Adam Smith und die Industrielle Revolution

England im politischen Denken Europas des 18.-20. Jahrhunderts


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Begrifflichkeit ‚Industrielle Revolution’

3. Themenfeld Arbeit
3.1. Arbeitsteilung
3.2 Gewerkschaften
3.3 Situation der Arbeiter
3.4 Arbeitsbedingungen
3.5 Situation der Armen
3.6 Fortschritt der Arbeit

4. Themenfeld Maschinen
4.1 Verbesserung der Maschinen
4.2 Fabriken
4.3 Industriespionage

5. Themenfeld Industrielle Revolution und Gesellschaft
5.1 Veränderung der Gesellschaft durch die industrielle Revolution
5.2 Verhältnis der Städte zum Land
5.3 Einfluss der Industrie auf die Nation
5.4 Position Englands in der Industrialisierung

6. Themenfeld Finanzen
6.1 Finanzierung der Industrialisierung
6.2 Freihandel
6.3 Handel mit den Kolonien
6.4 Energiebedarf der Industriellen Revolution

7. Smith Bekanntenkreis

8. Schluss

1. Einleitung

Im Jahre 1723 wurde im schottischen Kirkaldy Adam Smith geboren. Die Lebensverhältnisse seiner Familie[1] ermöglichten ihm den Zugang zu einer Universitätsbildung in Glasgow, wo er sich zu dem „ homo universalis der Gesellschaftswissenschaften“[2] entwickeln konnte, als der er heute bekannt ist. Zeit seines Lebens verbrachte er in den Zirkeln der Wissenschaft und der gebildeten Elite aus Großbritannien und den von ihm bereisten Länder. In diese Zeit fallen auch die dramatischen Veränderungen auf wirtschaftlichem Gebiet und insbesondere die im produktiven Sektor. Die Wahrnehmung Adam Smiths von diesen Veränderungen, die erst später den Namen „Industrielle Revolution“ erhielten, sollen im Folgenden untersucht werden. Dies ist insofern interessant, als dass bis heute keine einhellige Antwort darauf gefunden wurde, ob Smith die Veränderungen als solche jemals erkannt, geschweige denn in seinem Werk An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (1776) behandelt hat. Die Meinungen in der Literatur bezüglich dieser Frage gehen weit auseinander. So gibt es Stimmen, die eine Behandlung der Industrialisierung bei Adam Smith gar nicht erkennen[3] und argumentieren, dass Smith aufgrund seiner Lebensdaten die Industrialisierung nicht richtig erlebt hat und daher auch schlicht übersehen habe: „It is not surprising, therefore, that Adam Smith failed to anticipate the Industrial Revolution.“[4] Aber auch in Bezug auf die ökonomischen Vorstellungen Smiths wird daran gezweifelt, wie Fellmeth herausstellt, dass: „kein innerer Zusammenhang zwischen den industriellen Fortschritten im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts und dem ökonomischen Denken Smiths zu erkennen [sei].“[5]

Entgegen der oben ausgeführten Sichtweise gibt es aber eine große Zahl an Autoren, die bei Adam Smith eine Beachtung und Behandlung der Industrialisierung in bestimmten Teilbereichen durchaus erkennen können. Diese Behandlung sei dabei nicht explizit als Veränderung benannt, sondern kann bei der Behandlung anderer Themenbereiche mit verstanden werden.

Adam Smiths Werk An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations erschien am 9. März 1776. In der einschlägigen Literatur wird festgestellt, dass zwar schon in den 1740er Jahren erste Steigerungen in der wirtschaftlichen Entwicklung zu erkennen sind, aber: „the decisive turning point that marks the ‚take-off’ of British industry came in the last two decades of the eighteenth century…“[6] Zudem muss man sich auch der generellen Sicht von Laski anschließen, wonach „the revolution, indeed, like all great movements, did not originate at any given moment.“[7] Adam Smiths Werk erschien erst ganz am Anfang der sich entwickelnden Industriellen Revolution und aus diesem Grund lassen sich die nur vage bestehenden Bezüge kaum als eine Anerkennung, bzw. Würdigung der Industrialisierung verstehen.

Um diese These zu begründen, werde ich in dieser Arbeit Argumente, die für eine Beachtung Smiths der industriellen Revolution sprechen, zusammenstellen und auf ihre Aussagekraft hin untersuchen.

