Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlagen der Entwicklungspsychologie
2.1 Gegenstand der Entwicklungspsychologie
2.2 Entwicklung: Eine Begriffsdefinition
2.3 Grundlegende Merkmale von Entwicklung
2.4 Anforderungen an entwicklungspsychologische Theorien
3. Hauptrichtungen von Entwicklungspsychologie
3.1 Endogenetische Entwicklungstheorien
3.2 Psychoanalytische Entwicklungstheorien
3.3 Reiz-Reaktions-Theorien (S-R-Theorien)
3.4 Kognitive Entwicklungstheorien
4. Jean Piaget
4.1 Biographie
4.2 Modell der kognitiven Entwicklung
4.3 Das Stufenmodell
4.4 Stufen kognitiver Entwicklung
4.4.1 Stufe 1
4.4.2 Stufe 2
4.4.3 Stufe 3
4.4.4.Stufe 4
4.5 Erreicht jeder diese letzte Stufe?
4.6 Kritik
5. Lew Semjonowitsch Wygotski
5.1 Biographie des Lew Semjonowitsch Wygotski
5.2 Einführung und Hintergrund zum Modell Wygotskis
5.2.1 Tätigkeitstheorie
5.2.2 Aneignungstheorie
5.2.3 Widerspiegelungstheorie
5.3. Modell von Lew Semjonowitsch Wygotski
5.3.1 Soziale Wurzeln individueller Denkvorgänge
5.3.2 Rolle der Kulturtechnik beim Lernen und Entwicklung der Sprache
5.3.3 Zone der proximalen Entwicklung
5.4. Bedeutung für den Unterricht
5.5. Bewertung und Grenzen des Modells von Wogotskis
6. Didaktische Konsequenzen von Hans Aebli
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Rahmen der in diesem Semester abzulegenden Prüfungsleistung im Modul 3.2 - Pädagogische Psychologie haben wir uns entschlossen, die- se im Bereich der Entwicklungspsychologie abzulegen. Wir, das sind Da- niel Rudolph, Stefanie Braun und Monika Vogler aus dem vierten Semes- ter Pflegepädagogik (B.A.) am Fachbereich IV der Fachhochschule Lud- wigshafen am Rhein.
Nachdem wir zu diesem Thema am Mittwoch, den 27. Oktober 2010 in der Vorlesung referiert haben, erfolgte unsere schriftliche Ausarbeitung. Wir haben diese unter dem Großthema „Entwicklungspsychologischer Aspekte in der Pädagogik“ verfasst und bewegen uns hauptsächlich im Bereich der kognitiven Entwicklungspsychologie. Da wir diese Ausarbeitung als eine Zusammenfassung unserer individuellen Ausarbeitungen abgeben, haben wir die einzelnen Bereiche kenntlich gemacht.
Daniel Rudolph wird zunächst in die Grundlagen der Entwicklungspsychologie einführen. Hier werden Begrifflichkeiten wie „Gegenstand“ und „grundlegende Merkmale“, aber auch der Entwicklungsbegriff selbst dargestellt. Anschließend differenziert er die vier verschiedenen Hauptrichtungen entwicklungspsychologischer Theorien.
Stefanie Braun wird Jean Piaget, als einen Vertreter von Entwicklungspsychologie vorstellen. Sie wird das Modell kognitiver Entwicklung und sein Stufenmodell erläutern.
Monika Vogler setzt sich mit dem Modell von Lew S. Wygotski auseinander und stellt kurz den historischen Hintergrund dar.
Den Abschluss bildet Daniel Rudolph mit den didaktischen Konsequenzen für Lehrende von Hans Aebli, abgeleitet aus der Theorie von Jean Piaget.
