Heinrich Brünings Wirtschaftspolitik und ihre historische Bewertung


Seminararbeit, 2010

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Heinrich Bruning: Biographie

3. Bruning als Reichskanzler

4. Die Weltwirtschaftskrise 1929 - kurzer Uberblick

5. Die Weltwirtschaftskrise und ihr Verlauf im Deutschen Reich

6. Brunings MaBnahmen zur Krisenbewaltigung

7. Einschatzungen der Bruningschen MaBnahmen

8. Fazit

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In Zeiten der Krise fallt der Blick oft auf Vergangenes. Schwankt etwa die Weltwirtschaft, wird die Historie betrachtet, um sich an den Urteilen der Geschichte festhalten zu konnen. Wie reagierten die Machtigen fruher, was ist von ihnen zu lernen, im Guten wie im Schlechten? Als Heinrich Bruning 1930 Kanzler einer zerrutteten Republik wurde, war ihm diese Weisheit der historischen Erfahrung versagt. Als er in den Spiegel der Geschichte blickte, sah er nur sich selbst - nie zuvor hatte die globale Wirtschaft, die in ihrer weltumspannend Form zumal erst kurz existierte, derartige Probleme bewaltigen mussen wie wahrend der groBen Depression um die Jahrzehntwende 1920/30.

In Deutschland, vor allem in Deutschland, wirkte die okonomische Talfahrt verheerend. Die junge Demokratie, die unerfahrene Gesellschaft stand vor einer herkulischen Herausforderung. War die Weimarer Republik uberhaupt zu retten? Was hat Bruning getan, was hatte er tun konnen, was mussen? Diesen Fragen geht die vorliegende Arbeit nach. Dass es sich dabei nur um einen Uberblick handeln kann, ist naturgemaB im enormen Umfang des Themas begrundet. Allein zum WTB-Plan, dem hier eine marginale FuBnote gewidmet ist, lieBen sich Dissertationen anfertigen.

Uber Brunings Biografie und einen Abriss seiner Kanzlerschaft, der aus Grunden der spater vorgenommenen Bewertung Brunings' Kanzlerschaft etwas umfangreicher ausfallt, sollen auf den folgenden Seiten die Weltwirtschaftskrise und ihre globalen sowie lokalen Auswirkungen kurz vorgestellt werden. AnschlieBend widmet sich die Schilderung den MaBnahmen, die der Kanzler ergriff, um daraufhin die Analyse und wissenschaftliche Bewertung dieser Initiativen vorzustellen. Abgeschlossen wird die Arbeit durch eine aus den gesammelten Erkenntnissen gewonnene Einschatzung der Bruningschen Wirtschaftspolitik im Kontext der historischen Debatte.

2. Heinrich Bruning: Biographic

Heinrich Bruning kommt am 26. November 1885 in Munster als Sohn ernes streng katholischen Elternhauses zur Welt.1 Er studiert ab 1904 nach dem Abitur Geschichte, Rechstwissenschaften und Volkswirtschaft in Munchen und Strafiburg, legt dabei das Staatsexamen fur das hohere Lehramt ab. 1911 bis 1913 studiert er in England, 1915 folgt in Bonn seine Promotion uber die verstaatlichung der englischen Eisenbahn.2 Noch im selben Jahr tritt er als Freiwilliger auf Seiten der Infanterie in den Ersten Weltkrieg, wo er den Offiziersrang erwirbt.3 4

Nach Kriegsende beginnt Brunings politische Karriere. 1919 wird er Referent des preufiischen Wohlfahrtsministers Adam Stegerwald. Im folgenden Jahr tritt Bruning den Posten des Geschaftsfuhrers des katholischen Deutschen Gewerkschaftsbunds an5, den er bis 1930 innehat. 1923 organisiert er den passiven Widerstand im Ruhkampf mit.6 Fur die Zentrumspartei erwirbt Bruning schliefilich ein Mandat fur den Reichstag, dem er 1924 bis 1933 angehort. Schon bald gilt er als Finanzfachmann seiner Partei.7 8 1928 bis 1930 ist er Mitglied des Preufiischen Abgeordnetenhauses, zwischendrin, im Dezember 1929, wird er zum Fraktionsvorsitzenden der Zentrumspartei im Reichstag gewahlt. Knapp vier Monate spater ist Bruning Reichskanzler. Auf diese Amtszeit wird im folgenden Kapitel naher eingegangen.

