Die „asturische Sprache“ - Anspruch und Wirklichkeit


Bachelorarbeit, 2010

47 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung

2. Geschichte des Asturianischen
2.1 Von der Entstehung bis zum Königreich León
2.2 Vom Königreich Kastilien bis zur Diktatur Francos

3. Transition und pro-asturianische Bewegung
3.1 Aufkommen der pro-asturianischen Bewegung
3.2 Gegner und Probleme der pro-asturianischen Bewegung
3.3 Neuer Schwung in der pro-asturianischen Bewegung

4. Gesetzlicher Rahmen des Asturianischen
4.1 Verfassung des Königreichs Spanien
4.2 Autonomiestatut des Fürstentums Asturien
4.3 Ley de uso y promotion del Bable/Asturiano
4.4 European Charter for Regional or Minority Languages

5. Aktuelle Situation des Asturianischen
5.1 Soziolinguistische Situation
5.2 Akteure im Kampf um die offizielle Anerkennung
5.3 Offizieller Gebrauch des Asturianischen
5.4 Asturianisch im Schulwesen
5.5 Wiedereinführung der traditionellen Ortsnamen
5.6 Medienpräsenz des Asturianischen und asturianischsprachige Literatur

6 Schluss

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Fürstentum Asturien im Norden der Iberischen Halbinsel umfasst circa 10.600 Quad­ratkilometer, auf denen rund eine Million Einwohner leben. Es besteht aus einer Provinz, die in 78 concejos, wie die Gemeinden in Asturien genannt werden, unterteilt ist. Asturien ist eine der Autonomen Regionen des sogenannten Grünen Spaniens und ist bekannt für seine üppige Vegetation, die abwechslungsreiche Landschaft und den keltischen Einschlag. Weniger bekannt hingegen ist die Asturianische Sprache, die auch Asturisch, Bable, Leo- nesisch, Astur-Leonesisch oder Asturisch-Leonesisch genannt wird (Andrés Díaz 2002a, 138f). Die Sprache ist unter anderem deshalb so unbekannt, weil sie im Gegensatz zum Baskischen oder Katalanischen keinen offiziellen Charakter hat und man sie kaum im all­täglichen Sprachgebrauch hört.

Sprachwissenschaftlich betrachtet unterteilt sich die Autonome Region Asturien in vier Bereiche. Während im westlichen Teil zwischen Galicien und dem Fluss Navia kein Asturianisch, sondern Galicisch-Asturianisch gesprochen wird, ist die Asturianische Spra­che im restlichen Fürstentum in drei Varianten verbreitet. Das asturianu occidental wird zwischen den beiden Flüssen Navia und Nalón gesprochen. Das Sprachgebiet des asturia­nu central reicht vom Nalón im Westen bis zum Fluss Sella im Osten. Da diese Variante mit circa 80 Prozent die meisten Sprecher verzeichnet und historisch gesehen die Literatur­sprache des Asturianischen darstellt, bildet das asturianu central die Grundlage für die heutige normative Hochsprache des Asturianischen (Pérez Fernández 2006, 249). Im östli­chen Teil Asturiens findet sich das asturianu oriental, dessen Grenzen der Fluss Sella und die Ostgrenze der Autonomen Region Asturien darstellen. Darüber hinaus wird Asturia- nisch auch in einigen Gebieten der Provinzen León und Zamora in der Autonomen Region Kastilien-León gesprochen. Außerdem gibt es in Miranda do Douro im Westen Portugals eine als mirandés bezeichnete linguistische Varietät des Asturianischen, welche dort im Jahre 1998 einen offiziellen Charakter erhielt (Academia de la Llingua Asturiana 2002, 41).

Die Einstellung gegenüber der Asturianischen Sprache hat sich im Laufe der Jahre und Jahrhunderte stetig gewandelt. Während die Sprache beispielsweise im Königreich Asturien Amtssprache war, verschwand sie während der Diktatur Francos fast völlig. In der Übergangsphase von der Diktatur zur Demokratie setzten sich dann zahlreiche Vertre­ter dafür ein, die Situation des Asturianischen zu verbessern und für das Überleben der Sprache sowie deren offizielle Anerkennung zu kämpfen. Dennoch sank die Sprecherzahl des Asturianischen kontinuierlich, so dass sie 2001 im Atlas of the World’s Languages in Danger of Disappearing der UNESCO gar als bedrohte Sprache eingestuft wurde (Wurm 2001, 29), also eine Sprache, deren jüngste Sprecher junge Erwachsene sind (Wurm 2001, 27f).

Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, inwieweit die Verfechter der Asturiani- schen Sprache ihre Absichten durchsetzen konnten, was sich im Hinblick auf die Verbrei­tung der Sprache bereits verändert hat, welche Fortschritte erzielt wurden und wie sich die soziale, rechtliche und politische Situation des Asturianischen heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, gestaltet.

Dabei geht diese Arbeit davon aus, dass es sich beim Asturianischen um eine Spra­che und nicht um einen Dialekt handelt. Dennoch gibt es durchaus auch solche Experten des Asturianischen, die die Meinung vertreten, es handele sich um einen Dialekt, was unter anderem daran liegt, dass das Asturianische auch für Sprecher des Spanischen relativ ein­fach zu verstehen ist. Bekanntester Vertreter dieser These ist der große Bablespezialist Neira Martinez (Bauske 1995, 39), doch selbst er erkennt an, dass es sich bei den verschie­denen Versionen des Asturianischen um „modalidades o dialectos del latín“(Neira Marti­nez 1976, 45) handelt, die „históricamente en el mismo plano que el gallego, el castellano, el catalán y el aragonés” (Neira Martinez 1976, 29) entstanden sind. Und so basiert auch die Annahme dieser Arbeit, dass es sich um eine Sprache handelt, auf der Evolution des Asturianischen aus dem Lateinischen parallel zum Spanischen (Academia de la Llingua Asturiana 2002, 41) und damit der Tatsache, dass es - trotz einiger Parallelen zum Spani­schen - ein eigenes linguistisches System darstellt, welches „en la mùsica, en el acento, en los sonidos vocálicos o consonánticos, en el mecanismo gramatical o semàntico [represen­ta] un sistema que no puede reducirse al espaflol“ (Garcia Gonzáles 1980, 191). Des Weite­ren begründet sich die Einstufung des Asturianischen als eigenständige Sprache durch den Atlas of the World’s Languages in Danger of Disappearing, in dem es als „threatened Ro­mance language“ bezeichnet wird, sowie die European Charta for Regional and Minority Languages, der Spanien eine Erklärung beifügte, in der es bestätigte, dass Asturianisch eine der zu schützenden „lenguas regionales o minoritarias“[1] darstellt. Die Frage danach, ob es sich beim Asturianischen um eine Sprache oder einen Dialekt handelt, ist deshalb von solch großer Bedeutung, weil nur die Einstufung als Sprache überhaupt eine Basis für den Kampf um offizielle Anerkennung ermöglicht.

Um die heutige Situation des Asturianischen besser verstehen zu können, soll im zweiten Kapitel dieser Arbeit zunächst auf die Geschichte der Sprache eingegangen wer­den. Es werden die Entstehung und die Anfänge des Asturianischen aufgezeigt und die weitere Entwicklung bis hin zur Diktatur Francos näher beleuchtet.

Bereits in den letzten Jahren der Diktatur entstand eine Bewegung zur Verteidigung des Asturianischen. Im dritten Kapitel soll diese Bewegung ausführlich untersucht werden. Dabei liegt besonderes Augenmerk darauf, wer die Begründer dieser Bewegung waren, welche Ziele sie verfolgten und mit welchen Maßnahmen sie diese erreichen wollten. In diesem Zusammenhang werden auch die Gegner und Hindernisse beschrieben, denen die Verfechter des Asturianischen immer wieder begegneten.

Dies führt direkt zum vierten Kapitel, in dem die heutige juristische Situation des Asturianischen beschrieben werden soll. Es wird aufgezeigt, welche Fortschritte bezüglich der rechtlichen Stellung des Asturianischen sowie der linguistischen Rechte der Bürger bereits erreicht werden konnten und wie sich diese in den verschiedenen zu Grunde liegen­den Gesetzestexten widerspiegeln.

Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Grundlage soll im fünften Kapitel die Si­tuation zu Beginn des 21. Jahrhunderts dargestellt werden. Es soll aufgezeigt werden, wel­che Stellung das Asturianische im heutigen Alltag einnimmt, wer die Sprecher des Asturi- anischen sind und wie sich die zu Grunde liegenden Gesetze auf das Leben in Asturien auswirken. Des Weiteren soll untersucht werden, wie sich die Situation des Asturianischen bezüglich der für die Verfechter sehr wichtigen Bereiche Unterrichtswesen, Ortsnamen und Kommunikationsmedien verhält.