2. Grundlagen der Entwicklungspsychologie
Nachdem die Entwicklungspsychologie einen Teilbereich der Psychologie darstellt, zeigt sich bei genauerer Betrachtung ein Phänomen, welches viele weitere Teilgebiete der Psychologie teilen: Es gibt keinen einheitli- chen und klar abgegrenzten Untersuchungsgegenstand anhand dessen der Entwicklungsbegriff definitorisch eingegrenzt werden kann. Deshalb ist es zunächst wichtig den Gegenstand der Entwicklungspsychologie aufzu- zeigen, bevor dann eine genauere Definition des Entwicklungsbegriffes vorgenommen werden kann.1
Diese Klärungen erscheinen mir als wichtig, da der Entwicklungsbegriff für alle Entwicklungstheorien elementar ist.
2.1 Gegenstand der Entwicklungspsychologie
Der Gegenstand der Entwicklungspsychologie zeigt im Grunde die glei- chen Gemeinsamkeiten wie die der Psychologie generell auf, nämlich die „Beschreibung und Erklärung sowie Vorhersage und Beeinflussung menschlichen Verhaltens und Erlebens“.2 Ein wesentliches Unterschei- dungsmerkmal zeigt sich jedoch in den Ver ä nderungen von Verhalten und Erleben ü ber die Zeit. Dabei beschränkt sich die Entwicklungspsychologie fast ausschließlich auf die Ontogenese3 des einzelnen Menschen. Dieser Sachverhalt kann noch genauer spezifiziert werden. Trautner unterschei- det zum Einen die intraindividuellen Ver ä nderungen, also wie sich Perso- nen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihrer Entwicklung von sich selbst unterscheiden. Zum Anderen differenziert er die interindividuellen Unter- schiede in den intraindividuellen Ver ä nderungen. Diese Unterschiede er- lauben eine vergleichbare Analyse der Veränderungen bei einzelnen Indi- viduen. Entwicklungsverläufe aus einer Gruppe lassen sich nämlich nicht unmittelbar auf solche von einzelnen Personen zurückschließen. Die Entwicklungsveränderungen können sich bei den verschiedenen Individuen im Zeitpunkt des Eintretens, der Geschwindigkeit, dem Niveau und/oder der Verlaufsform unterscheiden.4
Die Veränderungen über die Zeit stehen im Zusammenhang mit dem Ge- genstandsbereich der Entwicklungspsychologie nicht alleine dar. Fraglich ist, ob Ver ä nderungen ü ber das Alter eine ebenso große Rolle spielen. Piaget richtet sein Stufenmodell beispielsweise nach diesen altersgradu- ierten Veränderungen aus. Die heutige Entwicklungspsychologie geht je- doch davon aus, dass „eine Zuordnung der im Laufe der Entwicklung auf- getretenen Veränderungen zu bestimmten Altersstufen (...) in der Regel kaum möglich ist und (...) sich für heuristische5 Zwecke als wenig brauch- bar erwiesen hat.“6
2.2 Entwicklung: Eine Begriffsdefinition
Nach Klärung von Gegenst ä nde der Entwicklungspsychologie möchte ich nun versuchen, den Begriff „Entwicklung“ näher zu definieren. Zu dem Begriff findet sich eine Vielzahl anerkannter Definitionen. Ich möchte mich zunächst auf eine meiner Meinung nach aussagekräftige, wenn auch vielleicht etwas veraltete Definition nach Remplein (1949) konzentrieren, in dieser sich die im vorherigen genannten ontogenetischen Veränderungen zumindest teilweise wieder finden:
Entwicklung ist: „ eine nach immanenten Gesetzen (Bauplan) sich vollzie hende Differenzierung (Ausgliederung) einander un ä hnlicher Teile bei zu nehmender Strukturieren und Differenzierung. “ 7
