„Es kann keinen Zweifel geben, dass weder das Christentum, noch Judentum oder Islam ohne den Verweis auf Gott zu denken sind.“
Die Frage nach Gott ist die zentrale Frage einer jeden theistischen Religion. Um als Religionspädagoge diesbezüglich adäquat auf die Jugendlichen eingehen zu können, muss zu allererst klar sein, welche Vorstellungen von Gott sie vertreten und welche Relevanz sie diesen Vorstellungen beimessen.
Vor einigen Generationen war der Glaube an Gott und an das Christentum in der Gesellschaft noch weiter verbreitet und akzeptierter als dies heute der Fall ist, so die Meinung vieler Kirchenvertreter. Die christliche Religion hatte eine Mono-polstellung inne, die dazu beitrug, dass der Glaube über Generationen hinweg weitergegeben wurde und man sich öffentlich dazu bekannte. Heutzutage nehme Religion und Glaube innerhalb der Jugend nach Ansicht dieser Kirchenvertreter immer mehr ab. Ziebertz relativiert jedoch die These, indem er sagt, dass es für die heutige Jugend normal sei, nicht allsonntäglich zum Gottesdienst zu gehen, dass diese Erfahrung aber für sie nichts negatives darstelle, da sie in ihrem bisherigen kurzen Leben keine historischen Vergleichsmöglichkeiten hätten, wie es bei älteren Menschen der Fall ist. Passt demnach Gott noch in unsere moderne Gesellschaft oder ist er zum Auslaufmodell geworden? Ziebertz vertritt die Annahme, dass die christliche Gottesidee heute sowohl zeitgemäß, als auch gleichzeitig unzeitgemäß erscheint. Auf der einen Seite spricht man im theologisch-philosophischen Diskurs von einer „Gottesverdunstung“ ; Gott hat in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an Bedeutung verloren und schwindet allmählich aus den Köpfen der Menschen. Deutlich sichtbar wird dies zum Beispiel in Fernsehreportagen, in denen Menschen auf der Straße aufgefordert werden, die Bedeutung hoher christlicher Feiertage zu erklären. Man könnte meinen, dass in der breiten Bevölkerung zumindest die Hintergründe des Weihnachts- und Osterfestes bekannt sind, doch selbst hier findet man erschütternder weise die abenteuerlichsten Antworten vor. Auf der anderen Seite scheint Gott auch wieder zeitgemäß, da er nicht nur in kirchlichen Liedern, sondern auch in der Popmusik, beispielsweise des Öfteren in Xavier Naidoos Texten, auftaucht.
Inhaltsverzeichnis
1. Gott – ein zeitgemäßes Thema?
2. Jugend und Religion
3. Religion in der Moderne
3.1 Deinstitutionalisierung
3.2 Individualisierung und Pluralisierung
3.3 Synkretismus
4. Die Bedeutung neuer religiöser Formen
5. Die Studie von Wippermann: Weltanschauungen als Kern der Religion
5.1 Weltanschauungstypen
5.2 Religionsstile
6. Die Studie von Ziebertz: Religiöse Einstellung Jugendlicher zu Gott
6.1 Gotteskonzepte
6.2 Religionstypen
Religionspädagogisches Fazit und Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1 Gott – ein zeitgemäßes Thema?
Es kann keinen Zweifel geben, dass weder das Christentum, noch Judentum oder Islam ohne den Verweis auf Gott zu denken sind.[1]
Die Frage nach Gott ist die zentrale Frage einer jeden theistischen Religion. Um als Religionspädagoge diesbezüglich adäquat auf die Jugendlichen eingehen zu können, muss zu allererst klar sein, welche Vorstellungen von Gott sie vertreten und welche Relevanz sie diesen Vorstellungen beimessen.
