1. Einleitung
Rhys W. Williams beschreibt das Romangeschehen Walsers Ehen in Philippsburg als typisches Jahr in einer typischen bundesdeutschen Stadt der 50er, in dessen Verlauf der Außenseiter Hans Beumann vollständig assimiliert wird. Dabei werde eine Gesellschaft gezeigt, die auf Opportunismus und Ausbeutung basiere und dem Individuum komplexe und widersprüchliche Reaktionen und das ständige Schlüpfen in neue Rollen abverlange. Die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts waren von zwei Abschnitten geprägt: Dem des Wiederaufbaus und dem der Rückkehr zur Normalität. In Walsers Werk zeigt sich dem Leser eine Gesellschaft, die den Wiederaufbau hinter sich gelassen hat und nun die Normalität und gegebenenfalls auch den gesellschaftlichen Aufstieg genießt. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen die Gewinner der Blüte. Auf Parties, die eine Schnittstelle aus Vergnügen und beruflichem Interesse darstellen, wird
der Hedonismus der Konsum- und Erlebnisgesellschaft deutlich. Kunst und Literatur sind dabei Medien zur Unterhaltung und wichtig zur Präsentation von Kultiviertheit und Modebewusstsein. Wirkliche Kritik kann dabei weder der Journalismus, noch die Literatur ausüben, weil deren Funktion von der Gesellschaft ausgehöhlt oder erst gar nicht möglich gemacht wird. Dass Ehen in
Philippsburg die damals gegenwärtige Gesellschaft abbildet, wird in der Forschung nicht angezweifelt und liegt schon durch Walsers journalistische Tätigkeiten in Presse und Rundfunk nahe, im Rahmen derer er unter anderem Sendungen machte, die dem Wirtschaftswunder der BRD skeptisch gegenüberstanden. So stellt er durch treffende Beobachtungen eben auch die
Gesellschaft infrage, die ihn für sein gesellschaftskritisches Werk ehrt und den Hermann-Hesse- Preis verleiht. Das erinnert zwangsläufig an den Erfolg der Romanfigur Dieckow. Stefan Scherer erinnert daran, dass sich Martin Walser selbst ausdrücklich zu seiner Leidenschaft für das Gesellschaftliche bekannt habe, da es die Erscheinungsform des Geschichtlichen sei, weshalb er zu Recht die Bezeichnung eines Alltagschronisten innehabe. Walsers Gesellschaftskritik geht trotz der internen Fokalisierung der heterodiegetischen Erzählerstellung
deutlich aus dem Werk hervor, indem er durch Ironie Distanz zu den Gedanken und Handlungen der Figuren schafft. Sabine Brombach stellt fest, dass „die literarisch detaillierte Darstellung von Einzelschicksalen [...] eine Erweiterung des soziologischen Blickwinkels" ermögliche.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Gesellschaft zur Zeit des Wirtschaftswunders
- Die Gesellschaft der Bundesrepublik
- Die Gesellschaft Philippsburgs
- Die Rolle der Kritiker
- Hans Beumann – Der Journalist
- Berthold Klaff - Der freie Schriftsteller
- Helmut Maria Dieckow - Der Schriftsteller Philippsburgs
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht die Gesellschaftskritik in Martin Walsers Roman „Ehen in Philippsburg“ vor dem Hintergrund des Wirtschaftswunders in der Bundesrepublik Deutschland der 1950er Jahre. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, inwiefern die im Roman dargestellten Schriftsteller als Kritiker der Oberflächlichkeit und des Opportunismus der Gesellschaft agieren können.
- Die Gesellschaft der Bundesrepublik in den 1950er Jahren
- Die Rolle der Schriftsteller als Kritiker
- Die Darstellung der Oberflächlichkeit und des Opportunismus in der Gesellschaft Philippsburgs
- Die Grenzen der Kritik in einer konsumorientierten Gesellschaft
- Die Auswirkungen des Wirtschaftswunders auf die Kultur und die Lebensweise
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt den Roman „Ehen in Philippsburg“ und seine gesellschaftliche Relevanz in den Kontext des Wirtschaftswunders in der Bundesrepublik Deutschland der 1950er Jahre. Sie beschreibt die im Roman gezeigte Gesellschaft als oberflächlich und opportunistisch und beleuchtet die Rolle der Schriftsteller als Kritiker.
- Die Gesellschaft zur Zeit des Wirtschaftswunders: Dieser Abschnitt befasst sich mit der Gesellschaft der Bundesrepublik in den 1950er Jahren und beleuchtet die Auswirkungen des Wirtschaftswunders auf die Kultur, den Lebensstandard und die Werte der Menschen.
- Die Gesellschaft der Bundesrepublik: Dieser Unterabschnitt beschreibt den wirtschaftlichen Aufschwung der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg, die Ausbreitung des Massenkonsums und die Entstehung einer neuen Kultur, die stark von amerikanischem Vorbild geprägt war.
- Die Gesellschaft Philippsburgs: Dieser Unterabschnitt stellt Philippsburg als Modellstadt für die Zeit des Wirtschaftswunders vor und zeigt die Oberflächlichkeit und den Opportunismus der Gesellschaft, die von den Hauptfiguren des Romans repräsentiert wird.
- Die Rolle der Kritiker: In diesem Abschnitt werden die drei Schriftstellerfiguren des Romans – Hans Beumann, Berthold Klaff und Helmut Maria Dieckow – vorgestellt und ihre Rolle als Kritiker der Gesellschaft analysiert.
Schlüsselwörter
Die Seminararbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Wirtschaftswunder, Gesellschaftskritik, Oberflächlichkeit, Opportunismus, Konsumgesellschaft, Schriftstellerrolle, Kritikfähigkeit, Bundesrepublik Deutschland, 1950er Jahre, Martin Walser, „Ehen in Philippsburg“.
- Arbeit zitieren
- Shirin Dyanat (Autor:in), 2010, „Man nehme ihm in dieser Stadt nichts übel“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/165757