Politische Parteien nach 1945


Seminararbeit, 2010

32 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Parteienbegriff

3. Historische und politische Ausgangssituation

4. Portraits ausgewählter Parteien
4.1 BHE/GB
4.2 BP
4.3 Bündnis 90/Die Grünen
4.4 CDU
4.5 CSU
4.6 DIE LINKE
4.7 Die Republikaner
4.8 DKP/DRP
4.9 DP
4.10 DVU
4.11 FDP
4.12 KPD
4.13 NPD
4.14 SPD
4.15 SRP
4.16 SSW
4.17 WAV
4.18 Zentrum

5. Politische Parteien in der DDR

6. Machtverhältnisse in der Bundesrepublik: Konstellationen und Koalitionen

7. Parlamentarische Repräsentation

8. Zusammenfassung und Ausblick

9. Quellenverzeichnis
9.1 Literaturverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
9.3 Abbildungsverzeichnis
9.4 Weitere Quellen

1. Einleitung

Themenschwerpunkt dieser Hausarbeit ist die Entwicklung von Parteien in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1945 und 2010. Berücksichtigt wurden hierbei Parteien, die im Deutschen Bundestag vertreten sind oder zumindest zeitweilig vertreten waren mit der Ausnahme einiger nicht im Bundestag vertretener Parteien, die für die politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine besondere Rolle spielten oder spielen. Dies betrifft vor allem extremistisch ausgerichtete Parteien und ihr Verhältnis zum Staat sowie die Reaktion des Staates auf diese Parteien.

Ein Exkurs widmet sich der Parteienlandschaft in der DDR sowie der Eingliederung dort existierender Parteien in das politische System der Bundesrepublik während des Prozesses der Wiedervereinigung.

Ausgewählte Parteien werden in kurzen Portraits vorgestellt und ihre individuellen Entwicklungen in brevis nachvollzogen. Eine ausführlichere Darstellung ist durch die gebotene Umfangsbeschränkung im Rahmen dieser Hausarbeit leider nicht möglich.

Aus diesem Grund wurde der Schwerpunkt der Parteiendarstellungen auf die jeweilige bundespolitische Ausrichtung und parlamentarische Repräsentation gelegt. Empirische, vergleichende und kritische Betrachtungen von Parteipositionen und –entwicklungen auf Länder-, Bezirks- und kommunaler Ebene müssen Gegenstände eigener Arbeiten sein.

Für die Benennung der Parteien wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit die jeweils letzte beziehungsweise aktuelle Bezeichnung gewählt.

2. Parteienbegriff

„Parteien sollen heißen auf (formal) freier Werbung beruhende Vergesellschaftungen mit dem Zweck, ihren Leitern innerhalb eines Verbandes Macht und ihren aktiven Teilnehmern dadurch (ideelle oder materielle) Chancen (der Durchsetzung an sachlichen Zielen oder der Erlangung von persönlichen Vorteilen oder beides) zuzuwenden." (Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. §18)

„Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten. Mitglieder einer Partei können nur natürliche Personen sein.“ (§2 Abs.1 Parteiengesetz der Bundesrepublik Deutschland)

Aus diesen beiden Definitionen, die vom Beginn beziehungsweise der Mitte des 20. Jahrhunderts datieren, wird die Weite und auch die Entwicklung des Begriffes „Partei“ deutlich. Stellt Max Weber noch den Machtgedanken in den Vordergrund und definiert damit Parteien als pressure groups, legt das Parteiengesetz der Bundesrepublik Deutschland einen Schwerpunkt auf die verfassungskonforme politische Mitwirkung innerhalb des staatlichen Systems. In der Bundesrepublik Deutschland werden Parteien damit ausdrücklich in die politische Ordnung einbezogen. Dies stellt in der deutschen Geschichte ein Novum dar.

