Unter den sieben ‚Märchen’, die Ludwig Tieck in seinem ‚Phantasus’ versammelt hat, irritiert die „bislang von der Forschung wenig beachtete[…]“ Erzählung ‚Der getreue Eckart und der Tannenhäuser’ durch eine besonders scharfe Zäsur, die auf den ersten Blick fast zwei Einzelgeschichten mit nur oberflächlichen Verbindungen entstehen lässt. „Der Tannenhäuser des zweiten Teils ist ein Nachfahre eines so benannten Knappen des ersten Teils […] und der getreue Eckart kommt als Sagenfigur und Hüter des Venusbergs im zweiten Teil vor“, fasst Meißner die wenigen offensichtlichen Klammern zusammen. Eckart und Tannenhäuser sind die Hauptfiguren jeweils eines extra abgegrenzten Abschnitts mit inhaltlich und auch stilistisch abweichenden Eigenschaften. Die Spaltung in markierte Abschnitte trennt einerseits, verbindet aber gleichzeitig auch, da die einzelnen Teile als Elemente eines Gesamtwerkes kenntlich werden. Daher „sollte man sie nicht auseinanderdividieren, sondern ihre Einheit ernst nehmen und eine integrale Lektüre als Herausforderung verstehen“ – was also trennt und was verbindet die zwei Abschnitte wirklich? Ist ‚Eckart und Tannenhäuser’ tatsächlichen eine Erzählung, sind es zwei grob verbundene? Oder hat Tieck hier schlicht eine schlechte Arbeit abgeliefert, was allerdings seiner eigenen Hochschätzung gerade für dieses Werk entgegensteht - noch 1822 lobte er es ausdrücklich.
Die in der Forschung auszumachenden Tendenzen, die Zweiteilung der „Doppelerzählung“ als Gegensatz aber auch als gegenseitige Ergänzung unter christlich-moralischen oder psychoanalytischen Vorzeichen zu deuten, wobei allerdings die Deutung selten mit einer breiteren Argumentation untermauert wird, sollen in dieser Arbeit nicht explizit weiter verfolgt werden. Stattdessen soll besonderes die Erzählkonstruktion untersucht werden, für die die als konstituierendes Prinzip in seinem literarischen Gesamtwerk von Tieck selbst immer wieder betonte Dichotomie des Gewöhnlichen und des Wunderbaren als zentral angenommen werden kann. Ziel dieser Arbeit soll es sein, nach den Verbindungslinien ebenso zu suchen wie nach dem Trennenden, um schließlich ein klareres Bild zu gewinnen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Wunderbare und das Gewöhnliche
- Erster Abschnitt: Eckart
- Das Gewöhnliche: Formfragen
- Eckart, der getreue Held?
- Archaismus und Anachronismus
- Das Wunderbare
- Das erzählte Wunderbare
- Das reale Wunderbare
- Das Gewöhnliche: Formfragen
- Zweiter Abschnitt: Tannenhäuser
- Das Wunderbare als subjektives Erlebnis
- Der, wunderbare' Tannenhäuser
- Das Märchen der Natur
- Wunder und Venusberg
- Widersprüche
- Tannenhäuser und Friedrich
- Tannenhäusers Familie: Geister und Träume
- Die Wahrheitsfrage
- Das Wunderbare als subjektives Erlebnis
- , Der getreue Eckart und der Tannenhäuser' im,Phantasus'
- Exkurs: Nachruhm
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert Ludwig Tiecks Erzählung ,Der getreue Eckart und der Tannenhäuser' im Kontext seines Gesamtwerks. Im Fokus steht die Frage nach der Erzählkonstruktion und dem Prinzip des Gewöhnlichen und Wunderbaren, das Tieck selbst als leitendes Prinzip seines Schaffens bezeichnete. Ziel ist es, die Verbindungslinien und trennenden Elemente der beiden Abschnitte der Erzählung zu untersuchen und ein klares Bild von ihrer Gesamtstruktur zu gewinnen.
- Die Dichotomie von Gewöhnlichem und Wunderbarem als zentrales Konstruktionsprinzip in Tiecks Werk
- Analyse der stilistischen und inhaltlichen Unterschiede zwischen den beiden Teilen der Erzählung
- Die Rolle der Figuren Eckart und Tannenhäuser im Rahmen der Erzählstruktur
- Die Bedeutung des Märchens als literarische Form für Tiecks Werk
- Untersuchung der Verwendung von Mythen und Sagen in der Erzählung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die besondere Struktur der Erzählung, die sich in zwei deutlich abgegrenzte Abschnitte gliedert. Kapitel 2 untersucht das Prinzip des Gewöhnlichen und Wunderbaren, das für Tiecks Werk konstitutiv ist. Der erste Abschnitt widmet sich der Figur des Eckart und beleuchtet dessen Rolle als "getreuer Held" sowie die Frage des Archaismus und Anachronismus in seiner Darstellung. Der zweite Abschnitt fokussiert auf Tannenhäuser und analysiert die Wunderbarkeit als subjektives Erlebnis, die Widersprüche in seiner Figur sowie die Frage der Wahrheit.
Schlüsselwörter
Ludwig Tieck, ,Der getreue Eckart und der Tannenhäuser', ,Phantasus', Märchen, Gewöhnliches und Wunderbares, Dichotomie, Erzählstruktur, Figur, Archaismus, Anachronismus, Subjektives Erlebnis, Widerspruch, Wahrheit.
- Arbeit zitieren
- Stefan Krause (Autor:in), 2010, Über Ludwig Tiecks Leitprinzip in "Der getreue Eckart und der Tannenhäuser", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164529