Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Executive Summary
2. Einleitung
3. Der Begriff des Supply Chain Managements
3.1. Die Wertschöpfungskette
3.2. Das Supply Chain Management
3.2.1. Fünf Denkschulen
3.2.2. Entwicklung des globalen Supply Chain Managements
3.2.3. Motive für die Integration
4. Der Begriff der Nachhaltigkeit
4.1 Wortherkunft
4.2. Grundlegende Prämissen zur Nachhaltigkeit
4.2.1. Nachhaltigkeit im Kontext
4.2.2. Nachhaltigkeit als Prozess
4.2.3 Nachhaltigkeit als Generationenverantwortung
4.3. Nachhaltigkeitskonzepte
4.3.1. Schwache und starke Nachhaltigkeit
4.3.2. Die Dimensionen der Nachhaltigkeit
4.3.2.1. Das Ein-Säulen Modell
4.3.2.2. Das Drei-Säulen Modell
4.3.2.3. Integratives Modell
4.4. Zusammenfassung
5. Synthese Supply Chain Management und Nachhaltigkeit
6. Die Notwendigkeit nachhaltiger Transportkonzepte
6.1. Ökologische Einflussfaktoren
6.1.1. Der Begriff des antrophogenen Klimawandels
6.1.2. Natürlicher und antrophogener Treibhauseffekt
6.1.3. Emissionen
6.1.4. Resultierende Anforderungen an die Transportbranche
6.2. Ökonomische Einflussfaktoren
6.2.1. Steigende Energiekosten
6.2.2. Mobilität und Verkehrsinfrastrukturengpässe
6.2.3. Resultierende Anforderungen an die Transportbranche
6.3. Soziale Einflussfaktoren
6.3.1. Soziale Nachhaltigkeit als Prämisse für Unternehmen
6.3.2. Corporate Social Responsibility
6.3.3. Resultierende Anforderungen an die Transportbranche
6.4. Politische Einflussfaktoren
6.4.1. Umweltpolitischer Eingriff durch Richtlinien
6.4.2. Resultierende Anforderungen an die Transportbranche
7. Emissionsarme Antriebstechnik für die urbane Nahversorgung
7.1. Verbrennungskraftantrieb
7.1.1. Erdgas
7.1.2. Biokraftstoffe
7.1.2.1. Biokraftstoffe der ersten Generation
7.1.2.2. Biokraftstoffe der zweiten Generation
7.1.2.2.1. BtL-Krafstoffe
7.1.2.2.2. Bio-Methan
7.2 Elektroantriebe
7.2.1. Ökostrom als Schlüssel für Zero-Emission Dienstleistungen
7.2.2. Batterien und Akkumulatoren
7.2.3. Brennstoffzelle
7.2.3.1. Die nachhaltige Wasserstoffgewinnung
7.2.3.2. Funktionsweise
7.2.3.3. Brennstoffzelle als Teil nachhaltiger Transportkonzepte
7.3. Hybridantriebe
7.3.1. Klassifizierung
7.3.2. Eigenschaften
8. Nutzwertanalyse der betrachteten Antriebskonzepte
8.1. Erdgas
8.2. Elektromotor (Akkumulatoren)
8.3. Hybridantrieb
8.4. Brennstoffzellenantrieb
8.5. Gegenüberstellung der Antriebstechniken
9. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 – The Value Chain nach Porter
Abb. 2 – Das Ein-Säulen Modell
Abb. 3 – Das Drei-Säulen Modell
Abb. 4 – Schema einer Supply Chain
Abb. 5 – Verkehrsaufkommen nach Verkehrsträgern in Deutschland 2009
Abb. 6 – Kreislauf der Engpassentstehung
Abb. 7 – Übersicht spezifischer WTW Treibhausgasemissionen
Abb. 8 – Anteil der Biokraftstoffe am Kraftstoffverbrauch in Deutschland
Abb. 9 – Übersicht über die Biokrafstoffgenertionen
Abb. 10 – Strommix der Firma Lichtblick
Abb. 11 – Funktionsprinzip der Brennstoffzelle
Abb. 12 – Vergleich Dieselmotor mit Erdgasmotor (Biomethan)
Abb. 13 – Vergleich Dieselmotor mit Elektromotor (Akku)
Abb. 14 – Vergleich Dieselmotor mit Hybridantrieb
Abb. 15 – Vergleich Dieselmotor mit Brennstoffzellenantrieb
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Executive Summary
Der Begriff des Supply Chain Managements umfasst die prozessorientierte Planung und Steuerung sämtlicher Waren-, Informations- und Geldflüsse innerhalb der Wertschöpfungskette. Das Ziel ist es ganzheitliche, kundenorientierte Prozesse und kosteneffiziente Netzwerkstrukturen zu schaffen, um das bestmögliche Ergebnis für alle Beteiligten des Kooperationsnetzwerks zu erreichen.