Vor einigen Generationen war der Glaube an Gott und an das Christentum in der Gesellschaft noch weiter verbreitet und akzeptierter als dies heute der Fall ist, so die Meinung vieler Kirchenvertreter.[2] Die christliche Religion hatte eine Mono-polstellung inne, die dazu beitrug, dass der Glaube über Generationen hinweg weitergegeben wurde und man sich öffentlich dazu bekannte. Heutzutage nehme Religion und Glaube innerhalb der Jugend nach Ansicht dieser Kirchenvertreter immer mehr ab. Ziebertz[3] relativiert jedoch die These, indem er sagt, dass es für die heutige Jugend normal sei, nicht allsonntäglich zum Gottesdienst zu gehen, dass diese Erfahrung aber für sie nichts negatives darstelle, da sie in ihrem bisherigen kurzen Leben keine historischen Vergleichsmöglichkeiten hätten, wie es bei älteren Menschen der Fall ist.[4] Passt demnach Gott noch in unsere moderne Gesellschaft oder ist er zum Auslaufmodell geworden? Ziebertz vertritt die Annahme, dass die christliche Gottesidee heute sowohl zeitgemäß, als auch gleichzeitig unzeitgemäß erscheint. Auf der einen Seite spricht man im theologisch-philosophischen Diskurs von einer „Gottesverdunstung“[5] ; Gott hat in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an Bedeutung verloren und schwindet allmählich aus den Köpfen der Menschen. Deutlich sichtbar wird dies zum Beispiel in Fernsehreportagen, in denen Menschen auf der Straße aufgefordert werden, die Bedeutung hoher christlicher Feiertage zu erklären. Man könnte meinen, dass in der breiten Bevölkerung zumindest die Hintergründe des Weihnachts- und Osterfestes bekannt sind, doch selbst hier findet man erschütternder weise die abenteuerlichsten Antworten vor. Auf der anderen Seite scheint Gott auch wieder zeitgemäß, da er nicht nur in kirchlichen Liedern, sondern auch in der Popmusik, beispielsweise des Öfteren in Xavier Naidoos Texten, auftaucht. Der Religionsunterricht ist nach wie vor in Deutschland ordentliches Unterrichtsfach, Initiations- und Übergangsriten werden wahrgenommen und auch in der Politik scheint Gott noch eine Rolle zu spielen, wie kürzlich der auf Gott geschworene Eid der deutschen Bundeskanzlerin verdeutlicht. Ziebertz kommt demnach zu dem Ergebnis, dass Merkmale einer Säkularisierung zwar vorzufinden sind, diese aber eher als Kennzeichen eines Strukturwandels gedeutet werden müssten.[6]
Um das eigentliche Thema der Gottesrepräsentationen bei Jugendlichen in dieser Arbeit adäquat umreisen zu können, ist es zuvor nötig, einen Blick auf das Verhältnis von Jugend, Moderne und Religion zu werfen. Hierzu werden die Kennzeichen des von Ziebertz angesprochenen religiösen Wandels herausgearbeitet und dessen Bedeutung für die heutige Religion von Jugendlichen festgestellt. Des Weiteren werden moderne Weltanschauungstypen, Religionsstile und Gottes-konzepte Jugendlicher betrachtet, um zuletzt religiöse Typen heutiger Jugendlicher zu untersuchen. In der gesamten Arbeit werden dazu als Basisliteratur zwei, in jüngster Vergangenheit erhobene, empirische Jugendstudien von Carsten Wippermann (1998) und Ziebertz/Kalbheim/Riegel (2003) herangezogen, die anhand von Fragebögen und Interviews Beiträge zur Jugendforschung bezüglich Weltanschauungen und Gottesvorstellungen leisteten. Auf deren methodische Vorgehensweise wird hier nicht näher eingegangen, sondern vielmehr sollen ihre aus den Studien gewonnenen Ergebnisse Beachtung finden. Im Anschluss daran werden pädagogische Handlungsmöglichkeiten entwickelt, die exemplarisch dar-stellen sollen, wie Religionspädagogen auf die erarbeiteten Phänomene und Gegebenheiten reagieren können. Zunächst aber liegt das Augenmerk auf dem Verhältnis von Jugend und Religion.