Auf der Basis der vorangegangenen Ausführungen soll schließlich im sechsten und letzten Kapitel ein Fazit zur Situation des Asturianischen gezogen werden. Es soll darge­stellt werden, inwieweit sich die Situation seit Beginn der Verteidigungsbewegung verbes­sert hat, ob die sprachlichen Rechte der Bürger garantiert werden und ob dem Ziel der offi­ziellen Anerkennung näher gekommen werden konnte. Kurzum soll also eine Antwort auf die Frage gegeben werden, ob sich das Asturianische auf dem Weg zur offiziellen Aner­kennung befindet oder das Gegenteil der Fall ist und es kurz vor dem Aussterben steht.

2 Geschichte des Asturianischen

Um die heutige Situation des Asturianischen, die Bedeutung der Sprache für ihre Anhänger und somit auch die Motivation der Verfechter des Asturianischen besser verstehen zu kön­nen, beginnt die Arbeit mit einer kurzen Darstellung der Geschichte der Sprache sowie deren Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte. Wie ist die Asturianische Sprache entstan­den? Wie hat sie sich im Laufe der Jahrhunderte verändert? Welche Bedeutung nahm sie in den verschiedenen geschichtlichen Phasen ein? Diese historischen Hintergründe stellen einen Teil der Basis des Kampfes für die offizielle Anerkennung des Asturianischen dar und begründen die Bedeutung der Sprache als kulturelles Erbe der asturianischen Bevölke­rung.

2.1 Von der Entstehung bis zum Königreich León

In der Antike herrschte in Asturien eine linguistische Varietät, bei der sich die präromani­schen Sprachen oft von Tal zu Tal unterschieden. Vorherrschend dabei waren keltische Sprachen (Neira Martínez 1976, 51). Durch seine geographische Lage und die natürlichen Grenzen - im Norden der Atlantische Ozean, im Süden das Kantabrische Gebirge - war Asturien zudem seit jeher sehr abgeschieden vom Rest der Iberischen Halbinsel.

Diese Abgeschiedenheit der Region war auch der Grund dafür, dass die Römer das Gebiet erst circa 19 v. Chr., also relativ spät im Vergleich zur restlichen Iberischen Halbin­sel, erobern konnten und somit auch die Romanisierung erst relativ spät erfolgte. Dann führte sie jedoch zu starken Veränderungen nicht nur im politischen, sondern auch im kul­turellen Leben, was insbesondere die Sprache betraf. Die alten präromanischen Sprachen gingen verloren und wurden durch die Sprache der römischen Besatzer, dem Lateinischen, ersetzt (Neira Martínez 1970, 214).

Als im 5. Jahrhundert das Römische Imperium allmählich auseinanderzubrechen begann, folgte auch „la fragmentación de la lengua [latina]“ (Neira Martínez 1970, 214). Trotzdem verschwand das Lateinische nicht völlig von der Iberischen Halbinsel. Vielmehr schuf der Zusammenbruch des Römischen Reiches die Bedingungen dafür, dass sich unter­schiedliche, vom Lateinischen abstammende Sprachen herausbilden konnten. Es entstan­den verschiedene sprachliche Gebiete, die sich unabhängig voneinander entwickelten: Ga- licien-Portugal, Asturien-León und Extremadura, Kastilien mit Andalusien, Aragonesien und Katalonien mit Valencia und Mallorca (Neira Martínez 1976, 48). In diesen Gebieten bildete sich ein jeweils eigener Dialekt des Lateinischen heraus (Neira Martínez 1976, 46).

Einige Jahrhunderte später, zu Beginn der Reconquista, waren diese anfänglichen Dialekte des Lateinischen im Norden der Iberischen Halbinsel zu eigenen Sprachen ge­worden: Galicisch, Asturianisch, Aragonesisch, Katalanisch und Spanisch (Neira Martínez 1976, 47). Latein verschwand aber nicht völlig, sondern blieb als Kultur- und Literatur­sprache insbesondere im Klerus und in intellektuellen Kreisen erhalten (Neira Martínez 1976, 47). Der Süden der Iberischen Halbinsel hingegen unterlag zu dieser Zeit arabischen Einflüssen.

