1. Einleitung
In dem facettenreichen Komplex der antiken Auseinandersetzungen zwischen Okzident und Orient nimmt das Verhältnis Roms zu den Parthern von der Zeit des Pompeius bis zum Beginn des Prinzipats zwar eine historisch bedeutsame Stellung ein, wird jedoch bis heute im forschungswissenschaftlichen Diskurs nicht gebührend systematisch thematisiert. Einer der Gründe dafür ist das langjährige Forschungsdesiderat hinsichtlich des parthischen Reiches selbst, welches − abgesehen von zusammenfassenden Darstellungen älteren Datums − erst 1996 dank der Veröffentlichung der Akten des Kolloquiums von Eutin, welche Untersuchungen basierend auf archäologischen, epigraphischen und numismatischen Neufunden beinhalten, eine Minderung erfahren hat.
Im Hinblick auf die römisch-parthischen Beziehungen bezeugt die diesjährige Veröffentlichung „Rome’s wars in Parthia“ von Rose Mary Sheldon das forschungswissenschaftliche Interesse insbesondere an den militärischen Sequenzen des zwischenstaatlichen Aufeinandertreffens. Sheldon thematisiert dem aktuellen Forschungsstand entsprechend die römischen Feldzüge in das Partherreich in der Zeit von der ausgehenden römischen Republik bis zum Einsetzen der Spätantike und stellt damit das englischsprachige Pendant zu Adolf Günthers wesentlich älteren Veröffentlichung „Beiträge zur Geschichte der Kriege zwischen Römern und Parthern“ dar.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Quellenlage
3. Das Imperium Parthicum
3.1 Überblick über die Entstehung und des Aufstiegs des Parther-reiches bis zum ersten römisch-parthischen Kontakt
3.2 Geographische Lokalisierung des parthischen Herrschaftsgebiets
3.3 Geographische und klimatische Bedingungen militärischer Auseinandersetzungen
3.4 Das parthische Heer
4. Die diplomatischen Anfänge der römisch-parthischen Beziehungen
5. Die militärisch nuancierte Übergangsphase
6. Resümee erster Untersuchungsergebnisse
7. Der Partherfeldzug des Crassus
7.1 Crassus als Akteur im öffentlichen Leben des spätrepublikanischen Roms
7.2 Vorherrschende Charaktereigenschaften in den Quellen
7.3 Die Anfänge des Partherfeldzuges
7.4 Die Entscheidungsschlacht bei Carrhae
7.5 Resümee der Untersuchungsergebnisse des ersten Partherfeldzuges
8. Unmittelbare Konsequenzen der römischen Niederlage
8.1 Caesars Vorhaben eines Partherfeldzuges als Racheakt
8.2 Caesars Vorbereitung auf den Waffengang
8.3 Resümee der Untersuchungsergebnisse von Caesars Vorhaben
9. Der Partherfeldzug des Marcus Antonius
9.1 Polithistorische Voraussetzungen für die Großoffensive
9.2 Antonius als Vorreiter einer diplomatischen Einigung
9.3 Planung und Umsetzung des Partherfeldzuges
9.4 Resümee der Untersuchungsergebnisse des zweiten Partherfeldzuges
10. Die Rückkehr zu einem diplomatischen römisch-parthischen Verhältnis
11. Fazit
12. Quellenverzeichnis
13. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In dem facettenreichen Komplex der antiken Auseinandersetzungen zwischen Okzident und Orient nimmt das Verhältnis Roms zu den Parthern von der Zeit des Pompeius bis zum Beginn des Prinzipats zwar eine historisch bedeutsame Stellung ein, wird jedoch bis heute im forschungswissenschaftlichen Diskurs nicht gebührend systematisch thematisiert. Einer der Gründe dafür ist das langjährige Forschungsdesiderat hinsichtlich des parthischen Reiches selbst, welches − abgesehen von zusammenfassenden Darstellungen älteren Datums[1] − erst 1996 dank der Veröffentlichung der Akten des Kolloquiums von Eutin, welche Untersuchungen basierend auf archäologischen, epigraphischen und numismatischen Neufunden beinhalten, eine Minderung erfahren hat.[2]
Im Hinblick auf die römisch-parthischen Beziehungen bezeugt die diesjährige Veröffentlichung „Rome’s wars in Parthia“ von Rose Mary Sheldon das forschungswissenschaftliche Interesse insbesondere an den militärischen Sequenzen des zwischenstaatlichen Aufeinandertreffens. Sheldon thematisiert dem aktuellen Forschungsstand entsprechend die römischen Feldzüge in das Partherreich in der Zeit von der ausgehenden römischen Republik bis zum Einsetzen der Spätantike und stellt damit das englischsprachige Pendant zu Adolf Günthers wesentlich älteren Veröffentlichung „Beiträge zur Geschichte der Kriege zwischen Römern und Parthern“ dar. Die voran genannten forschungswissenschaftlichen Veröffentlichungen behandeln zweifelsohne die römisch-parthische Beziehung von der Zeit des Pompeius bis zum Beginn des Prinzipats, lassen aber bisweilen aufgrund ihres militäraktionistischen Fokus eine detaillierte Ergründung des Scheiterns einer friedlichen Koexistenz im Sinne einer Ursachenforschung außen vor.
Das generalisierte Argument für das Misslingen eines friedvollen Nebeneinanders der beiden Imperien beinhaltet das Streben Roms, seine hegemoniale Vormachtstellung im Orient auszubauen. Eine nähere Be-trachtung der römischen außenpolitischen Vorgehensweise hinsichtlich des Imperium Parthicum lässt jedoch deutlich erkennen, dass diese plakative Begründung den komplexen Sachverhalt nur unzureichend zu erklären vermag. Zur Reduzierung dieser Komplexität wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine personalisierende Geschichtsdarstellung vorgenommen. Somit wird eine Untersuchung ermöglicht, die unter Rücksichtnahme auf kontextualisierende römische innenpolitische Verhältnisse differenziertere Rückschlüsse auf die Frage nach den Ursachen für das Scheitern eines friedvollen Nebeneinanders der beiden Großreiche erlaubt. Die vorliegende Arbeit wird zeigen, dass die Partherpolitik des Imperium Romanum sich nicht im nationalpolitischen Hegemonialstreben erschöpfte. Damit wird gleichermaßen die Frage nach weiteren Motiven aufgeworfen. Infolgedessen soll die Arbeit einen Beitrag dazu leisten, neben dem Aufzeigen der Instanzen der misslungenen friedlichen Koexistenz, zu klären, ob und wenn ja, welche Motive römischer Staatsmänner vorlagen, die die zwischenstaatliche Beziehung maßgeblich beeinflussten und damit der parthischen Außenpolitik eine Reaktion abnötigten. Die Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit sollen dieser Frage nachgehen und erlauben vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse fortlaufend Parallelen und Unterschiede aufzuzeigen, welche die Verhaltensweisen römischer Politiker im Umgang mit dem Partherreich auszeichneten.
