Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsdefinition
2.1ältere Arbeitnehmer
2.2 Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft
3 Leistungsfähigkeitälterer Arbeitnehmer
3.1 Altersstereotype
3.2 Erkenntnisse der Altersforschung zur Wandlung der Leistungsfähigkeit
3.2.1 Physische Leistungsfähigkeit
3.2.2 Psychische Leistungsfähigkeit
3.2.2.1 Veränderung der fluiden Intelligenz
3.2.2.2 Veränderung der kristallinen Intelligenz
3.3 Die „neuen Alten“
3.4 Schlussfolgerungen für die Berufspraxis
4 Handlungsansätze
4.1 Bedeutung der Beschäftigungsrisiken
4.2 Erhalt der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft
4.2.1 Erhalt der Gesundheit
4.2.2 Verbesserung der Qualifikation
4.2.2.1 Betriebliche Weiterbildung
4.2.2.2 Communities of Practice - ein fortschrittliches Instrument
4.2.3 Erhöhung der Motivation
4.2.3.1 Stellenwert und Bedeutung
4.2.3.2 Altersgerechte Karrieremodelle
4.2.3.3 Unternehmenskultur
4.3überlegungen zur personalpolitischen Umsetzung der
Zielgruppenbildung
5 Zusammenfassung
Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Der demographische Wandel und der Fachkräftemangel werden seit einiger Zeit stark diskutiert. Immer wieder wird dieüberalterung der Gesellschaft als Herausforderung angeführt. Zum einen ist mit einem weiteren deutlichen Anstieg des Anteilsälterer Personen am gesamten Erwerbspersonenpotential zu rechnen. Zum anderen ist ein Trend zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu beobachten.1
In vielen Unternehmen dominieren die Anstrengungen zur Gewinnung von Nach- wuchskräften die Personalpolitik. Dabei stellt derältere Teil der Arbeitnehmer eine be- reits gewonnene und qualifizierte Ressource dar. Diese könnte wesentlich stärker als bisher von Unternehmen genutzt werden, um auch in Zukunft unter veränderten demo- graphischen Rahmenbedingungen wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Erhalt berufsbezo- gener Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft möglichst vieler Arbeitnehmer bis ins hohe Lebensalter wird mehr und mehr zur entscheidenden Stellgröße.2
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie manältere Beschäftigte leis- tungsfähig und leistungsmotiviert hält, um sie länger wertschöpfend im Unternehmen einsetzen zu können. Nach der Klärung von Begrifflichkeiten in Kapitel 2 wird in Kapi- tel 3 die körperliche und geistige Leistungsfähigkeitälterer untersucht. Dabei gilt es al- tersbedingte physische und psychische Veränderungen herauszuarbeiten, um mögliche Konsequenzen für die betriebliche Praxis aufzuzeigen. Kapitel 4 greift zunächst Be- schäftigungsrisiken auf, die zusätzlich leistungseinschränkend wirken können. Weiter- hin werden Handlungsansätze herausgearbeitet, mit denen den zuvor beschriebenen al- ters- und berufsbedingten Einflussfaktoren aus betrieblicher Sicht begegnet werden kann. Schließlich fasst, nach einigen Denkanstößen zur personalpolitischen Umsetzung, Kapitel 5 die Erkenntnisse zusammen.
2 Begriffsdefinition
2.1 ältere Arbeitnehmer
Der Altersbegriff ist in der betrieblichen Praxis von besonderer Relevanz, weil er als Kriterium u.a. für Selektionsentscheidungen herangezogen wird.3 Die Festlegung einer bestimmten Altersgrenze, die eine Unterscheidung zwischen jüngeren undälteren Arbeitnehmern4 ermöglicht gestaltet sich jedoch schwierig.