Aus dem in Asturien gesprochenen Latein ging das Asturianische hervor (Neira Martínez 1970, 214). Während der Zeit des Asturianischen Königreichs vom 8. bis zum 10. Jahrhundert war diese Sprache Amtssprache (Academia de la Llingua Asturiana 2002, 41), und laut dem Historiker und Philologen Menéndez Pidal wurden diejenigen Personen, die Spanisch sprachen, zu dieser Zeit gar verspottet (Neira Martínez 1970, 214). Der kö­nigliche Sitz des Asturianischen Reichs in Oviedo verfügte damals über ein hohes soziales Prestige (Neira Martínez 1970, 214) und die Sprache war über das gesamte Gebiet des Asturianischen Königreichs sowie in Gebieten südlich des Kantabrischen Gebirges ver­breitet.

Als im Jahre 910 das Asturianische Königreich zum asturleonesischen Königreich ausgeweitet wurde, breitete sich damit auch die Asturianische Sprache zwischen der Vía de la Plata und der portugiesischen Grenze aus (García Arias 2002, 15f). Wie beim vorange­gangenen Königssitz in Oviedo war das am Königssitz in León gesprochene Asturianisch von hohem sozialem Ansehen. Trotzdem handelte es sich beim Königreich León nicht um eine linguistische Einheit. Während im Norden des Reichs neben Asturianisch auch Gali- cisch und Spanisch gesprochen wurde, trafen im Süden des Reichs durch politische An­siedlungsmaßnahmen zum Schutz gegen die Mauren im Süden der Halbinsel Menschen aus den verschiedensten Bereichen der Iberischen Halbinsel aufeinander. Wegen ihrer un­terschiedlichen Herkunft verständigten sich diese deshalb untereinander „más uniformada [y en una] nivelación lingmstica“ (Neira Martínez 1976, 56f). Menéndez Pidal schrieb in diesem Sinne, dass das Königreich León „[era] la tierra donde más activa fue la repoblación con muchos emigrantes venidos de muy diversos países; tal mezcla de gente no era propicia para conservar ni para producir hondos particularismos dialectales; el leonés del centro propendió, pues, a un tipo medio trabajado por tan encontradas influencias de gallegos, asturianos, bercianos, castellanos, mozárabes y se apartó bastante del multiforme dialectalismo de Asturias.” (Menéndez Pidal 1968, 449f)

2.2 Vom Königreich Kastilien bis zur Diktatur Francos

Im 12. Jahrhundert gewann das Königreich Kastilien auch für das asturleonesische König­reich immer weiter an Bedeutung. Dies führte zu einem stetig steigenden Einfluss des Spa­nischen und einer Absorption des Asturianischen (García Gonzáles 1980, 99). Dennoch verschwand das Asturianische nicht völlig, sondern überlebte auch in dieser schweren Zeit zumindest in abgelegenen Gebieten des asturleonesischen Königreichs (García Arias 2002, 16).

Mit der Übernahme des asturleonesischen durch das kastilische Königreich im Jah­re 1230 gewann das Spanische die Überhand und Asturianisch wurde als Alltagssprache verdrängt. Dennoch wurde es im 13. und 14. Jahrhundert besonders für die Abfassung ju­ristischer Dokumente weiterhin verwendet (Academia de la Llingua Asturiana 2002, 41). In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts verstärkte sich die Kastellanisierung, also das Ersetzen des Asturianischen durch das Spanische, weiter und das Asturianische wurde nunmehr lediglich mündlich weitergegeben (García Arias 2002, 16).

Doch das Asturianische sollte nicht völlig verschwinden. Im Gegenteil: Ab dem 17. Jahrhundert kam die erste Literatur auf Asturianisch auf, die sich von da an immer wei­ter entwickeln sollte (Academia de la Llingua Asturiana 2002, 41). Die häufigste literari­sche Gattung dieser modernen asturianischen Literatur war die Poesie, doch daneben gab es auch Veröffentlichungen in den Gattungen Drama und Prosaerzählungen sowie asturia- nische Lieder (García Arias 2002, 16).

Im Zuge dieses Aufkommens der Literatur wuchs auch das Bewusstsein für die Sprache. So gab beispielsweise bereits der asturianische Dichter und Schriftsteller Gaspar Melchor de Jovellanos eine Grammatik und ein Wörterbuch des Asturianischen in Auftrag - beide Aufträge wurden jedoch nicht veröffentlicht (Bauske 1995, 22). Ende des 18. Jahr­hunderts plante Jovellanos außerdem die Gründung einer asturianischen Akademie.

