Jurij Michailowitsch Lotman wurde am 28. Februar 1922 in Petrograd (heute St. Petersburg) geboren und starb am 28. Oktober 1993 in Tartu. Der russische Literaturwissenschaftler und Semiotiker entwickelte ausgehend von den Arbeiten der russischen Formalisten eine kulturwissenschaftlich orientierte Semiotik. In seinem, noch für die heutige Literaturwissenschaft interessanten erzähltheoretischen Ansatz, steht nicht die zeitliche Struktur der Erzählung im Vordergrund sondern die räumliche Organisation erzählender Texte. Dieses, wie es genannt wird, strukturalistisch-semiotische Raummodell hat sich wegen seiner klaren Methodik als praktikables Verfahren für die Erzählanalyse erwiesen. Die zentralen Begriffe eben dieser erläutert er in seinem Buch "Die Struktur des künstlerischen Textes", aus dem das Kapitel "Das Problem des Sujets" stammt, das als Referatsgrundlage dient.
Inhaltsverzeichnis
- Zur Person Jurij Lotman und seine Bedeutung für die heutige Literaturwissenschaft
- Der künstlerische Raum
- Das Problem des Sujet
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht Jurij Lotmans erzähltheoretischen Ansatz, insbesondere sein Konzept des "künstlerischen Raumes" und seine Bedeutung für die Definition des Sujets. Der Fokus liegt auf der räumlichen Organisation erzählender Texte und der Rolle von Grenzüberschreitungen.
- Lotmans strukturalistisch-semiotisches Raummodell
- Die Definition des "künstlerischen Raumes" und seine Eigenschaften
- Die Rolle von Grenzen und Grenzüberschreitungen in der Erzählstruktur
- Die Beziehung zwischen räumlicher Organisation und Sujetbildung
- Beispiele zur Veranschaulichung der Theorie anhand von Märchen
Zusammenfassung der Kapitel
Zur Person Jurij Lotman und seine Bedeutung für die heutige Literaturwissenschaft: Dieser Abschnitt gibt einen kurzen Überblick über das Leben und Werk von Jurij Lotman, einem russischen Literaturwissenschaftler und Semiotiker. Er hebt Lotmans kulturwissenschaftlich orientierte Semiotik hervor und betont die Bedeutung seines erzähltheoretischen Ansatzes, der die räumliche Organisation erzählender Texte in den Mittelpunkt stellt. Besonders hervorgehoben wird sein Buch "Die Struktur des künstlerischen Textes", aus dem der hier behandelte Textauszug stammt.
Der künstlerische Raum: Lotman definiert den "künstlerischen Raum" als einen zweidimensionalen, klar abgegrenzten Raum literarischer Texte, der mehrdimensionale Räume der Wirklichkeit abbildet. Er erklärt, wie literarische Texte durch spezifische sprachliche Mittel und Regeln eine "künstlerische Wirklichkeitsmodellierung" erzeugen. Als Beispiel zieht er einen Vergleich zur Malerei heran, wo dreidimensionale Objekte durch perspektivische Darstellung in die zweidimensionale Bildebene übertragen werden. Zentral ist die "Sprache der räumlichen Relationen", die durch topologische Oppositionen (z.B. nah/fern, links/rechts) abstraktere semantische Oppositionen (z.B. gut/böse) veranschaulicht. Der künstlerische Raum wird durch eine Grenze in zwei disjunkte Unterräume unterteilt, die unterschiedlich strukturiert sein können. Das Beispiel des Zaubermärchens mit den Unterräumen "Haus" (sicher, geborgen) und "Wald" (gefährlich, böse) verdeutlicht diese Konzeption. Die Figuren bleiben in der Regel ihren zugewiesenen Räumen treu. Allerdings räumt Lotman die Möglichkeit einer "Polyphonie der Räume" ein, wobei ein und dieselbe Welt unterschiedlich aufgegliedert sein kann, je nach Bezugsperspektive der Figuren.
Das Problem des Sujets: Lotman verknüpft die Sujethaftigkeit eines Textes mit Grenzüberschreitungen. Ein sujetloser Text zeichnet sich dadurch aus, dass die Figuren ihre zugeordneten semantischen Räume nicht verlassen. Beispiele für sujetlose Texte sind für Lotman das Telefonbuch, der Kalender und sujetlose Gedichte. Diese Texte haben einen klassifikatorischen Charakter und bestätigen den Aufbau einer bestimmten Welt. Sobald jedoch eine Figur ihren Raum verlässt und die Grenze zum entgegengesetzten Raum überschreitet, entsteht ein Sujet, da dies einen Verstoß gegen die Regeln des Systems darstellt.
