Wie wird der Andere, das fremde Subjekt, textuell dargestellt und in dieser Darstellung hergestellt? Dies ist die Ausgangsfrage, die wir uns stellen möchten im Hinblick auf die Analyse des diario de a bordo von Cristóbal Colón. Im diario de a bordo sind die Entdeckungen seiner ersten Entdeckungsfahrt nach Amerika 1492- 1493 aufgezeichnet und beinhaltet auch den Bericht des ersten Zusammentreffens der Indios und Europäer.
Auf seiner ersten „Indien- Reise“ entdeckte Colón die Inseln der Karibik. In diesem Raum lebten die Tainos, die der Sprachfamilie der Aruak oder Arawak angehören. Weder die Sprache noch die Kultur oder die gesellschaftlichen Organisationsformen der Tainos waren den Eindringlingen bekannt. Diese Tatsache und die extrem lange Seereise machte die Fahrt von Cristóbal Colón zu etwas radikal anderem wie die früheren Entdeckungsfahrten.
Es sei darauf hingewiesen, dass die Analyse des diario de a bordo durchaus nicht unproblematisch ist, da das Original nicht mehr existiert. Nach Ankunft in Spanien 1493 übergab Colón das Original den Königen Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón. Vor seiner zweiten Reise nahm er das Bordbuch wieder an sich, jedoch fertigten die Katholischen Könige vorab eine Kopie an, die unter dem Namen „Barcelona- Kopie“ bekannt ist. Diese Kopie war wahrscheinlich die Grundlage für die kommentierte Zusammenfassung von Fray Bartolomé de Las Casas. Wie treu der Bischof den Worten des Admirals folgte, bleibt ungewiss, da sowohl das Original sowie die „Barcelona- Kopie“ verschwunden sind.
Zunächst war auch das Manuskript von Bartolomé de Las Casas verschollen, bis Martin Fernández de Navarrete 1790 es in der Privatsammlung des Duque de Infantada wiederentdeckte. Navarette und die meisten folgenden Herausgeber entschieden sich für den Verzicht der einleitenden Worte und der Randbemerkungen von Bartolomé de Las Casas. In der weggelassenen Einleitung erklärt der Dominikaner, dass es sich bei diesem Manuskript vielmehr um eine Zusammenfassung als um eine wortgetreue Kopie handelt. Aus diesem Grund ist ein großer Teil des Bordbuches in der dritten Person Singular verfasst und direkte Zitate wurden sichtlich markiert. Aus diesem Sachverhalt tritt hervor, dass der Text weder monolithisch noch homogen sein kann. Auf jeden Fall, treten die Interessen des Dominikaners nicht nur in den Randglossen unverkennbar hervor.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Andere als Kuriosität zwischen Flora und Fauna
- ,,Ellos andan todos desnudos..."
- Kommunikation: Verstehen, Missverstehen, Deuten, Nichtverstehen
- Wirtschaftliche Interessen: Der Andere als Wirtschaftsgut
- Christianisierungsbestrebungen
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Darstellung des „Anderen“, des fremden Subjekts, im diario de a bordo von Cristóbal Colón. Das diario de a bordo, das die Entdeckungen seiner ersten Reise nach Amerika 1492-1493 dokumentiert, beinhaltet den Bericht des ersten Zusammentreffens von Indios und Europäern. Die Analyse soll untersuchen, wie Colón die indigene Kultur und Gesellschaft der Tainos in seinen Aufzeichnungen darstellt und dabei die Frage nach der Entstehung und Konstruktion des „Anderen“ im Kontext der europäischen Entdeckungsfahrten beleuchten.
- Die Darstellung der Tainos als Kuriosität im Kontext der Natur
- Die Bedeutung der Nacktheit als Kennzeichen der „Andersartigkeit“
- Die Herausforderungen der Kommunikation zwischen den Kulturen
- Die wirtschaftlichen Interessen und die Nutzung der indigenen Bevölkerung
- Die Christianisierungsbemühungen und ihre Auswirkungen auf die Tainos
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung stellt die zentrale Frage nach der textlichen Darstellung des „Anderen“ im diario de a bordo von Cristóbal Colón und beleuchtet die Herausforderungen bei der Analyse dieses historischen Dokuments aufgrund des fehlenden Originals und der komplexen Entstehungsgeschichte des Textes.
- Der Andere als Kuriosität zwischen Flora und Fauna: Dieses Kapitel analysiert, wie Colón die Tainos in seinen Aufzeichnungen neben der Natur beschreibt und ihre Existenz als Teil der Umgebung darstellt, anstatt als eigenständige Kultur.
- ,,Ellos andan todos desnudos...": Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Fixierung auf die Nacktheit der Tainos und analysiert die Hintergründe und Erwartungen, die diese Darstellung prägen.
- Kommunikation: Verstehen, Missverstehen, Deuten, Nichtverstehen: Dieses Kapitel beleuchtet die sprachlichen und kulturellen Barrieren, die zwischen Colón und den Tainos bestehen und untersucht, wie sich diese auf die gegenseitige Wahrnehmung und das Verständnis der jeweiligen Kulturen auswirken.
- Wirtschaftliche Interessen: Der Andere als Wirtschaftsgut: Dieses Kapitel thematisiert, wie Colón die Tainos als wirtschaftliches Kapital betrachtet und die Interessen der europäischen Kolonialisierung in seinen Aufzeichnungen deutlich werden.
- Christianisierungsbestrebungen: Dieses Kapitel analysiert die christlichen Missionsbemühungen, die im Zusammenhang mit der Entdeckung Amerikas stattfanden und ihre Folgen für die indigene Bevölkerung.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen der Arbeit lassen sich durch die folgenden Schlüsselwörter beschreiben: Cristóbal Colón, diario de a bordo, Tainos, „Anderer“, Entdeckungsgeschichte, Kulturkonflikt, Kolonialisierung, Kommunikation, Christianisierung, Natur, Nacktheit, Wirtschaftliche Interessen.
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- Eva-Maria Witzig (Author), 2010, Colón und die Indianer, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/165729