Theoretiker direkter Demokratie kritisieren das zu Apathie führende liberal-repräsentative System und sehen reale Einflussmöglichkeit und Teilnahme an der Politik als zwei korrelierte Faktoren.
Einen derartigen Ansatz verfolgt auch der amerikanische Demokratietheoretiker Benjamin Barber im Werk „Starke Demokratie“ von 1984. Ein Klassiker der Direktdemokratie, der für die ideengeschichtliche Untermauerung von Barbers Werk in Frage kommt, ist Jean-Jacques Rousseau mit seinem Werk „Vom Gesellschaftsvertrag“.
Die Leitfrage der Arbeit wird auf die Eruierung fokussiert sein, inwiefern Rousseaus Gesellschaftsvertrag eine reliable Berufungsinstanz für Benjamin Barbers Konzept der starken Demokratie sein kann. In konkretisierter Form lässt sich fragen, ob man der These von Reese-Schäfer „Barbers Konzept einer televisionären Graswurzeldemokratie ist das Konzept eines radikal modernisierten und auch für eine Massendemokratie geeigneten Rousseau“ zustimmen kann.
Um diese Frage beantworten zu können, werden zunächst beide Theorien zusammenfassend dargestellt, um einen Überblick über deren essenzielle Charakteristika zu erhalten. Dies ist auch im Hinblick darauf wichtig, dass im Folgenden die Darstellung Rousseaus nicht in konsequent aufeinander folgender Weise gegeben ist, denn die Fragestellung erfordert, dass zuerst das jeweilige Konzept Barbers und dann erst die diesbezügliche Argumentation Rousseaus analysiert wird.Im sich anschließenden Kapitel zu den Gemeinsamkeiten beider Theoretiker werden deren Standpunkte zur Ablehnung einer naturrechtlichen Fundierung der Politik und die strikte Zurückweisung der Repräsentation dargestellt. Es folgen Abschnitte zur Eruierung der Gemeinsamkeiten in der Konzeption eines Gemeinwillens, der Transformation zum sittlichen Bürger sowie der Figur des Gesetzgebers.
Bei den Unterschieden werden die Differenzen in Methodik und Intention, sowie die konträren Positionen zur angemessenen Staatsgröße, der Zivilreligion und zur Reichweite politischer Partizipation untersucht, wobei letzterer Punkt analytisch in die Bedeutung des Diskurses und institutionellen Aspekten sowie der politischen Rolle der Frau getrennt wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Benjamin Barbers Konzept der starken Demokratie
- Jean-Jacques Rousseaus Gesellschaftsvertrag
- Gemeinsamkeiten beider Theorien
- Die Ablehnung einer naturrechtlichen Fundierung der Politik
- Die Ablehnung von Repräsentation
- Das Konzept des Gemeinwillens
- Die Transformation des Individuums zum sittlichen Bürger
- Die Figur des Gesetzgebers
- Unterschiede beider Theorien
- Differenzen in Methodik und Intention
- Die Frage der angemessenen Staatsgröße
- Die Zivilreligion
- Die Reichweite politischer Partizipation
- Die Bedeutung des Diskurses für die Entscheidungsfindung
- Institutionelle Aspekte politischer Partizipation
- Der Ausschluss von Frauen an politischer Partizipation
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert, inwiefern Jean-Jacques Rousseaus „Vom Gesellschaftsvertrag“ eine zuverlässige Referenzquelle für Benjamin Barbers Konzept der starken Demokratie darstellt. Ziel ist es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Theorien zu beleuchten und zu bewerten, ob Barbers Ansatz tatsächlich eine modernisierte Version von Rousseaus Denken repräsentiert.
- Die Kritik am liberalen Modell und seine Schwächen in Bezug auf politische Partizipation.
- Das Konzept der starken Demokratie als Gegenmodell zum Liberalismus, basierend auf Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie.
- Die Analyse von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Rousseau und Barber in Bezug auf Naturrecht, Repräsentation, Gemeinwille, politische Partizipation und die Rolle des Gesetzgebers.
- Die Frage der Aktualität von Rousseaus Gesellschaftsvertrag im Kontext der modernen Demokratie und die Möglichkeit, ihn als Stütze für direktdemokratische Denker zu verwenden.
- Die methodische Herangehensweise an die Bewertung von Werturteilen und die Betonung der Objektivität in der Analyse.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung erläutert die Motivation für die Analyse und die Relevanz der Fragestellung. Der Fokus liegt auf dem Rückgang der Wahlbeteiligung und der Kritik am liberal-repräsentativen System durch Vertreter direktdemokratischer Ansätze.
Das zweite Kapitel bietet eine zusammenfassende Darstellung von Benjamin Barbers Konzept der starken Demokratie. Er kritisiert den Liberalismus als „thin theory of democracy“ und setzt ihm ein Modell entgegen, das auf Bürgerbeteiligung und aktive Staatsbürgerschaft fokussiert.
Das dritte Kapitel befasst sich mit Jean-Jacques Rousseaus Gesellschaftsvertrag. Dieser Teil der Arbeit wird jedoch nicht in der Reihenfolge der ursprünglichen Argumentation Rousseaus dargestellt, sondern mit Blick auf Barbers Rezeption des französischen Klassikers. Im Fokus stehen die Gemeinsamkeiten beider Theorien, insbesondere die Ablehnung einer naturrechtlichen Fundierung der Politik, die Ablehnung von Repräsentation, das Konzept des Gemeinwillens, die Transformation des Individuums zum sittlichen Bürger und die Figur des Gesetzgebers.
Das vierte Kapitel behandelt die Unterschiede zwischen beiden Theorien. Hier werden die Differenzen in Methodik und Intention, die Frage der angemessenen Staatsgröße, die Zivilreligion und die Reichweite politischer Partizipation analysiert.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Themen und Konzepte, die in dieser Arbeit beleuchtet werden, sind: starke Demokratie, liberale Demokratie, Bürgerbeteiligung, direkte Demokratie, repräsentative Demokratie, Naturrecht, Gemeinwille, Staatsbürgerschaft, Gesetzgeber, Zivilreligion, politische Partizipation, Rousseau, Barber, Kommunitarismus, Max Weber.
- Quote paper
- Steffen Radtke (Author), 2010, Rousseaus Gesellschaftsvertrag - eine reliable Berufungsinstanz für Benjamin Barbers Konzept der starken Demokratie?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163875