In den meisten Unternehmen wird das kalendarische bzw. das kardinal messbare Alter als Maßstab zur Trennung zwischen Jung und Alt verwendet, „da es die Nutzungsdauer des Personalvermögens im unternehmerischen Leistungserstellungsprozess, die i.d.R. mit dem Renteneintritt endet, determiniert“5. Dabei variiert die Zuordnung zumälteren Mitarbeiter in der Arbeitswelt von Unternehmen zu Unternehmen und ist von der Bran- che abhängig. Beispielsweise zählt ein Arbeitnehmer in der IT-und Software-Branche bereits mit Mitte 30 zu denälteren Mitarbeitern.6 Ein 50-jähriger Steuerberater hingegen muss nicht unbedingt zu denälteren Erwerbspersonen gehören.7 Die meisten Akademi- ker haben mit 45 Jahren durchschnittlich mehr Berufsjahre vor als hinter sich.8
Auch die OECD benutzt das kardinal messbare Alter als ausschlaggebende Größe. Zwar bezeichnet sie diejenigen Arbeitnehmer alsälter, „die in der zweiten Hälfte des Berufs- lebens stehen, das Rentenalter noch nicht erreicht haben sowie gesund und arbeitsfähig sind“,9 ordnet jedoch Arbeitnehmer an Hand ihres kalendarischen Alters der Gruppeäl- terer zu. Demnach zählen Beschäftigte zwischen dem 40-sten und 55-sten Lebensjahr zu den alternden Arbeitnehmern, und zwischen dem 55-sten Lebensjahr und dem Renten- eintrittsalter zu denälteren Arbeitnehmern.10 Für die WHO sind die Begriffe alternd undälter gleichbedeutend und bezeichnenüber 45-jährige Arbeitnehmer.11
Auch in der Fachliteratur wird der Begriffälterer Arbeitnehmer sehr heterogen gehand- habt.12 So zieht Neumann13 die Grenze bei 35 Jahren. Sowohl Naegele14 als auch Alt und Dinter15 tendieren zur Mitte des vierzigsten Jahrzehnts. Hoffmann16 hingegen ord- net Personen ab 50 Jahren der Gruppeälterer zu. Einigkeit unter den Autoren besteht allerdings weitgehend darüber, dass das kalendarische Alter nur bedingt zur Bestim- mung einesälteren Arbeitnehmers geeignet ist, da der Alterungsprozess individuell und sehr differenziert verläuft.17
Ältere grenzen sich von Jüngeren insbesondere durch eine altersbedingte Veränderung der Fähigkeiten ab.18 Wie später zu zeigen sein wird, findet mit zunehmendem Alter ei- ne Verschiebung des Leistungspotentials statt. Diese Veränderungsprozesse sind jedoch sehr individuell, unterliegen verschiedenen Einflüssen19 und erfordern deshalb eine in- dividuelle Betrachtung. Eine abschließende Definition desälteren Arbeitnehmers an- hand eines kardinal erfassbaren Lebensalters kann daher an dieser Stelle nicht vorge- nommen werden. Es muss zunächst als grober Richtwert genügen, dass im Folgenden von Arbeitnehmern gesprochen wird, die sich in der zweiten Hälfte ihres theoretisch möglichen Berufslebens bis zur gesetzlichen Altersgrenze befinden und einer deutlichen altersbedingten Veränderung ihrer Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft unter- liegen.
2.2 Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft
In der Arbeitswissenschaft wird „die Gesamtheit von Informationsverarbeitung und Energieumsatz“20 zur Erreichung eines vorgegebenen Handlungsziels als Arbeitsleis- tung bezeichnet. Damit eine Arbeitsleistung entstehen kann, bedarf es sowohl situativer als auch menschlicher Leistungsvoraussetzungen. Zu den situativen Leistungsvoraus- setzungen gehören technische Errichtungen und die Arbeitsorganisation. Zu den menschlichen Leistungsvoraussetzungen zählen die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft.21
Im Speziellen meint Leistungsfähigkeit die körperliche und geistige Funktionstüchtigkeit des Individuums. Sie beschreibt die Fähigkeit, den Alltagsanforderungen physisch und psychisch entsprechen zu können.22 Leistungsbereitschaft umfasst hingegen emotionale Leistungsvoraussetzungen.23
3 Leistungsfähigkeitälterer Arbeitnehmer
3.1 Altersstereotype
Bevor eine Auseinandersetzung mit der Leistungsfähigkeit erfolgen kann, erscheint ein Blick auf vorherrschende Altersbilder notwendig. Diese so genannten Altersstereotype24 sind in der Praxis eine wesentliche Triebkraft bei personalpolitischen Entscheidungen25 und lassen die nötige Sensibilität im Umgang mitälteren vermissen.
