„Mein Vater hat mir schon so oft die Geschichte aus dem Leben meines Urgroßvaters
erzählt, ich glaube nun, ich habe sie selbst erlebt.“: So beginnt Der Prinz von Theben, den
Else Lasker-Schüler (1869-1945) im Jahre 1914 schrieb. Sie malt in elf Erzählungen Bilder
von orientalischen Palästen, von Melechs und Oberpriestern, Haremsfrauen und
verschleierten Prinzessinnen, von Hochzeiten, blutigen Feiertagen und Liedern in fremden
Sprachen. In „Der Scheik“ wird die Beziehung zwischen einem muslimischen und einem
jüdischen Herrscher geschildert, die über die Grenzen ihrer Religionen hinweg befreundet
sind. „Tschandragupta“ ist die Geschichte eines heidnischen Häuptlingssohnes, der nach
Jericho kommt und sich bemüht, von den dort lebenden Menschen aufgenommen zu werden.
„Der Derwisch“ berichtet von den blutigen Geschehnissen an einem muslimischen Feiertag in
Kairo. In „Ein Brief meiner Base Schalôme“ schreibt diese über ihre Erlebnisse im Palast
ihres Großonkels in Konstantinopel, besonders mit den Frauen und dem Eunuchen des
Harems. Die nächste Geschichte, „Der Fakir“, spielt am Hofe des Emirs von Afghanistan. Die
Ich-Erzählerin ist dort zu Besuch und begegnet ihren drei Kusinen. Hierauf folgt das „Buch
der drei Abigails“, drei aufeinanderfolgender Herrscher von Theben. Hierzu gehören auch die
nächsten beiden kurzen Abschnitte „Singa, die Mutter des toten Melechs des Dritten“ und
„Eine Begebenheit aus dem Leben Abigail des Liebenden“. Den Schluß des Buches bildet
„Der Kreuzfahrer“, eine Erzählung über die christlichen Kreuzfahrer und ihre muslimischen
Widersacher in Jerusalem.
Diese kurze Zusammenfassung zeigt schon die Schwierigkeit auf, den Inhalt der
Geschichten konkret und faßbar zu machen. Es geht hier weniger um Ereignisse und Fakten,
als vielmehr um Sinneseindrücke, Stimmungen, Farben, Begierden. Was allen Erzählungen
gemeinsam ist, sind die Grenzen, die durch die traumähnliche Wirklichkeit, welche die
Dichterin erschafft, hindurchlaufen. Es sind Grenzen zwischen Erwartungen und ihrer
(Nicht-)Erfüllung, zwischen Religionen und Völkern, zwischen Menschen und Menschen.
Diese Grenzlinien können einengen, beschränken, Leben vernichten, und manchmal werden
sie auch überschritten. Solche Grenzüberschreitungen werden innerhalb des Textes gewagt,
aber auch der Text selbst stellt eine Grenzüberschreitung dar: [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Konstruktionen von geschlechtlicher Identität im Prinzen von Theben
- Männlichkeit: „sein Wesen so liebevoll tastend“
- Weiblichkeit: sie „entfaltet ihr Angesicht“
- Die Erzählinstanz: „nie zog eine Prinzessin in die Schlacht“
- Sexualität: da „trafen sie sich einmal als junge Kinder und liebten sich“
- Vergleich mit Konstruktionen von geschlechtlicher Identität in sexualwissenschaftlichen Theorien um 1900
- Sigmund Freud: Infantile Sexualität
- Otto Weininger: Grenzen zwischen den Menschen
- Richard von Krafft-Ebing: Naturtrieb und Entwicklung
- Schluß
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit in Else Lasker-Schülers Der Prinz von Theben. Die Untersuchung konzentriert sich auf die Darstellung von Männern und Frauen, ihre zugeschriebenen Eigenschaften, Verhaltensweisen und Rollen sowie die Position der Erzählinstanz in der fiktionalen Welt. Ziel ist es, die Interaktionen der Figuren zu beleuchten, die Beschreibung von Sexualität im Text zu analysieren und die damit verbundenen Wertungen zu identifizieren.
- Geschlechtliche Identität in Der Prinz von Theben
- Darstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit
- Rolle der Erzählinstanz
- Darstellung von Sexualität
- Vergleich mit sexualwissenschaftlichen Theorien um 1900
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Geschichte und den Kontext des Werkes von Else Lasker-Schüler, Der Prinz von Theben, vor. Die Arbeit konzentriert sich anschließend auf die Analyse der Konstruktion von geschlechtlicher Identität im Text. Es wird untersucht, wie Lasker-Schüler Männlichkeit und Weiblichkeit beschreibt, welche Eigenschaften und Rollen sie den Figuren zuordnet und wie die Erzählinstanz in diese Konstruktion eingebettet ist. Darüber hinaus analysiert die Arbeit die Darstellung von Sexualität im Text und untersucht die damit verbundenen Wertungen. Im dritten Kapitel wird ein Vergleich mit den Geschlechterdiskursen der Zeit gezogen, insbesondere mit Sigmund Freuds Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, Otto Weiningers Geschlecht und Charakter und Richard von Krafft-Ebings Psychopathia Sexualis. Ziel ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den theoretischen Schriften und dem Werk Lasker-Schülers aufzuzeigen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Männlichkeit, Weiblichkeit, Geschlechtliche Identität, Sexualität, Erzählinstanz, literarische Figuren, Geschlechterdiskurse, Sigmund Freud, Otto Weininger, Richard von Krafft-Ebing, Der Prinz von Theben, Else Lasker-Schüler.
- Arbeit zitieren
- Mirjam Krapoth (Autor:in), 2003, Tastendes Wesen und heiliges Kriegskleid - Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit in Else Lasker-Schülers Der Prinz von Theben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16434