William Robertson Smith und seine Bedeutung für die Wissenschaftsgeschichte


Referat (Ausarbeitung), 2000

10 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Einflüsse auf Smith

Smiths eigene Theorien

Smiths Wirkung

Zusammenfassung

Beispiel aus dem Werk: Lecture II

Lecture II: The Nature of the Religious Community, and the Relation of the Gods to their Worshippers

Bibliographie

Nach diesem Blick auf Smiths Leben und seine Werke möchte ich nun auf seinen wissenschaftlichen Ansatz eingehen und ihn so in die Wissenschaftsgeschichte einordnen. Als erstes ist dabei die Zeit und die Umwelt zu betrachten, in denen Smith wirkte: die hier vorherrschenden Gedanken hatten starken Einfluss auf sein Werk.

Einflüsse auf Smith

Robertson Smiths Zeit, das Victorian Age in England, war insbesondere geprägt von einem linearen Geschichtsverständnis: in diesem Zusammenhang ist z.B. Hegels Philosophie zu nennen, die das damalige Denken nicht unwesentlich beeinflusste.[1] Zudem wurde Charles Darwins Evolutionstheorie auf die Entwicklung von Gesellschaften übertragen (Evolutionismus).[2] In England wollte die gerade erst entstandene Wissenschaft der Anthropology dabei die sogenannten primitiven Kulturen als frühe Stadien einer allgemeinen Menschheitsgeschichte verstehen. Die Untersuchung des „Einfachen“ und „Essentiellen“ war damit zugleich die Untersuchung des zeitlich „Früheren“, unabhängig von der realen Zeit des Auftretens. E.B.Tylor kann als Hauptvertreter dieser Richtung angesehen werden.[3] Seine vergleichende Methode, die u.a. „survivals“ älterer Kulturstadien auch in weiterentwickelten Gesellschaften ausmachen wollte, übernahm auch Robertson Smith.[4]

Ebenso griff Smith den evolutionistischen Gedanken seines Edinburgher Freundes McLennan auf.[5] McLennan vertrat die Ansicht, dass Mutterrecht und Totemismus zu den frühesten Phasen einer Kulturentwicklung gehören, die alle Gesellschaften durchlaufen. Sowohl Mutterrecht als auch Totemismus nahm Smith somit auch für die semitische Kultur an; eine Behauptung, die späteren Forschungen jedoch nicht standhielt.

Als weiterer Einfluss ist Smiths christlicher Glaube zu nennen. Aus innerer Überzeugtheit tendierte Smith dazu, in der eigenen christlichen Kultur eine besonders hohe und vollkommene Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung zu sehen.[6] Der Erforschung der christlichen Religion und ihrer semitischen Wurzeln räumt Smith deshalb eine besondere Stellung ein, und zwar sowohl was die Intensität der Forschung angeht, als auch bei der Bewertung ihrer Aussagekraft für Religion insgesamt. Denn für Smith gilt, dass einige wenige, gut gewählte Beispiele ausreichen, um den allgemeinen Entwicklungsprozess der Menschheit aufzudecken.[7] Seine Intention ist deshalb nicht allein, die frühe semitische Religion darzustellen, sondern auch allgemeingültige Aussagen über die Menschheitsgeschichte und Religion als solche zu machen. Smith schreibt in diesem Sinne:

But though my facts and illustrations will be drawn from the Semitic sphere, a great part of what I shall have to say in the present lecture might be applied, with very trifling modifications, to the early religion of any other part of mankind.[8]

Dass Smith die frühe semitische Religion untersuchte, ohne dabei die Quellen insbesondere der benachbarten babylonischen und assyrischen Religionen miteinzubeziehen, hat u.a. hierin seinen Grund. Diese selektierendeVorgehensweise ist schon zu Smiths Zeit kritisiert worden.[9] Weitere Kritik wendet sich gegen Smiths Beurteilung von religiösen Phänomenen auf Grundlage seiner christlichen Moralvorstellung.

Mit seinem linearen Geschichtsbild gilt Smith dasjenige Christentum am meisten, das nicht bei Traditionen stehen bleibt, sondern im Gegenteil die Entwicklung, d.h. Vervollkommnung, vorantreibt und frühere Phasen entmystifiziert.[10] Hier kommen wir zu einem weiteren wichtigen Einfluss auf Smith: der historisch-kritischen Methode in der Bibelkritik, wie sie zu der Zeit in Deutschland aufkommt. Sie wird Smith insbesondere von seinem Göttingener Freund Julius Wellhausen vermittelt.[11] Wegen dessen Vorarbeit kann sich Smith mit den heiligen Texten seiner Religion beschäftigen wie mit beliebigen anderen schriftlichen Zeugnissen vergangener Zeiten.

Wir fassen zusammen: vier Einflüsse sind für Smiths Werk entscheidend:

1. der Evolutionismus, dem Smith seine Vorgehensweise verdankt;
2. McLennans Theorie von Mutterrecht und Totemismus, die Smith auf die semitische Religion überträgt;
3. Smiths Überzeugung des hohen Rangs seiner eigenen Religion, auf Grund derer er seine Erkenntnisse als allgemeingültig ansehen kann;
4. die Bibelkritik, die ihm den kritischen Umgang mit der Heiligen Schrift nahe bringt.

Dies zeigt, wie sehr Smith eigentlich ein Kind seiner Zeit war: Intention, Methodik und Teile des Inhalts seines Werkes entspringen gleichermaßen dem Zeitgeist des Victorian Age und gründen auf einem heute längst überholten Evolutionismus. Trotzalledem war Smith in einigen zentralen Aussagen über Religion seiner Zeit voraus und liefert die Basis für spätere Schulen, die zum Teil bis heute Einfluss ausüben. Diese Gedanken möchte ich nun kurz nennen: manche von ihnen werden bei der Besprechung der „Lectures“ genauer erläutert.

Smiths eigene Theorien

Die wichtigste Neuerung in der wissenschaftlichen Diskussion um Religion ist Smiths Hervorhebung des sozialen Charakters und der sozialen Funktion von Religion. Religion ist für Smith vor allem eine gesellschaftliche Gegebenheit und Verpflichtung. Als solche ist sie ursprünglich kaum von der Gesellschaft zu trennen. In der Gesellschaft kommt Religion eine ordnende Funktion zu: durch die Vorgabe von Ge- und Verboten regelt sie das Zusammenleben. Smith geht davon aus, dass jedes Vergehen ursprünglich als Verstoß gegen die heilige Ordnung angesehen und geahndet wurde.[12]

[...]


[1] Muilenburg, S. 1.

[2] Raum, S. 245.

[3] Kippenberg, S. 80-87.

[4] Beidelman, S. 38-41.

[5] Kippenberg, S. 108-110.

[6] Beidelman, S. 39.

[7] Beidelman, S. 51.

[8] Smith, S. 32.

[9] Muilenburg, S. 12.

[10] Beidelman, S. 39.

[11] Kippenberg, S. 100-103.

[12] Kippenberg, S. 116.

Ende der Leseprobe aus 10 Seiten

Details

Titel
William Robertson Smith und seine Bedeutung für die Wissenschaftsgeschichte
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Vergleichende Religionswissenschaft)
Note
1.0
Autor
Jahr
2000
Seiten
10
Katalognummer
V16471
ISBN (eBook)
9783638213257
ISBN (Buch)
9783640606894
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wissenschaftsgeschichte, William Robertson Smith, Religionswissenschaft
Arbeit zitieren
Christopher Selbach (Autor:in), 2000, William Robertson Smith und seine Bedeutung für die Wissenschaftsgeschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16471

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