Konzeption der „Diaphanen Wand“ von Hans Jantzen, die er als zentrales Merkmal der gotischen Architektur hervorhebt. Es wird untersucht, wie Jantzen die Wirkung des Außenbaus einer gotischen Kathedrale versteht und welche Parallelen er zwischen Innenraum und Außenbau sieht. Darüber hinaus wird die Perspektive von Hans Sedlmeyer auf den Kirchenraum als Baldachinsystem und die Anwendung des Prinzips der Übergreifenden Form im Kontext des Außenbaus beleuchtet. Der Vergleich zwischen Jantzens und Sedlmeyers Ansätzen ermöglicht ein tieferes Verständnis der Gestaltungsprinzipien der gotischen Architektur und der komplexen Interaktion zwischen Form, Struktur und Funktion.
- Jantzens Konzeption der "Diaphanen Wand" als Strukturprinzip der Gotik
- Die Wirkung des Außenbaus einer gotischen Kathedrale nach Jantzen
- Das Verhältnis von Innen- und Außenraum im Kontext der diaphanen Wandstruktur
- Sedlmeyers Baldachinsystem und das Prinzip der Übergreifenden Form
- Ein Vergleich der Ansätze von Jantzen und Sedlmeyer zur Gestaltung des gotischen Außenbaus
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1: Einleitung: Die Einleitung stellt den historischen Kontext der gotischen Architektur in Nordfrankreich dar und führt die wichtigsten Vorläufer der Gotik sowie die Kennzeichen der frühen gotischen Bauwerke vor. Sie erläutert die zentrale Rolle von Chartres als Vorstufe zur klassischen Gotik und erwähnt die Bedeutung von Villard de Honnecourts Bauhüttenbuch als Quelle für die gotische Architektur. Der Abschnitt legt dar, dass das Hauptmerkmal der Gotik nicht in den traditionellen Elementen wie Kreuzrippengewölbe oder Spitzbogen liegt, sondern in einem neuen Verhältnis von Funktion, Form und Struktur. Jantzens Konzeption der „Diaphanen Wand“ wird als zentrales Element der gotischen Architektur eingeführt.
Kapitel 2: Jantzens Struktur der „Diaphanen Wand“ - ein Architektur-Relief vor Raumgrund: Das zweite Kapitel widmet sich Jantzens Verständnis des gotischen Kirchenraumes als „Unfestes, Nichtgreifbares, Lichthaltiges“. Es wird hervorgehoben, dass der Raum nicht als kastenartige Gebilde verstanden wird, sondern als eine durchschreitbare Einheit, die durch die Wandstruktur des Mittelschiffs bestimmt wird. Der Unterschied zwischen der diaphanen Wandstruktur der Gotik und der massiven Wandstruktur der Romanik wird anhand von Beispielen und Zeichnungen verdeutlicht. Jantzen betrachtet die gotische Wand als plastisches Relief, das durch die Anordnung von Rundstützen, Säulchen und Diensten eine räumliche Tiefe erzeugt. Der Raumgrund wird als ein optischer Dunkel- oder Lichtgrund beschrieben, der vom Mittelschiff dominiert wird.
Kapitel 3: Der Gotische Außenbau: Das dritte Kapitel beleuchtet die Gestaltungselemente eines gotischen Außenbaus, wobei das Strebwerk als tragende Struktur und die Fassadenbildung als ästhetisches Element im Mittelpunkt stehen. Es wird erläutert, dass die technische Entwicklung der gotischen Kathedrale eine stetige Weiterentwicklung der Bautechnik beinhaltet. Das Strebwerk, obwohl rein technisch, wird zunehmend als Gestaltungselement genutzt, wie an den Skulpturennischen in Chartres und den Engelsfiguren in Reims deutlich wird. Der Abschnitt führt außerdem in die Entwicklung der Doppelturmfassaden als entscheidendes Merkmal der gotischen Architektur ein.
Schlüsselwörter
Gotische Architektur, diaphane Wandstruktur, Hans Jantzen, Hans Sedlmeyer, Raumgrund, Baldachinsystem, Übergreifende Form, Strebwerk, Doppelturmfassade, Raumgrenze, plastisches Relief, Raumwirkung, Innenraum, Außenbau, Chartres, Reims, Laon.
- Arbeit zitieren
- Hoai Thuong Truong (Autor:in), 2010, Die Reflexion der diaphanen Wandstruktur auf den Außenbau bei Hans Jantzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163675