In den frühen Jahren der Bundesrepublik wurde dies besonders deutlich durch die Interpretation des Staatsrechtlers Gerhard Leibholz, der während der Weimarer Republik den Begriff des „Parteienstaats“ verwandte und seine Auffassung als Verfassungsrichter und späterer Präsident des Bundesverfassungsgerichtes in Urteile einfließen ließ[1]. Nach Leibholz sind Parteien als die „eigentlichen Träger politischer Willensbildung“ anzusehen und „nähern […] sich dem Status eines Verfassungsorgans“[2] Diese Auffassung wurde später durch den Begriff der Parteien demokratie sowie neuere Forschungen ergänzt, blieb jedoch für die Politikwissenschaft weiterhin von Bedeutung.

3. Historische und politische Ausgangssituation

Parteien, zunächst politische Vereine, entstanden in Deutschland im Zuge der Nationalbewegung vor allem seit dem Hambacher Fest von 1832. Nach der Revolution von 1848 fanden sich Abgeordnete im Frankfurter Paulskirchen-Parlament in lockeren Fraktionen zusammen. Die Gründung von deutschlandweit aktiven Parteien erfolgte in den Jahren vor und nach der Reichsgründung 1871, als erkennbar wurde, dass nur stabile Organisationseinheiten in den Parlamenten wirksamen Einfluss ausüben konnten.

Bereits im Kaiserreich war eine Gruppierung in (christlich-) konservative/nationale, liberale und sozialistische/sozialdemokratische Lager erkennbar, die sich in der Parteienlandschaft nach 1945 widerspiegelt.

In der Weimarer Republik splitterte sich die Parteienlandschaft auf und erschwerte damit die Bildung stabiler Regierungen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Politische Situation in der Weimarer Republik: Reichstagswahlen Juli 1932[3]

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 und die nachfolgende politische Gleichschaltung hatten zur Folge, dass alle Parteien außer der NSDAP verboten wurden und sich bis 1945 nicht politisch betätigen konnten.

Die Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 besiegelte faktisch das Ende des Deutschen Reiches. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges hatten sich Adolf Hitler und weitere führende Nationalsozialisten das Leben genommen. Die Regierungsgewalt ging durch Testament Hitlers auf Reichsadmiral von Dönitz über, der als Reichspräsident bis zu seiner Absetzung und Verhaftung durch alliierte Truppen am 23. Mai 1945 amtierte. Damit war jegliche deutsche Staatsgewalt aufgelöst[4].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Anlehnung an die Potsdamer Beschlüsse der Alliierten wurden Teile des ehemaligen Staatsgebietes abgetrennt und der verbleibende Bereich in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Die Militärregierungen der Zonen übten die staatliche Gewalt aus.

Auf politischer Ebene nahmen zunächst die Kommunen und Kreise ihre Tätigkeit wieder auf. Ab 1946 wurden Länder (wieder-) gegründet. Politische Ämter wurden zunächst von den Militärregierungen vergeben, überregionale deutsche Behörden hatten den Charakter von Verwaltungen, die durch die Alliierten kontrolliert wurden.

In ganz Deutschland vollzog sich jedoch bereits 1945 die Neugründung politischer Parteien. Die Alliierten lizenzierten dabei zunächst für ihren jeweiligen Einflussbereich sowohl Parteien, die vor 1933 bereits bestanden hatten wie auch neue Formationen, deren Ausrichtung sich von der der NSDAP abhob.

Die Herausforderung für die Parteien bestand darin, innerhalb kurzer Zeit funktionierende Strukturen aufzubauen, da die Westalliierten bereits 1948 zusammen mit den politisch aktiven deutschen Kräften die Gründung der Bundesrepublik vorbereiteten und auch die sowjetische Militärregierung ihr eigenes Staatsmodell, die DDR, vorantrieb.

