Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Das Grab der heiligen Kaiserin Kunigunde
2. Quellenanalyse
2.1 Der Codex Udalrici
2.2 Die Vita sanctae Cunegundis
2.3 Ebernand von Erfurt: Keisir vnde Keisirin
2.4 Überlieferungszusammenhang der Quellen
3. Hintergründe und Motive: Bamberger Kanonisationsbemühungen
4. Zweifel an Kunigundes Überführung
5. Zusammenfassung
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
7. Anhang: Abbildung 1
1. Das Grab der heiligen Kaiserin Kunigunde
Bis heute erfährt die heilige Kaiserin Kunigunde (ca. 975-1033) besonders in Bamberg große Verehrung. Jährlich werden Prozessionen mit ihren Reliquien veranstaltet, im Diözesanmuseum ist ein auf sie ausgeschriebener Sarkophag ausgestellt und im Bamberger Dom steht ein von Tilman Riemenschneider gefertigtes Doppelgrab des mittelalterlichen Kaiserpaares Heinrich II. und Kunigunde. Die Überreste der Kaiserin sind heute bis nach Lissabon, Andechs, Wien, Köln, Eichstätt und Würzburg verstreut und werden dort verehrt.[1]
Nach ihrem Tod im Kloster Kaufungen am 3. März 1033 blieb Kunigunde – Witwe des Ottonen Heinrich II. – fast 100 Jahre in Vergessenheit, bevor sie erneut Erwähnung fand. Plötzlich wurde von einer Überführung ihres Körpers nach Bamberg berichtet.[2] Auch heute nimmt man vielerorts an, Kunigundes Grab befinde sich neben dem ihres Gemahls im Bamberger Dom und das heilige Kaiserpaar ruhe im Hochgrab Riemenschneiders.[3] Doch wurde ihr Leichnam tatsächlich von Kaufungen nach Bamberg transferiert? Sind die angeblichen Reliquien die echten Überreste der Kaiserin? Welche Hinweise gibt es auf eine Überführung ihrer Gebeine?
Die Forschung hat sich lange Zeit entsprechend wenig mit dieser Frage beschäftigt, noch heute gehen manche Historiker nach wie vor von der Selbstverständlichkeit des Grabes in Bamberg aus. Allerdings haben einige besonders in den letzten Jahren ihre Zweifel an der Existenz eines solchen geäußert, so z.B. Professor Dr. Schneidmüller oder Carla Meyer. Die vorliegende Arbeit orientiert sich an diesen Werken und möchte Vermutungen und Anzweiflungen zusammentragen um ein möglichst umfangreiches Bild des Problems um den tatsächlichen Aufenthaltsort des Leichnams der Kaiserin darzustellen.
Die Hausarbeit geht hierbei vor allem den vorhandenen Quellen zum Sachverhalt nach, hinterfragt sie gegebenenfalls auf ihren Wahrheitsgehalt und rekonstruiert somit die mögliche Entstehung und Weitergabe der Überzeugung, Kunigunde sei nach ihrem Tode überführt worden, welche sich trotz fehlender Beweise und lückenhafter Logik bis heute gehalten hat. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt bei der Überlieferungsgeschichte und dem Zusammenhang der einzelnen Quellen, bei der Aufdeckung möglicher Motive und schließlich bei einer Erörterung der Wahrscheinlichkeit, ob Kunigunde ihre letzte Ruhestätte im Bamberger Dom fand oder nicht.
Die zentrale Fragestellung lautet also, welche Hinweise es auf ihre Überführung gibt, ob diese glaubhaft erscheinen und der Realität entsprechen und welche Gegenargumente es gibt. Ob die Frage, wo die sterblichen Überreste der Kaiserin tatsächlich bestattet wurden, nach vielen Jahrhunderten vergangener Geschichte beantwortet werden kann, sei dahingestellt. Die Arbeit möchte jedoch anhand einer Auswertung der erhaltenen Quellen und historiographischer Sekundärliteratur zum Thema ergründen, wie es überhaupt zu diesem Problem der Uneinigkeit hinsichtlich Kunigundes Grabstätte kam.
