Die nationale Problematik ist in Tolstojs Roman „Vojna i mir“ ein zentrales Thema. Ihre Bedeutung ergibt sich zum einen aus der im Roman behandelten Zeit der Napoleonischen Kriege, zum anderen aus der Zeit, in der Tolstoj selbst lebte: in ihr erreichte die nationale Euphorie, die sich in Russland mit einer kritischen Haltung gegenüber dem Westen verband, einen neuen Höhepunkt.
Die vorliegende Arbeit untersucht die Problematik nah am Text, anhand der von Tolstoj beschriebenen Orientierungspunkte für nationale Gefühle und der Darstellung verschiedener Volksgruppen im Roman. Den Russen, bei denen Stadtadel, Landadel und das einfache Volk als getrennte Gruppen auszumachen sind, wird dabei besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Abschließend wird aufgezeigt, welche Aussagen im thematischen Bereich der nationalen Problematik Tolstoj mit seiner Darstellung verknüpft. Dabei wird auf Tolstojs Bewertung vom Westen, von Russland und vom einfachen Volk genauso eingegangen wie auf seine Vorstellung von der rechten Herrschaft in der Nation.
Tolstojs Darstellungsweise ist klar kontrastiv: die der Thematik des Krieges immanente Konfrontation baut er zu einem elementaren Gegensatz aus, dessen Frontlinie zwischen dem einfachen russischen Volk und allem Westlichen und Verwestlichten verläuft. In der Kontrastierung mit der Verdorbenheit, Falschheit und Grausamkeit des Westens erstrahlt das Ideal des einfachen Russischen umso heller: es besteht aus Einfachheit, Güte und Wahrheit und bedeutet eine wahre, innere Größe. In der Verteidigung dieses Ideals ist der Krieg ein existentieller Kampf, der mit allen Mitteln geführt wird. General Kutuzov als russischer Heerführer setzt dabei den Volkswillen um: mit einer besonderen Verbundenheit zum Volk wird er als Führer charakterisiert, der ein Vorbild für Herrschaft abgibt.
Tolstojs Ideal der Hinwendung zum einfachen Volk will er nicht als patriotisches, nationales oder gar nationalistisches verstanden wissen. Es ist nur ein Abschauen der ursprünglichen und wahren Werte des Lebens, die sich allein im Volk noch erhalten haben und zudem Basis rechter Machtausübung sind. Diese positive Bewertung des einfachen Volkes wird sich auch nach „Vojna i mir“ weiter durch Tolstojs Leben und Werk ziehen.
Inhaltsverzeichnis
- Die nationale Idee, Russland und Tolstoj
- Aufgabenstellung und Vorgehensweise
- Die nationale Idee und Russland
- Die nationale Idee und die Zeit Tolstojs
- Auftreten der nationalen Problematik in „Vojna i mir“
- Nationale Orientierungspunkte
- Monarch
- Reich
- Grund und Boden und die Hauptstadt
- Religion
- Sprache
- Volkszugehörigkeit
- Darstellung der verschiedenen Volksgruppen
- Charakterisierung der nicht-russischen Volksgruppen
- Die Deutschen
- Die Österreicher
- Die Polen
- Die Franzosen
- Darstellung der Russen
- Der französisierte Adel
- Der volksverbundene Adel
- Das einfache Volk
- Charakterisierung der nicht-russischen Volksgruppen
- Nationale Orientierungspunkte
- Tolstojs nationaler Gedanke in „Vojna i mir“
- Das russische Volk und der Westen
- Krieg als elementarer Gegensatz von russischem Volk und dem Westen
- Die Macht des einfachen Volkes im Kampf gegen den Westen
- Das Ideal des einfachen Russischen
- Die rechte Herrschaft im Einklang mit dem Ideal des einfachen Russischen
- Tolstojs Vorstellung von Herrschaft
- Die Dekabristenfrage
- Das russische Volk und der Westen
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der nationalen Problematik in Tolstojs Roman „Vojna i mir“. Sie analysiert, wie die nationale Idee in der Zeit Tolstojs und im Roman dargestellt wird und wie die verschiedenen Volksgruppen charakterisiert werden. Darüber hinaus untersucht die Arbeit Tolstojs Bewertung des einfachen Volkes, des Westens und Russlands sowie seine Vorstellung von der rechten Herrschaft.
- Die nationale Idee in Tolstojs Zeit und in „Vojna i mir“
- Die Charakterisierung verschiedener Volksgruppen im Roman
- Tolstojs Vorstellung vom einfachen Volk und der rechten Herrschaft
- Die Rolle des Krieges in der nationalen Problematik
- Tolstojs Bewertung von Russland und dem Westen
Zusammenfassung der Kapitel
- Das erste Kapitel behandelt die Entwicklung der nationalen Idee in Russland bis ins 19. Jahrhundert mit besonderer Berücksichtigung der Zeit der Napoleonischen Kriege.
- Im zweiten Kapitel werden die nationalen Orientierungspunkte in „Vojna i mir“ vorgestellt, sowie die unterschiedlichen Charakterisierungen der im Roman vorkommenden Volksgruppen, wobei den Russen ein eigener Abschnitt gewidmet ist.
- Das dritte Kapitel analysiert die Aussagen im Roman hinsichtlich Tolstojs Bewertung des Westens, Russlands und des einfachen Volkes, sowie seine Vorstellung von der rechten Herrschaft in der Nation.
Schlüsselwörter
Nationale Idee, Russland, Tolstoj, „Vojna i mir“, Krieg, einfache Volk, Herrschaft, Westen, Dekabristen, Nationalismus, Nationalbewusstsein, Volksgruppen.
- Arbeit zitieren
- Christopher Selbach (Autor:in), 2000, Die nationale Problematik in Tolstojs "Vojna i mir", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16465