4. Portraits ausgewählter Parteien

4.1 BHE/GB

Der Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten wurde am 08.01.1950 in Lübeck gegründet. Die Gründung erfolgte nicht zufällig in Schleswig-Holstein, da dieses Bundesland eine besonders hohe Zahl an Heimatvertriebenen aufwies (Bevölkerungszuwachs von 1946 gegenüber 1939: 62%, im Vergleich: Bayern 24%)[5]. Der Mitgründer Waldemar Kraft rief in einem Brief 60 Abgeordnete des Deutschen Bundestages zur Unterstützung des BHE auf, bekam jedoch nur vier Antworten. Ein Abgeordneter, Dr. Linus Kather, trat zum BHE über und wurde Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen. Der Bundesverband konstituierte sich im Bonner Bundeshaus am 27./28.01.1951. Außer der Interessenvertretung für Heimatvertriebene verstand sich der BHE (seit 1951 Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten/Gesamtdeutscher Block) als „antimarxistische Sozialpartei“[6] und trat mit einem eigenen Entwurf für einen Lastenausgleich zugunsten der Vertriebenen an. Bei der Wahl zum Zweiten Deutschen Bundestag trat der BHE/GB bundesweit an und erreichte 5,9% der Zweitstimmen. In der zweiten Bundesregierung bekleidete Prof. Oberländer vom BHE/GB das Bundesministerium für Vertriebene, Waldemar Kraft wurde Bundesminister für besondere Aufgaben. Aus der Koalition mit der CDU trat der BHE/GB jedoch 1955 wieder aus. Bundeskanzler Adenauer wurde auf Grund der Westintegration der Bundesrepublik „Verzichtspolitik“ vorgeworfen. Dieses Thema griff der BHE/GB auch im Wahlkampf 1957 auf[7]. Andere Politiker des BHE traten jedoch zur CDU über. Im Jahr 1956 fand eine Annäherung von Mitliedern von BHE/GB und FDP statt, Ziel dieser Kooperation sollte das Entstehen einer starken „dritten politischen Kraft“ neben CDU und SPD sein. die Zusammenarbeit auf parlamentarischer Ebene kam jedoch nicht zustande[8]. In Schleswig-Holstein geriet die Partei 1958 in die Krise, da sich ein Teil der Landtagsabgeordneten der CDU annähern wollte. Die Fraktion verlor daraufhin 6 der 10 Mitglieder, darunter zwei Minister. Zum Ende der 1950er Jahre konnte eine Akzentverschiebung von der sozialen zur nationalen Partei festgestellt werden, 1961 fusionierte der BHE/GB mit der DP. Bei der Bundestagswahl in diesem Jahr erreichte die Partei nur noch 2,8% der Wählerstimmen. Durch die fortgeschrittene Integration der Vertriebenen und die Akzeptanz der Westintegration in der Bevölkerung stießen die Ziele nur noch auf geringe Resonanz.

4.2 BP

Die BP (Bayernpartei) wurde am 28.10.1946 in München gegründet und 1948 von der amerikanischen Besatzungsmacht lizenziert. Sie beschränkte ihren Wirkungskreis wie auch die CSU von Anfang an auf Bayern und stand zunächst mit ihr in direkter Konkurrenz. Die Ausrichtung der BP konnte zunächst als separatistisch mit monarchistischen Tendenzen beschrieben werden. Sie spricht vor allem mittelständische und bäuerliche Wähler an. Mit einem Ergebnis von 20,9% der Stimmen in Bayern zog die BP in den Ersten Deutschen Bundestag ein, war danach jedoch nicht mehr vertreten. Es gelang der CSU in den 1950er Jahren zusehends, Wähler der BP für sich zu gewinnen und sich als erfolgreichere Volkspartei in Bayern zu positionieren[9]. Durch eine von der CSU beeinflusste Affäre um die Konzessionierung privater Spielbanken wurden führende Mitglieder der BP zunächst politisch beschädigt und später teilweise zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die BP besteht jedoch nach wie vor und tritt bei Wahlen auf Kommunal- und Landesebene an. Größter politischer Erfolg seit den 1950er Jahren war die Wahl von Paula Volkholz zur Landrätin des Landkreises Kötzting 1970. Sie konnte den Posten jedoch nur bis 1972 bekleiden, da der Landkreis Kötzting im Zuge der Gebietsreform im Landkreis Cham aufging. Zu den führenden Persönlichkeiten der BP zählten Ludwig Max Lallinger und Jakob Fischbacher (Mitbegründer), Joseph Baumgartner (1948 von der CSU übergetreten) sowie Ludwig Volkholz.

