Im Jahre 478/77 kam es mit der Gründung des delisch- attischen Seebundes zu einer Erstarkung Athens. War er anfangs noch als gleichberechtigtes Bündnis zwischen den Städten gegründet, so wurde er schließlich ein Instrument der athenischen Macht, die ihn nicht nur einsetzte um seine Interessen in Kleinasien zu verfolgen, sondern auch, um gegen das mächtige Sparta im peloponnesischen Krieg zu agieren. Welche Rolle Athen hierbei zukam und inwieweit Athen schon zum Zeitpunkt der Gründung an einem Hegemoniewechsel gelegen war, soll in dieser Arbeit hinterfragt werden. In der Forschungsliteratur wird diese Frage kontrovers diskutiert und schließt man sich der These an, dass Athen schon mit der Begründung des delisch- attischen Seebundes einen solche Machtstellung anstrebte, so muss sich zu diesem Zeitpunkt schon ein langfristiges Konzept erkennen lassen, das Athen zur Erreichung dieses Ziels verfolgt hat. Aus diesem Grund werde ich zu Beginn meiner Arbeit auf die Ereignisse ab 480 v. Chr. eingehen und versuchen die Rolle Athens zu erläutern. Im weiteren Verlauf meiner Arbeit werde ich die Ambitionen der Bündnispartner näher betrachten, die schließlich erst zu einer Gründung eines Bündnisses führen konnten. In einem letzten Teil werde ich die Entwicklung des Seebundes unter athenischer Herrschaft näher betrachten und auch die Voraussetzungen, die schließlich zu einem Hegemoniewechsel unter der Führung Athens führten.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Delisch- attischer Seebund als Instrument der Macht
2.1 Historische Ausgangsituation (480-77)
2.2 Gründung des delisch- attischen Seebundes
2.3 Ambitionen der Athener
2.4 Ambitionen der Bündner
2.5 Entwicklung der Kräfteverhältnisse innerhalb des delisch- attischen Seebundes
3 Schlussbetrachtung
4 Literaturverzeichnis
4.1 Primärquellen
4.2 Sekundärquellen
1 Einleitung
Im Jahre 478/77 kam es mit der Gründung des delisch- attischen Seebundes zu einer Erstarkung Athens. War er anfangs noch als gleichberechtigtes Bündnis zwischen den Städten gegründet, so wurde er schließlich ein Instrument der athenischen Macht, die ihn nicht nur einsetzte um seine Interessen in Kleinasien zu verfolgen, sondern auch, um gegen das mächtige Sparta im peloponnesischen Krieg zu agieren. Welche Rolle Athen hierbei zukam und inwieweit Athen schon zum Zeitpunkt der Gründung an einem Hegemoniewechsel gelegen war, soll in dieser Arbeit hinterfragt werden. In der Forschungsliteratur wird diese Frage kontrovers diskutiert und schließt man sich der These an, dass Athen schon mit der Begründung des delisch- attischen Seebundes einen solche Machtstellung anstrebte, so muss sich zu diesem Zeitpunkt schon ein langfristiges Konzept erkennen lassen, das Athen zur Erreichung dieses Ziels verfolgt hat. Aus diesem Grund werde ich zu Beginn meiner Arbeit auf die Ereignisse ab 480 v. Chr. eingehen und versuchen die Rolle Athens zu erläutern. Im weiteren Verlauf meiner Arbeit werde ich die Ambitionen der Bündnispartner näher betrachten, die schließlich erst zu einer Gründung eines Bündnisses führen konnten. In einem letzten Teil werde ich die Entwicklung des Seebundes unter athenischer Herrschaft näher betrachten und auch die Voraussetzungen, die schließlich zu einem Hegemoniewechsel unter der Führung Athens führten.