Diese Definition hat einen entscheidenden Nachteil. Sie beleuchtet nur ein Faktor der Entwicklung, nämlich die Anlage. Im vorherigen Abschnitt hat
Entwicklungspsychologische Aspekte in der Pädagogik
Daniel Rudolph, Stefanie Braun, Monika Vogler
sich jedoch gezeigt, dass in den Begriff oder den Vorgang der Entwicklung mehrere Sachverhalte einfließen. Auch weitere sich findende Definitionen betonen entweder nur einen Teil von Entwicklung oder beschränken sich auf die Wechselwirkung von Anlage und Umwelt wie diese nach Stern (1914):
„ Seelische Entwicklung ist nicht ein bloßes Hervortretenlassen angebore ner Eigenschaften, aber auch nicht ein bloßes Empfangen ä ußerer Einwirkungen, sondern das Ergebnis einer Konvergenz innerer Angelegenheiten mit ä ußeren Entwicklungsbedingungen. “ 8
Somit zeigt sich, dass es sich bei dem Begriff „Entwicklung“ eher um ein Wechselspiel zwischen Anlage, Umwelt und Individuum handelt. Eine große Mehrheit an Entwicklungspsychologen hält es heute für nicht mehr angebracht, Definitionen des Entwicklungsbegriffes nur anhand einzelner Kriterien festzulegen.9 Vielmehr sind heutige Definitionen frei von diesen Festlegungen und fassen unter dem Entwicklungsbegriff: „ s ä mtliche onto- genetischen Ver ä nderungen, die relativ ü berdauernd (langfristig) sind, ei- ne irgendwie geartete Ordnung und einen inneren Zusammenhang auf- weisen, sowie mit dem Lebensalter (Zeitkontinuum) in einer mehr oder weniger engen Beziehung stehen. “ 10
2.3 Grundlegende Merkmale von Entwicklung
Weiterhin bilden sich zur genaueren Beschreibung von Entwicklungsvorgängen wichtige Grundbegriffe, welche ich nachfolgend erläutern möchte. Aufgrund der Vielzahl und Komplexität der einzelnen ontogenetischen Entwicklungsvorgängen kann ich mich hier nur auf drei wesentliche beschränken und diese kurz darstellen.
a) Wachstum
Unter diesem Begriff werden alle quantitativen Aspekte von Ent- wicklungsprozessen verstanden. Wachstum kann jedoch nicht mit biologischem Körperwachstum gleichgeset]zt werden, sondern be- inhaltet „allgemein (...) quantifizierbare Veränderungen von Verhal- tensmaßen.“11 Dies kann sich durchaus auch auf die Intelligenz- entwicklung beziehen.12
b) Reifung
Grundvoraussetzung für Veränderungen, die einzig auf die Reifung bezogen werden, ist der Ausschluss jeglicher externer Wirkmecha- nismen. Es geht demnach um Entwicklungsvorgänge, „die spontan aufgrund endogen vorprogrammierter (...) Wachstumsimpulse ein- setzten (...) und von diesen gesteuert werden.“13 Der Nachweis von Reifung gestaltet sich jedoch als schwierig, da menschliche Ent- wicklung ohne externe Einflüsse nicht auftritt und es hierzu keine Experimente gibt, zumal diese ethisch auch nicht vertretbar wä- ren.14
c) Lernen
„Lernen ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Prozessen, durch die es zu Verhaltensänderungen kommt. Verhaltensverände- rung wird hier in einem weiten Sinne verstanden und schließt den Erwerb von Wissen, Gedächtnisinhalten (...) ein.“15 Lernen steht dem Begriff der Reifung gegenüber, bei dieser es wie erwähnt unter Ausschluss von exogenen Faktoren zu einer Verhaltensverände- rung kommt. Beim Lernen liegt die Quelle jedoch in der Umwelt.