4.3 Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen entstanden in den 70er Jahren zunächst als regionale Wählergruppen, die ökologisch und pazifistisch orientierte Menschen ansprachen und damit ihre Anhänger sowohl im linken Bürgerinitiativenmilieu als auch bei sehr wertkonservativen Wählern fanden. Konservative Wähler wandten sich jedoch schnell von den Grünen ab. So kam es in der Folge zur Gründung der ödp (Ökologisch-Demokratische Partei). Die grüne Bundespartei wurde 1980 unter den Schlagworten „sozial, ökologisch, basisdemokratisch, gewaltfrei“ gegründet und verstand sich zunächst als „Anti-Parteien-Partei“ (Petra Kelly).[10] Entsprechend fanden sich in den Parteistatuten Regelungen, die von denen der etablierten Parteien zum Teil deutlich abwichen. Die Grünen waren die erste Partei, die eine Frauenquote bei der Besetzung von Parteiämtern einführte. Die Trennung von Amt und Mandat legte für lange Zeit fest, dass Ämter in Partei und Mandate in Gemeinde-, Stadt- und Kreisräten sowie Parlamenten nicht von einer Person bekleidet werden durften. Mandatsträger wurden verpflichtet, ihre Bezüge bis auf einen Freibetrag in Höhe eines Facharbeiterlohnes abzugeben. Mit dem erstmaligen Einzug in den Bundestag 1983 wurden die Grünen als ernst zu nehmende politische Kraft wahrgenommen, die folgende Zusammenarbeit mit anderen Parteien auf Kommunal- und Landesebene schwächte jedoch das ursprüngliche Profil zunehmend ab. Im Gegenzug wurde die Partei als potentieller Koalitionspartner interessant; nach der Bildung der ersten Landesregierung von SPD und Grünen in Hessen erfolgte 1998 auf Bundesebene eine Koalition von SPD und Grünen unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Vizekanzler sowie Außenminister war Joschka Fischer (B90/Grüne); die Koalition bestand bis 2005. Während der rot-grünen Koalition stimmten die Grünen dem Kosovo-Einsatz der Bundeswehr zu und strichen in ihrem Grundsatzprogramm von 2002 die Forderung nach dem Austritt Deutschlands aus der NATO. Die Grünen setzen Schwerpunkte in der Klimapolitik, der Bildungs- und Innenpolitik und haben sich von der Interessenpartei zur bürgerlichen Partei gewandelt. Im Gegensatz zur Gründungszeit verfügen die Wähler und Mitglieder der Grünen über ein überdurchschnittliches Einkommen. Der Bildungsgrad ist hoch (62% Abitur/Fachabitur), in den gehobenen Dienstleistungsberufen finden die Grünen überdurchschnittliche Zustimmung. Führende Persönlichkeiten der Grünen sind oder waren Joseph (Joschka) Fischer (ehem. Bundesaußenminister), Jürgen Trittin, Renate Künast, Claudia Roth und Cem Özdemir (letztere bilden den paritätisch besetzten Bundesvorsitz).