Nach der Machtubernahme Adolf Hitlers ist Bruning von Mai bis Juli 1933 noch Vorsitzender seiner Zentrumspartei, ehe diese sich auflost. Um nicht verhaftet zu werden, flieht er ein Jahr spater in die Niederlande, schliefilich in die Vereinigten Staaten. Dort ist er von 1937 bis 1951 Professor an der Universitat Harvard. Bruning unterrichtet dabei im Fach Politische Wissenschaften, eine Tatigkeit, die er 1951 bis 1955 in gleicher Funktion an der Universitat Koln fortsetzt. Dabei mischt sich der Ex-Reichskanzler auch in die aktuelle Politik ein und "schickte sich an, uber seine Beziehungen zu Politikern des ersten und zweiten Gliedes die Politik der Regierung Adenauer zu torpedieren."9 Der folgende offentliche Eklat bringt Bruning dazu, in die Vereinigten Staaten zuruckzukehren, wo er am 30. Marz 1970 in Norwich stirbt.10

3. Bruning als Reichskanzler

In diesem Abschnitt soil auf die Kanzlerschaft Brunings eingegangen werden, wobei Krisen- und Wirtschaftspolitik, speziell deren Inhalte, ausgespart werden - diesem Komplex sind folgende Kapitel gewidmet.

Als Bruning am 30. Marz 1930 Kanzler wird, steckt die Weimarer Republik bereits tief in einer Krise, deren Talsohle noch nicht abzusehen ist. SPD-Kanzler Hermann Muller, der einer grofien Koalition aus funf Parteien vorsteht - auch Brunings Zentrum ist dabei -, stolpert uber sein fragiles Machtgefuge beim Thema Arbeitslosenversicherung. Zu teuer war das soziale Instrument geworden, nachdem die Zahl der Leistungsempfanger den Rahmen des finanziell ertraglichen uberschritten hatte. Eine Erhohung der Beitrage aber stofit auf heftigen Widerstand bei Gewerkschaften und Arbeitgebern, ein Konsens innerhalb der funfkbpfigen Koalition lasst sich nicht finden.11

Bruning wird in der Folge Kanzler einer Minderheitsregierung, die SPD zieht sich aus der Koalition zuruck. Wahrend der folgenden rund zwei Jahre ist Bruning vor allem eins: Krisenmanager. Er ist konfrontiert mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, dem Aufstieg der politischen Extremisten und dem schwierigen Tanz auf aufienpolitischem Parkett.

Brunings Werkzeug, diese Probleme moglichst kraftvoll anpacken zu konnen, ist die Auslotung der Moglichkeiten, die Weimars Verfassung bereithalt: Mit Absicherung durch den Reichsprasidenten, dem machtige konstitutionelle Mittel zur Kontrolle des Reichstags zu Verfugung stehen, will Bruning auch ohne parlamentarische Mehrheit eine handlungsfahige, stabile Regierung stellen.12 Das System der Prasidialkabinette ist geboren. Dass die Verfassung dabei gebeugt wird, bis sie scheinabr kein Ruckgrat mehr hat, nimmt Bruning laut eigener Aussage in Kauf: "If the problems and the dangers for democracy become overwhelming, it will not be the constitution which saves democracy."13

Hagen Schulze bewertet dies wie folgt: "Damit war ein neues Blatt der Verfassungsgeschichte aufgeschlagen, oder vielmehr ein altes. Denn mit der Selbstausschaltung des Parlaments und mit eienr Regierung, die allein das Vertrauen des Staatsoberhauptes besafi, war man eigentlich wieder beim monarchischen Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts angelangt, mit dem Reichsprasidenten v. Hindenburg als 'Ersatzkaiser'". Eine Zeitlang habe dieses Mittel auch durchaus Wirkung gezeigt, wenn es um schnelle MaBnahmen in Haushalts- und Finanzpolitik sowie Stabilisierung der staatlichen Authoritat gegegangen sei.14 Hans Thieme merkt an: "Ein schleichender Wandel zur 'Prasidialdiktatur' fand statt." Das Unvermogen des Reichstags zur Wahrnehmung seiner Aufgaben, auch durch die ablehnende Haltung von NSDAP und KPD gegenuber der Republik, habe Bruning in wachsendem MaB gezwungen, von Notverordnungen Gebrauch zu machen.15

