1) Was waren die „Leipziger Kriegsverbrecherprozesse“?
Dirk von Selle beschreibt die Leipziger Kriegsverbrecherprozesse in seinem Aufsatz „Prolog zu Nürnberg - Die Leipziger Kriegsverbrecherprozesse vor dem Reichsgericht“ als die strafrechtliche Verarbeitung des Ersten Weltkrieges die vor allem durch die Artikel 228 bis 230 des Versailler Friedensvertrages in Bewegung gebracht wurde.1 Aufgrund eben dieser Artikel, so Selle, erkannte die deutsche Regierung das Recht der allierten Mächte an, Personen vor ein Militätgericht zu stellen, die sich wegen Handlungen gegen gebräuchliches Kriegsrecht strafbar gemacht hatten. Die Durchführung der Prozesse erwies sich jedoch als schwierig da die deutsche Regierung sich weigerte etwa neunhundert, von den Allierten benannte, Personen auszuliefern die wegen diverser Kriegsverbrechen angeklagt werden sollten. Vor allem in der Öffentlichkeit stieß diese Auslieferungsliste auf große Ablehnung weswegen sich die Reichsregierung dazu entschloss die genannten Personen einem Strafverfahren in Deutschland zu unterziehen. Extra zu diesem Zweck wurde im Dezember 1919 ein „Gesetz zur Verfolgung von Kriegsverbrechern und Kriegsvergehen“ verabschiedet, welches das Reichsgericht zur ersten und letzten Instanz für im In- und Ausland begangene Kriegsverbrechen erklärte. Zwar stimmten die Allierten diesem Entwurf zu, jedoch behielten sie sich das Recht auf den Verailler Friedensvertrag zurückzugreifen, sollten die Prozesse nicht zu ihrer Zufriedenheit verlaufen. Im Frühjahr 1921 begannen nun eben diese Prozesse von denen neun mit einem Urteil abgeschlossen wurden. Etliche Verfahren endeten jedoch mit Freisprüchen oder wurden, meist aus Mangel an Beweisen, eingestellt weswegen die Glaubwürdigkeit der Prozesse schnell von den Allierten in Frage gestellt wurde.
Inhaltsverzeichnis
- Was waren die „Leipziger Kriegsverbrecherprozesse“?
- Wie bewertet der Autor diese Prozesse?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Aufsatz von Dirk von Selle analysiert die Leipziger Kriegsverbrecherprozesse und untersucht deren Rolle als Vorläufer der Nürnberger Prozesse. Er untersucht, wie diese Prozesse in den Kontext des Versailler Friedensvertrages und der internationalen Beziehungen der Nachkriegszeit einzuordnen sind.
- Die rechtliche und politische Einordnung der Leipziger Kriegsverbrecherprozesse
- Die Kritik am Verfahren und an den Entscheidungen des Reichsgerichts
- Die Bedeutung der Leipziger Prozesse als Vorläufer der Nürnberger Prozesse
- Die Rolle des Versailler Friedensvertrages und der internationalen Beziehungen im Kontext der Prozesse
Zusammenfassung der Kapitel
Was waren die „Leipziger Kriegsverbrecherprozesse“?
Der Aufsatz beschreibt die Entstehung und Durchführung der Leipziger Kriegsverbrecherprozesse. Die Prozesse wurden aufgrund der Artikel 228 bis 230 des Versailler Friedensvertrages initiiert, welche Deutschland verpflichteten, Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Die deutsche Regierung willigte in die Prozesse ein, weigerte sich jedoch, eine große Anzahl von Personen an die Alliierten auszuliefern. Als Konsequenz führte das Reichsgericht eigene Prozesse durch, wobei es jedoch unter starkem politischem Druck stand und die Alliierten ihre Zustimmung zurückhielten. Die Prozesse wurden in der Öffentlichkeit und von den Alliierten kontrovers diskutiert.
Wie bewertet der Autor diese Prozesse?
Der Autor, Dirk von Selle, bewertet die Prozesse kritisch. Er argumentiert, dass das Reichsgericht unter dem Druck der Alliierten stand und nicht unabhängig agierte. Die Prozesse wurden in seinen Augen weniger aus tatsächlicher Überzeugung durchgeführt, sondern eher aufgrund des politischen Drucks. Die geringe Anzahl der Verurteilten und die zahlreichen Freisprüche sowie die mangelnde Verfolgung von höheren Dienstgraden unterstreichen diese Kritik. Trotz der Mängel der Prozesse räumt Selle ihnen eine rechtliche Bedeutung im Vergleich zu den Nürnberger Prozessen ein. Die Leipziger Prozesse setzten wichtige Präzedenzfälle und ebneten den Weg für die Entwicklung von Prinzipien der individuellen Verantwortlichkeit für Kriegsverbrechen.
Schlüsselwörter
Leipziger Kriegsverbrecherprozesse, Versailler Friedensvertrag, Reichsgericht, Kriegsverbrechen, internationales Recht, Nürnberger Prozesse, individuelle Verantwortlichkeit, politische Einflussnahme, rechtliche Bewertung, Vorläufer, Nachkriegszeit.
- Quote paper
- Florian Rübener (Author), 2006, Was waren die „Leipziger Kriegsverbrecherprozesse“?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163974