Zunächst bedarf es jedoch in dem sich anschließenden Kapitel einer Diskussion des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials. Kapitel 3 ist dann aus-schließlich einer Darstellung des Imperium Parthicum gewidmet, die zum einen die Einseitigkeit der Betrachtung hinsichtlich des römisch-parthischen Verhältnisses mindern soll und zum anderen wichtige Erkenntnisse liefert, die für die Bewertung der römisch-parthischen Beziehung im Hauptteil dieser Arbeit unumgänglich sind. Nachdem in Kapitel 3.1 ein Überblick der Entstehung und des Aufstiegs des Partherreiches geboten ist, wird in Kapitel 3.2 eine geographische Lokalisierung des parthischen Herrschaftsgebietes vor-genommen. Für ein besseres Verständnis der Voraussetzungen militärischer Auseinandersetzungen verdienen die andersartigen klimatischen und geo-graphischen Bedingungen des Kriegsschauplatzes einer komprimierten Dar-stellung in Kapitel 3.4, an die sich ferner eine Betrachtung des parthischen Heeres anschließt.
In Kapitel 4 wird dann der erste Kontakt zwischen dem Imperium Romanum und dem Imperium Parthicum beleuchtet. Dies dient einem besseren Verständnis der im Kapitel 5 thematisierten militärisch nuancierten Übergangs-phase. Im Anschluss wird der Partherfeldzug des Crassus Gegenstand einer ausführlichen Erörterung sein. Daran schließt sich eine Diskussion der unmittelbaren Konsequenzen der römischen Niederlage im Kapitel 8 an. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse ist die zweite große Militäroffensive gegen die Arsakidendynastie unter Marcus Antonius in Kapitel 9 Gegenstand der Betrachtung. Im nächsten Kapitel wird dann die Rückkehr zu einem diplomatischen römisch-parthischen Verhältnis angesprochen, bevor die Arbeit mit einem Fazit schließt.
2. Die Quellenlage
Aufgrund des Fehlens einer kohärenten schriftlichen Überlieferung seitens der Parther ist der Primärquellenforschung zur Rekonstruktion der parthischen Vergangenheit eine herausragende Bedeutung zuzuschreiben. Als wichtigste Primärquellen geben beschriebene Tonscherben, sogenannte Ostraka, Pergamente, Papyri sowie Münzen Aufschluss über Herrschernamen, Reichssprachen, wirtschaftliche und politische Strukturen der Partherzeit.[3] Die zahlreichen Ostrakafunde in Nisa[4] unterstreichen die Vermutung, dass es als erstes kulturelles Zentrum der Parther zu gelten hat.[5]
Die Funde der Avroman-Pergamente in Iranisch-Kurdistan belegen die multi-linguistische Vielfalt und poly-ethische Zusammensetzung des Partherreiches und erlangten ihre forschungsgeschichtliche Relevanz aufgrund der Rückschlüsse, die sie hinsichtlich der wirtschaftlichen Aktivitäten der Parther im ersten vorchristlichen Jahrhundert belegen. Ebenso bedeutsam sind die Papyrifunde aus Dura-Europos.[6] Auf die Existenz inschriftlicher Über-lieferungen auf Stein und Bronze kann an dieser Stelle lediglich hingewiesen werden, eine ausführlichere Darstellung im Rahmen dieser Arbeit würde jedoch zu weit führen.[7]
Ebenfalls von enormer Bedeutung für die parthische Quellenforschung ist die Numismatik, da sie Aufschluss über die Ausdehnung des parthischen Wirtschaftsraums gibt und aufgrund ihrer Prägung die Perioden der Herrschaftsausübung einzuteilen versucht. Die parthischen Münzprägungen entstanden vornehmlich um die Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. in Ekbatana und Seleukeia und folgen dem hellenistischen Vorbild, wobei der tatsächliche Königsname meist nicht genannt wird, sondern stereotyp der dynastische Name Arsakes gebraucht wird. Somit birgt die Identifizierung des tatsächlich dargestellten Regenten gewisse Schwierigkeiten.[8]
Trotz der Funde dieser summarisch dargestellten parthischen Primärquellen lässt sich keine kohärente Historiographie rekonstruieren, da man einer eher zufälligen Auswahl von Details begegnet, welche weitverstreut auftreten und letztendlich eher dürftig und lückenhaft erscheinen.[9]
An dieser Stelle sei noch auf die fernöstlichen Quellen verwiesen. Ins-besondere die Quellen der Han-Dynastie geben Aufschluss über das Klima, lokale Produkte, deren Handel sowie Bräuche im Partherreich. Besonders gehaltvoll ist die Untersuchung der chinesischen Quellen hinsichtlich des Seidenstraßenhandels und der parthischen Beteiligung an diesem. Unter Berücksichtigung Taos systematischer Auswertung der chinesischen Quellen wird aufgrund ihres geringeren Wertes bezüglich historischer Ereignisse im Zuge dieser Arbeit auf deren Verwendung verzichtet.[10] Obwohl die Ver-wendung chinesischer Zeugnisse einer Relativierung des mehrheitlich ablehnenden und einseitigen Partherbildes der römisch-griechischen Autoren dienen könnte[11], kann dies in dem vorgegebenen Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Aus dem Fehlen einer parthischen schriftlichen Überlieferung und dem geringen Wert hinsichtlich historischer Ereignisse der chinesischen Quellen erwächst die Konsequenz, die vorliegenden Untersuchungen basierend auf die literarische Tradition der westlichen antiken Autoren vorzunehmen.
Im Vergleich zu den schriftlichen chinesischen Quellen findet sich bei den westlichen antiken Autoren ein weitaus größerer Bestand an Textquellen. Aufgrund des über 300 Jahre andauernden Kontakts zwischen dem Imperium Parthicum und dem Imperium Romanum existiert eine Vielzahl an römisch-griechischen Ausführungen über die Parther. Neben geo- und ethnographischen Beschreibungen legen die antiken Autoren ihr Hauptaugenmerk auf den Konflikt zwischen Orient und Okzident und somit auf die diplomatischen und militärischen Auseinandersetzungen zwischen Parthern und Römern.