Der Prozess der Kastellanisierung, welcher zunächst sehr langsam vonstatten ge­gangen war, intensivierte sich im 20. Jahrhundert rapide, so dass die höchste Rezession des Asturianischen in diesem Jahrhundert angesiedelt ist.[2] Insbesondere während der Diktatur Francos verlor das Asturianische an Einfluss, asturianischsprachige Literatur wurde kaum veröffentlicht und in den Schulen wurde das Asturianische korrigiert und als falsch ge­sprochen’ eingestuft (Andrés Díaz 2002b, 83).

Ein Versuch, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, bestand in der Gründung des Instituto de Estudios Asturianos (IDEA) im Jahre 1946, welches Bücher auf Asturianisch veröffentlichte und ab 1947 auch Konferenzen zum Asturianischen veranstaltete sowie ein eigenes Mitteilungsblatt, das Boletín del Instituto de Estudios Asturianos (BIDEA), publi­zierte. All dies geschah jedoch stets im Rahmen der Heimatgeschichte, also konform mit dem diktatorischen System Francos (Bauske 1995, 28). Dass das Asturianische dennoch fast durch das Spanische verdrängt wurde, lag auch daran, dass moderne Methoden zur Verbreitung einer Sprache, wie beispielsweise Radio und Fernsehen oder obligatorischer Sprachunterricht, lediglich dem Spanischen vorbehalten waren (Xunta pola Defensa de la Llingua Asturiana 1996, 45).

3 Transición und pro-asturianische Bewegung

Nachdem die historische Entwicklung des Asturianischen bis zur Diktatur Francos aufge­zeigt wurde, soll im folgenden Kapitel dazu übergegangen werden, auch die darauf folgen­de Entwicklung zur Zeit der Transición bis hin zum Ende des 20. Jahrhunderts darzustel­len. In der Übergangsphase von der Diktatur hin zur Demokratie erfuhr das Asturianische einen entscheidenden Aufschwung und es entstand eine motivierte Bewegung, die für das Überleben des Asturianischen und dessen offizielle Anerkennung kämpfte. Die Teilnehmer dieser Bewegung setzten sich sowohl für die Normalisierung der Sprache, welche den Asturianischunterricht, die Vertretung der Sprache in den Medien, die Anerkennung der traditionellen asturianischen Ortsnamen und den legalen Status des Asturianischen betrifft, als auch für die Normierung der Asturianischen Sprache, die normierte Regelwerke zu Grammatik und Rechtschreibung sowie ein allgemeingültiges Wörterbuch betrifft, ein. Doch die Bewegung stieß auch auf Widerstand, insbesondere seitens jener Personen, die gegen einen offiziellen Charakter des Asturianischen plädierten. Die in diesem Kapitel dargestellten Entwicklungen stellen die Basis für die weitere Entwicklung dar und sind somit maßgebend für die aktuelle Situation des Asturianischen.

3.1 Aufkommen der pro-asturianischen Bewegung

Bereits während der letzten Jahre der Diktatur Francos, die zu diesem Zeitpunkt durch die Krankheit des Diktators aber bereits geschwächt gewesen war, entstand 1969 eine Gruppe namens Amigos del Babie. Diese Vereinigung war die erste ihrer Art, die sich intensiv für die Asturianische Sprache einsetzte, und trug damit in hohem Maße zur darauf folgenden Entstehung der pro-asturianische Bewegung bei. Sie gab Schallplatten auf Asturianisch heraus, veröffentlichte asturianischsprachige Literatur und verlieh die Auszeichnung Xana del Babie für Verdienste rund um das Asturianische in verschiedenen Bereichen (Bauske 1995, 33). Ein wichtiges Mitglied der Vereinigung war der Grundschullehrer Lorenzo No­vo Mier. Dieser war verantwortlich für die ab 1971 mehrmals pro Monat in der Sonn­tagsausgabe der Zeitung Región erscheinende Seite über das Asturianische, die traditionel­les Erzählgut, asturianische Vokabeln und ab 1973 auch Theoretisches zur Asturianischen Sprache enthielt (Bauske 1995, 32f). Der Gründer der Gruppe, José León Delestal, äußerte sich einige Jahre später folgendermaßen über die Amigos del Babie:

“Voz que en algunos casos, y por parte de muchos, fue recibida con alegría y atención, mientras que por otros lo fue al menos con respeto; pero que también cosechó desdenes y olvidos, cuando no expresiones despectivas, alusiones irónicas y, sobre todo, incomprensiones.” (García Gonzales 1980, 105)

Vier Jahre nach Gründung der Amigos del Babie fand vom 19. bis zum 21. November 1973 in Oviedo die I Asamblea del Babie statt. Anwesend war auch Delestal, der von der Wich­tigkeit sprach, Bücher auf Asturianisch zu veröffentlichen, um die Sprache zu erhalten. Außerdem wurde bereits die Forderung nach der Rekuperation der Ortsnamen geäußert (García Gonzales 1980, 182) und die Meinung vertreten, dass der Erhalt des Asturiani- schen nur durch eine Aufwertung der Sprache erreicht werden könnte, welche in der Schu­le mit einem Wahlfach Asturianisch beginnen müsse (García Gonzales 1980, 73). Diese drei Forderungen sollten bis heute die drei Hauptziele der Verfechter des Asturianischen bleiben.

Wegen der sich verschlimmernden Krankheit Francos wurde der spätere König Juan Carlos am 19. Juli 1974 als kommissarischer Staatschef eingesetzt. Am 20. November des folgenden Jahres starb der Diktator schließlich, und zwei Tage darauf wurde Juan Car­los zum König Spaniens gekrönt. Durch diese historischen Geschehnisse gingen im ganzen Land große Veränderungen vonstatten, so dass sich ab 1974 auch der Kampf für den Erhalt der Asturianischen Sprache verstärkte und eine pro-asturianische Bewegung, das soge- nannte surdimientu, aufkam.[3]

Teil dieser Bewegung war auch eine Gruppe junger Intellektueller namens Conceyu Bable, die sich für die Revitalisierung des Asturianischen einsetzte. Diese Gruppe zog im Juli 1974 mit ihrem dreiseitigen Bericht ,Hablemos en bable’ in der Zeitung Asturias Se- manal zum ersten Mal öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Darin wurde das Asturiani- sche nicht nur als eigenständige Sprache dargestellt, sondern diese als ein Kulturgut be­zeichnet, das es zu schützen galt (San Martín Antuna 2004, 41). Darüber hinaus kamen auch hier wieder die Forderungen nach Wiedereinführung der traditionellen Ortsnamen, Asturianischunterricht und einer würdigen Medienpräsenz zum Ausdruck (San Martín An- tuna 2004, 43). Doch diese Bewegung zog auch negative Reaktionen nach sich, beispiels­weise in Form des drei Wochen später in Asturias Semanal erschienenen Antwortschrei­bens, in dem nicht nur Ablehnung gegenüber dem Conceyu Bable geäußert wurde, sondern dieses gar ins Lächerliche gezogen wurde (Bauske 1995, 50). Nichtsdestotrotz erhielt die Gruppe eine regelmäßige Rubrik Conceyu Babie - por el grupo C. B. in Asturias Semanai. Diese Seiten enthielten den Aufruf an alle Asturianer, selbst Beiträge auf Asturianisch zu schreiben. Zudem gab es Vorschläge zum Asturianischunterricht, Literaturwettbewerbe, Diskussionsrunden und regelmäßig erscheinende Listen asturianischer Vokabeln und tradi­tioneller Ortsnamen (García Arias 2002, 18; Bauske 1995, 56). Über ein Jahrzehnt hinweg setzte sich die Gruppe für die Asturianische Sprache ein, und dieser Einfluss sollte erst mit der Gründung der Academia de ia Liingua Asturiana langsam enden.