Angefangen bei den überlieferten Quellen, ihres Entstehungshintergrundes, ihrer Zusammenhänge und ihren Aussagen über den Sachverhalt möchte die Arbeit das vorherrschende Bild über den letzten Begräbnisort der Kaiserin beschreiben und ihm auf den Grund gehen. Anschließend werden Meinungen und Zweifel der Forschung zusammengetragen. Die Arbeit wird dann mit einer Zusammenfassung und einem Für und Wider der Problematik abgeschlossen.
Dabei konzentriert sie sich auf einige frühe Quellen, die um den Zeitpunkt der Kunigundenvita im 12.-13. Jahrhundert entstanden sind, da die später Nachfolgenden alle die Ereignisse aus der Vita übernehmen. Außerdem trägt sie das Material ausgewählter Forschung zusammen, welche sich dann vor allem auf die Zweifel am Grab in Bamberg konzentrieren. So trägt diese Arbeit vielleicht etwas zur kritischen Auseinandersetzung mit Geschichte und deutscher Vergangenheit bei.
2. Quellenanalyse
Die Quellenlage um eine Überführung von Kunigundes Körper ist spärlich. In der unmittelbaren Zeit nach dem Tod der Kaiserin fand ein solches Ereignis keine Erwähnung in den zeitgenössischen Quellen, ebenso wenig gibt es aus dieser Zeit Berichte von einem Bamberger Kunigundengrab.[4]
Erst ein Jahrhundert nach ihrem schlichten Tod im Kaufunger Kloster tauchte zum ersten Mal ein schriftlicher Hinweis auf ein Grab der Kaiserin in Bamberg auf. Im Kommenden soll diese erste Quelle und die darauf Folgenden untersucht, in ihren jeweiligen Kontext eingeordnet und gegebenenfalls hinterfragt werden.
2.1 Der Codex Udalrici
Der Udalrici Babenbergensis Codex, in dem sich die erste Aussage über das Grab der einstigen Herrscherin findet, entstand wohl Anfang des 12. Jahrhunderts in Bamberg. Der wahrscheinlichste Verfasser dieses Schriftstückes war ein Geistlicher namens Udalricus, von dem berichtet wurde, er sei Priester und Mönch des St. Michaels-Klosters von Bamberg gewesen und am 3. Januar 1147 verstorben.[5] Zum Andenken an historische Ereignisse und Taten des 11. und 12. Jahrhunderts, begann er Anfang des Jahres 1125 ein Buch zu schreiben, welches er dem Bischof Gebhard von Würzburg widmete.[6] Jener Udalricus war wohl ein recht bekannter Schreiber, denn er galt als „eifriger und fleißiger Erhalter des Altertums“[7] und erhielt durch seine geschichtlichen Werke „einen angesehenen Platz unter den Männern der Geschichte“[8].
Allerdings schrieb der Editor Philipp Jaffe ihm auch einige Schwächen und Mängel in der Zusammenstellung und in den Niederschriften von Urkunden und Glaubensformeln für den Codex zu. So vernachlässigte Udalricus viele Ehrentitel, kürzte Namen ab oder ließ sie völlig unerwähnt .[9]
Die Originalhandschrift des Codexes von Udalricus ging leider verloren. Sie ist jedoch in Abschriften erhalten, die sich laut Jaffe eindeutig am ursprünglichen Udalricus-Text orientieren, da sie Ereignisse enthalten, welche sich auf den Zeitraum zwischen 1125 und 1137 beziehen.[10]
Im 15. Kapitel des Codexes findet sich schließlich die angebliche Grabmalsinschrift der Kaiserin Kunigunde:
Elogium sepulcrale Cunigundae imperatricis.
Anno dominice incarnationis MXXXIII, indictione I, V Non.
Marcii Cǒnegunt imperatrix, mater pauperum, dives ipsa di-
vitem migravit ad Christum.
Equali merito Cǒnigunt sociata marito,
Quem vivens coluit, morte locum tenuit,
Felix morte sua. Cui vitam contulit illa
Mors inmortalem continuamque diem.