Unter Nachhaltigkeit wird verstanden, dass heutige Generationen ihre Bedürfnisse auf eine Art und Weise befriedigen müssen, die es Folgegenerationen wiederum erlauben wird ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Das Konzept der Nachhaltigkeit fußt dabei auf den vier Säulen Ökonomie, Ökologie, Soziales und Politik. Jede einzelne Zieldimension stellt individuelle Anforderungen an die Transportbranche. Nachhaltiges Supply Chain Management ergänzt den konventionellen Ansatz des Lieferkettenmanagements folglich um das Ziel der Gewährleistung einer intergenerativen sowie intragenerativen Gerechtigkeit unter konsequenter Fokussierung auf alle vier Zieldimensionen.
Die Frage nach einer geeigneten Art und Weise, um Nachhaltigkeit in Supply Chains integrieren zu können, lässt sich am einfachsten mit dem Begriff der Transportprozesse beantworten. Selbige verbinden fast alle Glieder Wertschöpfungskette miteinander und bieten diverse Möglichkeiten einer nachhaltigen Ausrichtung. Aufgrund des anhaltenden Urbanisierungstrends der Weltbevölkerung ist bei der Betrachtung dieser Möglichkeiten ein besonderes Augenmerk auf die urbane Versorgung zu richten, welche vornehmlich straßengebunden erfolgt. Fast ausschließlich werden hierbei herkömmliche Diesel- und Benzinverbrennungsantriebe eingesetzt, die den Prinzipien der Nachhaltigkeit aus diversen Gründen entgegenstehen.
Unter Zuhilfenahme einer Nutzwertanalyse und unter Berücksichtigung der relevanten harten sowie weichen Faktoren lässt sich folgende Aussage treffen: Unter aktuellen Gesichtspunkten und Maßstäben eignet sich als Ersatz für den Verbrennungskraftmotor insbesondere der Erdgasantrieb für den Einsatz in der urbanen Nahversorgung in nachhaltigen Lieferketten. Mittel- bis langfristig wird die Bedeutung von Elektroantrieben weiter zunehmen. Elektrofahrzeuge mit Akkumulatoren sowie Brennstoffzellenfahrzeuge können bereits heute die Anforderungen der urbanen Nahversorgungen erfüllen, jedoch stehen der Serienreife noch zahlreiche Restriktionen, sowohl im technischen als auch monetären Bereich, gegenüber.
2. Einleitung
Seit einigen Jahrzehnten ist ein anhaltender Trend zur Konzentration auf Kernkompetenzen durch die Verringerung der Fertigungstiefe in der Wirtschaftswelt zu beobachten. Aufgrund des daraus resultierenden zunehmenden Grades der Arbeitsteilung, sowie verkürzter Produkteinführungszeiten und Produktlebenszyklen bei zunehmendem Konkurrenzkampf, rückt das Lieferkettenmanagement – auch Supply Chain Management - ins Zentrum betriebswirtschaftlicher Überlegungen. Seit Mitte der neunziger Jahre gewinnt der Begriff der Nachhaltigkeit ebenfalls zunehmend an Beachtung in der betriebswirtschaftlichen Diskussion. Dafür verantwortlich zeichnet sowohl die Popularisierung des Begriffes in der Gesellschaft, als auch die parallel stattfindende Auseinandersetzung in der betrieblichen Praxis mit Fragen bezüglich nachhaltiger Vorgehensweisen.