Für eine Darstellung parthischer Geschichte sind die Historiae Philippicae des Pompeius Trogus unerlässlich. Der aus Südgallien stammende Historiker verfasste in 44 Büchern die erste Universalgeschichte der römischen Literatur vom Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. bis zum Jahre 20 v. Chr.[12] Die Bücher 41 und 42 waren der Geschichte der Parther von der Entstehung ihres Imperiums bis zum Beginn des Prinzipats gewidmet.[13] Aufgrund des Verlustes dieses Werkes in der Spätantike liegen uns heute leider nur Auszüge bei Iustin vor. Iustin, der wohl gegen Ende des 2. Jahrhunderts lebte, fasste das Original Schätzungen zufolge auf ein Sechstel bis etwa ein Zehntel zusammen.[14] In Trogus’ Werk erfahren die Parther eine Darstellung als militärisch ebenbürtige Rivalen Roms, die in Anbetracht ihrer nomadisch-skythischen Anfänge einen beachtlichen Aufstieg vollbrachten.[15] Trotz dieser Bewertung lässt sich Trogus’ Werk in die propagandistische anti-parthische Literatur des Prinzipats einordnen, welche sich durch die Betonung der barbarischen Charakter-eigenschaften wie Wildheit, Zucht- und Sittenlosigkeit sowie der vermeintlich parthischen Vertragsbrüchigkeit auszeichnet.[16]
Der enzyklopädischen Naturgeschichte des Gaius Plinius Secundus in 37 Büchern, insbesondere dem Sechsten Buch, verdankt der moderne Betrachter eine historische Geographie Asiens, aus der Erkenntnisse für die geographische Lokalisierung des Imperium Parthicum gewonnen werden können.
Der griechische Geschichtsschreiber und Geograph Strabon, dessen Lebenszeit auf 63 v. Chr. bis 23 n. Chr. datiert wird[17], bietet in den zentralen Passagen der Bücher 11 und 16 seiner Geographika neben geographischen Beschreibungen des parthischen Herrschaftsgebiets wichtige Anhaltspunkte zur parthischen Entstehungsgeschichte und Kultur. Er bewertet die Parther augenscheinlich in keiner Weise als ebenbürtige Widersacher, was sich durch die Anwendung einer romzentrierten Weltanschauung erklären lässt, in der römische Kultur, Bräuche und Traditionen maßstabgebend sind.[18] So räumt Strabon den Orientalen zwar in seinem Werk eine gewisse militärische Stärke ein, beurteilt sie dennoch als Barbaren, die den Römern militärisch wie politisch unterlegen sind.[19] Strabons Verfassungsabsicht entsprechend gewährt er weder eine chronologische noch eine vollständige Darstellung der römisch-parthischen Beziehungen im ersten vorchristlichen Jahrhundert. So werden die mili-tärischen Auseinandersetzungen unter Crassus und Antonius übergangen. Aus diesem Grund findet sein Werk im Hauptteil dieser Arbeit nur gelegentliche Verwendung.
Der römische Geschichtsschreiber Tacitus teilt in seinen Annalen Strabons Meinung, findet in dieser Arbeit jedoch keine weitere Beachtung, da sein Werk sich vornehmlich auf die römisch-parthischen Beziehungen des 1. Jahrhunderts n. Chr. konzentriert.[20] Gleichermaßen unbeachtet bleibt in dieser Arbeit das Werk des Polybios, der über den Ostfeldzug des seleukidischen Königs Antiochos III.[21] und damit ebenfalls außerhalb der im Interessenfokus dieser Arbeit liegenden Zeitspanne berichtet.
Für die hier verfolgte personalisierende Geschichtsdarstellung erweisen sich die Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. entstandenen Vitae parallelae des Griechen Plutarch als besonders gehaltvolle Quelle. Gemäß seiner Verfas-sungsintention beinhalten die Biographien viele persönliche Details der darin von Plutarch beschriebenen historisch herausragenden Römer und lassen somit Rückschlüsse auf individuelle Handlungsmotive für die Gestaltung der römischen Außenpolitik zu. Die im Kontext der jeweiligen Charakterdar-stellungen beschriebenen Begegnungen zwischen römischen Staatsmännern und Arsakiden lassen jedoch ein ethnographisches Interesse an den Parthern vermissen.[22] Des Weiteren erfährt das Imperium Parthicum in Plutarchs Biographien keine Darstellung als souveräne politische Größe. Plutarchs Viten sind, wie er selbst bekennt[23], weniger von einem historiographischen als von einem schriftstellerischen Anspruch getragen. Infolgedessen ist zur Bewertung der Begegnungen zwischen Römern und Parthern im ersten vorchristlichen Jahrhundert die Verwendung der schriftlichen Überlieferung römischer Historiker unerlässlich.
Insbesondere Cassius Dio und Appian sind an dieser Stelle zu nennen, da beide Geschichtsschreiber gleichermaßen in ihren Werken zur römischen Geschichte fortlaufend aussagekräftige Informationen zu den Begegnungen zwischen Römern und Parthern liefern und sich daher im Folgenden als wesentliche Quellengrundlage eignen. Dios Geschichtswerk entstand zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. und umfasste insgesamt 80 Bücher[24], hiervon finden in der vorliegenden Arbeit insbesondere die Bücher 36 bis 54 Verwendung. Die ethnographisch eingeteilte Romaika des Alexandriners Appian entstand wohl um 160 n. Chr.[25] und hat wie Dios Werk eine historische Distanz zu der hier thematisierten Zeitspanne inne.
Velleius Paterculus hingegen ist der einzige uns noch erhaltene Historiker des Prinzipats. Als junger Militärtribun erlebte dieser das Zusammentreffen zwischen Gaius Caesar, dem jungen Adoptivsohn des Augustus, und dem Partherkönig Phraates V.[26] und bewertet aufgrund dieser Primärerfahrung das Partherreich als gleichberechtigtes souveränes Staatswesen neben der Weltmacht Rom. Vellius’ Historia Romana dient jedoch in der vorliegenden Arbeit angesichts seiner bisweilen recht bündigen universalhistorischen Darstellungsweise lediglich als Ergänzung des sonstigen Quellenmaterials.
Nachdem die evidente Notwendigkeit herausgearbeitet wurde, für die vorliegenden Ausarbeitungen auf die schriftliche Überlieferung der griechisch-römischen Autoren zurückzugreifen, ist nun das Imperium Parthicum Gegen-stand der Betrachtung.