Nam – veluti granum moriendo vivificatum –
Que bene premisit, centuplicata metit.[11]
Zum Grabe der Kaiserin Kunigunde gehörige Inschrift.
Im Jahr 1033 der Menschwerdung des Herrn, in der 1. Indiktion, am 3. März, wanderte Kaiserin Kunigunde, Mutter der Armen, selbst reich zum reichen Christus.
Kunigunde von gleichwertigem Verdienst gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann, den sie verehrte, als sie lebte, mit dem Tode den Platz einnahm. Gesegnet in ihrem Tode. Jener Tod brachte ihr unsterbliches Leben und fortwährendes Tageslicht. Denn – wie das Korn, wenn es stirbt, neues Leben bringt – so erntet man das, was man vorausschickt, hundertfach.
Dieser vermeintliche Grabspruch lokalisiert also als erster Kunigundes Ruhestätte nicht am Ort ihres Dahinscheidens in Kaufungen, sondern neben ihrem Gemahl Heinrich II. im Bamberger Dom. Fraglich bleibt allerdings, wovon der Bamberger Autor diese Inschrift übernahm und warum der Name Kunigundes nach solch einer langen Zeit plötzlich in diesem Zusammenhang wieder auftauchte.
2.2 Die Vita sanctae Cunegundis
Die Vita der Kaiserin und später Heiliggesprochenen ist eine hagiographische Beschreibung des Lebens und der Wunder Kunigundes. Ihre Entstehungsgeschichte und ihr Verfasser sind allerdings bis heute unbekannt. Es wird aber vermutet, dass sie um das Jahr 1200 zur Unterstützung des Kanonisationsverfahrens für die Kaiserin geschrieben wurde. Als Quelle diente dem Autor wohl auch die Vita Heinrici, die Vita des heiligen Kaisers Heinrich II.[12] Die Kunigundenvita enthält jedoch vielmehr Legendarisches als Biographisches, was auch daran liegen mag, dass der Verfasser sich nicht auf eine reiche Materiallage hinsichtlich des geschichtlichen Lebens Kunigundes und dessen Ereignisse stützen konnte. Denn obwohl Kunigunde als Kaiserin durchaus eine recht aktive politische Interventionsrolle gespielt hatte, so stand sie dennoch als Frau im Schatten ihres Gatten Heinrichs und fand lange nicht so viel Aufmerksamkeit und Erwähnung in der Geschichtsschreibung wie der Kaiser selbst.[13]
[...]
[1] Guth, Herrscherpaar, S. 132.
[2] Vgl. Codex Udalrici; Vita s. Cunegundis; Ebernand von Erfurt in Kapitel 2 dieser Arbeit.
[3] Urban, Lebensstationen, S. 280.
[4] Urban, Lebensstationen, S. 281.
[5] Monumenta Bambergensia, Udalrici Babenbergensis Codex, S.1, Zeile 7ff: Hanc oppido muy probabile est eundum fuisse Udalricum….
[6] Ebd., S. 1, Zeile 4f: …domino suo despondit inito anno 1125…librum…constitutum….
[7] Ebd., S. 1, Zeile 12f: Is igitur sane navus et industrius conservator antiquitatis concludit….
[8] Ebd., S. 2, Zeile 1f: … posteris Udalricus in viris de historia nostra meritis illustrem locum obtinuit.
[9] Ebd., S.2, Zeile 7f: … saepenumero et signa chronologica multilavit et titulos ita neglexit….
[10] Monumenta Bambergensia, Udalrici Babenbergensis Codex, S. 2, Zeile 14ff: …ex eodem libro posterius adaucto iis monumentis, quae ad annorum 1125-1137 spatium pertinent….
[11] Ebd., S. 37, Zeile 1-10.
[12] Klauser, Heinrichs- und Kunigundenkult, S. 92.
[13] Ebd., S. 93. Zu Kunigundes aktiver politischer Rolle vgl. auch Baumgärtner, Kunigunde, S. 39: „Trotz des Fehlens einer Mutterschaft und einer längeren Regentschaft nach dem Tod des Gatten spielte Kunigunde am Hof und im Reich eine wichtige Rolle.“