Die Aktualität und Bedeutung dieser beiden Themenfelder legitimiert eine vertiefte Auseinandersetzung mit deren Inhalten. In dieser Studienarbeit sollen dabei zunächst die zentralen Begriffe des Supply Chain Managements sowie der Nachhaltigkeit erläutert werden, um dann eine Synthese der selbigen zu finden. Anschließend wird die Notwendigkeit nachhaltiger Konzepte innerhalb des Supply Chain im Kontext ökologischer, ökonomischer, sozialer sowie politischer Aspekte aufgezeigt. Hierbei beschränkt sich diese Studienarbeit auf die Betrachtung der Transportprozesse innerhalb der Supply Chain, als verbindende – und damit essentielle – Prozesse zwischen den einzelnen Elementen innerhalb der Lieferkette.
Nachdem alle wesentlichen Begriffe geklärt und die Notwendigkeit nachhaltiger Transportprozesse erläutert wurden, sollen verschiedene alternative Antriebstechnologien für Lastkraftfahrzeuge, insbesondere für die urbane Versorgung, vorgestellt, sowie deren Vor- und Nachteile herausgearbeitet werden. Ziel ist es, eine Handlungsempfehlung für Transportunternehmen geben zu können, die deren Transportprozesse, durch den Ersatz von konventionellen Antrieben durch die vorgestellten Alternativen, nachhaltiger gestaltet. Die möglichen Alternativen werden folgerichtig zunächst einmal in einer Nutzwertanalyse gegenübergestellt, die alle relevanten Faktoren berücksichtigt, um unter heutigen Gesichtspunkten die beste Antriebsalternative zu bestimmen. Nach der Präsentation des Ergebnisses wird diese Studienarbeit mit einem Fazit und Ausblick abschließen.
3. Der Begriff des Supply Chain Managements
Das heutige Supply Chain Management basiert auf dem Grundgedanken der Wertschöpfungskette und ist ein wichtiger Baustein unternehmensübergreifender Koordination diverser nationaler und globaler Unternehmensnetzwerke. Eine Definition und Beschreibung des Grundgedankens der Wertschöpfungsketten ist daher sinnvoll, bevor anschließend das Supply Chain Management näher erläutert wird.
3.1. Die Wertschöpfungskette
Der Begriff „Wertschöpfung“ ist der Ertrag aus der wirtschaftlichen Tätigkeit als Differenz zwischen der Leistung des gesamten Produktionswertes der Wirtschaftseinheit und den beanspruchten Vorleistungen. Die Wertschöpfungskette, auch „Value Chain“ genannt, erweitert diesen Ansatz der Wertschöpfung, indem alle wertsteigernden Tätigkeiten der beteiligten Unternehmen, vom Lieferanten bis zum Kunden, in einer Kette betrachtet werden. Damit umfasst die Wertschöpfungskette alle Lieferanten, Dienstleister und Hersteller der wertschöpfenden Produktionsstufen, die an der Erstellung und dem Vertrieb eines Produktes beteiligt sind.
Michael E. Porter erkannte die Vielschichtigkeit der Wertschöpfungsketten: „Jedes Unternehmen ist eine Ansammlung von Tätigkeiten, durch die sein Produkt entworfen, hergestellt, vertrieben, ausgeliefert und unterstützt wird. All diese Tätigkeiten lassen sich in einer Wertkette darstellen.“[1] Er zeigte ferner auf, dass mit der Optimierung von Wertschöpfungsketten die Möglichkeit zum Erlangen von Wettbewerbsvorteilen entsteht. Innerhalb der Wertschöpfungskette differenziert Porter in primäre und unterstützende Unternehmensaktivitäten: Unterstützungsaktivitäten (Unternehmensinfrastruktur, Personalwirtschaft, Technologieentwicklung und Beschaffung) tragen indirekt zur Wertsteigerung des Produktes oder der Dienstleistung bei, wohingegen primäre Aktivitäten (Eingangslogistik, Produktion, Ausgangslogistik, Marketing & Vertrieb und Service) eine unmittelbare Wertschöpfung erzeugen. Zur Erzielung langfristigerer Differenzierungs- oder Kostenvorteile gegenüber dem Wettbewerb müssen die wertschöpfenden Unternehmensaktivitäten identifiziert, optimiert und koordiniert werden. Folgerichtig müssen vor- bzw. nachgelagerte Netzwerke externer Organisationen unternehmensübergreifend, effizient und zielgerichtet gestaltet werden.[2]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 „The Value Chain“ nach Porter
3.2. Das Supply Chain Management
Das Lieferkettenmanagement, auch Supply Chain Management genannt, basiert auf den Ansätzen der Wertschöpfungskette von Micheal E. Porter. Während nach Porters Konzept einzelne Bereiche der Wertschöpfungskette weitgehend autonom voneinander agieren, werden im Konzept des Supply Chain Managements sowohl die Rationalisierungspotenziale der unternehmensinternen Prozesse, als auch die der Netzwerkschnittstellen betrachtet.
