Das heutige Russland kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Im Lauf der Zeit hatte das Land verschiedene Namen, angefangen von Russländisches Reich über Sowjetunion bis zur aktuellen Bezeichnung Russländische Föderation. Bereits frühzeitig kam es zur Ausprägung einer Großmachtsmentalität Im Spätmittelalter erhob Ivan III. erstmals einen Großmachtsanspruch, als er sich selbst als russischen
Großfürsten und Zar bezeichnete. Unter Ivan IV. kam es zu einer Ausdehnung des Territoriums nach Osten und Süden. Die imperialistischen Bestrebungen wurden später unter den Romanows und Peter I. weitergeführt. Peter der Große setzte sich außerdem als Erster für eine Westöffnung Russlands ein. Die Maßnahmen, die er
ergriff, führten dazu, dass das Land auch in Europa einen Großmachtsstatus genoss.
Unter den Nachfolgern expandierte das Russische Reich weiter. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Zarenregime aufgrund von Spannungen in der Bevölkerung, die auf soziale und nationale Probleme zurückzuführen waren, gestürzt. Es folgte eine kurze Phase demokratischer Entwicklungen, die jedoch mit der Revolution von
1917 beendet wurde. Das war die Geburtsstunde der Weltmacht Sowjetunion, eines völlig neuen politischen Systems, welches radikal mit den Entwicklungslinien der Vergangenheit und des Westens brach. Es sollte 74 Jahre dauern, bis die Sowjetunion von ihrer eigenen Geschichte überholt wurde und schließlich 1991 zerfiel.
In dieser Hausarbeit soll es sowohl um die Geschichtspolitik in der ehemaligen Sowjetunion als auch um die des Nachfolgestaates, der Russischen Föderation, gehen. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, auf welche Art und Weise der Staat über die Jahrzehnte versucht hat, seine Legitimität historisch zu begründen. Des Weiteren
soll untersucht werden, wie sich die offizielle Deutung der Geschichte auf die Mentalität der Bevölkerung ausgewirkt hat. Welche Absicht stand hinter dem Geschichtsbild, das über viele Jahre vermittelt wurde? Welches Ereignis war ausschlaggebend für die Selbstwahrnehmung der Russen als eine Nation mit Weltmachtsanspruch? All das sind Fragen, denen ich mich auf den folgenden Seiten widmen möchte. Doch zunächst soll noch kurz erläutert werden, was unter Geschichtspolitik verstanden wird.
In der Forschung gibt es derzeit keine allgemein anerkannte Definition, was unter Geschichtspolitik subsumiert wird. Für diese Untersuchung orientiere ich mich deshalb an der Auslegung, wie sie Edgar Wolfrum vorgenommen hat ...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Geschichtspolitik während der Sowjetära
- Geschichtspolitik von Stalin bis Breschnew
- Revision der Geschichte unter Gorbatschow
- Zwischenfazit: Geschichtspolitik in der Sowjetunion
- Auf der Suche nach einer neuen Identität - die Amtszeit von Boris Jelzin
- Phase 1 - Demokratische Vergangenheitsbewältigung bis 1993
- Phase 2 - Die Rückkehr zu den autokratischen Strukturen
- Zwischenfazit: Jelzins Geschichtspolitik
- Geschichtspolitik unter Vladimir Putin
- Staatssymbolik und Feiertage
- Rückkehr zur staatlichen Geschichtsschreibung und Rehabilitierung Stalins
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Geschichtspolitik in der ehemaligen Sowjetunion sowie in der Russischen Föderation, die ihr folgte. Im Fokus steht die Frage, wie der jeweilige Staat seine Legitimität historisch zu begründen versucht hat und welche Auswirkungen die offizielle Deutung der Geschichte auf die Mentalität der Bevölkerung hatte. Darüber hinaus wird analysiert, welche Absicht hinter dem über viele Jahre vermittelten Geschichtsbild stand und welches Ereignis für die Selbstwahrnehmung der Russen als Nation mit Weltmachtsanspruch ausschlaggebend war.
- Die Instrumentalisierung der Geschichte zur Legitimation des jeweiligen politischen Systems
- Die Rolle des Großen Vaterländischen Krieges in der russischen Geschichtspolitik
- Die Auswirkungen der offiziellen Geschichtsdeutung auf die Mentalität der Bevölkerung
- Die Entwicklung der Selbstwahrnehmung Russlands als Weltmacht
- Die Bedeutung von Staatssymbolik und Symbolpolitik
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die historische Entwicklung Russlands vor, beginnend mit dem Russländischen Reich bis hin zur Russischen Föderation. Sie beleuchtet die Entstehung der Großmachtsmentalität und die Bedeutung von Peter dem Großen für die westliche Öffnung Russlands. Die Einleitung führt außerdem in die Thematik der Geschichtspolitik ein und erklärt, wie diese für die Legitimation von Herrschaft eingesetzt werden kann.
- Geschichtspolitik während der Sowjetära: Dieses Kapitel befasst sich mit der Geschichtspolitik der Sowjetunion, wobei der Fokus auf die Zeit von Stalin bis Breschnew liegt. Es wird erläutert, wie der Große Vaterländische Krieg instrumentalisiert wurde, um die Legitimität des Sowjetregimes zu festigen. Auch die Rolle Stalins als „einzigen legitimen Historiker“ und die Betonung des Sieges über den Nationalsozialismus werden behandelt.
- Auf der Suche nach einer neuen Identität - die Amtszeit von Boris Jelzin: Dieser Abschnitt betrachtet die Geschichtspolitik unter Boris Jelzin und gliedert sie in zwei Phasen: eine Phase der demokratischen Vergangenheitsbewältigung bis 1993 und eine Phase der Rückkehr zu autokratischen Strukturen. Es werden die Herausforderungen des Übergangs von der Sowjetunion zur Russischen Föderation im Kontext der Geschichtspolitik beleuchtet.
- Geschichtspolitik unter Vladimir Putin: Dieses Kapitel analysiert die Geschichtspolitik unter Wladimir Putin. Es geht insbesondere auf die Bedeutung von Staatssymbolik und die Rückkehr zur staatlichen Geschichtsschreibung sowie die Rehabilitierung Stalins ein. Der Fokus liegt auf den Bestrebungen Putins, eine neue nationale Identität zu schaffen und die russische Geschichte in einem neuen Licht darzustellen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter dieser Hausarbeit sind Geschichtspolitik, Legitimation, Sowjetunion, Russische Föderation, Großmachtsmentalität, Großer Vaterländischer Krieg, Stalin, Jelzin, Putin, nationale Identität, Symbolpolitik, Staatssymbolik, Erinnerungskultur.
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- M.A. Ralf Huisinga (Author), 2008, Russland als Erbe politischer Weltmacht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164757