Weitere ontogenetische Entwicklungsmerkmale wären noch die Differen- zierung, welche als reifungsabhängige qualitative Veränderung verstan- den wird. Die Pr ä gung spielt ebenso eine wichtige Rolle, in deren durch einmalige oder länger andauernde Einwirkungen bleibende Eindrücke hinterlassen werden. Letztlich spielt die Sozialisation eine nicht unwichtige Rolle, bei der gesellschaftliche Wertvorstellungen, Rollen und Normen an das Individuum herantreten.16
2.4 Anforderungen an entwicklungspsychologische The- orien
Innerhalb der traditionellen Ansätze zu allgemeinen oder organismischen entwicklungspsychologischen Konzepten bilden sich allgemein anerkannte Postulate, die den sog. „main-stream“ bilden. Darin enthalten sind „grund- legende Aussagen über Bestimmungsmomente des Entwicklungsbegriffes und über die Dynamik von Entwicklung.“17 Diese werde ich nachfolgend stichpunktartig aufführen:
- „Universalität: Entwicklungsdynamik gilt als universell und natür- lich, d. h. insbesondere, sie ist nicht Ergebnis kulturspezifischer Sozialisationsprozesse.
- Differentialität: Entwicklung vollzieht sich in Schritten oder Stufen, die qualitativ voneinander unterschieden sind.
- Altersspezifität: Das Erreichen bestimmter Stufen korreliert stark mit einem bestimmten Lebensalter. Biologische Reifungsprozesse stehen daher vermutlich in Zusammenhang mit Entwicklungsdyna- mik.
- Sequentialität: Die Reihenfolge dieser Schritte oder Stufen ist fest, das Erreichen einer neuen Stufe setzt Vollendung der früheren Stu- fe voraus.
- Irreversibilität: Die Abfolge der Stufen ist unumkehrbar. Es können weder Stufen übersprungen werden, noch kann man hinter einmal erreichte Stufen wieder zurückfallen.
- Transformabilität: Veränderungen vollziehen sich als strukturelle Transformationsprozesse, die die Teile des jeweils vorigen Zustan- des aufnehmen und in einer vollkommeneren Weise neu integrieren.
- Finalität: Die qualitativen Veränderungen der Entwicklung zielen auf einen höherwertigen Endzustand. Die Logik der Entwicklung lässt sich von diesem Endzustand aus als konsequent erkennen.“18
Dieser traditionelle Ansatz kann als kritisch betrachtet werden. Dem ent- gegengesetzt hat sich der Ansatz des „differenzierten Entwicklungsbegrif- fes“, welcher das konkrete Erscheinungsbild der Entwicklungslogik ge- prägt von kulturellen, familiären und individualen Bedingungen betrach- tet.19
3. Hauptrichtungen von Entwicklungspsychologie
Nachdem ich im zweiten Kapitel den elementaren Entwicklungsbegriff be- leuchtet habe, werde ich nun einen Einstieg in die Entwicklungspsycholo- gie geben. Von Anfang an gestaltete es sich für mich als schwierig, eine klassische Definition für den Begriff „Entwicklungspsychologie“ zu finden. Eine allgemein anerkannte und gültige Definition besteht hier nicht. Viel- mehr geht die Literatur anhand verschiedener Hauptrichtungen an den Begriff heran. Nach Trautner lassen sich hier vier verschiedene von die- sen unterscheiden, welche ich nun differenziert darzustellen versuche.
3.1 Endogenetische Entwicklungstheorien
Endogenetische Theorien, oder auch bio-genetische genannt, zeichnen sich grundsätzlich dadurch aus, dass sie den Vorgang der Entwicklung als Entfaltungsprozess biologisch vorprogrammierter Strukturen ansehen. Dieser kann entweder als Wachstum von psychischen Funktionen nach
dem Muster von Wachstumsvorgängen im körperlichen Bereich oder als Ausdifferenzierung reifungsabhängiger Gliedstrukturen einer primären Ganzheit angesehen werden.20 Die Bedeutung von Lernprozessen und exogenen Entwicklungsanregungen werden zwar nicht vollkommen igno- riert, die Aufmerksamkeit dieser Theorien gilt jedoch in besonderem Maß der endogenen Steuerung.21 Innerhalb dieser endogenetischen Entwick- lungstheorie bilden sich mindestens zwei Traditionen heraus. Zum Einen die „evolutionsorientierten Theorien“, welche in der Entwicklung des Indi- viduums die Ausfaltung oder gar die Rekapitulation der Artentwicklung sehen. Zum Anderen die „naiven“ Entwicklungstheorien, welche aus einer Zeit stammen (Aristoteles 384-322 v.Chr.), in der noch wenig empirische entwicklungspsychologische Forschung vorlag. Diese sehen Entwicklung als „eine im Lebensprozess innewohnende Zielorientierung, die auf das Erreichen einer reifen Form angelegt ist...“22 Diese Auffassung ist selbst- verständlich durch neuere empirische Forschungen zwischenzeitlich über- holt.
