ROUSSEAU schreibt die Nouvelle Héloïse und den Émile in derselben Zeit. Eine genaue Datierung der Genese erweist sich jedoch als schwierig, da Rousseau schon in jungen Jahren – während seiner Anstellung als Hauslehrer bei M. de Mably im Jahre 1740 und fünf Jahre später als Sekretär der Dupin, einer reichen Bankiers Familie der hohen Bourgeoisie – den Entschluss fasst Politik- und Erziehungsschriften zu verfassen und über deren Konzepte nachdenkt. So arbeitet ROUSSEAU schon ab dem Jahre 1751, zurückgezogen in Ermitage und später in Montmorency, gleichzeitig am Entwurf der Nouvelle Héloïse, dem Lettre à d’Alembert und an Des Institutions politiques (welche später den Contrat social ergeben werden). Als ROUSSEAU 1757 mit dem Verfassen des Émile beginnt, ist er also mit verschiedenen Projekten beschäftigt, unter anderem mit der Endfassung und Anordnung der Briefe für die Nouvelle Héloïse. Dieses gleichzeitige Arbeiten an verschiedenen Werken, erklärt, wie es möglich war, dass zwei monumentale Romane wie die Nouvelle Héloïse und Émile mit nur einem Jahr Unterschied (1761, 1762) erscheinen konnten.
Diese beinahe zeitgleiche Genese der Nouvelle Héloïse und des Émile wirft die Frage auf, ob es, nebst der Arbeitsweise ROUSSEAUS, auch formale und inhaltliche Parallelen gibt. Auf den ersten Blick könnten beide Romane unterschiedlicher nicht sein. Während Émile formal dem klassischen Erziehungsroman entspricht (die wichtigsten Erziehungsschritte sind in aufeinanderfolgende Bücher unterteilt), ist die Nouvelle Héloïse in der Form eines Briefromanes verfasst. Auch die Geschichten beider Romane unterscheiden sich stark voneinander. Im Émile verfolgen wir das geführte Heranwachsen eines Kindes, fernab von der Gesellschaft, zum erwachsenen Mann. Wie der Titel Émile ou de l‘éducation es unverkennbar ankündet, ist in diesem Werk ROUSSEAUS die Erziehung Programm. Mit der Nouvelle Héloïse erzählt ROUSSEAU die Geschichte von Julie und St-Preux, zweier Jugendlicher, die sich Hals über Kopf ineinander verliebt haben. Im Zentrum der Nouvelle Héloïse steht also nicht die Erziehung, sondern die Weisheit der Liebenden, welche die Heirat der verwandten Seele jener einer guten Partie vorziehen aber an den Konventionen der Gesellschaft hoffnungslos scheitern. So wurden ROUSSEAUS Romane, La Nouvelle Héloïse und Émile, bei ihrer Veröffentlichung im Jahre 1761 und 1762 von der Kritik gänzlich verschieden aufgenommen.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Einflüsse auf Rousseaus Pädagogik
- Die Erziehungstheorie im Émile
- Die Umsetzung der im Émile formulierten Erziehungstheorie in der Nouvelle Héloïse
- Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die Erziehungstheorie von Jean-Jacques Rousseau und analysiert, wie sie sich im Émile und in der Nouvelle Héloïse manifestiert. Sie zielt darauf ab, den Einfluss von Rousseaus eigenen Erfahrungen und pädagogischen Vorläufern auf seine Erziehungsvorstellungen aufzudecken, die Kernpunkte seiner im Émile dargelegten Theorie zu beleuchten und zu erforschen, inwieweit diese in der Nouvelle Héloïse zum Ausdruck kommen.
- Einflüsse auf Rousseaus Erziehungstheorie
- Die Kernaussagen der Erziehungstheorie im Émile
- Die Umsetzung der Erziehungstheorie in der Nouvelle Héloïse
- Die Beziehung zwischen Rousseaus idealer Gesellschaft und den Ereignissen in der Nouvelle Héloïse
- Die Frage nach der Umsetzbarkeit von Rousseaus idealer Erziehung in der Realität
Zusammenfassung der Kapitel
Vorwort
Das Vorwort stellt die zeitgleiche Entstehung von Rousseaus Werken, der Nouvelle Héloïse und dem Émile, sowie die unterschiedliche Rezeption beider Werke dar. Es führt die Frage nach formalen und inhaltlichen Parallelen zwischen den beiden Romanen ein.
Einflüsse auf Rousseaus Pädagogik
Dieses Kapitel beleuchtet die pädagogischen Einflüsse, die Rousseau beeinflusst haben könnten, darunter Philosophen wie Fénelon, Montaigne, Montesquieu, Locke, Diderot und Condillac. Zudem wird die Bedeutung von Rousseaus eigenen Erfahrungen in der Kindheit für seine Erziehungstheorie untersucht.
Die Erziehungstheorie im Émile
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über Rousseaus Erziehungstheorie, die im Émile dargelegt wird. Es beleuchtet das Konzept der negativen Erziehung, die Gründe für Rousseaus Forderung nach einer privaten und nicht öffentlichen Erziehung und die Bedeutung der Vernunft im Bildungsprozess.
Die Umsetzung der im Émile formulierten Erziehungstheorie in der Nouvelle Héloïse
Dieses Kapitel analysiert, inwieweit die in Émile dargelegte Erziehungstheorie in der Nouvelle Héloïse zum Ausdruck kommt. Es untersucht die Erziehungsaspekte in der Liebesgeschichte von Julie und St-Preux und beleuchtet, ob das von den Romanfiguren dargestellte Erziehungskonzept mit der in Émile dargelegten Theorie übereinstimmt.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Hausarbeit sind: Jean-Jacques Rousseau, Erziehungstheorie, Émile, Nouvelle Héloïse, negative Erziehung, private Erziehung, Vernunft, Liebe, Gesellschaft, Realismus, Utopie.
- Arbeit zitieren
- lic. phil. I David Stamm (Autor:in), 2010, Die Erziehungstheorie von J.-J. Rousseau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163768