Supply Chain Management bedeutet die prozessorientierte Planung und Steuerung der Waren-, Informations- und Geldflüsse entlang des Liefernetzwerkes vom Rohstofflieferanten bis zum Kunden mit dem Ziel des optimalen Resultats des gesamten Netzwerkes[3]. Das verzahnte Unternehmensnetzwerk erstreckt sich über diverse Ebenen und unterschiedliche Tätigkeiten und ist nunmehr die Verknüpfung von unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsprozessen geworden.
3.2.1. Fünf Denkschulen
Bechtel und Jayaram unterteilen die unterschiedlichen Entwicklungspfade des Supply Chain Managements in fünf Denkschulen, um das interdisziplinäre Verständnis des Supply Chain Managements zu schärfen.
1. Die „(functional) Chain Awareness School“ umfasst die Existenz der Wertschöpfungskette. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt bei der Kundenorientierung, der erhöhten Produktvielfalt, kurzer Lieferzeiten, Kostenreduzierungen, und der Vermeidung von Ineffizienzen.
2. Die „Linkage / Logistics School“ harmonisiert die Schnittstellen der Supply Chain mit dem Ziel, die Lagerbestände in der Wertschöpfungskette zu minimieren. Einzelne Tätigkeiten entlang der Supply Chain werden mit Funktionsbereichen des Unternehmens verknüpft.
3. Die „Information School“ betrachtet den unternehmensübergreifenden Informationsfluss, sodass die synchrone Datenübertragung langfristig zu transparenten Supply Chains führt.
4. Die „Integration / Process School“ hebt eine übergreifende Prozessorientierung der Supply Chain hervor. Es sollen optimale Ergebnisse für die gesamte Supply Chain erzielt werden, wobei sich die Ausrichtung der zu strukturierenden Geschäftsprozesse am Endkunden zu orientieren hat.
5. Die „Future School“ stellt das kooperative Beziehungsmanagement strategischer Unternehmensallianzen dar. Die bereits implementierten Managementkonzepte (z.B. Total Quality Management, Lean Management, Business Process Reengineering) müssen überprüft und gegebenenfalls durch neue und innovative Konzepte ersetzt werden.[4]
3.2.2. Entwicklung des globalen Supply Chain Managements
Das Bewusstsein langfristig ein effektives Supply Chain Management einzuführen entstand mit dem Beginn der neunziger Jahre, als eine Integration unterschiedlicher Funktionsbereiche in einem Partnergeflecht angestrebt wurde. Beispielsweise wurden die Bereiche Einkauf, Technik, Finanzen und Produktion miteinander vernetzt, sodass die Durchlaufzeiten minimiert werden konnten. Die Prozessketten wurden Mitte der neunziger Jahre auf die Kunden, Lieferanten und Dienstleister erweitert. Moderne Informationstechnologie führte zu einem intensiveren Informationsaustausch im Wertschöpfungsnetzwerk. Die Akteure bildeten Wertschöpfungsallianzen, um synergetische Potenziale auszuschöpfen. Auf Basis der informationstechnologischen Vernetzung entwickelte sich zu Beginn dieses Jahrtausends die netzwerksübergreifende Informationsübertragung in Echtzeit. Seither sind die Kapazitäts- und Ressourcenplanungen der Produktion direkt mit dem Kundenanforderungen bzw. -bestellungen verknüpft. Zukünftig werden alle Beschaffungs-, Produktions-, Distributions- und Transportsysteme der gesamten Wertschöpfungskette im Sinne der „Virtual Community“ elektronisch miteinander verbunden sein.[5]
3.2.3. Motive für die Integration
Die Globalisierung der Geschäftsaktivitäten und die zunehmende Verbreitung globaler Informationsströme stellen weltweit tätige Unternehmen vor neue Herausforderungen: Die Ressourcen globaler Wertschöpfungsketten müssen effizient gebündelt werden. Es bedarf einer Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen sowie einer Optimierung der Leistungstiefe und gegebenenfalls der Auslagerung von Unternehmensfunktionen, sodass durch die Implementierung eines effizienten Supply Chain Managements ein unternehmensübergreifendes Kooperationsnetzwerk entsteht.