4.4 CDU

Die Teilung Deutschlands bewirkte, dass Teile der preußisch-protestantisch gesinnten Konservativen nicht auf dem Boden der drei Westzonen bzw. der Bundesrepublik lebten. Daher entstand die CDU als Sammlungsbewegung sowohl katholisch- als auch protestantisch-konservativer, gewerkschaftlich-sozial eingestellter und liberaler Kräfte, mit zunächst katholisch bestimmtem Schwerpunkt.[11]. Die Gründung erfolgte noch unter dem Eindruck der Religionsverfolgung der NS-Zeit, zum Teil durch vom Regime Verfolgte, im Juni 1945. Das „Ahlener Programm“ von 1947 sah „Christlichen Sozialismus“, Verstaatlichung von Schlüsselbereichen der Wirtschaft und bereits Bekenntnisse zur Westintegration vor. Maßgeblich beteiligt waren Konrad Adenauer sowie Jakob Kaiser. Die Düsseldorfer Leitsätze (1949) beschrieben eine Hinwendung zur Sozialen Marktwirtschaft[12]. Die Bundespartei formierte sich erst nach den Bundestagwahlen 1949, in den 1950er Jahren wurde die Partei daher sowohl von einer Aufteilung in vier Flügel (wirtschaftsliberal, christlich-sozial, säkulär-konservativ und bürgerlich-katholisch) als auch von mächtigen Landesverbänden geprägt.[13] Die straffe Führung durch den Parteivorsitzenden und Bundeskanzler Konrad Adenauer verhinderte jedoch die Aufspaltung der Partei. Programmatisch spielen in der CDU seit den Anfängen die Grundidee der breiten Streuung von Privatvermögen und der gesellschaftliche Wert des

Privateigentums eine Rolle. Im „Hamburger Programm“ von 1953 wurde daher auch die Forderung nach Miteigentum der Arbeitnehmer an den Betrieben erhoben. Nach 1957 spielte jedoch der Gedanke des Vermögensaufbaus durch Miteigentum an den Produktionsmitteln keine Rolle mehr. 1961 wurde mit der Vorlage des Vermögensbildungsgesetzes ein anderer Weg aufgezeigt, der bis heute Gültigkeit besitzt[14]. In den 1960er Jahren verlor die CDU ihre Vormachtstellung unter den Bundestagsparteien. Der Wunsch nach Neuausrichtung in der veränderten politischen und sozialen Lage der Bundesrepublik ließen die Reformer um Helmut Kohl parteiintern erstarken. Der Verlust der Macht an die Regierung Brandt 1969 sowie das schlechte Ergebnis bei der Bundestagswahl 1972 werden als Auslöser für die so genannte „zweite Gründung“ 1972 gewertet[15]. Helmut Kohl setzte sich das Ziel, Vorsitzender einer programmatisch gefestigten Volkspartei zu werden, im Gegensatz zur Sammlungsbewegung der 1950er Jahre. Der Düsseldorfer Parteitag 1971 brachte mit der Verabschiedung des Mitbestimmungsmodells eine arbeitgeberfreundliche Ausrichtung, damit hatten im Richtungsstreit die wirtschaftsliberalen Kräfte die Oberhand gewonnen. Entscheidungen wurden zunehmend durch Mehrheitsbeschlüsse und nicht, wie unter Adenauer, durch Kompromisse getroffen[16]. 1978 wurde im „Ludwigshafener Grundsatzprogramm“ das Konzept der „Neuen sozialen Frage“ behandelt. Federführend waren Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler. In den 1980er Jahren gewann die Umweltfrage in der Bevölkerung zunehmend an Bedeutung. Erst 1989 wurde jedoch in der CDU der Umweltschutz programmatisch verankert. Im Vorfeld hatten die Volksparteien CDU und SPD bei der Bundestagswahl 1987 zu Gunsten der kleinen Parteien an Stimmen verloren. Der Bundeskanzler und Parteivorsitzende Helmut Kohl formulierte daraufhin das Konzept der „geistig-moralischen Wende“ mit dem Anspruch, Führung und Werte zu vermitteln[17]. In den 1990er Jahren wurde deutlich, dass Kohl nicht mehr als Reformer innerhalb der Partei gelten konnte. 1994 wurde der Begriff „christlich“ in Bezug auf Freiheit und Menschenwürde neu definiert. Finanz- und steuerpolitisch galt das Ziel, Gering- und Spitzenverdiener zu entlasten sowie Staatsunternehmen wie Post (einschließlich des Telekommunikationsbereiches) und Bahn zu privatisieren[18]. Nach 2000 wurde unter der neuen Parteivorsitzenden Angela Merkel versucht, die Kommunikation zwischen Parteispitze und Basis neu zu definieren. Die Machtstrukturen der Ära Kohl zerbrachen zusehends. Wirtschaftliche Schwierigkeiten bescherten der CDU in Umfragen höhere Kompetenzwerte und ein besseres Wahlergebnis, so dass sie 2005 mit der SPD eine Koalitionsregierung unter der Führung Angela Merkels eingehen konnte. Das Grundsatzprogramm von 2007 stellt die Eigenverantwortung des Einzelnen in den Mittelpunkt der Politik. In jüngster Zeit leidet die Partei daran, dass sich profilierte Politiker aus den Landesregierungen oder ganz aus der Führungsarbeit zurückziehen (Friedrich Merz, Roland Koch, Günther Oettinger, Ole von Beust). Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff wurde 2010 zum Bundespräsidenten gewählt und damit voraussichtlich nicht mehr als möglicher Nachfolger Merkels zum Kanzlerkandidaten aufgebaut. Damit entsteht zur Zeit eine schwierige Führungssituation: Am Ende der Ära Helmut Kohls mangelte es an Alternativen für den Parteivorsitz, Angela Merkel galt zunächst als Verlegenheitskandidatin[19]. Momentan wiederum ist kein potentieller Nachfolger Merkels zu erkennen.