3. Das Imperium Parthicum
Eine Darstellung, die der altpersischen Dynastie und ihrer Bedeutung in der Antike gerecht wird, zeugt aufgrund der unzulänglichen Quellenlage und den wenigen Ausgrabungsfunden, wie bereits im vorangegangenen Kapitel angedeutet, von ungeheurer Schwierigkeit. Trotzdem erfährt die Entstehungs-geschichte und die imperiale Ausbreitung des Partherreiches eine Erörterung. Dadurch wird aufgezeigt, dass der zügige Aufstieg einstiger Nomaden zur Etablierung eines ernstzunehmenden Imperiums im Orient führte, welches ein politisches Gegengewicht zum Imperium Romanum darstellte. Demzufolge würde eine Unkenntnis der im Folgenden erarbeiteten Informationen dazu führen, die römischen-parthischen Beziehungen im Hauptteil dieser Arbeit nicht ausgewogen bewerten zu können.
3.1 Überblick über die Entstehung und des Aufstiegs des Parther-reiches bis zum ersten römisch-parthischen Kontakt
Bevor eine summarische geopolitische Retroperspektive der Entstehung des Imperium Parthicum erfolgen kann, bedarf es zunächst einer begrifflichen Erläuterung. Diese ist notwendig, da sich in den römisch-griechischen Quellen verschiedene Bezeichnungen bezüglich des Partherreiches finden lassen. Die griechischen Autoren bezeichnen den Herrschaftsbereich der Parther als Parthyaia, die Landschaft hingegen als Parthyene. In den römischen Quellen wird Parthia als Bezeichnung für Parthien verwendet.[27] Es ist zu beachten, dass die eigentlichen Parther ausschließlich der einstigen achämenidischen Satrapie, also dem höchsten Verwaltungsbezirk Parthava im nordöstlichen modernen Iran entstammen.[28] So schreibt Dio, dass die Parther ursprünglich „nur einen bescheidenen Landesteil“ bewohnten und „über ihre Grenzen hinaus keine Herrschaft“[29] ausübten. Weiterhin berichtet er von dem einsetzenden Kampf der Generäle des Makedonenkönigs Alexander III., die sogenannten Diadochen, nach seinem Tod im Jahr 323 v. Chr. Folglich begann sein erobertes Riesenreich, welches das Achaimenidenreich beinhaltete, zu zer-fallen. Das Ende dieser Diadochenkämpfe fällt in das Jahr 281 v. Chr. und hatte die Ausbildung drei großer Monarchien zur Folge: die über Makedonien herrschenden Antigonidische, die Ptolemaieische, welche ihre Herrschaft über Ägypten ausübte, und die in Vorderasien herrschende Seleukidische.[30]
Das Seleukidenreich sah sich in einer seiner Grenzprovinzen bald mit Gefahren von außen konfrontiert. Bedeutend für die hier verfolgte Darstellung ist an dieser Stelle lediglich die Erwähnung der Invasion des nomadischen Reiter-volks der Parner, ein Teilstamm der Skythen.[31] Unter der Anführung des Arsakes fielen die parnischen Eindringlinge, ein Teilstamm der Skythen in die zum Seleukidenreich gehörende Satrapie Parthava, östlich des Kaspischen Meeres gelegen, ein und eroberten sie.[32] Damit nutzte Arsakes, der Begründer und Namensgeber der Arsakidendynastie, die günstige Gelegenheit der misslungenen Ostpolitik des Seleukidenreiches und eroberte innerhalb von 15 Jahren, höchstwahrscheinlich zwischen 250 und 235 v. Chr., einen Großteil der iranischen Besitzungen von den Seleukiden.[33] Darunter fallen neben der Kernprovinz Parthyene, nördlich an die Ausläufer des Kopet-Dag-Gebirges grenzend, die Astauene, also das nördliche Atrektal und das südlich angrenzende Hyrkanien. Strabon zufolge
waren er [Arsakes] selber sowohl als seine Nachfolger schwach wegen der Kriege die sie ständig gegen die ihres Landes Beraubten zu führen hatten; dann aber wurden sie dadurch daß sie dank ihrer Erfolge in den Kriegen sich das jeweils benachbarte Land nahmen so stark daß sie schließlich Herr über das ganze Gebiet diesseits des Euphrats wurden. Sie nahmen sich auch einen Teil der Baktriane.[34]
Der griechische Geschichtsschreiber fasst damit grob die Eroberungsfeldzüge des Arsakes I., seiner Nachfolger und die Begründung des parthischen Großreichs unter dem Arsakidenkönig Mithridates I. im folgenden Jahrhundert zusammen.
Zum parthischen Reich gehörten derzeit somit die Provinzen Apavarkatikene, östlich an Parthyene anschließend, das südlich des Kaspischen Meeres gelegene und im Süden an die Wüste Dascht-e Lut grenzende Komisene und Choarene. Des Weiteren zählten nun auch im Osten des Imperiums Teile des graeco-baktrischen Reiches zu den parthischen Besitzungen. Als Königssitz und Hauptstadt der Parther[35] nennt Strabon Hekatompylos[36], welches höchstwahrscheinlich südöstlich des Kaspischen Meeres bei dem iranischen Damghan zu lokalisieren ist.[37]
Mithridates I., der in Anknüpfung an die altpersische Tradition um 145 v. Chr. den Titel „König der Könige“ annahm, gelang es, das parthische Machtgebiet nicht zuletzt aufgrund des fortschreitenden Untergangs der hellenistischen Seleukidendynastie weiter auszubauen. Unter seiner Herrschaft erfolgte die Eroberung Mesopotamiens im westlichen Iran. Nach der erfolgreichen Einnahme der größten Stadt des Landes, des am Tigris gelegene Seleukia, gelang es den Parthern weiter südlich in Babylonien einzudringen.[38] Die Eroberungen im Westen wurden abgerundet durch die Annexion der Gebiete Elymais und Persis.[39]
Um 139 v. Chr. verstarb Mithridates I. und hinterließ ein Imperium, das zu einer Weltmacht erwachsen war. Doch die Regierungszeiten der folgenden Könige waren geprägt von militärischen Rückschlägen an der Ost- und Westgrenze des Reiches.[40] Die Vorkommnisse bedürfen an dieser Stelle keiner näheren Betrachtung, da bereits unter Mithridates II. das Partherreich dank der Eroberungen Nordmesopotamiens, der Osrhoene, der Gordyene und der Adiabene eine Restauration seiner Großmachtstellung und sogar seine größte Ausdehnung erfuhr. Mit der Eroberung von Dura-Europos ist dem Parther-könig auch der erstmalige Vorstoß nach Syrien und damit über die Euphratgrenze gelungen.[41] Mit diesem Vorstoß wird deutlich, dass die parthische Westpolitik die Zielsetzung beinhaltete Syrien zu erobern und damit Zutritt zum Mittelmeer zu erhalten. Diese These deckt sich mit Wolskis Auffassung[42] und findet in Justins Erläuterungen Bestätigung[43]. Als weiterer Beleg für die expansionistischen Absichten der Parther gen Westen kann die Verlegung des Königssitzes nach Ktesiphon betrachtet werden, die dazu diente, von Mesopotamien aus Entwicklungen an der Westgrenze besser beobachten zu können.[44]
Das letze Drittel der Regierungszeit von Mithridates II. ist gekennzeichnet von der ersten Einflussnahme der Parther in Armenien[45]. Bedingt durch das parthische Eingreifen in Armenien trafen erstmals parthische und römische Interessenssphären aufeinander, so dass für die Folgezeit ein Krisenherd geschaffen war, der insbesondere in der römischen Kaiserzeit für politisch-militärische Auseinandersetzungen zwischen Parthern und Römern sorgen sollte. Doch zunächst schien die neu etablierte Arsakidendynastie für die Römer einem unbekannten politischen Faktor gleichzukommen. Jedenfalls lassen sich nur so die Begebenheiten des ersten offiziellen Kontaktes zwischen den Repräsentanten des Impericum Parthicum und des Imperium Romanum erklären, welche in Kapitel 4 näher betrachtet werden.