Mit der Integration eines Supply Chain Management Systems und globaler elektronischer Vernetzung können Unternehmen die Produktion an den Kundenbedarf anpassen. Der Wechsel von einem Push-System zu einem Pull-System bedeutet den Kundenbedarf frühzeitig durch das gesamte Netzwerk zu ermitteln. Flankiert wird dies durch leistungsfähige und flexible Produktionssysteme, um die aktuellen Anforderungen der Supply Chain zu berücksichtigen. Folglich sind Unternehmen dazu aufgefordert ganzheitliche, kundenbezogene Prozesse mit kosteneffizienten Netzwerkstrukturen zu verbinden, sodass nachhaltig und netzwerkübergreifend die Lagerbestände aufgrund der effizienteren Netzwerkprozesse reduziert werden können.
4. Der Begriff der Nachhaltigkeit
Das angloamerikanische Wort sustain (lat. sustinere) bedeutet unter anderem soviel wie stützen, ausdauern und fortdauern. Sustainabilty wird ins Deutsche als Nachhaltigkeit übersetzt, wobei die Übersetzung genauso unscharf erscheint wie der Begriff selbst. Im Folgenden soll daher zunächst der Begriff der Nachhaltigkeit näher beleuchtet werden.
4.1 Wortherkunft
Der Begriff der Nachhaltigkeit selbst stammt aus dem frühen achtzehnten Jahrhundert, als die deutschen Baumbestände auf Grund exzessiver Nutzung für Berg-, Schiff- und Hausbau bedrohlich zur Neige gingen. In einem Werk zur Forstwirtschaft wurde vom sächsischen Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz erstmalig das Prinzip der Nachhaltigkeit formuliert, indem er forderte, dass nur soviel Holz geschlagen werden dürfe, wie es durch Aufforstung wieder nachwachse.[6] Die Carlowitz’sche Definition aus der Forstwirtschaft umfasst also die Forderung nur von Erträgen bzw. Zinsen einer Substanz zu leben und nicht von der Substanz selbst.
Für die heutige Popularität des Begriffes der Nachhaltigkeit ist in erster Linie ein Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung aus dem Jahre 1987 verantwortlich. Dieser Bericht, auch als Brundtland-Bericht bezeichnet, wird als anstoßendes Element der weltweiten Diskussion um das Thema der Nachhaltigkeit gesehen. In Anbetracht der wachsenden globalen Probleme im ökologischen aber auch im ökonomischen und sozialen Bereich in den achtziger Jahren war es das Ziel, Handlungsempfehlungen für eine stabile globale Entwicklung zu geben. Der Bericht erweiterte die frühe Carlowitz’sche Definition der Nachhaltigkeit als Bestandserhaltung um das Thema einer globalen nachhaltigen Entwicklung als intergenerative sowie intragenerative ökologische Gerechtigkeit.[7] Die genaue Bedeutung dieser Begriffe wird später im Kapitel erläutert.
Der sich an den Bericht anschließende weltweite Diskurs über das Thema der Nachhaltigkeit führte zu zahlreichen – sich teilweise widersprechenden – Definitionen, sodass auf internationaler Ebene der Begriff der sustainability bzw. Nachhaltigkeit als Worthülse für verschiedenste Umstände genutzt und von zahlreichen Unternehmen auf PR-Ebene auch missbraucht wird. Für diese Seminararbeit ist es notwendig, eine Definition für den Begriff der Nachhaltigkeit zu finden, die sowohl allgemein genug ist, um in verschiedenen Bereichen angewandt werden zu können, als auch konkret genug ist, um nicht als Worthülse missbraucht zu werden.
4.2. Grundlegende Prämissen zur Nachhaltigkeit
Für eine Definitionsfindung müssen ein paar grundlegende Annahmen zum Begriff der Nachhaltigkeit getroffen werden.