[...]


[1] Gellner, Winand/Glatzmeier, Armin: Macht und Gegenmacht. Einführung in die Regierungslehre. Nomos, Baden-Baden 2004. S. 306

[2] Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Rechtliche Ordnung des Parteiwesens. Probleme eines Parteiengesetzes. Bericht der vom Bundesminister des Innern eingesetzten Parteienrechtskommission. Alfred Metzner, Frankfurt/Main und Berlin 1957

[3] Zahlen nach StJbDR, 1933, S. 539

[4] Botting, Douglas: In the Ruins of the Reich. George Allen & Unwin, London 1985. S. 82-85

[5] Neumann, Franz: Der Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten 1950-1960. Ein Beitrag zur Geschichte und Struktur einer politischen Interessenpartei. Hain, Mersenheim am Glan 1968. S. 2

[6] Ebd., S. 67

[7] Ebd., S. 167ff.

[8] Ebd., S. 202

[9] Mintzel, Alf: Bayernpartei. In: Stöss, Richard (Hrsg.): Parteien-Handbuch. Die Parteien in der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Opladen, Westdeutscher Verlag 1986. Band 1, S. 395-489

[10] Klein, Markus/Falter, Jürgen W.: Der lange Weg der Grünen. Eine Partei zwischen Protest und Regierung. C.H.Beck, München 2003. S. 35f.

[11] Zolleis, Udo: Die CDU. Das politische Leitbild im Wandel der Zeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008. S. 97-99

[12] Ebd., S. 103

[13] Ebd., S. 105

[14] Zolleis, Udo: Die CDU. Das politische Leitbild im Wandel der Zeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008. S. 117-125

[15] Ebd., S. 128-132

[16] Ebd., S. 169ff.

[17] Ebd., S. 197

[18] Ebd., S. 225-229

[19] Zolleis, Udo: Die CDU. Das politische Leitbild im Wandel der Zeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008. S. 244

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Politische Parteien nach 1945
Hochschule
Universität Passau
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
32
Katalognummer
V164044
ISBN (eBook)
9783640789726
ISBN (Buch)
9783640790333
Dateigröße
666 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Parteien, Bundesrepublik, Politik, Bundesregierung, Koalition, Fünf-Prozent-Hürde, Bundestag, Deutschland, DDR, BHE/GB, BP, Bündnis 90, Die Grünen, CDU, CSU, Die Linke, Die Republikaner, DKP, DRP, DP, DVU, FDP, KPD, NPD, SPD, SRP, SSW, WAV, Zentrum, Parteienporträt, Topic_Parteien
Arbeit zitieren
Joachim Kaeber (Autor:in), 2010, Politische Parteien nach 1945, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164044

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