Strukturell und verfassungsrechtlich stellte das Partherreich ein uneinheitliches Gebilde dar. So waren manche Einrichtungen anhand des Vorbilds hellenis-tischer Monarchien geschaffen worden, andere folgten der Tradition des Achaimenidenreiches. Als Staatsoberhaupt fungierte der Großkönig, welcher der Familie der Arsakiden entstammen musste[46] und nach dem Begründer der Dynastie den Thronnamen Arsakes führte.[47] Die Sukzessionsordnung sah anfänglich vor, dass der älteste der königlichen Söhne nach „Stammes-brauch“[48] Anspruch auf die Thronfolge hatte, die polit-historische Wirklichkeit gestaltete sich jedoch bereits im 2. Jahrhundert v. Chr. abweichend. So folgte auf den Arsakidenkönig Phraates I. sein Bruder Mithridates I. obwohl gleich mehrere Söhne das politische Erbe hätten antreten können.[49] Folglich lässt sich festhalten, dass die Nachfolgeregelung ähnlich wie in hellenistischen Monarchien vom jeweiligen König getroffen wurde.[50]
Hinsichtlich des gesamtstrukturellen staatlichen Aufbaus belegt Widengren in einem umfassenden systematischen Vergleich der klassischen Autoren mit den orientalischen Quellen, insbesondere den iranischen und armenischen Funden, eine feudalistisch geprägte Organisationsstruktur.[51] Basierend auf seinen Erkenntnissen kann Zieglers älterer Auffassung, welche offenbar die orientalische Quellenlage außer Acht lässt und beinhaltet, dass typische feudalrechtliche Charakteristika über Jahrhunderte hinweg evolvierten und erst auf die parthische Spätzeit zutreffen, nicht zugestimmt werden.[52]
Das parthische Reich lässt sich als multikulturell und polyethisch charakterisieren, da sich die Bevölkerung im Zuge der oben geschilderten Eroberungen aus den ortsansässigen Stämmen, den seleukidischen Griechen, den ursprünglichen Parthern der achämenidischen Provinz Parthava und nicht zuletzt den nomadischen Eroberern, den Parnern, zusammensetzte. Folglich ist ebenfalls eine linguistische Vielfalt evident. So wurden in Iran Mittelpersisch, Parthisch, Sogdisch, Choresmisch und Baktrisch gesprochen. Weiter westlich waren neben Armenisch verschiedene Kaukasussprachen und Babylonisch vertreten. In Mesopotamien wurde vornehmlich Aramäisch in seinen verschiedenen Varianten gesprochen. Im Achaimenidenreich galt es als lingua franca, welche sich ebenfalls im Partherreich zur Volkssprache durchsetzte. Dies gilt dank zahlreicher Inschriften aus dem parthischen Reichsgebiet als ein gesichertes Faktum. Griechisch diente vor allem in den griechischen Poleis wie Susa oder Seleukia als Verkehrssprache.[53] Als Hof- und Verwaltungssprache wurde darüber hinaus das Parthische als Sprache der ursprünglichen Satrapie Parthiens verwendet. Parthische Zeugnisse aus der Epoche der Arsakiden-herrschaft sind jedoch relativ gering, da die mündliche Weitergabe von Dichtung und religiösen Traditionen vorherrschte und Münzen vornehmlich griechische Legenden trugen.[54] Diese kurze Skizzierung der linguistischen Vielfalt im Arsakidenreich lässt die Schwierigkeit erahnen eine detaillierte Darstellung der Sprachverhältnisse vorzunehmen, welche bislang ein Desideratum historischer Forschung darstellt.[55] Weiterhin birgt die multi-linguistische Zusammensetzung des Partherreiches die Schwierigkeit, die im zweiten Kapitel genannten Primärquellenfunde zu übersetzen beziehungs-weise zu interpretieren, was wiederum ein weiterer Grund für die über-wiegende Fokussierung des Forschungsdiskurses auf die römisch-griechische Überlieferung darstellt.
3.2 Geographische Lokalisierung des parthischen Herrschaftsgebiets
Der vorangegangene Abschnitt diente vornehmlich dazu mittels eines geopolitischen Rückblicks die Entstehung und damit summarisch die geographische Expansion des Partherreiches darzustellen. Die damit einhergehende Erkenntnis ist, dass das Imperium Parthicum in der Oikumene als ein machtpolitisches Gegengewicht zum Imperium Romanum verstanden werden kann. Nachstehend erfolgt nun unter Zuhilfenahme moderner Terminologie eine Konkretisierung der geographischen Lokalisierung des Imperium Parthicum.