Der Kampf für das Asturianische war mit dem Conceyu Babie zu neuem Leben erweckt worden. Auf der vom 11. bis 13. Dezember 1975 stattfindenden IIAsambiea dei Babie wurde erneut zur Einführung von Asturianischunterricht aufgerufen und auch kon­krete Vorschläge für die Grundschule gegeben. Im August 1976 veröffentlichte das Con­ceyu Babie eine Gramática Babie mit ersten Ansätzen zur Normierung, zwei Jahre später folgten dann die Normes Orthográfiques dei Babie (Bauske 1995, 99f, 107). Parallel zu diesen Bewegungen gab es auch politische Veränderungen in der jungen spanischen De­mokratie. Am 29. Dezember 1978 wurde die Verfassung des Königreichs Spanien verab­schiedet, welche die Möglichkeit der Kooffizialität regionaler Sprachen bietet. Am 27. September 1978 erhielt das Fürstentum Asturien den Vorautonomiestatus. Nur ein Jahr darauf erschien Asturias - Primera encuesta regionai, die die positive Einstellung gegen­über dem Asturianischen aufzeigte, welche auch Fragen zum Asturianischen beinhaltet (SADEI 1979, 51). Die verhältnismäßig hohen Anteile an Enthaltungen zu diesen Fragen zeigte jedoch das noch geringe sprachpolitische Interesse der Asturianer (Bauske 1995, 11).

Im Jahre 1980 wurde die Academia de ia Liingua Asturiana gegründet. Sie agiert bis heute als offizielle, aber unabhängige Einheit des Fürstentums Asturien. Die Mitglieder der Academia de ia Liingua Asturiana setzen sich insbesondere für die Normierung der Asturianischen Sprache ein und veröffentlichten in diesem Sinne 1981 die Normes orthográfiques. Im Jahre 1998 sollte dem die Gramática de ia iiingua asturiana und im Jahre 2000 das Diccionariu de ia iiingua asturiana folgen. Des Weiteren setzte und setzt sich die Academia de ia Liingua Asturiana intensiv für die Förderung asturianischsprachi- ger Literatur, die Ausbildung von Lehrkräften für das Fach Asturianisch, die Forschung sowohl im linguistischen wie auch im soziolinguistischen Bereich und die Wiedereinfüh­rung der traditionellen Ortsnamen in Asturien ein (García Arias 2002, 19). 1984 trat die Academia de ia Liingua Asturiana der Association international pour ia défense des ian- gues et cultures menacées (AIDLCM) bei, welche 1987 ihren internationalen Kongress in Oviedo feiern sollte (Andrés Díaz 2002b, 89). Als Präsident der Akademie wurde José Luis García Arias gewählt, der bis dato Präsident des Conceyu Bable gewesen war, nun aber von diesem Posten zurücktrat (Bauske 1995, 127). Dies minderte den seit 1977 ohne­hin bereits geschwächten Einfluss des Conceyu Bable weiter und obwohl García Arias noch betonte, das Conceyu Bable hätte trotzdem weiterhin seine Aufgaben (Bauske 1995, 130), ersetzte die Academia de la Llingua Asturiana dieses schließlich.

Am 30. Dezember 1982 unterschrieb König Juan Carlos das endgültige Autonomiestatut Asturiens, das Estatuto de Autonomía del Principado de Asturias. Für die pro-asturianische Bewegung war dies von sehr großer Bedeutung, da Artikel 4 dieses Sta­tuts einen offiziellen Charakter des Asturianischen ermöglicht. Genaueres sollte, so Artikel 4 Absatz 2 des Statuts, in einem gesonderten Gesetzt geregelt werden.

Einen weiteren Erfolg durfte die pro-asturianische Bewegung im Jahre 1984 feiern, in dem ein bedeutender Schritt bezüglich der Hauptziele der pro-asturianischen Bewegung gegangen wurde. Im Schuljahr 1984/85 wurde zum ersten Mal Asturianischunterricht an einigen Pilotschulen im Fürstentum eingeführt. Im darauf folgenden Jahr sollte Asturia- nisch erstmals als Wahlfach an der Universität Oviedo angeboten werden.

Im Herbst 1984 erschien außerdem die Segunda encuesta regional, welche ähnlich zur sechs Jahre zuvor erschienenen ersten regionalen Umfrage aufgebaut war und somit Rückschlüsse zu den Entwicklungen des Asturianischen zuließ (Bauske 1995, 138f). Es fiel zunächst auf, dass sich das sprachpolitische Interesse - wohl durch den Einfluss der pro-asturianischen Bewegung - deutlich erhöht hat (Bauske 1995, 144). So ist die Zahl derer, die bereit waren, Asturianisch zu lernen, um 11,4 Prozent auf 27,0 Prozent gestie­gen, während die Zahl der Enthaltungen um fast zwei Drittel gesunken ist (SADEI 1984, 62; Bauske 1995, 144).