Dreieinhalb Monate nach Amtsantritt kommt es fur Bruning und das Parlament zu einer ersten groBen ZerreiBprobe, welche der Reichstag nicht aushalt: Am 16. Juli 1930 setzt der Kanzler unter Zuhilfenahme des Reichsprasidenten und des Artikels 48 der Verfassung eine Notverordnung zur "Sicherung von Wirtschaft und Finanzen" durch. Die Mehrheit des Parlamentes stimmt kurz darauf fur die Aufhebung dieser Notverordnung - woraufHindenburg den Reichstag auflost.16

Bei den folgenden Reichstagswahlen am 14. September 1930 wird sichtbar, wie stark des politische Gefuge der Republik an seinen Randern brodelt: Zwar wird die SPD noch starkste Kraft, dahinter folgen aber mit 18,3 Prozent (und einem Anstieg der Sitze im Reichstag von 12 auf 107) die NSDAP sowie, am anderen Ende des politischen Spektrums, als drittstarkste Partei mit 13,1 Prozent die KPD. Auch sie erzielen Gewinne.17

Nunmehr hat es Bruning als Kanzler nicht nur mit den Auswirkungen der verheerenden Wirtschaftskrise, steigenden Arbeitslosenzahlen sowie Fallstricken der AuBenpolitik zu tun, sondern auch mit einer Erosion der burgerlichen politischen Kultur. Als die rechten und linken Lager in Bewegung kommen, gerat die Republik ins Schlingern. Politische Gruppierungen radikalisieren sich, "die paramilitasischen Kampfverbander, die nationalsozialistische SA und der kommunistische 'Rotfrontkampferbund', beherrschten die Szene".18 "Die verzweifelte wirtschaftliche Lage bewirkte eine tiefgreifende Verschlechterung des innenpolitischen Klimas; blutige Saal- und StraBenschlachten zwischen den Anhangern radikaler Parteien waren in groBen und mittleren Stadten an der Tagesordnung. Mancherorts glich die Situation einem latenten Burgerkrieg", erklart Thieme.19

Eine weitere Ausnahmesituation, der aus demokratischer Sicht emeut auBergewohnliche MaBnahmen folgten. "Die Erhaltung der Legalitat und des Staates an sich, eben die Vermeidung des Burgerkriegs, dominierte das Verhalten der politisch Verantwortlichen [...]. Die Vereitelung eines antidemokratischen und unparlamentarischen Regierungssystems war dagegen auf der Proritatenliste weiter unten angesiedelt", analysiert Alexander Gallus.20

Wie stark die Abkehr vom Parlamentarismus war, zeigt ein kurzer Blick auf die Statistik: Hatte es 1930 noch 94 Sitzungen des Reichstags gegeben, waren es 1931 nurmehr 41, 1932 lediglich 13. Die Zahl der vom Parlament beschlossenen Gesetze verhielt sich zur Zahl der prasidialen Notverordnungen nahezu umgekehrt proportional: 1930 standen 98 Gesetzen 5 Notverordnungen gegenuber, 1931 war das Verhaltnis 34:44, 1932 unterzeichnete Hindenburg 60 Verordnungen - wahrend der Reichstag, die Legislative der Republik, nur noch funf Gesetze verabschiedete.21

In dieser Aushohlung des demokratischen Prozesses sah Bruning selbst eine Zwangslaufigkeit: "Die Notverordnungen, die in ahnlicher Form in allen Landern und immer in der Geschichte in Zeiten von Wahrungswirren angewendet werden mussen, waren an sich nichts Neues." Gleichzeitig sah er sich, trotz - oder gerade wegen - der massiven Inanspruchnahme der Notverordnungen als Beschutzer vor einer Diktatur."Sie sehen aus diesen Ausfuhrungen, daB es gar nicht in meiner Macht gelegen hatte, eine dauernde Diktatur einzufuhren. [..] Ware ich auch nur einen Schritt von der inzwischen entwickelten Tradition abgewichen [Bruning meint die Nutzung des Artikels 48 u.a. wahrend der Wahrungskrise 1923/24], so hatte ich einen Prazedenzfall geschaffen, auf Grund dessen jeder Nachfolger von Hindenburg sich diktatoriale Gewalt anmassen [sic] konnte [...]", schrieb 1956 er in einem Brief an Philipp Dessauer. Weiter heiBt es da: "Hatten wir die Monarchie und einzelne wesentliche Bestimmungen der Bismarckschen Reichsverfassung beibehalten, so ware die Katastrophe nicht eingetreten."22 Reichsprasident wahrend Brunings Kanzlerschaft ist stets Paul von Hindenburg, der im Marz und April 1932 in zwei Wahlgangen in seinem Amt bestatigt wird. 53 Prozent der Deutschen stimmen im entscheidenden Durchgang fur den Kandidaten eines breiten Parteienbundnisses, der damit vor den Kandidaten der NSDAP (Hitler) und KPD (Thalmann) gewinnt.23

[...]