2 Delisch- attischer Seebund als Instrument der Macht
2.1 Historische Ausgangsituation (480-77)
Warum kam es zu der Gründung des delisch- attischen Seebundes? Diese Ausgangsfrage lässt sich nur dann klären, wenn wir die Ausgangslage Griechenland zwischen 480-77 näher betrachten. 481 kam es zur Schließung des Hellenbundes zum Schutz gegen die Perser. Sparta war dessen Hegemon. Nach der Schlacht von Mykale im Sommer 479 v. Chr. Trafen sich dessen Mitglieder auf Samos, um über das Schicksal der Ionier zu beraten, die von dem persischen Großkönig abgefallen waren zu entscheiden. Herodot schreibt dazu:
„Und wie die Hellenen nach Samos geommen, hielten sie Rat, ob man die Ioner aus ihrem Lande wegführen und in welchem Teile von Hellas, der in ihrer Gewalt wäre, man ihnen Wohnplätze anweisen sollte; Ionien aber sollte man den Barbaren überlassen. Denn es wäre ihnen doch offenbar unmöglich, Ionien zu verteidigen […].[1]
Für diesen Plan sprachen sich vor allem die Mitglieder des peloponnesischen Bundes unter der Führung Spartas aus. Die Gründe sieht Smarczyk vor allem darin, dass die Spartaner ein längerfristiges Engagement in Kleinasien ablehnten. Sparta verfügte nicht über hinreichende Seestreitkräfte, ihre Stärke lag bei den Landstreitkräften. Mit einer Umsiedlung der Ionier wäre das Problem, ohne sich auf eine erneute Auseinandersetzung mit den Persern einlassen zu müssen, gelöst gewesen.[2] Ein weiterer Punkt konnte die Ansiedlung der Ionier in den Gebieten der Perserfreunde gewesen sein, um damit eine Strafaktion gegen diese durchzuführen. Bei Herodot erfahren wir weiter:
„Darauf waren die Beamten der Peloponnesier der Meinung, man sollte die hellenischen Völker, die auf medischer Seite gewesen, aus ihren Seeplätzen verjagen und das Land den Ionern zur Wohnung einräumen.“[3]
Smarczyk geht davon aus, dass die Ionier selbst von der Umsiedlung nichts hielten. So hätte die Preisgabe des ionischen Festlandes für die Inseln bedeutet, dass sie künftig zur Frontlinie werden würden. Entscheidend aber seien die wirtschaftlichen Nachteile, die im Falle einer Umsiedlung für die ionische Oberschicht entstehen würden.[4] Diodor weiß diesbezüglich gegenteiliges zu berichten:
„Die Aioler und Ionier, die von den Zusagen hörten, beschlossen, dem Rate der Griechen zu folgen, und rüsteten sich schon, mit ihnen zusammen nach Europa zu segeln.“[5]
Auch die Athener schienen gegen eine Umsiedlung der Ionier zu sein:
„Die Athener aber waren durchaus nicht der Meinung, dass Ionien sollte verlassen werden […]“[6].
Sie wandten sich also gegen die Pläne der Peloponnesier. Meyer sieht dies differenzierter. So hätten die Athener sich zwar gegen diese Pläne ausgesprochen, jedoch erst nachdem sich abzeichnete, dass die Ionier dem nicht widersprechen würden.[7] Athen müsse hiernach also ein politisches Konzept verfolgt haben, welches auf längere Sicht Sparta die Hegemonie abnehmen sollte.[8] Ob es ein solches Konzept gab soll später noch genauer betrachtet werden. In den Quellen jedenfalls lassen sich diesbezüglich keine konkreten Hinweise finden. Bei Herodot lesen wir weiter:
„Und wie sie sich so hartnäckig dagegensetzten, gaben die Peloponnesier gerne nach.“[9]
Warum gaben die Peloponnesier bzw. Sparta dem nach? Erkannten sie nicht die politischen und militärischen Möglichkeiten, die sich für Athen von nun an bieten würden? Petzold schreibt, dass Athen sich auf seine Metropolisstellung gegenüber den Ioniern berufen habe. Nicht Sparta, sondern Athen stehe es zu über die Zukunft der Ionier zu entscheiden.[10] Diese These findet bei Diodor Rückhalt:
„Die Athener jedoch rieten ihnen, an Ort und Stelle zu bleiben, wobei sie betonten, dass, selbst wenn keiner von den sonstigen Griechen ihnen Hilfe leisten wolle, die Athener unabhängig von diesen als ihre Blutsverwandten sie unterstützen würden.“[11]
Auch bei Thukydides lässt sich ein Hinweis auf die mögliche Metropolisstellung Athens gegenüber den Ionier finden: Ionien wie auch die meisten Inseln wurden von Athen aus, Italien und Sizilien meist vom Peloponnes und der oder jener anderen Hellenenstadt besiedelt.“[12] Herodot berichtet ähnlich:
„Die Athener aber waren keineswegs geneigt, Ionien aufzugeben und die Peloponnesier über ihre dortigen Pflanzstädte mitreden zu lassen.“[13]
Ein Grund hierfür liefert Smarczyk. So konnte Athen als Metropolis Abgaben von ihren Kolonien fordern. Eine Umsiedlung der Ionier hätte sicher zum Verlust dieser Vormachtstellung und den damit zusammenhängenden finanziellen Einnahmen gestanden. Auch ermöglichte diese Vormachtstellung außenpolitische Handlungsmöglichkeiten, so dass Athen sich aus ganz pragmatischen Gründen gegen einen Umsiedlungsplan entscheiden musste.[14] Meyer führt den Gedanken noch weiter und will in dem Handeln Athens ein Konzept erkennen, welches auf Hegemonie ausgerichtet war.[15]
Der Umsiedlungsplan wurde also fallengelassen und die Peloponnesier willigten gerne ein. Den Grund hierfür sieht Petzold darin, dass Sparta froh gewesen sei, dass Athen ihnen dass Ionierproblem abgenommen habe.[16] Die Aufwertung Athens hätte Sparta zu diesem Zeitpunkt nicht erkannt. Dies sei ihnen erst nach der Samoskonferenz deutlich geworden. Gleichzeitig habe Sparta damit die Metropolisstellung Athens anerkannt.
