Der seit Jahrzehnten verzeichnete konstante Anstieg bei der Diagnose psychischer Störungen in Deutschland weckt wegen seiner wachsenden Relevanz aufgrund der steigenden Zahl Betroffener Individuen neben dem psychologischen längst auch das soziologische Interesse für das Thema „Psychotherapie“. Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen, ob es sich bei der Inanspruchnahme psychotherapeutischer Behandlung in der heutigen westlichen Gesellschaft um ein Stigma oder bereits um ein als normal angesehenes Phänomen handelt. Dazu werden auf Basis der Theorie von Erving Goffman Interaktionsrituale zwischen psychotherapierten Individuen und solchen, die nicht dieses Merkmal tragen, unter Berücksichtigung der Relevanz der jeweils eingenommenen Rollen untersucht. Strategien des Stigma-Managements als Techniken zur Bewältigung der beschädigten Identität diskreditierbarer und diskreditierter Individuen, wie beispielsweise Täuschung, Vermeidung, Hilfestellung gegenüber Normalen oder schlichtes Ignorieren, werden anhand konkreter Beispiele beschrieben. Auf diese Weise soll über die Betrachtung der Mikroebene eine Brücke geschlagen werden zwischen der aktuellen Einflussnahme des Stigmas von Psychotherapie-Patienten in sozialen Begegnungen mit Normalen und der daraus ableitbaren möglichen Bedeutung für die Gesamtgesellschaft. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund der Theorie der Flüchtigen Moderne nach Zygmunt Bauman, die als Ausgangspunkt und − um es mit dem Vokabular Goffmans auszudrücken − praktisch als übergeordnete „Weltkulisse“ im Hinterkopf behalten werden muss.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Abstract
- 2 Einleitung
- 3 Das Individuum auf der „Bühne“ der flüchtigen Moderne
- 4 Stigmatisierung von Psychotherapie-Patienten
- 4.1 Definition von Stigma
- 4.2 Stigmatisierendes Lebensereignis und moralischer Werdegang
- 4.3 Wandel der Beziehungsstrukturen des stigmatisierten Individuums
- 4.4 Das Stigma in Relation zur Rolle
- 5 Der Psychotherapie-Patient in alltäglicher Interaktion
- 5.1 Stigma-Management diskreditierbarer Personen
- 5.1.1 Vermeidungsstrategien
- 5.1.2 Täuschen und Verbergen
- 5.1.3 Selbst-Enthüllung
- 5.2 Stigma-Management diskreditierter Personen
- 5.2.1 Vermeidungsstrategien
- 5.2.2 Ignorieren des Stigmas
- 5.2.3 Hilfestellung gegenüber Normalen
- 5.1 Stigma-Management diskreditierbarer Personen
- 6 Der stigmatisierte Psychotherapie-Patient und die Gesellschaft
- 7 Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert, ob die Inanspruchnahme psychotherapeutischer Behandlung in der heutigen Gesellschaft als Stigma oder als Normalfall betrachtet wird. Die Untersuchung basiert auf Goffmans Theorie von Interaktionsritualen zwischen psychotherapierten Individuen und Menschen ohne diese Erfahrung, wobei die jeweilige Rolle eine entscheidende Bedeutung spielt.
- Analyse des Stigma-Managements von psychotherapiebedürftigen Individuen
- Untersuchung der Auswirkungen der flüchtigen Moderne auf die gesellschaftliche Wahrnehmung von Psychotherapie
- Bedeutung des Stigmas in sozialen Begegnungen und dessen Einfluss auf die Gesellschaft
- Relevanz der Rolle des Individuums in Interaktionsritualen
- Analyse der verschiedenen Strategien zur Bewältigung einer beschädigten Identität
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet den steigenden Bedarf an psychotherapeutischer Behandlung in Deutschland. Die Arbeit setzt sich zum Ziel, die Rolle der Psychotherapie im Kontext von Goffmans Interaktionsritualen und der flüchtigen Moderne zu erforschen. Kapitel 3 stellt Goffmans Theorie der „Bühne“ vor und verbindet diese mit Bauman’s Konzept der flüchtigen Moderne. Kapitel 4 definiert Stigmatisierung nach Goffman und untersucht, wie die Inanspruchnahme von Psychotherapie zu einem Stigma für bestimmte Personengruppen werden kann. Kapitel 5 beleuchtet verschiedene Strategien des Stigma-Managements, die sowohl von diskreditierbaren als auch diskreditierten Individuen eingesetzt werden. Abschließend soll die Arbeit einen Blick auf die Bedeutung des stigmatisierten Psychotherapie-Patienten für die Gesamtgesellschaft werfen.
Schlüsselwörter
Stigmatisierung, Interaktionsrituale, flüchtige Moderne, Psychotherapie, Stigma-Management, beschädigte Identität, soziale Rollen, Goffman, Bauman.
- Arbeit zitieren
- Jasmin Dittmar (Autor:in), 2010, Das psychotherapierte Individuum der flüchtigen Moderne: Stigma-Träger oder bereits Normalfall?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164333