2. Die Begrifflichkeit ‚Industrielle Revolution’

Um im Folgenden den Begriff ‚Industrielle Revolution’ verwenden zu können, muss klargestellt sein, dass es sich dabei nicht um einen zeitgenössischen Begriff handelt. Die wirtschaftlichen Veränderungen sind ein, auch zu Smiths Lebzeiten, erkennbarer Prozess, der sich allerdings erst zwischen 1760 und 1830 zu seiner wahren Größe entwickelte. Aus diesem Grund könnte man zum einen erwarten, dass Smith ganz besonders auf die Veränderungen im Bereich der Produktionsmethoden eingeht, da es sich um ein für seine Zeit sehr aktuelles Thema handelt. Andererseits kann man auch argumentieren, dass die überblickende Sicht, die wir heute über die Zeit gewinnen können, damals noch gar nicht vorhanden sein konnte. So ist es auch nicht erstaunlich, dass der Begriff „Industrielle Revolution“ erst etwa 100 Jahre später von Engels geprägt wird.[8] Die Wortbedeutungen sind dabei von entscheidender Bedeutung. So hat das Wort ‚Revolution’ eine lange Geschichte, aber „[it] only began to register in its modern sense as signifying an over-turning of an old order and the promise of a complete transformation of society after Smith had written Wealth of Nations.”[9] Eine Verwendung des Revolutionsbegriffs bei Smith kann daher nicht erwartet werden.

Aber auch der Industriebegriff muss deutlich von unserem modernen Verständnis abgegrenzt werden. Smith spricht zwar nicht explizit von Industrialisierung, dennoch benutzt er den Begriff Industrie. Er tut dies allerdings in einem anderen Sinne als wir es heute tun. So sagt er beispielsweise im dritten Kapitel: „There are some sorts of industry, even of the lowest kind, which can be carried on no where but in a great town.“[10] Er benutzt in diesem Zusammenhang den Begriff Industrie mit der Bedeutung Beschäftigung oder Tätigkeit, so wie es in der Fortführung des Zitates gut deutlich wird: „A porter, for example, can find employment and subsistence in no ther place.“[11] Auch der Lastträger zählt bei seinem Industriebegriff dazu. „Industry for him, is still in the last stage of handicraft; it is a matter of skillful workmanship and not of mechanical appliance.”[12] Zudem stellt Kindleberger fest, dass Smith den Begriff auch nicht deutlich vom Handel abgrenzt: “Adam Smith frequently failed to distinguish between commerce and industry, treating them almost as one word.”[13] Das Wort ‘Industrie’ selbst “was only just beginning to be used in Smith’s time to refer to a sector of economic life and not to a human attribute […]. Smith himself may have been a key figure in popularizing the change of usage…”[14]

3. Themenfeld Arbeit

3.1. Arbeitsteilung

Smith beginnt seine Ausführungen mit einer Analyse und Beschreibung von Arbeitsteilung. Es sollte dabei allerdings beachtet werden, dass dies keine Erfindung von Smith selbst ist, sondern sie auf Henry Martins ‚Considerations on the East-India Trade’ von 1701 zurückgeht.[15] Smith untersucht dabei, welche Vorteile die Arbeitsteilung hat und bemerkt dabei beiläufig, dass „the invention of all those machines by which labour is so much facilitated and abridged, seems to have been originally owing to the division of labour.“[16] Wie man an diesem Zitat erkennen kann, geht es Smith nicht in erster Linie darum, darzulegen um welche Art von Maschinen es sich handelt, sondern um eine Analyse der Arbeitsteilung. So beschreibt er zwar im Folgenden eine technische Verbesserung der damals sehr fortschrittlichen Dampfmaschine, belässt es aber dabei die Verbesserungen als Folge der Arbeitsteilung zu sehen. Die Arbeitsteilung stellt dabei für ihn keine unmittelbare Veränderung seiner Zeit dar, sondern vielmehr eine fortschreitende Verbesserung und Veränderung im Bereich der Manufakturen. Von möglichen Gedanken an Industrie oder an einen revolutionsähnlichen Umschwung ist an diesem Punkt bei Smith nichts zu spüren. Auf sozialer Ebene hingegen erkennt Smith auch die einhergehenden Probleme mit der Arbeitsteilung deutlich, denn „je weiter Zivilisation und Arbeitsteilung fortschreiten, so die Beobachtung, umso mehr wird der größte Teil aller Arbeitenden in eine monotone, von stets gleich bleibenden Handgriffen beherrschte Arbeitssituation gedrängt.“[17] Diese sich bestätigende Einschätzung beschreibt allerdings auch noch keinen Einblick in ein sich grundlegend veränderndes Wirtschaftssystem, sondern lediglich die Sicht auf die zeitgenössischen Manufakturen mit ihren neuen Produktionsmethoden.