Die verwendeten antiken Quellen bieten keine Größen- bzw. Zahlenangaben hinsichtlich einer exakten flächenmäßigen Ausdehnung und Bevölkerung der Parther. Daher erscheint es bemerkenswert, dass Trogus seinerzeit festhält, dass die Herrschaft über den Osten in den Händen der Parther „wie nach einer Teilung des Erdkreises“[56] liegt. Dennoch behauptet Wolski, dass sich das Partherreich weder territorial noch bevölkerungsmäßig mit dem Römerreich zu messen vermochte.[57]
Plinius konkretisiert die Westgrenze des Partherreiches indem er berichtet, dass sich „die Reiche der Perser nämlich, welche jetzt bekanntlich die Parther sind, ziehen […] zwischen dem Persischen und dem Hyrkanischen Meer[[58] ] bis zu den Höhen des Kaukasus hinauf.“[59] Im Osten nennt er den Fluss Indus als natürliche Grenze.[60] Damit erstreckte sich das Partherreich über das Gebiet des Iranischen Hochlands hinaus, welches im Westen durch das Zweistromland und im Nordosten durch den Hindukusch begrenzt ist. Im Süden grenzte das Partherreich an das Arabische Meer. Neben dem heutigen iranischen Staats-gebiet umfasste das Partherreich auch die modernen Republiken Irak und Afghanistan sowie Teile der an dieses Staatsgebiet angrenzenden Länder wie Pakistan und Turkmenistan.
Auf der Grundlage dieser geographischen Einordnung des Partherreiches schließt sich nun im folgenden Kapitel eine Darstellung der topographischen und klimatischen Charakteristika an.
3.3 Geographische und klimatische Bedingungen militärischer Auseinandersetzungen
Im Untersuchungszeitraum erweist sich insbesondere das westliche Gebiet des vermeintlich römischen Kontrahenten wiederholt als Schauplatz militärischer Auseinandersetzung. Folglich muss unbedingt auf die topographischen und klimatischen Gegebenheiten dieses Gebietes hingewiesen werden, da die Unkenntnis dieser oder auch ihre Missachtung in erheblichem Maß Einfluss auf den Ausgang römischer Militäraktionen nahmen.
Im Allgemeinen ist der Orient durch Gegensätze geprägt, die insbesondere auf das Gebiet der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Römern und Parthern zutreffen. Als Charakteristika führt Günther neben den heißen Tagen und kühlen Nächten, den ungangbaren Gebirgen und sonnendurchglühten Steppen, die fruchtbaren Täler sowie die trostlosen Sand- und Steinwüsten auf.[61] Diese moderne Feststellung geht konform mit dem Erkenntnisstand der augusteischen Zeit, aus der die schriftliche Überlieferung des Trogus stammt, der berichtet, dass „im größten Teil des parthischen Gebietes entweder große Hitze oder große Kälte herrscht, denn auf den Bergen lastet der Schnee und im Flachland brütet die Hitze“[62]. Dio weist im Zusammenhang mit den klimatischen Bedingungen Parthiens darauf hin, dass diese sehr trocken und „ohne den mindesten Feuchtigkeitsgehalt“[63] seien und so den berühmten parthischen Schusswaffen, auf die im folgenden Kapitel eingegangen wird, die volle Spannkraft bot.
Das Klima Mesopotamiens ist als subtropisch zu beschreiben. Es macht das Land zu einem der heißesten Länder der Erde, wobei die Temperaturen im Durchschnitt 10 Grad Celsius höher sind als in den Gebieten, die im gleichen Breitengrad liegen. Dieses Phänomen lässt sich dadurch erklären, dass die betreffende Gegend von Norden her durch das armenische Hochland gegen kühlende Winde geschützt ist und die Tiefenlage eine hohe Hitze im Hochsommer begünstigt.[64] Der Westteil Mesopotamiens weist in Verbindung mit dem eher unbedeutenden Belich, einem Nebenfluss des Euphrats, ein verhältnismäßig verzweigtes Wegenetz auf. Die Möglichkeiten der Ver-pflegung eines Heeres waren in Nordsyrien, ebenso in Teilen Nordmesopotamiens und zuletzt durch die Nutzungsmöglichkeiten der Wasserwege von Euphrat und Tigris als günstig zu bezeichnen.[65]
Es ist ohne Zweifel, dass die Landeskenntnisse über die doch für einen römischen Soldaten aufgrund der herrschenden Bedingungen befremdliche Heimat der Parther ihnen einen ungemeinen Vorteil gegenüber dem eindringenden Feind einbrachten.[66] Plutarch bemerkt, dass sich die Römer während des Partherfeldzugs des Crassus am meisten durch die Hitze und den daraus resultierenden Durst gepeinigt sahen, was sie beides nicht gewohnt waren.[67] So schlussfolgert Dio, dass die Parther „gar schwer besiegbar“ waren, „sowohl im eigenen Land wie auch in ähnlichen Gebieten“[68]. Die im Vorange-gangenen dargestellten klimatischen Bedingungen des Partherreiches dif-ferierten nicht nur erheblich von dem den Römern bekannten mediterranen Klima, sondern entzogen sich bisweilen ihrem Kenntnisstand.
3.4 Das parthische Heer
Dieses Kapitel ist der Darstellung des parthischen Heeres gewidmet. Zum einen ist dies für die vorliegende Arbeit von Interesse, da der Untersuchungs-zeitraum vornehmlich von militärischen Auseinandersetzungen geprägt ist, zum anderen weil römische Politiker vereinzelt im Kontinuum der römisch-parthischen Beziehungen auf das arsakidische Militärpotential zugriffen um ihre persönliche Machtstellung zu sichern.