2 Jugend und Religion
In der Zeit der Pubertät und des Heranwachsens stehen Jugendliche vor vielen schwierigen Herausforderungen. Sie entdecken ihre Körperlichkeit, entwickeln ein Selbstwertgefühl, knüpfen soziale Kontakte, lernen Verantwortung zu übernehmen und entfalten ein persönliches Wertesystem, wobei es „in allen Aufgaben […] um die Herausbildung des Ich, des Selbst, der Identität [geht]“[7]. Die heutige Jugend sieht sich mit Anforderungen konfrontiert, vor denen ältere Generationen nicht standen. Das 21. Jahrhundert hat in vielen Bereichen, wie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Veränderungen gebracht, auf die die Adoleszierenden reagieren müssen. Der stetig steigende Leistungsdruck in Schule und Beruf, sowie die verzweifelte Suche nach Ausbildungsplätzen in Zeiten von HartzIV und Wirtschaftskrise sind nur zwei Dinge, die als Problembereich auftreten können. Vor allem aber, so Helsper, scheint die Jugend eine Zeit der „emotionalen Ablösung“[8] zu sein; eine Ablösung von der Kindheit, von den Eltern, von Autoritäten und Zwängen. Damit einher geht der Verlust religiöser Bindungskräfte oder zumindest die Entwicklung einer kritischen Einstellung gegenüber Religion und Gott.[9] So kann es beispielsweise vorkommen, dass Jugendliche, die in einem religiösen Elternhaus aufgewachsen sind, vom Glauben Abstand nehmen, um sich so gleichzeitig von ihren Eltern und deren Einstellungen zu distanzieren. Andersherum gedacht besteht für Helsper aber auch die Möglichkeit, dass gerade Heranwachsende, die durch ihre Eltern areligiös erzogen wurden, als Zeichen ihrer Ablösung religiöse Vorstellungen erstmals aufgreifen.[10] Dennoch bleibt festzuhalten, dass im Alter von 17/18 Jahren die deutlichste Distanz zu Religion und Kirche auftritt, was sich vor allem im Rückgang von Gottesdienstbesuchen, der Gebetspraxis oder dem Kirchenaustritt manifestiert.[11] Auch Ziebertz stellt dies anhand seiner Studie fest, weist jedoch darauf hin, dass zwar die religiöse Praxis bei Jugendlichen kein „unabdingbares Element individueller Religiosität“[12] ist, sie also nicht mehr auf die Institution Kirche angewiesen sind, doch wenn sie religiöse Handlungen ausüben, dann deshalb, weil es ihnen hilft, so ihren Glauben auszudrücken. Es darf demnach festgehalten werden, dass in heutiger Zeit nicht grundsätzlich der Glaubensvollzug verschwunden ist, sondern dass für die Heranwachsenden lediglich die Institution Kirche dafür nicht mehr von Nöten ist, was unter anderem im nächsten Punkt näher erklärt wird.
3 Religion in der Moderne
„Das Christentum hat in der Moderne, wie sie sich in den westlichen Ländern entfaltet hat, die Rolle als unhinterfragte Leitreligion (Hervorh. i. Orig.) eingebüßt und besitzt nicht mehr das alleinige Deutungsmonopol für religiöse Belange.“[13] Dieser Prozess der Modernisierung hat mit sich gebracht, dass verschiedene gesellschaftliche Teile, wie Erziehung, Ökonomie, Politik, Wirtschaft und Religion nun nebeneinander stehen, dass Religion nicht mehr der „Zement [ist], der die Gesellschaft zusammenhält“[14]. Wie bereits in Punkt 1 festgehalten wurde, ist hier ein Säkularisierungsprozess zu erkennen. Jedoch darf deshalb nicht unbedingt von „Religionskrise“, „Gottesverdunstung“ oder „Glaubensverlust“ gesprochen werden, denn nur weil die Religion als „sozial überwölbende Instanz“[15] verloren geht, heißt dies nicht automatisch, dass auch keine Neuerungen in Form und Ausdruck möglich sind. Laut Ziebertz muss demnach herausgefunden werden, was einen derartigen Wandel in Bezug auf die Gottes- und Religionsthematik kennzeichnet, welche Bedeutung diesem Wandel beigemessen wird und welche Folgen er nach sich zieht. Derartige Kennzeichen dieses Strukturwandels sind Deinstitutionalisierung, Pluralisierung, Individualisierung und Synkretismus, die im Folgenden begreiflich gemacht werden.