Als bedeutende Vertreter dieser endogenetischen Theorien können hier Oswald Kroh (1887-1955), ein deutscher Pädagoge und Psychologe, der mit seinem Werk zur „Psychologie des Grundschulkindes“ erheblich zur Ausgestaltung endogenetischer Theorien beigetragen hat. Darin stellt Kroh Entwicklung als einen Entfaltungsprozess von inneren, durch Antrie- be gesteuerten Strukturen, welche schubhaft und zunehmend bei gleicher Integration differenziert verlaufen, dar.23 Als weiterer Vertreter kann Arnold Gesell (1880-1961) ein US-amerikanischer Psychologe und Mediziner betrachtet werden. Dieser verwendete den Begriff „Entwicklung“ häufig im Austausch mit „Wachstum“. Er war gleichwohl davon überzeugt, dass Entwicklung vor allem durch endogene Faktoren bestimmt ist. Dabei hat er die kindliche „Normalentwicklung“ mit unzähligen Beobachtungen erhoben und dargestellt. Die beobachteten Verhaltenseigenschaften hat er schließ- lich in Alterstabellen, u. a. seine „Stages of child behavior“, eingeordnet.
Nach Gesell verläuft Entwicklung in drei Zyklen, die jeweils einer bestimmten Altersstufe zugeordnet sind (2-5, 5-10 und 10-16 Jahre). Diese Zyklen sind von regelmäßigem Wechsel zwischen einer angenehmen und einer unangenehmen Phase gekennzeichnet. Gewisse unerwünschte Phasen wären dabei unvermeidlich.24
Selbstverständlich gibt es noch weitere Vertreter endogenetischer Ent- wicklungstheorien, die ich allerdings nur benennen möchte: Charlotte Büh- ler, Adolf Busemann, Rudolf Steiner, Heinz Remplein und Heinz Werner.
3.2 Psychoanalytische Entwicklungstheorien
Eine weitere Theorie lieferte um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert Siegmund Freud (1856-1939). Mit seiner „Psychoanalyse“ bildet er in ers- ter Linie eine Lehre von bewussten und unbewussten psychischen Vor- gängen wie Gefühlen, Wünschen, Träumen usw. und ihrer Dynamik, so- wie eine darauf aufbauende psychotherapeutische Methode. Dabei war Freud an entwicklungspsychologischen Problemen nicht primär interes- siert, seine entwicklungspsychologischen Vorstellungen entstanden viel- mehr erst später anhand seiner klinischen Fragestellungen. Bei diesen stellte er heraus, dass es zum Verständnis der bei seinen Patienten beo- bachteten Verhaltensstörungen wichtig ist die Entwicklungsgeschichte deren bis in die Kindheit zurückzuverfolgen.25
Grundlage der psychoanalytischen Entwicklungstheorie bildet die bereits erwähnte „psychoanalytische Persönlichkeitstheorie“. Diese baut nach Freud auf mehreren Aspekten auf, nämlich eines dynamischen (Triebdy- namik: Entstehung, Schicksal, Befriedigung), einen strukturellen Aspekt (Es, Ich, Über-Ich) und einen topographischen, dem Bewusstsein, Unbe- wusstsein und dem Vorbewusstsein.26 Für das Verständnis dieser Ent- wicklungstheorie sind zwei Begriffe unabdingbar. Zum Einen der „ Libido “, worunter Freud „eine im Genprogramm des Organismus verankerte, von