Die Mehrheit des parthischen Heeres bestand aus Hörigen des Adels, da die Kriegsverfassung auf einer Art Lehnssystem basierte.[69] Die militärische Stärke der Parther gründete, anders als bei den römischen Infanteristen, nicht auf einer intensiven militärischen Ausbildung und einem reglementmäßigen Zusammen-wirken taktischer Körper, sondern vielmehr auf der individuellen Tapferkeit und Kampftätigkeit der einzelnen Personen.[70]
Das parthische Heer bestand hauptsächlich aus der Kavallerie, welche in leicht- und schwergepanzerte Truppen zu unterteilen ist. Erstere zeichneten sich durch die Verwendung des Kompositbogens als Waffe aus. Der von dieser Reiterei verübte Angriff erlangte als „parthischer Schuss“ Berühmtheit. Die Taktik bestand darin, rückwärts bei einer vorgetäuschten Flucht einen andauernden Pfeilhagel abzugeben.[71] Plutarch beschreibt den Angriff der Leichtgepanzerten im Jahr 53 v. Chr. eindrucksvoll als einen „Hagel von Geschossen“, die durch die „Wucht und Durchschlagkraft […] die Schilde zerrissen und durch jede Deckung, mochte sie hart oder weich sein, hindurchfuhren“[72]. Nachschub an Geschossen gewährleistete ein auf Crassus endlos wirkender Kameltreck.[73] Die berüchtigte Kampftaktik der parthischen Bogenschützen wirkte spätestens seit der Niederlage bei Carrhae furchteinflößend und reichte sogar soweit, dass sie die römische Militärmacht in Frage stellte.[74] Die Stärke und Tücke der bogenschießenden Reiterei lag neben ihrer Mobilität in der Verwendung von giftgetränkten und mit Widerhaken versehenen Pfeilen, von denen Dio berichtet.[75]
Bei der schweren Reiterei, den sogenannten Kataphrakten, deren Waffen lange Lanzen waren, galten sowohl Pferd als auch Reiter durch bewegliche „eherne und eiserne Panzerplatten“[76] vor Gegenangriffen als geschützt. Die beiden Waffengattungen ergänzten sich, so dass die Aufgabe der ersteren darin bestand, den Gegner durch den unaufhörlichen Pfeilhagel zu zerreiben, wonach die Kataphrakten den bereits entkräfteten Feind im Frontalangriff weiter zermürben sollten[77]. Die Charakteristika der parthischen Kampfkunst, also den Überraschungsmoment der vorgetäuschten Flucht, die Verwendung der clibanarii und die parthische Schwäche der Nahkampftaktik und Okkupation findet ebenfalls in Trogus’ Schilderungen Ausdruck.[78]
Die äußerst frühe Ausbildung der parthischen Bogenschützen findet Er-wähnung in Strabons Schilderungen[79] und auch Dio berichtet, dass sich die Parther bereits von Kindesbeinen an in den jeweiligen kämpferischen Fertigkeiten übten, „wobei Klima und Land zusammen zur Entfaltung der Reit- und Bogenkunst“[80] beitrugen.
In Bezug auf die Größe des parthischen Heeres können nur Vermutungen angestellt werden. So wird angenommen, dass 53 v. Chr. in der Schlacht von Carrhae insgesamt 10 000 Reiter, davon 1 000 Kataphrakten, zum Einsatz kamen.[81] Fast zwei Jahrzehnte später sah sich das römische Heer unter dem Oberbefehl des Antonius wohl 50 000 Reitern ausgesetzt.[82]
Die Darstellung des parthischen Militärs hat die militärische Schlagkraft der Orientalen verdeutlicht und bietet im Hauptteil dieser Arbeit Anknüpfungs-punkte für das Verständnis der römischen militärischen Niederlagen. Die Anfänge der römisch-parthischen Beziehungen gestalteten sich jedoch zu-nächst diplomatisch. Das folgende Kapitel gibt daher Aufschluss über die Konstellationen dieser vermeintlich friedlichen Koexistenz und ist für die zugrunde liegende Fragestellung von Interesse, da bereits vor der Zeit des Pompeius erste Instanzen für deren Scheitern bestanden.
[...]
[1] Colledge, The Parthians, passim; Debevoise, Political History, passim; Schippmann, Grundzüge, passim; Schur, Parthia, passim.
[2] Die Herausgabe des von Wiesehöfer angekündigten Handbuchs „Geschichte und Kultur des Partherreiches“ ist leider bisher nicht erfolgt. Vgl. Wiesehöfer, Vorwort, 9.
[3] Eine übersichtliche Darstellung sämtlicher Quellenfunde wurde von Wiesehöfer vorgenom-men. Vgl. Wiesehöfer, Das antike Persien, 167-179.
[4] Nisa liegt im heutigen Turkmenistan etwa 18 Kilometer westlich von Aşgabat.
[5] Widengren stellt fest, dass die Ostrakafunde aus Nisa Auskunft über die administrative Ein-teilung im Arsakidenreich geben. Vgl. Widengren, Iran, 275. Zum aktuellen Stand der forschungswissenschaftlichen Diskussion bezüglich der Ausgrabungsfunde siehe Invernizzi, Parthian Nisa, 45-53.
[6] Wiesehöfer, Das antike Persien, 168.
[7] An dieser Stelle sei erneut auf Wiesehöfer, Das antike Persien, 168-170 verwiesen.
[8] Curtis, The Iranian Revival, 7 f.; Wiesehöfer, Das antike Persien, 178 f.
[9] Schmitt, Parthische Sprach- und Namenüberlieferung, 163; Wolski, Iran und Rom, 196-197.
[10] Vgl. Tao, Parthia in China, 87-102.
[11] Der Gehalt der fernöstlichen Quellen hinsichtlich einer Relativierung des westlich tradierten Partherbildes erfolgt in einer relativ kurzen Darstellung Poschs. Vgl. Posch, Chinesische Quellen, 355-364.
[12] Wiesehöfer, Das antike Persien, 172.
[13] Hauser, Die ewigen Nomaden?, 165.
[14] Van Wickevoort Crommelin, Pompeius – Trogus, 259.
[15] „So daß sich jedermann nur wundern kann, daß sie allein vermöge ihrer Tapferkeit zu solchem Glücksstand hochgekommen sind, Befehlshaber der gleichen Völker [Makedonen] zu werden, unter deren Befehl sie nichts Besseres als ein Sklavenhaufen gewesen waren. Auch als sie von den Römern in drei Kriegen durch die bedeutendsten Feldherrn zur Zeit der größten Blüte Roms herausgefordert wurden, waren sie allein von allen Völkern nicht nur den Römern gleichrangig, sondern blieben sogar Sieger.“ Pomp. Trog. apud Iust. 41, 1. Trogus Beschreibung des Dynastiebegründers Arsakes birgt eine gewisse Bewunderung, die einer mythischen Verehrung gleichkommt. Pomp. Trog. apud Iust. 38, 9. Zur parthischen Königslegende vgl. Widengren, Iran, 221-223.
[16] Pomp. Trog. apud Iust. 41, 3.
[17] Drijvers, Strabo on Parthia, 279.
[18] Drijvers, Strabo on Parthia, 280.
[19] Wiesehöfer, Das frühe Persien, 87.
[20] Eine inhaltliche Analyse der einschlägigen Kapitel der Annalen des Tacitus hat Ehrhardt vorgenommen. Ehrhardt, Parther und parthische Geschichte, 295-307.
[21] Wiesehöfer, Das frühe Persien, 88.
[22] Hartmann, Das Bild der Parther, 428.
[23] Plutarch bittet seine Leser um Verständnis, sofern er vielgerühmte Taten zu summarisch präsentiert, denn er „schreibe nicht Geschichte, sondern zeichne Lebensbilder.“ Plut. Alex. 1.