4.2.1. Nachhaltigkeit im Kontext
Der Nachhaltigkeitsbegriff kann in Bezug auf seinen Kontext völlig verschiedene Bedeutungen annehmen, denn eine nachhaltige Entwicklung ist selbstverständlicher Weise etwas anderes als eine nachhaltige Zerstörung. Innerhalb dieser Seminararbeit soll grundsätzlich von einer nachhaltigen Entwicklung der Menschheit in ihrer Umwelt die Rede sein.
4.2.2. Nachhaltigkeit als Prozess
Nachhaltig kann nur ein solches System sein, welches auf sich ständig verändernde Rahmenbedingungen so ausgerichtet ist, dass es einen gewünschten Zustand beibehält. Nachhaltigkeit ist also aufgrund der sich verändernden Rahmenbedingungen kein statischer, finaler Zustand, der erreicht werden kann, sondern eine generelle normative Leitidee, deren konkrete Umsetzung durch einen iterativen Anpassungsprozess ständig optimiert werden muss.
4.2.3 Nachhaltigkeit als Generationenverantwortung
Wie der Brundtland-Bericht bereits aufgezeigt hat, ist der Hauptbestandteil des Nachhaltigkeitsbegriffs die Verantwortung der Menschheit gegenüber sich selbst. Dazu zählt die intergenerative Verantwortung (Verantwortung für zukünftige Generationen).[8] Dabei stellt sich sowohl die Frage nach dem Umfang als auch nach der Reichweite der Verantwortung. Aufgrund des Problems, dass es kaum möglich ist die Bedürfnisse zukünftiger Generationen konkret fassen zu können, ist ein sehr einfacher aber einleuchtender Ansatz, dass es grundsätzlich genügt, sämtliche Möglichkeiten und Chancen für zukünftige Generationen aufrecht zu erhalten.
Neben der intergenerativen Gerechtigkeit ist es auch Aufgabe einer nachhaltigen Entwicklung eine intragenerative Gerechtigkeit – also eine Gerechtigkeit unter den heute lebenden Menschen – zu erzielen. Folgerichtig muss also auch heute schon versucht werden sämtliche Chancen und Möglichkeiten gerecht unter den Menschen aufzuteilen. Dabei darf kein Halt vor Gleichstellung aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Rasse, Sprache oder Glaube gemacht werden.
4.3. Nachhaltigkeitskonzepte
Unter der Annahme der getroffenen Prämissen gilt es nun weitere Überlegungen bezüglich eines Nachhaltigkeitskonzeptes anzustellen.
4.3.1. Schwache und starke Nachhaltigkeit
Ein wirtschaftliches Grundprinzip ist die Sicherung des Kapitals. Als Einkommen kann nur das verstanden werden, was nicht auf Kosten eines Kapitalverzehrs erwirtschaftet wurde. Das globale Kapital kann in natürliches Kapital (z.B. Bodenschätze, saubere Luft, Süßwasservorräte etc.) und künstliches Kapital (z.B. Wissen, technologischer Fortschritt, Maschinen etc.) eingeteilt werden. Das Kapital, welches an die nächsten Generationen weitergegeben wird sollte bei einer nachhaltigen Entwicklung niemals geschmälert werden. Dabei ergeben sich zwei mögliche Ansätze:
1. Unter dem Konzept der sog. schwachen Nachhaltigkeit wird die Annahme verstanden, dass sich der Maßstab für die Kapitalweitergabe aus der Summe des künstlichen und natürlichen Kapitals ergibt. Das bedeutet der Verzehr des natürlichen Kapitals wird als adäquat angesehen, solange ein mindestens genauso großer Nutzen aus dem dabei entstehenden künstlichen Kapital für die folgenden Generationen hervorgeht.
2. Bei der Überlegung der sog. starken Nachhaltigkeit wird nicht akzeptiert, dass künstliche Kapitalgewinne den Verlust an natürlichem Kapital substituieren können. Diese Überlegung hängt stark zusammen mit dem Ein-Säulen-Konzept, das im nächsten Unterkapitel erläutert wird.[9]
Beide Ansätze entsprechen einer Extremposition, deren praktische Anwendung ausgeschlossen ist. Im Fall der starken Nachhaltigkeit dürften beispielsweise endliche Ressourcen von keiner Generation genutzt werden, was zu unbrauchbarem Kapital führt. Die völlige Trennung der Entwicklung künstlichen Kapitals von der des natürlichen Kapitals auf der anderen Seite ist ebenfalls praktisch nicht anwendbar.