Geburt an verfügbare Menge psychischer Energie“27 verstanden hat. Zum Anderen ist der Begriff „ psychosexuelle Organisations- oder Entwick- lungsstufe “ elementar, worunter sich fünf aufeinanderfolgenden Phasen (orale, anale, phallische Phase, Latenzzeit, genitale Phase), bei diesen aufsteigend immer neue erogene Zonen hinzukommen und gleichzeitig den Aufbau der Persönlichkeitsstruktur beeinflussen, verstehen.28
Auf Freuds psychoanalytische Entwicklungstheorie baute Erik H. Erikson (1902-1994) mit seiner psychoanalytischen Theorie der Identitätsentwick- lung auf. Er blieb dem Konzept von Freud weitestgehend treu, hat jedoch im Grunde eine neue Entwicklungstheorie vorgelegt. Erikson hat dieses Konzept um die soziale Dimensio n erweitert, indem er „auf die jeweils do- minanten psychosexuellen Funktionsweisen (Modi) bezogene psychoso- ziale Funktionsweisen (Modalitäten) und psychosoziale Krisen postu- liert.“29 Außerdem betrachtete Erikson nicht ausschließlich die soziale Umwelt aus Sicht des Kindes, sondern auch anderer Umweltfaktoren wie die Eltern oder die gegebene Struktur des sozialen Gefüges. Der Entwick- lungsbereich beschränkt sich hier auch nicht ausschließlich auf das Kin- des- und Jugendalter, sondern auf die gesamte Lebenszeit.30 Eriksons Theorie zeigt bis heute eine nachhaltige Wirkung im psychologischen Denken.
Weitere relativ bekannte Vertreter aus dieser entwicklungspsychologischen Denkweise wäre noch Margret Mahler, Robert Kegan, Jacques Lacan und Daniel N. Stern.
3.3 Reiz-Reaktions-Theorien (S-R-Theorien )
Mit ihrer Betonung auf exogene und soziokulturelle Einflüsse auf die Ent- wicklung bildet diese Theorie eine deutliche Gegenposition zu allen bisher behandelten Entwicklungstheorien. Ursprünge dieser Theorie lassen sich bis ins 17.31
[...]
1 vgl. Trautner 1992, S. 15
2 ebd., S. 16
3 Ontogenese = „ die Entwicklung des Individuums... “ , Duden Fremdwörterbuch, 2007
4 vgl. Trautner 1992, S. 16f
5 Heuristik = „ Lehre (...) von den Verfahren, Probleme zu l ö sen... “ , Duden Fremdwörter- buch, 2007
6 Trautner 1992, S. 17
7 Edelmann 1980, S. 29
8 Edelmann 1980, S. 29
9 vgl. Trautner 1992, S. 46f
10 ebd., S. 46
11 Trautner 1992, S. 71
12 vgl. Steinebach 2000, S. 31
13 Trautner 1992, S. 77
14 vgl. Steinebach 2000, S. 30
15 Trautner 1992, S. 84
16 Trautner 1992, S. 65ff
17 Krieger 2003, S. 138
18 Krieger 2003, S. 138f
19 vgl. ebd., S. 139
20 vgl. Trautner 1991, S. 27
21 vgl. Flammer 2009, S. 49
22 ebd.
23 vgl. Trautner 1991, S. 32f
24 vgl. Flammer 2009, S. 50ff
25 vgl. Trautner 1991, S. 64
26 vgl. Flammer 2009, S. 77
27 Trautner 1991, S. 67
28 vgl. Trautner 1991, S. 67
29 ebd., S. 79
30 vgl. ebd.
31 S= Stimulus=Reiz / R=Response=Antwort (Reaktion)