[24] Hose, Erneuerung der Vergangenheit, 360.
[25] Schwartz, Appianus, 216 f.
[26] Vell. 2, 101, 2.
[27] Radt, Strabons Geographika, 288.
[28] Schippmann, Grundzüge, 10-12.
[29] Cass. Dio, 40, 14, 1. Dios Angabe findet in folgender Ausführungen Strabons Bestätigung: „Parthien ist freilich nicht groß: jedenfalls hat es zur Zeit der Perser und danach unter Herrschaft der Makedonen seine Abgaben lange Zeit mit den Hyrkanern entrichtet.“ Strab. Geogr. 11, 9, 1.
[30] Cass. Dio 40, 14, 1-3.
[31] Zur Erörterung der Wanderung der Parner sowie ihrer Herkunft vor dieser Invasion siehe Schippmann, Grundzüge, 15 f. Eine quellentextnahe Diskussion der vermeintlich nomadischen Herkunft des Arsakes findet sich in Hauser, Die ewigen Nomaden?, 171-173.
[32] Strab. Geogr. 11, 9, 2; Pomp. Trog. apud Iust. 41, 4.
[33] Schippmann, Grundzüge, 17. Zur Schwierigkeit der Datierung der einzelnen Eroberungen aufgrund der Unvereinbarkeit der Angaben Strabons und Trogus vgl. Drijvers, Strabo on Partia, 283-285.
[34] Strab. Geogr. 11, 9, 2.
[35] Es ist davon auszugehen, dass der altpersische Name der Region Parthien den Namen des Volksstammes der Parner etwa in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. ersetzte. Vgl. Landskron, Parther und Sasaniden, 27 f.; Schippmann, Grundzüge, 12 f.
[36] Strab. Geogr. 11, 9, 2.
[37] Wiesehöfer, Das antike Persien, 175.
[38] Bengston, Griechische Geschichte, 474 f.
[39] Landskron, Parther und Sasaniden, 27.
[40] Vgl. Schippman, Grundzüge, 27-29; Debevoise, Political History, 29-39. Repräsentativ für das Ringen an der Westgrenze darf der seleukidische und parthische Kampf um Babylonien verstanden werden, welcher dank datierter Keilschrifttexte inzwischen greifbarer ist. Dazu vgl. Wiesehöfer, Das antike Persien, 170 f.
[41] Landskron, Parther und Sasaniden, 30.
[42] Wolski, Iran und Rom, 202 f; Trotz dieser expansiven Westpolitik, die streng genommen lokalen Charakter trug, darf nicht angenommen werden, dass die Parther gemäß einer Weltherrschaftsideologie im römischen Sinne handelten. Vgl. Ziegler, Beziehungen, 86.
[43] „Aber diese glimpfliche Milde der Parther gegen Demetrios war nicht etwa Folge einer besonderen Veranlagung dieses Volkes zu mitleidigem Sinn, geschah auch nicht in Rücksicht auf das bestehende Verwandtschaftsverhältnis, sondern weil sie Absichten auf das syrische Königreich hatten und zu diesem Zwecke sich des Demetrios gegen seinen Bruder der Antiochos zu bedienen dachten.“ Pomp. Trog. apud Iust. 38, 9, 10.
[44] Zur Verlegung des Königssitzes nach Ktesiphon durch Mithridates I. siehe Plin. nat. 6, 30. Vgl. Schippmann, Grundzüge, 25; Wolski, Iran und Rom, 203.
[45] „Anfänglich lebte er [Tigranes] als Geisel bei den Parthern; dann erlangte er durch sie die Heimkehr – sie bekamen dafür siebzig Täler Armeniens.“ Strab. Geogr. 11, 14, 15. Vgl. Debevoise, Political History, 41 f.; Schippmann, Grundzüge, 30.
[46] Ziegler, Beziehungen, 15.
[47] „Die Parther [erwiesen] seinem [Arsakes] Andenken die Ehre, daß sie von da an all ihre Könige Arsakes nannten.“ Pomp. Trog. apud Iust. 41, 5.
[48] Pomp. Trog. apud Iust. 41, 5.
[49] Pomp. Trog. apud Iust. 41, 5.
[50] Ziegler, Beziehungen, 16.
[51] Widengren, Iran, 249-261.
[52] Ziegler, Beziehungen, 16.
[53] Wiesehöfer, Das antike Persien, 164.
[54] Schmitt, Parthische Sprach- und Namenüberlieferung, 165.
[55] Schmitt leistet mit dem Fokus auf das Parthische einen ersten Beitrag zu dem Versuch solch einen ökolinguistischen Überblick zu schaffen. Vgl. Schmitt, Parthische Sprach- und Namenüberlieferung, 163-204.
[56] Pomp. Trog. apud iust. 41, 1.
[57] Wolski, Iran und Rom, 214. Karras-Klapproth stellt fest, dass alle Möglichkeiten einer statistischen Auswertung der parthischen Bevölkerungszahlen versagen. Karras-Klapproth, Prosopographische Studien, 6.
[58] Bisherige Ausführungen gebrauchten für „Hyrkanisches Meer“ das Synonym „Kaspisches Meer“.
[59] Plin. nat. 6, 16.
[60] Plin. nat. 6, 31.
[61] Günther, Kriege, 5.
[62] Pomp. Trog. apud Iust. 41, 1.
[63] Cass. Dio 40, 15, 4.
[64] Günther, Kriege, 11.
[65] Günther, Kriege, 9.
[66] Günther, Kriege, 5-8.
[67] Plut. Crass. 25.
[68] Cass. Dio 40, 15, 4.
[69] Pomp. Trog. apud. Iust. 41, 2.
[70] Günther, Kriege, 21.
[71] Debevoise, Political History, 86; Schippmann, Grundzüge, 93.
[72] Plut. Crass. 24.
[73] Plut. Crass. 25.
[74] Landskron, Parther und Sasaniden, 187.
[75] Cass. Dio 36, 5, 2.
[76] Plut. Crass. 24.
[77] Schippmann, Grundzüge, 94.
[78] Pomp. Trog. apud Iust. 41, 2.
[79] “Vom fünften bis zum vierundzwanzigsten Jahre warden sie [die Parther] im Bogenschießen, Speerwerfen, Reiten und Wahrheit reden unterrichtet.“ Strab. Geogr. 15, 3, 18.
[80] Cass. Dio 40, 15, 2.
[81] Debevoise, Political History, 83; Schippmann, Grundzüge, 94.
[82] Pomp. Trog. apud Iust. 41, 2.
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