Die Samoskonferenz[17] führte zu der Aufnahme der Inselioner, Chier und Lesbier in den Hellenenbund. Herodot schreibt:
„Und so nahmen sie die Samier und Chier und Lesbier und das übrige Volk der Inseln, die den Hellenen beistanden, in ihren Bund auf, und mussten einen heiligen Eid darauf schwören, dass sie dabei beharren wollten und nicht abtrünnig werden.“[18]
Für Athen bedeutete das Ende der Samoskonferenz einen Machtgewinn. Sie konnten den Seekrieg gegen Persien weiterführen und sahen sich hier in der Vormachstellung gegenüber Sparta. Weitaus wichtiger war aber die Tatsache, dass sie von nun an die neu gewonnenen Verbündeten, für die sie sich so eingesetzt hatten, auf ihrer Seite hatten. Ob sich zu diesem Zeitpunkt schon ein athenisches Konzept der Hegemonie erkennen lässt, ist fraglich und wird in der Forschungsliteratur kontrovers diskutiert.
Nach der Samoskonferenz „segelten sie fort, um die Brücken abzubrechen, denn sie glaubten, dieselben Ständen noch. Diese also segelten nach dem Hellespontos.“[19] Dort angekommen fanden sie diese schon zerstört vor und die Spartaner segelten mit den Peloponnesiern in die Heimat zurück, da sie ihre Aufgabe für abgeschlossen ansahen.[20] Eine Weiterführung des Krieges lag nicht in ihrem Interesse.[21] „Die Athener aber und ihr Oberster Xanthippos, [beschlossen] dazubleiben […] und belagerten Sestos.“[22] Anfangs verlief die Belagerung erfolglos und die Athener drängten schließlich auf eine Heimkehr, was Xanthippos ablehnte:
„Sie baten also ihre Obersten, sie nach Hause zurückzuführen; die aber verweigerten es, bis sie entweder die Stadt erobert oder die Gemeinde der Athener sie abberiefe; solchen Eifer hatten sie bei der Sache.“[23]
Für Petzold unterstreiche dies die Hartnäckigkeit der Athener, die ihre Glaubwürdigkeit gegenüber den Ioniern unter Beweis stellen wollten.[24] Die Stadt wurde schließlich von ihnen eingenommen.[25]
Für Athen bedeutete der Sieg über Sestos einen weiteren Schritt in Richtung Vormachtstellung. Die Getreidestraße zwischen Ägäis und dem Schwarzen Meer war gesichert und die Ionier standen in einem engen Verhältnis zu Athen, da sie sich von dort aus Hilfe gegen die Perser versprechen konnten. Deutete sich schon hier eine Konstellation der Bündner an, wie sie später bei der Gründung des delisch- attischen Seebundes zustande kam? Meyer und Petzold bekräftigen diese These. Auch glauben Meyer und Steinbrecher eine auf Hegemonie ausgerichtete Flottenpolitik der Athener erkennen zu können. Dem widerspricht Petzold. Wenn den Athenern zu diesem Zeitpunkt schon an einem Hegemoniewechsel gelegen gewesen wäre, hätten sie schon jetzt ein separates Bündnis mit den Ioniern gesucht. Athen hätte die Gelegenheit nicht genutzt und die Führungsrolle Spartas weiter anerkannt.[26]
[...]
[1] Herodot, 9, 106.
[2] Smarczyk: 1990, S. 408.
[3] Herodot, 9, 106.
[4] Smarczyk: 1990, S. 415.
[5] Diod. 11, 37.
[6] Herodot, 9, 106.
[7] Meyer: 1963, S. 417.
[8] Ebda., 417ff.
[9] Herodot, 9, 106.
[10] Petzold: 1993, S. 429ff.
[11] Diodor 11, 37.
[12] Thyk. I, 12.
[13] Herodot, 9, 106.
[14] Smarczyk: 1990: S. 424.
[15] Meyer: 1963, S. 417ff.
[16] Petzold: 1993, S. 432.
[17] Vgl. Welwei: 1998, S. 172.
[18] Herodot, 9, 106.
[19] Ebda.
[20] Vgl., 9, 114.
[21] Petzold: 1993, S. 433.
[22] Herodot, 9, 114.
[23] Herodot, 9, 117.
[24] Petzold: 1993, S. 435.
[25] Vgl. Herodot, 9, 118.
[26] Petzold: 1993, S. 435.
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- Michael Fischer (Autor:in), 2001, Delisch-attischer Seebund Hausarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163831