Die Wahrnehmungälterer Personen ist innerbetrieblich oftmals mit negativen klischee- haften Vorstellungen verknüpft.26 Hinter solchen Verallgemeinerungen stehen Annah- men des Defizitmodels, das von einem generellen, mit zunehmendem Alter verbundenen Rückgang der physischen und geistigen Fähigkeiten ausgeht.27 Nach diesem Modell sindältere im Vergleich zu Jüngeren weniger belastbar, weniger lernbereit und -fähig, geistig unbeweglicher, kaum veränderungsbereit, unflexibel, unmotiviert und weniger leistungsfähig.28
Obwohl die Annahmen des Defizitmodells inzwischen als widerlegt gelten, sind die oben genannten Vorurteile noch immer weit verbreitet.29 Die Gruppeälterer Arbeit- nehmer bleibt von Personalentwicklungs- und Qualifizierungsprozessen oft ausge- schlossen. Be]gründet wird dieser Umstand zusätzlich mit der relativ kurzen Restarbeits- zeitälterer im Betrieb, und somit einer kurzen „Wertschöpfungsperiode“, was eine Investition in die Leistungsfähigkeit nicht lohnend macht.30 Dieses Argument muss jedoch zunehmend infrage gestellt werden, wenn man die kurzen Zeiträume betrachtet in denen aktuelles Wissen heutzutage veraltet.31 In einigen Bereichen liegt die Halbwertszeit beruflicher Fachqualifikation heutzutage nur noch bei fünf Jahren.32
Im Gegensatz zu den oben genanntenüberwiegend negativ geprägten Altersbildern, sollen ausschließlich quantitative und qualitative psychologische und biologische Entwicklungen der Leistungsfähigkeit im Weiteren Verwendung finden.
3.2 Erkenntnisse der Altersforschung zur Wandlung der Leistungsfähigkeit
3.2.1 Physische Leistungsfähigkeit
Gerontologische33 Untersuchungen verdeutlichen die bestehende Diskrepanz zwischen den vorherrschenden negativen Altersbildern und dem jeweiligen Leistungsvermögenälterer Menschen.34
Die Leistungsfähigkeit setzt sich aus einer physischen bzw. körperlichen und einer psy- chischen bzw. kognitiven Komponente zusammen.35 Die physische Komponente bein- haltet Eigenschaften wie die Körperkraft, Belastbarkeit, Sinnesleistungen sowie Ge- sundheit und Regenerationsvermögen. Bedingt durch den Alterungsprozess und der damit einhergehenden Reduktion der Organfunktion kommt es zu einer Verringerung der physischen Leistungskapazität.36 Dieser Leistungsabfall istüberwiegend auf eine geminderte Anpassungsfähigkeit des Organismus an steigende Belastungen und eine verringerte Reservekapazität zurückzuführen.37 Beispielsweise lässt die maximale Mus- kelfunktion, der Tastsinn, das Hörvermögen, die Sehschärfe oder die Kontrastempfind- lichkeit altersbedingt nach.38
Allerdings verläuft der Leistungsabfall von Mensch zu Mensch höchst unterschied- lich.39 Es konnte sogar beobachtet werden, dass die Leistungsdifferenzen, zwischen denälteren größerer sind als zwischen den unterschiedlichen Altersgruppen.40 Diese Hete- rogenität lässt sich mit der individuellen Berufs- und Lebensbiographie erklären.41 In- nerhalb einer Gruppe jüngerer Personen sind die Unterschiede weniger groß, weil jün- gere eine kürzere Berufs- und Lebensbiographie aufweisen, die in den ersten Jahren oh- nehin sehrähnlich verläuft und die Leistungsfähigkeit in der Regel hoch ausgeprägt ist.