3.2 Gewerkschaften

Arbeitsteilung und die damit verbundenen Veränderungen im Arbeitsleben der Arbeiter sieht Smith nicht nur positiv. Ein Punkt neben weiteren, die ich später behandeln möchte, ist die Vertretung der Arbeiter. Smith erkennt, dass es für die Arbeiter schwer ist, sich zu verbinden, und wie die Meister gemeinsam für eine Richtung zu kämpfen, da er sagt: „The masters, being fewer in number, can combine much more easily; and the law, besides, authorises, or at least does not prohibit their combination, while it prohibits those of the workmen.“[18] Er stellt hier sehr früh heraus, dass die Arbeiter als abhängige Klasse, speziell in Bezug auf die Arbeitslöhne, die Unterstützung von Verbindungen benötigen werden. Historisch gesehen sind Gewerkschaften allerdings keine unmittelbare Entwicklung der Industriellen Revolution, wie Cole erläutert: „Trade Unions […] existed long before the Industrial Revolution. We can trace their working throughout the eighteenth century by references in parliamentary debates, periodicals, and other contemporary documents …“[19] Dennoch konnte die Arbeiterbewegung in dieser Zeit richtig Fuß fassen und durch die größeren Prduktionsstätten viele Arbeiter auf einmal ansprechen, was Musson als Verbindung zur Industriellen Revolution versteht: „the ‚factory system’ did begin, from the late eighteenth century onwards, to have an important effect, massing large numbers of workers together and deepening the division between capital and labour… .“[20] Smiths Prognose an diesem Punkt kann somit als zutreffend angesehen werden. Trotzdem sollte bedacht werden, dass Smith die Verbindungen nicht als generelle Vertretung der Arbeiter ansieht und auch nicht zur Gründung aufruft, sondern lediglich im Bereich der Löhne feststellt, dass die Arbeiter aufgrund des Fehlens eine schlechtere Verhandlungsposition einnehmen.

3.3 Situation der Arbeiter

Die Situation der Arbeiter wird in Smiths Werk an verschiedenen Stellen angesprochen. Dabei spielen in Bezug auf die Industrielle Revolution zwei Punkte eine Hauptrolle. Zum einen geht Smith über die beschriebenen Probleme in Bezug auf die Arbeitsteilung hinaus und „anlässlich der Stücklohnbezahlung weist er hellsichtig auf die Gefahren der Überarbeitung und des Frühverschleißes hin.“[21] Es muss aber auch hier festgehalten werden, dass die Stücklohnbezahlung keine Erfindung der Industriellen Revolution ist, und Smith damit nicht auf eine tagesaktuelle Problematik hingewiesen hat, sondern das bereits seit längerem existierende Bezahlungssystem generell kritisiert. Fellmeth geht weiter und stellt fest, dass ihm „auch der Zusammenhang von psychophysischer Auszehrung und Entwertung der Nichtarbeitszeit“[22] bekannt ist. Doch auch dies ist nicht als Kritik an den wirtschaftlichen Veränderungen seiner Zeit zu sehen, sondern galt ebenso für die Heimarbeit lange vor der Zeit der Industriellen Revolution. Hier kommt lediglich eine Verstärkung des Arbeitseinsatzes (auch anderer Familienmitglieder) hinzu, wie Humphries deutlich macht: „the tendency of household-based production units to respond to pressure on prices by increasing labour input resonates with modern interpretations of the industrial revolution that conceptualise its early phase in terms of increasing labour input rather than increasing labour productivity.“[23]

[...]


[1] Vgl. Kurz, S. 13

[2] Kurz, S. 9

[3] Vgl. Blaug, S. 34 “Indeed, there is nothing in the book to suggest that Adam Smith was aware that he was living in times of extremely unusual economic change.”

[4] Blaug, S. 35

[5] Fellmeth, S. 34

[6] Blaug, S. 35

[7] Laski, S. 281

[8] Vgl. Fellmeth, S. 45

[9] Briggs, S. 29

[10] Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, S. 31. Im folgenden abgekürzt: WN

[11] WN, S. 31

[12] Laski, S. 303

[13] Kindleberger, S. 15

[14] Briggs, S. 29

[15] Vgl. Kindleberger, S. 7

[16] WN S. 20

[17] Fellmeth, S. 129

[18] WN, S. 83

[19] Cole, S. 55

[20] Musson, S. 10

[21] Fellmeth, S. 131

[22] Fellmeth, S. 131

[23] Humphries, S. 256

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Adam Smith und die Industrielle Revolution
Untertitel
England im politischen Denken Europas des 18.-20. Jahrhunderts
Hochschule
Universität Kassel  (Lehrstuhl Geschichte Nordamerikas und Großbritanniens)
Veranstaltung
England im politischen Denken Europas des 18.-20. Jahrhunderts: Geschichte, Mythos, Modell
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
27
Katalognummer
V165989
ISBN (eBook)
9783640817733
ISBN (Buch)
9783640821013
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Anmerkungen des Gutachters: Sehr gute Arbeit, breite Lektüre, umsichtige und ausgewogene Argumentation.
Schlagworte
Englisch, Adam Smith, Politik, Ideengeschichte, Industrialisierung, Arbeitsteilung, Gewerkschaften, Arbeitsbedingungen, Gesellschaft, Freihandel, Reichtum der Nationen, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776, Arbeit, Industry, Thema Industrielle Revolution
Arbeit zitieren
Jan Barking (Autor:in), 2006, Adam Smith und die Industrielle Revolution, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/165989

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