1 Margedant, Meyer zuNautrup(Hrsg.): DieWeimarer Republik. Berlin 1988

2 Stiftung Deutsches Historisches Museum: Biographie: Heinrich Bruning, 1885-1970. http://www.dhm.de/lemo

3 Stiftung Deutsches Historisches Museum: Biographie: Heinrich Bruning, 1885-1970. http://www.dhm.de/lemo

4 Encyclopedia Britannica: Heinrich Bruning. http://www.britannica.com

5 Margedant, Meyer zuNautrup(Hrsg.): DieWeimarer Republik. Berlin 1988

6 Stiftung Deutsches Historisches Museum: Biographie: Heinrich Bruning, 1885-1970. http://www.dhm.de/lemo

7 Stiftung Deutsches Historisches Museum: Biographie: Heinrich Bruning, 1885-1970. http://www.dhm.de/lemo

8 Margedant, Meyer zuNautrup(Hrsg.): DieWeimarer Republik. Berlin 1988

9 Frank Muller. Die "Bruning-Papers" - Der letzte Zentrumskanzler im Spiegel seiner Selbstzeugnisse. Hamburg 1993

10 Stiftung Deutsches Historisches Museum: Biographie: Heinrich Bruning, 1885-1970. http://www.dhm.de/lemo

11 Asch, Bernecker u.a.: Der Gosse Ploetz. Deutschland 1792-1945. Freiburg im Breisgau 2008

12 Asch, Bernecker u.a.: Der Gosse Ploetz. Deutschland 1792-1945. Freiburg im Breisgau 2008

13 Zitat in: Frank Muller. Die "Bruning-Papers" - Der letzte Zentrumskanzler im Spiegel seiner Selbstzeugnisse.

Hamburg 1993, S. 78

14 Hagen Schulze: Kleine deutsche Geschichte. Munchen 2006

15 Hans Thieme: Hitlers Weg zur Macht - Krise und Untergang der Weimarer Republik. In: Der Nationasozialismus - Machtergreifung und Machtsicherung. Munchen 1994

16 Asch, Bernecker u.a.: Der Gosse Ploetz. Deutschland 1792-1945. Freiburg im Breisgau 2008

17 Asch, Bernecker u.a.: Der Gosse Ploetz. Deutschland 1792-1945. Freiburg im Breisgau 2008

18 Margedant, Meyer zuNautrup(Hrsg.): DieWeimarer Republik. Berlin 1988

19 Hans Thieme: Hitlers Weg zur Macht - Krise und Untergang der Weimarer Republik. In: Der Nationasozialismus Machtergreifung und Machtsicherung. Munchen 1994

20 Alexander Gallus: "Deutsche Revolution 1918/19: die Etablierung der Weimarer Republik. In: Deutsche Zasuren. Munchen 2006

21 Margedant, Meyer zu Nautrup (Hrsg.): Die Weimarer Republik. Berlin 1988. Zitiert aus: H. Moller: Die unvollendete Demokratie. Munchen 1985

22 Briefwechsel Heinrich Brunings, in: Frank Muller: Die "Bruning-Papers" - Der letzte Zentrumskanzler im Spiegel seiner Selbstzeugnisse. Hamburg 1993

23 Asch, Bernecker u.a.: Der Gosse Ploetz. Deutschland 1792-1945. Freiburg im Breisgau 2008

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Heinrich Brünings Wirtschaftspolitik und ihre historische Bewertung
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
Pro-Seminar: Weimarer Republik
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
23
Katalognummer
V165129
ISBN (eBook)
9783640806478
ISBN (Buch)
9783640805976
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Brüning, Weimarer Republik, Weltwirtschaftskrise
Arbeit zitieren
Stefan Brieger (Autor:in), 2010, Heinrich Brünings Wirtschaftspolitik und ihre historische Bewertung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/165129

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