Schlüsselwörter
Jurij Lotman, Semiotik, Erzähltheorie, künstlerischer Raum, räumliche Organisation, Sujet, Grenze, Grenzüberschreitung, Wirklichkeitsmodellierung, topologische Oppositionen, semantische Oppositionen, Polyphonie der Räume, strukturalismus.
Häufig gestellte Fragen zu Jurij Lotmans Erzähltheorie
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht Jurij Lotmans erzähltheoretischen Ansatz, insbesondere sein Konzept des "künstlerischen Raumes" und dessen Bedeutung für die Definition des Sujets. Der Fokus liegt auf der räumlichen Organisation erzählender Texte und der Rolle von Grenzüberschreitungen.
Wer war Jurij Lotman und welche Bedeutung hat er für die heutige Literaturwissenschaft?
Jurij Lotman war ein russischer Literaturwissenschaftler und Semiotiker. Seine kulturwissenschaftlich orientierte Semiotik und sein erzähltheoretischer Ansatz, der die räumliche Organisation erzählender Texte in den Mittelpunkt stellt, sind von großer Bedeutung für die heutige Literaturwissenschaft. Sein Werk „Die Struktur des künstlerischen Textes“ ist besonders relevant.
Was ist der „künstlerische Raum“ nach Lotman?
Lotman definiert den „künstlerischen Raum“ als einen zweidimensionalen, klar abgegrenzten Raum literarischer Texte, der mehrdimensionale Räume der Wirklichkeit abbildet. Literarische Texte erzeugen durch sprachliche Mittel eine „künstlerische Wirklichkeitsmodellierung“. Die „Sprache der räumlichen Relationen“ (z.B. nah/fern, links/rechts) veranschaulicht abstraktere semantische Oppositionen (z.B. gut/böse). Der Raum ist durch Grenzen in Unterräume geteilt, und Figuren bleiben meist ihren zugewiesenen Räumen treu. Lotman erlaubt aber auch eine „Polyphonie der Räume“, wo eine Welt je nach Perspektive unterschiedlich gegliedert sein kann.
Welche Rolle spielen Grenzen und Grenzüberschreitungen in Lotmans Theorie?
Grenzüberschreitungen sind zentral für Lotmans Sujet-Konzept. Ein sujetloser Text zeichnet sich dadurch aus, dass Figuren ihre semantischen Räume nicht verlassen. Sobald eine Figur jedoch die Grenze überschreitet, entsteht ein Sujet, da dies einen Verstoß gegen die Regeln des Systems darstellt.
Wie definiert Lotman das Sujet?
Lotman verknüpft die Sujethaftigkeit eines Textes mit Grenzüberschreitungen. Sujetlose Texte, wie z.B. Telefonbücher oder Kalender, haben einen klassifikatorischen Charakter und bestätigen den Aufbau einer Welt. Ein Sujet entsteht erst durch den Bruch dieser Ordnung, also durch das Verlassen des zugewiesenen Raumes durch eine Figur.
Welche Beispiele werden in der Arbeit verwendet?
Die Arbeit verwendet Märchen als Beispiele zur Veranschaulichung von Lotmans Theorie. Der Gegensatz von „Haus“ (sicher) und „Wald“ (gefährlich) veranschaulicht die Unterteilung des künstlerischen Raumes. Weitere Beispiele für sujetlose Texte sind Telefonbücher, Kalender und bestimmte Gedichte.
Welche Schlüsselbegriffe sind für das Verständnis von Lotmans Theorie wichtig?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Jurij Lotman, Semiotik, Erzähltheorie, künstlerischer Raum, räumliche Organisation, Sujet, Grenze, Grenzüberschreitung, Wirklichkeitsmodellierung, topologische Oppositionen, semantische Oppositionen, Polyphonie der Räume, Strukturalismus.
Welche weiteren Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit bietet einen Überblick über Lotmans Leben und Werk und beleuchtet sein strukturalistisch-semiotisches Raummodell sowie die Beziehung zwischen räumlicher Organisation und Sujetbildung.
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- Anonym (Author), 2009, Die Struktur des künstlerischen Textes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164026