Im Jahre 1985 wurde in Anlehnung an die namensgleichen Organisationen anderer Autonomer Regionen mit eigener Sprache (Andrés Díaz 2002b, 87) das Oficina de Política Llingüistica gegründet.[4] Bis heute existiert dieses als offizielle Einheit der asturianischen Regierung, wurde aber im Laufe der Jahre wiederholt umbenannt und hieß neben Oficina de Política Llingüistica auch Serviciu de Política Llingüistica (García Arias 2002, 20) oder Serviciu de Ensenanza Llingüistica (Andrés Díaz 2002b, 87). Es sollte insbesondere für die Normalisierung des Asturianischen zuständig sein, während sich die bereits bestehende Academia de la Llingua Asturiana weiterhin um die Normierung kümmern sollte. So sorg­te es für die Planung konkreter Maßnahmen zur Förderung, zum Schutz und zur Werbung des Asturianischen und kontrollierte den Normalisierungsprozess (Xunta pola Defensa de la Llingua Asturiana 1996, 62). Es folgte dabei den drei Hauptzielen der pro-asturianischen Bewegung des allgemeinen Asturianischunterrichts, der adäquaten Medienpräsenz und der Berichtigung der Ortsnamen (García Arias 2002, 29).

Pedro de Silva, der von 1984 bis 1986 Regierungschef des Fürstentums Asturien war, fasste die pro-asturianische Bewegung auf der literarischen Veranstaltung V Dia de les Lletres Asturianes im Jahre 1984 folgendermaßen zusammen:

„Nel llabor de recuperación de la nuestra llingua, caún tien una estaya distinta. La que currespuende [sic.] al Gobiernu ye alendar lo que quier la xente... Alendar, non imponer. A los muérganos de la sociedá, pol su llau, facer espoxigar una concencia favoratible al emplegu del asturianu. A l’Academia de la Llingua Asturiana, el llabor d’aclaramientu y normalización de la nuestra llingua y les sos distintes variantes. Ye perimportante que’n tol procesu ca ún tea nel so sitiu.” (Bauske 1995, 208; Hervorhebung im Original)

Es sei also von äußerster Wichtigkeit gewesen, dass sowohl die Regierung als auch die nichtstaatlichen Organisationen bei der Rekuperation des Asturianischen den jeweils ihnen zukommenden Platz einnähmen (Bauske 1995, 208).

3.2 Gegner und Probleme der pro-asturianischen Bewegung

Die pro-asturianische Bewegung, die während des Übergangs von der Diktatur zur Demo­kratie einen sehr vielversprechenden Anfang genommen hatte, traf aber auch auf diverse Gegner und Hindernisse im Kampf um die offizielle Anerkennung der Asturianischen Sprache. Dazu zählten auch interne Konflikte, welche die Effektivität ihrer Arbeit stark einschränkten.

So kam mit der Gründung des Oficina de Política Llingrnstica eine Rivalität zwi­schen diesem und der bereits bestehenden Academia de la Llingua Asturiana auf. Bereits während der Planung zur Gründung des Oficina de Política Llingrnstica kritisierte der da­malige Präsident der Academia de la Llingua Asturiana, dass dieses eine Konkurrenz zur Akademie darstelle, und wertete es als politischen Schachzug der Regierung, um die Rech­te der Akademie zu beschneiden (Bauske 1995, 210).

[...]


[1] Council of Europe 2002, <http://www.coe.int/t/dg4/education/minlang/Report/PeriodicalReports/SpainPR1_es.pdf>, 16f.

[2] Andrés Díaz 2002c, <http://webs.uvigo.es/ssl/actas2002/04/06.%20Ramon%20de%20Andres.pdf>, 887.

[3] Andrés Díaz 2002c, <http://webs.uvigo.es/ssl/actas2002/04/06.%20Ramon%20de%20Andres.pdf>, 888.

[4] Andrés Díaz 2002c, <http://webs.uvigo.es/ssl/actas2002/04/06.%20Ramon%20de%20Andres.pdf>, 888.

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Die „asturische Sprache“ - Anspruch und Wirklichkeit
Hochschule
Westfälische Wilhelms-Universität Münster  (Romanisches Seminar)
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
47
Katalognummer
V166026
ISBN (eBook)
9783640818143
ISBN (Buch)
9783640821501
Dateigröße
592 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spanisch, Asturische Sprache, Linguistik
Arbeit zitieren
Sarah Nadjafi (Autor:in), 2010, Die „asturische Sprache“ - Anspruch und Wirklichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166026

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