3.2.2 Psychische Leistungsfähigkeit
3.2.2.1 Veränderung der fluiden Intelligenz
Die Intelligenz ist ein entscheidender Bestimmungsfaktor der psychischen Leistungsfähigkeit.42 Dabei werden zwei Arten kognitiver Intelligenz unterschieden, die fluide und die kristalline Intelligenz.43
Die fluide Intelligenzkomponente bezieht sich größtenteils auf neurobiologisch bedingte, universelle Informationsverarbeitungsmechanismen44 und umfasst somit den Bereich, der beiälteren oft als defizitär gilt. Dazu zählt die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung45, die Leistung des Gedächtnissystems wie beispielsweise Denken, Räumliche Orientierung oder Problemlösen,46 sowie das Abstraktionsvermögen, die geistige Beweglichkeit und die Umstellungsfähigkeit bei sich wandelnden Gegebenheiten.47 Baltes spricht hier von der wissensfreien Mechanik.48
[...]
1 Vgl. Becker (2008), S. 1; Zisgen (2006), S. 149; Freude/Pech (2005), S. 188 f.
2 Vgl. Freude/Pech (2005), S. 185.
3 Vgl. Juch (2009), S. 45.
4 Im Rahmen der Vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Arbeitnehmer, Mitarbeiter, Beschäftigter und Erwerbsperson synonym verwendet. Aus Gründen der Lesbarkeit werden in der vorliegenden Arbeit per- sonenbezogene Bezeichnungen jeweils nur in der maskuline Form verwendet, die aber beide Geschlechter meinen.
5 Vgl. Richter (2005), S. 65.
6 Vgl. Ziegler (2008), S. 10.
7 Vgl. Menges (2000), S. 33.
8 Vgl. Regnet (2009), S. 688.
9 Vgl. OECD, zitiert nach Regnet (2009), S. 688.
10 Vgl. Richter (2005), S. 64.
11 Vgl. Clemens et al. (2003c), S. 16.
12 Vgl. Fuchs (2008), S. 17; Ziegler (2008), S. 10.
13 Vgl. Neumann (1994), S. 66.
14 Vgl. Naegele (1992), S. 9.
15 Vgl. Alt/Dinter (1993), S. 23.
16 Vgl. Hoffmann (1993), S. 315.
17 Vgl. Böhne (2008), S. 6; Mall (1999), S. 24.
18 Vgl. Menges (2000), S. 36.
19 Vgl. Hayn (2007), S. 6.
20 Vgl. Spath et al. (2004), S. 57.
21 Vgl. Spath et al. (2004), S. 57.
22 Vgl. Freude/Pech (2005), S. 186; Mroß (2001), S. 101.
23 Vgl. Spath et al. (2004), S. 57.
24 Stereotype bezeichnen eingebürgerte Vorurteile, mit feststehenden Vorstellungen innerhalb einer Gruppe. Vgl. DUDEN, das Fremdwörterbuch (2005)
25 Vgl. Becker (2008), S. 4.
26 Vgl. Mücke (2008), S. 6.
27 Vgl. Bruch et al. (2010), S.56.
28 Vgl. Bruch et al. (2010), S. 56; Regnet (2009), S. 690; Deller et al. (2008), S. 80.
29 Vgl. Deller et al. (2008), S. 80; Staudinger (2006), S. 693.
30 Vgl. Frerichs (2007), S. 67.
31 Vgl. Morschhäuser et al. (2008), S. 58.
32 Vgl. Frerichs (2007), S. 69.
33 Gerontologie bezeichnet die Wissenschaft vom Alter und dem Altern, wobei Probleme alter Menschen im Untersuchungsfokus stehen. Vgl. Baltes/Baltes (1992), S. 8.
34 Vgl. Geschonke (2008), S. 35.
35 Vgl. Hayn (2007), S. 89 ff.
36 Vgl. Birchmeier (2004), S. 22.
37 Vgl. Freude/Pech (2005), S. 195.
38 Vgl. Menges (2000), S. 152.
39 Vgl. Böhne (2008), S. 7.
40 Vgl. Hayn (2007), S. 90
41 Vgl. Holz (2007a), S. 40.
42 Vgl. Becker (2008), 47; Menges (2000), S. 157.
43 Vgl. Esslinger/Singer (2010), S. 104.
44 Vgl. Kliegel/Jäger (2009), S. 35.
45 Vgl. Falkenstein (2007), S. 35.
46 Vgl. Kliegel/Jäger (2009), S. 35.
47 Vgl. Menges (2000), S. 157.
48 Vgl. Baltes (1996), S. 43.