3.1 Deinstitutionalisierung
Die Institution Kirche ist bei Jugendlichen nicht sonderlich beliebt, was sich in seltenen bis überhaupt keinen Gottesdienstbesuchen, sowie in Kirchenaustritten bestätigt. Doch nicht nur die Kirche, sondern auch andere Organisationen, wie Parteien oder ähnliche Interessensgemeinschaften haben in den letzten Jahren an Mitgliedern eingebüßt, denn „Institutionen wird nicht mehr ohne weiteres Autorität zuerkannt“[16]. Noch bis vor zwei Generationen war der sonntägliche Besuch der Messe selbstverständlich; die Institution Kirche hatte erheblichen Einfluss in Politik und Bildung, was zum Beispiel an der damals gängigen Lehrtätigkeit von Priestern und Schwestern festgemacht werden kann. Ebenso galten Geistliche als Repräsentanten von Gott und Kirche, deren Worte von vielen große Bedeutung zugemessen wurde. Für Jugendliche scheinen jedoch Institutionen für das Ausleben ihres Glaubens unwichtig geworden zu sein. Sie benötigen keinen bestimmten „Raum“ mit Regeln und Normen und mit repräsentativem Personal, sondern möchten ihre Religion individuell ausleben, ohne an bestimmte Autoritäten und Zwänge gebunden zu sein. Lange Zeit wurde die Deinstitutionalisierung fälschlicherweise mit dem Religionsverslust gleichgesetzt[17] ; in neueren Unter-suchungen stellte sich jedoch heraus, dass es sich dabei vielmehr um eine Individualisierung des Religiösen handelt.
[...]
[1] Ziebertz, Hans-Georg/Kalbheim, Boris/Riegel, Ulrich: Religiöse Signaturen heute. Ein religionspädagogischer Beitrag zur empirischen Jugendforschung, Gütersloh/Freiburg i. Br. 2003, S. 325 [Kurztitel: Ziebertz: Religiöse Signaturen].
[2] Vgl. Ziebertz: Religiöse Signaturen, S. 27.
[3] In der gesamten Arbeit wird stellvertretend für die drei Autoren Ziebertz, Kalbheim und Riegel nur Ersterer genannt.
[4] Vgl. Ziebertz: Religiöse Signaturen, S. 28.
[5] Ebd., S. 327.
[6] Vgl. Ziebertz: Religiöse Signaturen, S. 328.
[7] Ziebertz: Religiöse Signaturen, S. 23.
[8] Helsper, Werner: Jugend und Religion, in: Sander, U./Vollbrecht R. (Hg.): Jugend im 20. Jh. Sichtweisen – Orientierungen – Risiken, Neuwied/Berlin 2000, S. 281 [Kurztitel: Helsper: Jugend und Religion].
[9] Vgl. Helsper: Jugend und Religion, S. 282.
[10] Vgl. Ebd.
[11] Vgl. Ebd., S. 283f.
[12] Ziebertz: Religiöse Signaturen, S. 136.
[13] Ziebertz: Religiöse Signaturen, S. 65.
[14] Ziebertz, Hans-Georg/Kalbheim, Boris/Riegel, Ulrich: Typologie religiöser Orientierungen westdeutscher Jugendlicher, in: Ziebertz, Hans-Georg (Hg.): Erosion des christlichen Glaubens? Umfragen, Hintergründe und Stellungnahmen zum „Kulturverlust des Religiösen“, Münster 2004, S. 72 [Kurztitel: Ziebertz: Typologie].
[15] Helsper: Jugend und Religion, S. 280.
[16] Ziebertz: Religiöse Signaturen, S. 37.
[17] Vgl. Knobloch, Stefan: Mehr Religion als gedacht! Wie die Rede von Säkularisierung in die Irre führt, Freiburg i. Br. 2006, S. 83.
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