Es muss jeweils situativ festgestellt werden, inwieweit die Nutzung natürlichen Kapitals zur Erstellung künstlichen Kapitals zu Nutzeneinbußen für künftige Generationen führt. Der Verzehr fossiler Brennstoffe beispielsweise ist in einem Rahmen akzeptabel, in dem die Umwelt keinen Schaden nimmt und gleichzeitig Investitionen in erneuerbare Energien getätigt werden, sodass sowohl die Chancen auf eine saubere Umwelt als auch auf Mobilität für zukünftige Generationen nicht geschmälert werden.
4.3.2. Die Dimensionen der Nachhaltigkeit
Die nachhaltige Entwicklung der Menschheit steht in einem Spannungsfeld verschiedener Zieldimensionen, die zu Zielkonflikten führen. In der Fachliteratur[10] kristallisieren sich drei Bereiche besonders heraus:
Ökologische Nachhaltigkeit – Der Grundgedanke ist die Carlowitz’sche Forderung, natürliche Ressourcen nur in dem Umfang zu Nutzen, der eine Regeneration selbiger ermöglicht.
Ökonomische Nachhaltigkeit – Eine Ökonomie ist dann nachhaltig, wenn sie sich auf verändernde Rahmenbedingungen so anpassen kann, dass sie dauerhaft betrieben werden kann.
Soziale Nachhaltigkeit – Eine Gesellschaft ist nachhaltig, wenn eine intergenerative und intragenerative Gerechtigkeit geschaffen wird, die für Jeden die größtmöglichen Chancen bietet.
Einigkeit darüber inwieweit diese Dimensionen zusammenhängen und ob oder wie sie zu priorisieren sind, gibt es jedoch nicht. Die drei wichtigsten Modelle diesbezüglich sollen kurz vorgestellt werden.
4.3.2.1. Das Ein-Säulen Modell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 Das Ein-Säulen Modell
Der Grundgedanke des Ein-Säulen Modells ist, dass eine intergenerative und intragenerative Bedürfnisbefriedigung nur dann möglich ist, wenn das ökologische System unversehrt bleibt. Das Ökosystem wird hier als Ursprung einer jeglichen (menschlichen) Entwicklung gesehen. Daher wird in diesem Modell die ökologische Nachhaltigkeit als oberste Priorität angesehen. Die sozialen Belange, nur ein Untersystem der Natur, und die ökonomischen Belange, wiederum nur ein Untersystem der Menschheit, werden hinten angestellt.[11]
4.3.2.2. Das Drei-Säulen Modell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3 Das 3-Säulen Modell
Das Drei-Säulen Modell, auch als Magisches Dreieck der Nachhaltigkeit bezeichnet, lehnt die Priorisierung der ökologischen Zieldimension ab und tritt für eine gleichrangige Behandlung der bereits oben genannten Dimensionen ein. Hier wird die Funktionsfähigkeit der Sozial- und Ökonomiestruktur als gleichbedeutend wichtig für heutige und zukünftige Generationen betrachtet.[12] Wie die Grafik zeigt, stehen die Säulen jedoch nicht einzeln, sondern weisen Interdependenzen zwischen den verschiedenen Zieldimensionen auf. Das bedeutet, dass keine isolierte Anwendung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes auf einen der Sektoren möglich ist, ohne ebenfalls Auswirkungen auf die übrigen Sektoren zu haben.
[...]
[1] M. E. Porter, S. 37
[2] vgl. Finkeissen, S. 46
[3] vgl. Ellram/Cooper, S. 16 ff.
[4] vgl. Heusler, S. 12 ff.
[5] Werner, S.44
[6] Carlowitz – S. 27 ff
[7] Grunwald, Kopfmüller S. 20 ff
[8] Luks – S. 24 ff
[9] Grunwald, Kopfmüller – S. 37 ff
[10] vgl. Kuckartz, Rheingans-Heintze; Grunwald, Kopfmüller; Sietz, Sonnenberg, Wrengler
[11] Kuckartz, Rheingans-Heintze, S. 15 ff
[12] Luks, S. 16 f